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regelmäßig unter dem Schlagwort »restriktiver Täterbegriff« verstanden wird. Es
wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch deutlich werden, dass die ganz herrschende Lehre sich heute in ihren Ergebnissen deutlich von einem im ursprünglichen Sinne restriktiven, strikt tatbestandsbezogenen Täterbegriff ebenso entfernt hat wie von einer Täterschaftskonstruktion, die nur das Begehen der Straftat
als Täterschaft auffasst. Bereits aus diesem Grunde war es aus meiner Sicht erforderlich, die gesetzlich vorgesehene Begrenzung der täterschaftlichen Strafbarkeit auf das Begehen der Tat ausdrücklich hervorzuheben. Allerdings sollen diese
Gedanken noch für einen Moment zurückgestellt werden. Im Folgenden ist vielmehr nun ausführlich zu untersuchen, welche Anforderungen im Hinblick auf die
gesetzliche Terminologie vom »Begehen der Straftat« an die täterschaftliche
Strafbarkeit zu stellen sind.
II. Täterschaft als Begehung der Straftat
Erster und unabdingbarer Schritt bei der Entwicklung einer allgemeinen Mittäterschaftskonzeption, auf deren Grundlage dann auch die im Rahmen dieser Arbeit untersuchte Fallgruppe zufriedenstellend gelöst werden kann, muss die Auslegung der gesetzlichen Regelung nach allgemeinen Kriterien sein. Diese Auslegung soll hier zunächst möglichst unvoreingenommen geschehen, das bedeutet so
weit wie möglich unabhängig von den die Diskussion prägenden Begriffen, insbesondere dem Begriff »Tatherrschaft«. Gleichwohl wird auf diese Begriffe bzw.
auf die damit zusammenhängenden sachlichen Aspekte im Rahmen der teleologischen Auslegung natürlich zurückzukommen sein.
1. Das Begehen der Straftat im Sinne des § 25
Im Hinblick auf die soeben vertiefend herausgearbeitete Bedeutung des Begriffes
»Begehen der Tat« soll sich die bevorstehende Ausarbeitung einer Mittäterschaftskonzeption strikt an diesem Begriff orientieren. Sinnvoll erscheint es, zunächst das Begehen der Straftat allgemein zu untersuchen, um anschließend auf
der Grundlage der hierbei gefundenen Ergebnisse zu ermitteln, welche zusätzlichen bzw. ergänzenden Voraussetzungen an eine Begehung durch mehrere gemeinschaftlich zu knüpfen sind.
a) Grammatikalische Auslegung
Bei der Wortlautauslegung ist nach der Bedeutung eines Begriffes im allgemeinen
Sprachgebrauch bzw., sofern ein solcher vorhanden ist, im besonderen Sprachge-
118
brauch des Gesetzes zu fragen.362 Insoweit ist zunächst hinsichtlich des Begriffes
»Begehen« festzustellen, dass dieser in seiner hier relevanten Bedeutung363 der
Rechtssprache entstammt und inzwischen in mehr oder weniger präziser Form
Bestandteil der Alltagssprache geworden ist. So finden sich im Duden die Formulierung: »tun (was nicht gut, richtig ist): ein Verbrechen begehen.«364. Es handelt sich also um einen Begriff, der auch nach dem alltäglichen Verständnis in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwirklichung von Straftaten steht. Ein
weiteres Synonym für »ein Verbrechen begehen« wäre etwa »ein Verbrechen ver-
üben«. Mithin kann man unter dem Begriff »Begehen« hier also schlicht ein Tun
in einem bestimmten Zusammenhang, nämlich bezogen auf eine strafbare Handlung verstehen. Ein solches Verständnis zugrunde gelegt, wird deutlich, dass der
Begriff »Begehen« nicht sinnvoll ohne die Begriffe »Tat« bzw. »Straftat« oder
»rechtswidrige Tat« verstanden werden kann. Ein Verhalten wird zu einem Begehen, weil bzw. wenn es sich als Straftat darstellt. Die Formulierung, »jemand begeht einen Diebstahl« ist in der Alltagssprache nicht unüblich. Zusammenfassend
lässt sich also sagen, dass der Begriff »Begehen« ein auch in der Alltagssprache
geläufiges Synonym für ein Tun bzw. ein Verhalten ist, das als Straftat anzusehen
ist. Auch der Gesetzgeber geht offenbar von einer Geläufigkeit des Begriffs »Begehen« aus, da er darauf verzichtet, diesen in § 11 zu definieren. Wenn der Begriff
»Begehen der Straftat« in Abgrenzung zu den Begriffen »Bestimmen« bzw. »Hilfeleisten« verwendet wird, so entspricht auch diese Unterscheidung der Beteiligungsformen sicher dem Rechtsverständnis der Allgemeinheit.365 Doch wäre es
kaum akzeptabel, würde das Gesetz in einem zentralen Bereich wie der Regelung
der Täterschaft alleine auf ein allgemeines Sprachverständnis abstellen. Vielmehr
muss ermittelt werden, welches Verständnis des Begriffs »Begehen« bzw. »Begehen der Straftat« dem Gesetz über die Wortlautinterpretation hinaus zu entnehmen ist und welche dogmatischen Konsequenzen sich hieraus für das Verständnis
von Täterschaft ergeben. Der Wortlaut kann hier, angesichts des dargelegten Charakters als Begriff des allgemeinen Sprachgebrauchs, im Hinblick auf solche dogmatischen Differenzierungen wenige Erkenntnisse bieten. Gleichwohl muss er,
allgemeinen Grundsätzen366 folgend, die Grenzen setzen, in deren Rahmen sich
eine an anderen Kriterien orientierende Auslegung nur vollziehen kann.
362 Larenz / Canaris Methodenlehre S. 141.
363 Ersichtlich meint das Gesetz hier nicht etwa das »Begehen« eines Hauses oder einer Feier,
so dass diese sprachlich ebenfalls in Betracht kommenden Wortbedeutungen außer
Betracht bleiben können.
364 Duden Bedeutungswörterbuch S. 121.
365 Vgl. zu diesem und seiner Bedeutung Schäfer in Nierderschriften Bd. 2 S. 75 und 78.
366 Vgl. Larenz / Canaris S. 143
119
b) Systematische Auslegung
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Begriff »Begehen« vom Gesetz
stets in Verbindung mit den Begriffen »Tat«, »rechtswidrige Tat« oder »Straftat«
verwendet wird. Es wurde soeben auch bereits dargelegt, dass diese Verbindung
sich im Grunde zwingend aus dem Wortsinn des Begriffs »Begehen« ergibt. Es
ist jedoch festzuhalten, dass das Gesetz verschiedene Bezugsobjekte der Begehung kennt. In den meisten Vorschriften ist die Rede von »Begehen der Tat«, so
beispielsweise in den §§ 1, 2 Abs. 2, 8, 16 Abs. 1 und 2, 32 Abs. 1. Demgegenüber
ist in den §§ 26, 27 das Bezugsobjekt der Begehung die »rechtswidrige Tat«. Dieser Begriff ist seinerseits in § 11 Abs. 1 Nr. 5 definiert als »nur eine solche [Tat],
die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht;«. Schließlich findet sich in
§ 25 die Begehung in Bezug auf eine »Straftat«. Diese Verknüpfung findet sich
ebenso etwa in § 53 Abs. 1. Diese unterschiedlichen Termini sollen vorab geklärt
werden. Während die »Straftat« stets eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und
schuldhafte Handlung ist, erfordert die »rechtswidrige Tat« keine Schuldhaftigkeit des Handelns, und »die Tat« beschränkt sich allein auf das tatbestandsmäßige
Handeln ohne Rücksicht auf Rechtswidrigkeit und Schuld.367 Eine solche Verwendung dieser Begriffe liegt dem Gesetz zugrunde368, wenngleich etwa eine entsprechende Legaldefinition der »Straftat« nach heftiger Kritik369 nicht Bestandteil des Gesetzes wurde.370 Im vorliegenden Zusammenhang ist eine derartige
Differenzierung auch durchaus sachgerecht, denn eine Bestrafung als Täter setzt
selbstverständlich stets ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes
Verhalten voraus. Es kann aber zunächst festgehalten werden, dass der Begriff
»Begehen« im Sinne des StGB stets und unabdingbar an eine Tat, also an ein den
Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllendes Verhalten geknüpft ist. Damit geht die
sich aus § 1 ergebende Erkenntnis einher, dass nicht tatbestandsmäßiges Verhalten stets straffrei bleiben muss.371 Der Tatbestand hat demnach eine Bestimmungsfunktion, d.h. durch seine Umschreibungen wird bestimmt, welches Verhalten strafbar ist.372 Dies führt wiederum zu der unabweisbaren Erkenntnis, dass
der Täterschaftsbegriff des StGB ein streng tatbestandsbezogener sein muss.373
Dies ergäbe sich nach dem soeben Gesagten zwar wohl bereits aus § 1/Art. 103
Abs. 2 GG, wird aber durch die Bestimmung der Begehung der Straftat als zentralem Merkmal jeder Täterschaftsform in § 25 erneut verdeutlicht. Gleicherma-
ßen bestätigt die soeben vorgenommene Auslegung des § 25 die Ablehnung einer
subjektiven Täterschaftslehre.374 Die Tat, der gesetzliche Tatbestand, beinhaltet
367 LK – Gribbohm § 11 Rn. 81.
368 A.a.o. Rn. 83.
369 Etwa Stratenwerth ZStW Bd. 76 (1964), 669 (682 ff.).
370 Dazu LK – Gribbohm § 11 Rn. 81, 82.
371 Vgl. Lk – Gribbohm § 1 Rn. 11.
372 Tröndle / Fischer Vor § 13 Rn. 6.
373 Vgl. oben A. II. 4. c) (4) (b) sowie Rudolphi Bockelmann FS S. 369.
374 S. bereits A. I. 1. a) (1).
120
regelmäßig äußere, objektive Elemente. Dann kann aber die Frage, ob eine solche
Tat begangen wurde, nicht alleine anhand von subjektiven Kriterien entschieden
werden. Auf diese Konsequenz muss ausdrücklich hingewiesen werden, da sie
nicht nur gegen die Dolustheorie spricht, die in ihrer ursprünglichen Form heute
wohl nicht mehr vertreten wird. Vielmehr wurde bereits gezeigt, dass eine Reihe
von anderen Täterschaftslehren, jedenfalls soweit die hier untersuchte Fallgruppe
betroffen ist, mehr oder weniger ausdrücklich, aber jedenfalls in der Sache, ausschließlich nach subjektiven Kriterien abgrenzen. Die bereits ausgeführte Ablehnung dieser Auffassungen wird durch die soeben vorgenommene Analyse des
§ 25 erneut und mit Nachdruck bestätigt.
Weiterhin ergibt sich aus der Untersuchung des systematischen Zusammenhangs mit den §§ 26, 27, dass die Begehung der Tat vom Bestimmen bzw. Hilfeleisten hierzu abzugrenzen ist. Nach der hier vertretenen Auffassung kann hieraus
ferner geschlossen werden, dass eine Mittäterschaft nicht durch Vorbereitungshandlungen begründet werden kann.375 Ebenfalls ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang zur Regelung in § 16, dass die Begehung der Tat indifferent bezüglich des Vorsatzes ist, denn § 16 spricht von der Kenntnis von Umständen »bei Begehung der Tat«, mithin liegt eine solche Tatbegehung unabhängig
von einer entsprechenden Kenntnis vor. Auch die §§ 26, 27 sprechen von einer
»vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat«. Die »begangene Tat« ist also
Bezugspunkt des Tatbestandsvorsatzes. Der Vorsatz muss die Tatbegehung zwar
von ihrem Beginn an bis zur Vollendung begleiten, kann aber gleichwohl lediglich im Wege des Rückblicks anhand der konkret und volltändig begangenen Tat
festgestellt werden.376 Insofern kann also das Begehen der Tat als objektives Element der Täterschaft aufgefasst werden. Hieran ändert sich auch dadurch nichts,
dass § 25 von der Begehung einer Straftat spricht, die als solche vorsätzliches
Handeln voraussetzt, soweit ein Vorsatzdelikt betroffen ist.377 Es ist also festzuhalten, dass das Begehen der Tat, als gegenüber Vorsatz, Rechtswidrigkeit und
Schuld indifferentes Element , bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die zentrale Rolle spielen muss. Die Elemente Vorsatz, Rechtswidrigkeit
und Schuld, die dann eine begangene Tat zur Straftat machen, sind hierfür nicht
geeignet, da sie beim Teilnehmer ebenfalls vorliegen müssen. Vielmehr ist es die
Begehung der Tat bzw. die begangene Tat, welche die Täterschaft begründet und
sie von der Teilnahme abgrenzt. Auf die begangene Tat bezogen können sich Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld erst konkretisieren. Das Begehen der Tat ist
somit sozusagen der »Nukleus der Täterschaft«. Zugleich handelt es sich hierbei
um dasjenige Merkmal, dessen Voraussetzungen Gegenstand dieser Untersuchung sind. Im Folgenden wird der Begriff »Begehen der Tat« als Merkmal der
Täterschaft bezeichnet, wenngleich täterschaftliche Strafbarkeit natürlich stets
eine Straftat, also eine vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangene Tat
voraussetzt. Aber durch die Bezugnahme auf die Straftat in § 25 wird eben nicht
375 A. II. 4. c) (4).
376 S. oben A. VIII. 4. d).
377 Zur Anwendung von § 25 auf Fahrlässigkeitsdelikte s. unten C. IV. 4. d).
121
die Tat als grundsätzliches Bezugsobjekt der Begehung beseitigt. Es wird nur
klargestellt, dass neben der Begehung der Tat noch die weiteren Merkmale vorhanden sein müssen, um eine Strafbarkeit »als Täter« zu begründen. Verkürzt formuliert: Wer die Tat begeht, ist Täter, wer sie vorsätzlich, rechtswidrig und
schuldhaft begeht ist als Täter strafbar, sozusagen »Straftäter«.
Dies spricht erneut für die Ablehnung der Auffassung von Schild, wonach
Täterschaft primär als »Umsetzung eines Handlungsprogramms« aufzufassen
sein soll.378 Die Tat, deren vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Begehung
dazu führt, dass der Handelnde als Täter bestraft wird, setzt kein solches Handlungsprogramm voraus. Sie muss vielmehr als bloß äußere Verwirklichung eines
in einem Straftatbestand umschriebenen Geschehens verstanden werden.
c) Zwischenergebnis zur grammatikalischen und systematischen Auslegung:
Der Begriff »Begehen« beschreibt seinem Wortlaut nach nichts anderes als ein
Tun bzw. ein Verhalten, das als Verwirklichung einer Straftat angesehen wird.
Folgerichtig spricht das Gesetz vom Begehen stets in Verbindung mit »der Tat«,
sei es als solche, sei es als »rechtswidrige Tat« oder als »Straftat«. Unter der Tat
ist ein der Beschreibung eines Deliktstatbestandes entsprechendes Verhalten bzw.
Geschehen zu verstehen. Insoweit ist die Tat bzw. ihre Begehung zunächst ein objektives Merkmal der Täterschaft, da sie im Hinblick auf Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld indifferent ist. Die Tat ist Bezugsobjekt dieser Merkmale und somit logisch auch ohne sie denkbar. Liegen sämtliche Merkmale, also Vorsatz,
Rechtswidrigkeit und Schuld vor, so wird die Tat zur Straftat. Derjenige, der diese
Straftat begangen hat, wird als Täter bestraft. Darüber hinaus ergibt sich aus
Wortlaut und Gesetzessystematik nach der hier vertretenen Auffassung, dass eine
Mittäterschaft durch Vorbereitungshandlungen ausgeschlossen ist.
d) Die sog. »historische Auslegung«
Nachdem der sog. »Einheitstäterbegriff« im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens
noch sehr kontrovers diskutiert worden war379, fand er im heute geltenden Gesetz
keinen Niederschlag und wurde auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich
abgelehnt.380 Auf diese Kontroverse braucht somit hier nicht weiter eingegangen
zu werden. Auch liegt dem Gesetz ausweislich der Begründung ein sog. »primärer Täterbegriff« zugrunde, d.h. dass Teilnahme immer nur dann vorliegen kann,
wenn keine Täterschaft anzunehmen ist.381 Der hier untersuchte Begriff »Bege-
378 Bereits oben A. VIII. 4.
379 Niederschriften Bd. 2 S. 67 ff.
380 BT – Drucks IV/650 S. 147.
381 BT – Drucks IV/650 S. 149.
122
hen« sei gegenüber dem in § 47 a.F. enthaltenen Begriff »Ausführen« vorgezogen
worden, da letzterer Begriff auf ein Erfordernis der Eigenhändigkeit hindeute,
was im Hinblick auf die Anerkennung der mittelbaren Täterschaft als bedenklich
angesehen wurde.382 Darüber hinaus ergäben sich im Vergleich zu § 47 a.F. keinerlei sachliche Neuerungen.383 Soweit die hier vor allem relevante Frage des Wesens der Täterschaft betroffen ist, nimmt die Gesetzesbegründung ausdrücklich
Bezug auf die Tatherrschaftslehre, wenn es heißt, Täter einer vorsätzlichen Tat
sei, »wer die Begehung der Tat samt ihrem Ablauf beherrscht, Teilnehmer, wer
sich der Tatherrschaft des Täters unterordnet.«384. Da zur Tatherrschaft neben einem bloßen »Beherrschen-Wollen« auch ein »Beherrschen–Können« gehöre, genüge ein bloßes eigenes Interesse am Erfolg der Tat nicht zur Begründung von Täterschaft. Es heißt in der Gesetzesbegründung: »Ein wesentlicher Anhaltspunkt
für die Täterschaft ist vielmehr, wie weit der Beteiligte den Geschehensablauf
selbst in der Hand hat, mag er dabei selbst unmittelbar zugreifen oder mit anderen
zusammenwirken oder sich eines anderen als bloßen Werkzeugs bedienen, so dass
Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen.«385. Gleichzeitig sei jedoch ausdrücklich auf eine gesetzliche Festlegung des
Tatherrschaftsbegriffs verzichtet worden, »um einer weiteren Entwicklung in
Rechtsprechung und Rechtslehre nicht vorzugreifen.«386. Außerdem würden Anhaltspunkte für eine Auslegung durch die Begriffsbestimmungen in den Beteiligungsvorschriften geboten, wodurch die Beteiligungsformen einen »klareren
Umriss« erhielten.387 Vor diesem Hintergrund muss die ausdrückliche Bezugnahme auf die Tatherrschaftslehre bzw. den Tatherrschaftsbegriff wohl vor allem
als Ablehnung einer rein subjektiven Täterschaftslehre im Sinne der Dolustheorie
verstanden werden. Auch dies war im Gesetzgebungsverfahren alles andere als
unumstritten. So war etwa Schäfer der Auffassung, dass die Tatherrschaftslehre
in den Ergebnissen praktisch nicht von dem abweiche, was die Rechtsprechung
im Wege der subjektiven Theorie stets erreicht habe.388 Letztere gebe nach Schäfer »eine praktikable Weisung für sachgemäße und gerechte Ergebnisse« ab.389
Schwalm dagegen lehnte die Animus-Formel der Rechtsprechung ab. Er sah in ihr
eine »Tarnung für die richterliche Wertung aufgrund einer Ganzheitsbetrachtung«.390 Daher beurteilte Schwalm die Verwendung des Begriffs »Tatherrschaft«
durch den Bundesgerichtshof lediglich als sachlich kaum weiterführende Vertauschung der Begriffe. Aufgrund seiner Einschätzung, dass das zentrale Problem
der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe durch einen wie auch immer formulierten materiell-objektiven Täterbegriff niemals umfassend geklärt werden
382 Niederschriften Bd. 2 S. 92.
383 BT – Drucks IV/650 S. 149.
384 BT – Drucks IV/650 S. 147.
385 BT – Drucks IV/650 S. 147.
386 BT – Drucks IV/650 S. 148.
387 BT – Drucks IV/650 S. 148.
388 Niederschriften Bd. 2 S. 85.
389 A.a.o.
390 Niederschriften Bd. 2 S. 89.
123
könne, erwog Schwalm eine Rückkehr zur »objektiven Teilnahmetheorie in der
formal-objektiven Form«, da letztlich die Ausführungshandlung eine hinreichende Unterscheidungsmöglichkeit böte.391 Hiergegen wurde wiederum von
Baldus angeführt, dass eine formal-objektive Abgrenzung gerade in Fällen der
Arbeitsteilung den tatsächlichen Gegebenheiten oft nicht gerecht werden könne
und dass sie zudem bei den Fällen des Bandenchefs versagen würde, der stets als
zumindest mittelbarer Täter anzusehen sei.392 Letztgenannter Auffassung hat sich
offenbar der Gesetzgeber angeschlossen, wenn es in der Gesetzesbegründung
heißt: »Es kommt hierbei nicht darauf an, in welchem Umfang der einzelne Tatbeteiligte am äußeren Tatgeschehen mitgewirkt oder zum Taterfolg beigetragen
hat. Ein Mittäter braucht daher in eigener Person kein Tatbestandsmerkmal zu
verwirklichen. Er kann auch bloße Vorbereitungs- oder Beihilfehandlungen vornehmen.«.393
Es wird deutlich, dass die hier vertretene Auffassung von derjenigen des
Reformgesetzgebers, jedenfalls soweit der Problemkreis »Mittäterschaft durch
Vorbereitungshandlungen« betroffen ist, abweicht. Dies spricht indes nicht zwingend gegen die hier entwickelte Auffassung. Zum einen ist bei der Auslegung
anhand von Gesetzesmaterialien stets der historische Zusammenhang, insbesondere der jeweilige Stand von Rechtsprechung und Lehre zu berücksichtigen.394
Die Möglichkeit einer Mittäterschaft durch Vorbereitungshandlungen war zum
damaligen Zeitpunkt in der Rechtsprechung absolut unangefochten. Man muss
wohl davon ausgehen, dass dem Gesetzgeber daran gelegen war, die ausdrückliche Anerkennung der Tatherrschaftslehre möge nicht dahingehend verstanden
werden, dass die bisherigen Ergebnisse der Rechtsprechung in Zukunft nicht
mehr haltbar seien. Inzwischen ist die sog. »enge Tatherrschaftslehre«395, die
bezüglich der Mittäterschaft durch Vorbereitungshandlungen im Ergebnis mit der
hier vertretenen Auffassung übereinstimmt, im Schrifttum stark vertreten. Ihre
Ergebnisse können nicht durch einen bloßen Verweis auf die Gesetzesbegründung
für unzulässig erklärt werden. Darüber hinaus ist die Maßgeblichkeit einer historischen Auslegung ohnehin einzuschränken. Denn bei der Auslegung kann und
soll zwar von den historischen Zwecksetzungen ausgegangen werden, jedoch
sind diese zugleich kritisch zu evaluieren und in ihren Konsequenzen weiterzuentwickeln.396 Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen in
der Gesetzesbegründung an der fraglichen Stelle nicht frei von Widersprüchen
sind. So heißt es in dem bereits angeführten Zitat, dass Mittäter auch sein könne,
wer Beihilfehandlungen vornehme, so lange »er sich zur gemeinschaftlichen Tatbegehung mit anderen verbunden hat und den Tatbeitrag, den er innerhalb des
Tatplanes übernommen hat, als Teil der gemeinsam zu verwirklichenden Gesamt-
391 Niederschriften Bd. 2 S. 91.
392 Niederschriften Bd. 2 S. 94.
393 BT – Drucks IV/650 S. 149 f.
394 Larenz / Canaris S. 151.
395 S. oben A. II. 4. c) (3).
396 Larenz / Canaris S. 153.
124
tat leistet, deren Durchführung und Ausgang er hierdurch mitbeherrscht.«397.
Wenn aber die Tatherrschaft grundsätzlich den Täter vom Teilnehmer abgrenzen
soll, wie dies auch in der Gesetzesbegründung formuliert wird, dann ist nicht
ersichtlich, wie eine Beherrschung der Tat durch »Beihilfehandlungen« möglich
sein soll. Die ausdrückliche Anerkennung der Möglichkeit von Mittäterschaft
durch Vorbereitungshandlungen in der Gesetzesbegründung vermag also die hier
im Wege der grammatikalischen bzw. systematischen Auslegung entwickelte,
gegenteilige Auffassung nicht zu erschüttern.
e) Zwischenergebnis zur historischen Auslegung:
Der historische Gesetzgeber lehnt ausdrücklich den Einheitstäterbegriff ab und
geht davon aus, dass den §§ 25 ff. ein sog. »primärer Täterbegriff« zugrunde liegt.
Für die hier angestrebte Entwicklung eines (Mit-) Täterschaftsbegriffs hat die
historische Auslegung allerdings nur begrenzten Erkenntniswert. Der Gesetzgeber verstand die Regelung des § 25 als Abkehr von der subjektiven Theorie und
als Hinwendung zur Tatherrschaftslehre. Gleichwohl verzichtetet er darauf, den
Begriff »Tatherrschaft« näher zu definieren. Soweit die Mittäterschaft betroffen
ist, wies der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hin, dass eine solche auch durch
Vorbereitungshandlungen möglich sei. Gleichwohl wird an der hier entwickelten
gegenteiligen Auffassung, die im Ergebnis mit relevanten Teilen der heutigen
Rechtslehre übereinstimmt, aus den dargelegten Gründen festgehalten.
f) Teleologische Aspekte
Es ist zunächst festzustellen, dass sich aus Wortlaut, Gesetzessystematik und historischem Kontext kein abschließendes Ergebnis für die Bestimmung des Begriffs »Begehen der Tat« ergeben hat. Folglich ist eine weitere Untersuchung unter teleologischen Gesichtspunkten erforderlich. Die teleologische Auslegung
dient dem Zweck, im Rahmen der von Wortlaut und Gesetzessystematik gesetzten
Grenzen eine Norm so auszulegen, dass der ihrem Inhalt vernünftigerweise zu
entnehmende Zweck verwirklicht wird.398 Unter den bei dieser Auslegungsform
als Auslegungskriterien zu berücksichtigenden, rechtsethischen Prinzipien
kommt denjenigen eine besondere Bedeutung zu, die durch die Rechtsordnung
mit Verfassungsrang ausgestattet sind.399 In vorliegenden Zusammenhang wird
dabei neben dem besonderen Grundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG auch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip als Maßstab heranzuziehen sein.
397 BT – Drucks IV/650 S. 150.
398 Larenz / Canaris S. 312.
399 A.a.o. S. 318.
125
(1) Begehen der Tat und Tatherrschaft
Die Tatherrschaftslehre ist in der Wissenschaft heute, unbeschadet der im Einzelfall deutlich differierenden Varianten, als weitgehend herrschend zu betrachten.
Nun ergibt sich hieraus zweifellos kein Anspruch auf wissenschaftliche Richtigkeit oder dogmatische Unanfechtbarkeit.400 Da sich aber auch der Gesetzgeber
ausdrücklich auf die Tatherrschaftslehre berufen hat, freilich ohne sich zu ihrem
Inhalt zu äußern, kann und soll die Ausarbeitung einer allgemeinen Täterschaftsdogmatik nicht »an ihr vorbei« erfolgen. Vielmehr soll die sachliche Struktur der
gesetzlichen Täterschaftsregelung nunmehr in Abgrenzung zur Tatherrschaftslehre herausgearbeitet werden. Es soll also untersucht werden, in welchen Bereichen aufgrund von teleologischen, verfassungsrechtlich fundierten Erwägungen
unter Umständen eine teilweise Abkehr von der Tatherrschaftslehre bzw. den dahinter stehenden Inhalten angezeigt ist und welche alternativen dogmatischen
Konstruktionen womöglich sachgerecht sind. Der folgende Teil der Untersuchung wird deutlich machen, dass als Konsequenz aus den sogleich dezidiert herauszuarbeitenden Schwächen der Tatherrschaftslehre im Ergebnis nur eine alternative Konstruktion in Frage kommt, die dem Telos der Täterschaftsregelung gerecht wird. Zunächst soll jedoch auf die rechtshistorischen Grundlagen sowie auf
die bis heute eindringlichste und bedeutsamste Ausprägung der Tatherrschaftslehre bei Roxin eingegangen werden. Danach soll ein Aspekt hervorgehoben werden, anhand dessen sich ein nach meiner Auffassung grundlegendes Problem des
Tatherrschaftsgedankens manifestiert, nämlich die unzureichende inhaltliche
Konkretisierung der Tat als Bezugsobjekt der Tatherrschaft.
(a) Rechtshistorische Grundlagen der Tatherrschaftslehre401
Der Begriff »Tatherrschaft« taucht offenbar erstmals 1915 bei Hegler402 auf. Allerdings wird er dort nicht in seiner heute maßgeblichen Bedeutung verwendet.
Hegler versteht hierunter eher eine der Schuld vergleichbare Strafbarkeitsvoraussetzung in dem Sinne, dass der Täter »Herr« seines Handelns gewesen sein muss,
was beispielsweise bei äußerem Nötigungsdruck oder fehlender Zurechnungsfähigkeit ausscheiden soll.403 In Verbindung mit der Bestimmung von Täterschaft
taucht der Begriff erstmals bei Bruns auf. Dort heißt es: »Die Täterschaft beruht
auf der Möglichkeit der Tatherrschaft, die dem Verhalten von vorneherein innewohnen muss. Das Maß der tatsächlich ausgeübten Tatherrschaft ist bestimmend
für die Schuld.«404. Weiterhin wird formuliert: »Die Möglichkeit der Tatherrschaft in der tatbestandlich vorgeschriebenen Form umschreibt den objektiven
400 Vgl. auch Schmidhäuser Stree / Wessels-FS S. 361.
401 Dazu eingehend Roxin TuT S. 60 ff.
402 Hegler ZStW Bd. 36 (1915), 184 ff.
403 A.a.o. S. 190 ff.
404 Bruns (nach LitVerz) S. 72.
126
Zurechnungsmaßstab für Täterhandlungen.«405. In Ansätzen findet sich in derartigen Umschreibungen sicher bereits der Kern dessen, was heute unter Tatherrschaft verstanden wird. Da Bruns den Begriff »Tatherrschaft« eher beiläufig verwendet, ohne ihn präzise zu definieren, erscheint es nicht unbedingt angemessen
zu sein, ihn als Begründer der Tatherrschaftslehre anzusehen.406 Diese Bezeichnung dürfte da schon viel eher Lobe zukommen, der in der fünften Auflage des
Leipziger Kommentars wie folgt formulierte: »Das Wesentliche für die Täterschaft ist aber nicht nur das Vorliegen eines Willens des Inhaltes, die Tat als eigene zu begehen, sondern die Verwirklichung dieses Willens muß weiter auch dadurch erfolgen, daß er ausgeführt wird unter seiner Herrschaft, daß der Wille auch
die seiner Verwirklichung dienende Ausführung beherrscht und lenkt [...] Wer
Täter ist, bestimmt sich daher nach diesen beiden subjektiv-objektiven Merkmalen [...] die vom Willen ausgelöste Handlung muß in ihrer Ausführung tatsächlich
vom Willen beherrscht und gelenkt werden. Damit wird auch eine hinreichende
Abgrenzung der Teilnahme von der Täterschaft ermöglicht. Bei der Teilnahme
fehlt die Beherrschung der die Herbeiführung des Erfolges bezweckenden Ausführungshandlung [...]«407. Hier wird bereits der Charakter der Tatherrschaftslehre als materiell-objektive bzw. subjektiv-objektive Theorie auch begrifflich
deutlich herausgestellt. Gleichwohl wird die Tatherrschaftslehre in ihrer heutigen
Form häufig erst auf Welzel408 zurückgeführt. Auf der Grundlage des von ihm entwickelten finalen Handlungsbegriffs formuliert Welzel: »Finale Täterschaft ist
die umfassendste Form finaler Tatherrschaft. Der finale Täter ist Herr über seinen
Entschluß und dessen Durchführung und damit Herr über ‚seine’ Tat, die er in ihrem Dasein und Sosein zweckbewußt gestaltet.«409. Weiterhin heißt es: »Die Tat
muß wirklich objektiv das Werk des Täters sein. Der Wille, die Tat als ‚eigene’
zu begehen, setzt voraus, daß die Tat ‚wirklich’ das ‚eigene’ Werk des Täters ist
[...] Diese objektive Tatsache ist allerdings von subjektiven Kriterien abhängig,
nämlich von der finalen Tatherrschaft, die jedoch mehr ist als ‚bloß’ subjektiv.«410. Wiederum wird der gemischt subjektiv-objektive Charakter deutlich.
Ebenfalls ist erkennbar, dass die Tatherrschaftslehre in rechtshistorischer Hinsicht auch und vor allem im Gegensatz und in Abgrenzung zur damals noch herrschenden subjektiven Theorie entstanden ist. Dies wird besonders deutlich bei
Gallas411, der den Begriff der Tatherrschaft vom Standpunkt der formal-objektiven Theorie aus entwickelt. So heißt es bei ihm: »Die formal-objektive Theorie
hat also zwar im Ergebnis Recht, wenn sie die Täterschaft als Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung bestimmt und in der Tatbestandsmäßigkeit zugleich
das die Täterhandlung von der Teilnehmerhandlung unterscheidende Merkmal
405 A.a.o. S. 75.
406 So auch Roxin TuT S. 62.
407 LK R-StGB – Lobe S. 122 ff.
408 Welzel ZStW Bd. 58 (1938), 491 (537 ff.).
409 A.a.o. S. 539.
410 A.a.o. S. 542.
411 Gallas Materialien Bd. 1 S. 121 ff.; sowie ders. ZStW Sonderheft S. 1 ff.
127
sieht.«412. Sodann heißt es aber weiterführend: »Aber erst die Auffassung der
Handlung als eines finalen Akts und damit eines Inbegriffs objektiver und subjektiver Elemente vermag [...] dieses Ergebnis auch sachlich zu rechtfertigen.«413
Die Tatherrschaft als über die Tatbestandsverwirklichung im formal objektiven
Sinne hinausgehendes materielles Kriterium sei dann anzunehmen, wenn eine
Beziehung des Handelnden zum äußeren, tatbestandsmäßigen Geschehen vorliege, die es rechtfertige, den Erfolg als »das Werk« des Handelnden anzusehen.414 Umfassend und in bis heute nach wie vor maßgeblicher Weise wurden der
Begriff »Tatherrschaft« und der sachliche Inhalt des Tatherrschaftskriteriums sodann von Roxin ausgearbeitet. Man kann sicher ohne Übertreibung sagen, dass
sein Werk »Täterschaft und Tatherrschaft« für die heute in der Literatur herrschende Tatherrschaftslehre in vielerlei Hinsicht die Grundlage geliefert hat.
Deshalb soll hier auf einige von Roxin entwickelte bzw. vertiefend herausgearbeitete Aspekte näher eingegangen werden.
(b) Täter als »Zentralgestalt« des Handlungsgeschehens
Nach Roxin ist die für alle Täterschaftsformen gemeinsame, sie von der Teilnahme abgrenzende begriffliche Kennzeichnung die der »Zentralgestalt bei Verwirklichung der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung«415. Teilweise wird
auch von der »Schlüsselfigur« 416 gesprochen. In diesem Zusammenhang sind zunächst zwei Dinge evident. Zum einen kann es sich hierbei nicht um eine inhaltliche Umschreibung der Täterschaft handeln. Dies hat Roxin auch nie behauptet.417 Es geht allenfalls um eine schlagwortartige Formulierung eines »Leitprínzips«418. Dies zugrunde gelegt, ist dann zum anderen aber ebenfalls evident, dass
solche Formulierungen den bisher anhand von Wortlaut und Systematik ermittelten Charakter der Täterschaft weitgehend treffend kennzeichnen. Wie bereits dargelegt wurde, begeht nach einem allgemeinen Sprachverständnis derjenige eine
Straftat, der das die Straftat begründende Geschehen durch sein Verhalten verwirklicht. Wiederum ein allgemeines Verständnis zugrunde gelegt, ist dann weiterhin naheliegend, diese Person als »Zentralgestalt« oder »Schlüsselfigur« dieses Geschehens zu bezeichnen. Ähnliches gilt im Übrigen für den Begriff »Tatherrschaft«. Es entspricht ohne Zweifel dem allgemeinen Verständnis des Begriffes »Täter einer Straftat«, damit denjenigen zu bezeichnen, der die Tat bzw.
ihre Ausführung »beherrscht« bzw. »in den Händen hält«. Bei der unmittelbaren
Alleintäterschaft erscheint eine Berufung auf ein derartiges Leitprinzip zudem
412 Gallas ZStW Sonderheft S. 10
413 A.a.o. S. 11.
414 Gallas Materialien Bd. 1 S. 128; ders. a.a.o. S. 13.
415 Roxin AT II § 25 I Rn. 10; TuT S. 25 ff.
416 Roxin in LK § 25 Rn. 36.
417 Roxin TuT S. 25.
418 So der von Roxin gewählte Begriff in LK § 25 Rn. 36.
128
nahezu entbehrlich, denn wenn es an einem tatbestandsmäßigen Geschehen nur
einen Beteiligten gibt, ist dieser quasi per se als Zentralgestalt des Geschehens
anzusehen.419 Die Zweckmäßigkeit einer solchen Charakterisierung kann also lediglich für die Fälle der Beteiligung mehrerer geprüft werden.420 Hier bedürfen
die erwähnten Prinzipien einer näheren Differenzierung, um Ergebnisse zu erreichen, die mit Wortlaut und normativem Inhalt der gesetzlichen Regelung in Einklang stehen.
Angesichts des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit empfiehlt es sich,
vor allem einen Blick auf die Fälle möglicher Mittäterschaft zu werfen, insbesondere die hier speziell untersuchte »additive Mittäterschaft«. Bleiben wir zunächst
jedoch bei einem klassischen Fall der Mittäterschaft, der im Rahmen der folgenden Erwägungen noch häufiger von Bedeutung sein wird: Während A und B einen
Einbruchsdiebstahl begehen, steht C vor dem Gebäude »Schmiere«. Soweit der
Blick auf die § 242 ff. gerichtet wird, wären A und B ohne weiteres als »Zentralgestalten« des tatbestandsmäßigen Geschehens anzusehen. Für C ist dies hingegen weniger eindeutig. Das »Schmierestehen« ist nicht tatbestandsmäßig im Hinblick auf § 242, auch nicht in Teilen. Deshalb scheint es fragwürdig, davon zu
sprechen, auch C sei hier eine Zentralgestalt des tatbestandsmäßigen Geschehens.
Lassen wir diese Erkenntnisse bzw. die daraus resultierenden Konsequenzen noch
einen Moment dahingestellt und wenden uns dem hier untersuchten Attentats–
Fall zu. Angenommen Schütze A hat nicht nachweisbar kausal zum Tod des
Opfers beigetragen. Ist er gleichwohl »Zentralgestalt« des tatbestandsmäßigen
Geschehens? Würde man dieses mit Blick auf § 212, verkürzt formuliert, als die
vom Vorsatz umfasste, objektiv zurechenbare Verursachung des Todes verstehen,
so scheint die Frage wiederum zu verneinen zu sein, denn A hat den Tod gerade
nicht verursacht. Er wäre somit nicht nur keine Zentralgestalt eines so verstandenen tatbestandsmäßigen Geschehens, er bzw. sein Verhalten wäre vielmehr überhaupt kein Bestandteil eben dieses Geschehens. Dies gilt im Übrigen, wie bereits
erwähnt, ebenso für den »Schmieresteher«. Anhand der beiden angeführten Beispiele wird deutlich, dass der Begriff »Zentralgestalt des tatbestandsmäßigen
Geschehens« ebenso wie der Begriff »Tatherrschaft«, nicht sinnvoll zur Ermittlung konkreter Ergebnisse führen kann, wenn nicht vorab das Bezugsobjekt, mithin »das tatbestandsmäßige Geschehen« bzw. »die Tat« konkretisiert wird.421 In
diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass Roxin zunächst vom
Täter als »Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens« sprach422, während
in der Folge entweder von der »Zentragestalt des tatbestandsmäßigen Geschehens«423 oder der »Zentralgestalt bei Verwirklichung der tatbestandsmäßigen
Ausführungshandlung«424 die Rede ist. Angesichts der dargelegten maßgeblichen
419 Vgl. auch Stratenwerth / Kuhlen § 12 Rn. 2.
420 Vgl. auch Schild Täterschaft S. 6.
421 So zutreffend Feund AT § 10 Rn. 47.
422 Roxin TuT S. 25.
423 Roxin LK § 25 Rn. 36.
424 Roxin AT II § 25 I Rn. 10.
129
Bedeutung des Bezugsobjekts des Begriffes »Zentralgestalt« sind die Auswirkungen solcher terminologischer Differenzierungen nicht zu unterschätzen. Im
Attentats-Fall könnten ohne weiteres alle 20 Schützen als »Zentralgestalten eines
handlungsmäßigen Geschehens« aufgefasst werden, und zwar unabhängig von
der Kausalität ihres Beitrages, denn ein solches Geschehen kann in einem weiten
Rahmen unterschiedlich definiert werden. Insofern ist mit Blick auf § 1/Art. 103
Abs. 2 GG sicher zu begrüßen, dass in späteren Formulierungen stets das »tatbestandsmäßige Geschehen« in der einen oder anderen Form als Bezugspunkt
gewählt wurde. Es bliebe im Hinblick darauf dann weitergehend zu fragen, ob
dieses in einem streng restriktiven bzw. formal–objektiven Sinne zu verstehen ist.
Dann wären sowohl der C im Diebstahlsbeispiel als auch der nicht-kausale Schütze im Attentats–Fall an diesem tatbestandsmäßigen Geschehen objektiv nicht
beteiligt und könnten somit nur schwerlich als dessen Zentralgestalten anzusehen
sein. Für eine solche Einordnung bliebe nur dann Raum, wenn man das tatbestandsmäßige Geschehen in einem, wie auch immer näher zu konkretisierenden,
materiellen Sinne verstehen wollte. Doch können diese Überlegungen für einen
Moment insofern zurückgestellt werden, als Roxin mit dem Begriff der »Tatherrschaft« ein materielles Kriterium entwickelt bzw. herausgearbeitet hat, dessen
Anwendung ja möglicherweise die soeben aufgeworfenen Fragen beantworten
kann. Im Folgenden soll nunmehr also der Frage nachgegangen werden, wie das
Bezugsobjekt der Tatherrschaft, mithin »die Tat«, nach der Lehre von Roxin
genau verstanden wird, und inwieweit dies mit den bisher durch Auslegung ermittelten Grundsätzen der gesetzlichen Regelung in § 25 vereinbar ist. Wiederum
bietet es sich an, eine solche Untersuchung anhand der Mittäterschaft als des primären Gegenstandes dieser Arbeit durchzuführen. Es wurde bereits dargestellt,
dass sich aus § 1 grundsätzlich ergibt, dass »die Tat« im Sinne des StGB strikt auf
das tabestandsmäßige Verhalten zu begrenzen ist. Dies legt ein streng restriktives
bzw. formal-objektives Verständnis nahe, insbesondere mit Blick auf die erhebliche verfassungsrechtliche Bedeutung des § 1. Es kann aber durchaus sachgemäß
sein, für einen als Täterschaftskriterium zu formulierenden Begriff der »Tatherrschaft« von einem materiellen Tatbegriff auszugehen. Dies müsste dann normativ
teleologisch begründbar sein und sich an den Kriterien des § 1/Art. 103 Abs. 2
GG messen lassen.
(c) Die Tat als Bezugspunkt der Tatherrschaft: positive und negative
Tatherrschaft
Als weiterführend im Hinblick auf eine inhaltliche Konkretisierung des Bezugsobjekts der Tatherrschaft erweist es sich, wie die folgenden Erwägungen deutlich
machen werden, die in Verbindung mit der Mittäterschaft häufig verwendeten Begriffe der »positiven« bzw. »negativen« Tatherrschaft näher zu untersuchen.
130
(aa) Positive und negative Tatherrschaft als Ablaufs- und
Hemmungsvermögen
Die Begriffe »positive« bzw. »negative« Tatherrschaft wurden ausdrücklich von
Roxin zunächst nicht gebraucht. Er bezeichnete jedoch im Anschluss an Maurach425 den Gedanken, dass der Tatherr die Tat nach seinem Willen ablaufen lassen oder hemmen könne, als der von ihm vertretenen Auffassung entsprechend.426
Auch im Leipziger Kommentar verweist Roxin darauf, dass die Tatherrschaft des
Mittäters darauf beruhe, »daß der Plan mit dem funktionsgerechten Beitrag des
einzelnen steht oder fällt«427, was inhaltlich auf das soeben formulierte Verständnis von Tatherrschaft als Ablaufs- und Hemmungsmacht hindeutet. Neuerdings
werden die Termini »positive« und »negative« Tatherrschaft von Roxin aufgenommen, wenn auch nicht übernommen.428 Roxin weist aber ausdrücklich darauf
hin, dass eine negative Tatherrschaft bzw. Hemmungsmacht immer nur die Kehrseite der positiven Mitherrschaft sei, die wiederum darin bestehe, dass der Beteiligte einen positiven Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung leiste.429 Was lässt
sich angesichts eines solchen Verständnis der funktionellen Tatherrschaft des
Mittäters als Ablaufs- und Hemmungsmacht im Hinblick auf die Tat als Bezugsobjekt der funktionellen Tatherrschaft im Roxinschen Sinne sagen? Zunächst
muss festgestellt werden, dass bei den unterschiedlichen Formulierungen im Hinblick auf das Bezugsobjekt der positiven bzw. negativen Tatherrschaft terminologisch nicht einheitlich gearbeitet wird.430 In der ursprünglichen, auf Maurach
zurückgehenden Formulierung ist davon die Rede, Tatherrschaft setze voraus,
dass der Beteiligte »die Tat« hemmen oder ablaufen lassen könne. Hier werden
die Begrifflichkeiten des Gesetzes verwendet, das, wie gezeigt, grundsätzlich auf
das Begehen der Tat abstellt. Im Hinblick auf eine inhaltliche Konkretisierung
des Tatbegriffs führt dies zunächst nicht weiter. Bei Roxin heißt es an anderer
Stelle, die positive Tatherrschaft bzw. Ablaufsmacht, deren logische Kehrseite
sodann die negative Hemmungsmacht sei, bestehe darin, dass der Beteiligte einen
Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung leiste. Der hier verwendete Begriff »Tatbestandsverwirklichung« scheint auf ein Verständnis hinzudeuten, das der aus
§ 1/Art. 103 Abs.2 GG folgenden Tatbestandsbezogenheit der Täterschaft Raum
gibt. Konsequenterweise müsste man dann aber feststellen, dass weder der
»schmierestehende« C noch der nicht nachweisbar kausale Schütze A in den obigen Beispielen einen derart verstandenen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung
leistet. Letztere erfolgt im Diebstahlsbeispiel alleine durch die Wegnehmenden,
425 Vgl. in der aktuellen Auflage Maurach / Gössel / Zipf AT 2 § 49 Rn. 7.
426 Roxin TuT S. 280, 310 f.
427 LK – Roxin § 25 Rn. 154.
428 In der Auseinandersetzung mit der Auffassung von Diaz y Garcia in AT II § 25 III Rn.
252 ff.
429 Roxin AT II § 25 III Rn. 255; ders. a.a.o. mit ähnlicher Argumentation bezüglich des unmittelbaren Ansetzen des Mittäters § 29 V Rn. 295; sowie ders. FS – Odersky S. 492.
430 Dies wurde bereits beim Begriff der »Zentralgestalt« festgestellt.
131
im Attentats-Fall alleine durch die kausalen Schützen. Doch soll für den Augenblick offen gelassen werden, ob ein solches Verständnis des Begriffes »Tatbestand«, welches wohl als formal-objektiv bezeichnet werden könnte, tatsächlich
zwingend ist, oder ob es eine normativ teleologische Berechtigung dafür gibt, unter der Tat als Bezugsobjekt der Tatherrschaft etwas anderes zu verstehen als die
Tatbestandsverwirklichung in einem solchen Sinne. Es wird im Folgenden gezeigt werden, dass die Tatherrschaftslehre tatsächlich einen völlig anderen Bezugspunkt wählt, dessen Zulässigkeit jedoch mehr als zweifelhaft ist. Wiederum
soll, quasi stellvertretend, die Auffassung von Roxin, als führendem Vertreter der
Tatherrschaftslehre, untersucht werden.
(bb) Tatherrschaft als Tatplanherrschaft?
Von den soeben im Zusammenhang mit den Begriffen »negative« und »positive«
Tatherrschaft angesprochenen Zitaten ist nunmehr auf dasjenige zurückzukommen, welches bisher noch nicht näher untersucht wurde und aus welchem sich ein
weiterer möglicher Bezugspunkt der Tatherrschaft ergibt. Wenn es heißt, »der
Plan« müsse mit dem Beitrag des Mittäters »stehen und fallen«, so wird ein bereits in anderem Zusammenhang angesprochener Aspekt deutlich. Wenn es nämlich um die Wesentlichkeit des Tatbeitrages geht heißt es bei Roxin ebenfalls:
»Nur wenn jemand bei der Ausführung eine Funktion ausübt, von der das Gelingen des Plans abhängen kann, hat er die Mitherrschaft über das Geschehen.«431.
Bezugspunkt ist also in beiden Fällen »der Plan« bzw. dessen »Gelingen«. Nehmen wir in diesem Zusammenhang zunächst die angesprochene, sog. »negative
Tatherrschaft« oder »Hemmungsmacht« in den Blick. Hierzu führt Küper aus:
»Es liegt jedoch in der Natur dieser negativen Tatherrschaft, dass sie nicht an die
Realisierung des jeweiligen Tatbeitrages gebunden ist. Sie wächst dem Mittäter
vielmehr aufgrund der Rollenverteilung zu, die im gemeinsamen Deliktsplan getroffen wird: Diese Aufgabenkoordinierung und die hierbei übernommene Funktion verleihen dem einzelnen Genossen die Macht, das ganze Unternehmen durch
Leistungsverweigerung zu verhindern.«432. Eine so verstandene Hemmungsmacht
könnte demnach als Bezugspunkt stets nur den Tatplan bzw. die Vorstellung der
Täter haben, da ihre Feststellung ja auf der Prämisse beruht, dass der Tatplan gerade nicht realisiert wird. Diese negative Tatherrschaft wäre inhaltlich somit eine
subjektive bzw. nur unter Hinzuziehung subjektiver Kriterien begründbare Tatherrschaft. Küper verkennt dies offenbar nicht und entwickelt hieraus die Konsequenz, dass die Realisierung des übernommenen Tatbeitrages kein konstitutives Moment der Mittäterschaft sei.433 Dies führt im Ergebnis zur Entbehrlichkeit
eines objektiven Tatbeitrages bzw. einer objektiven Mittäterschaftskomponente.
Eine solche Auffassung ist den bereits dargelegten Bedenken ausgesetzt, die ge-
431 Roxin AT II § 25 III Rn. 211; ähnliche Formulierung bei Stratenwerth AT § 12 Rn. 93.
432 Küper JZ 1979, 775 (786).
433 A.a.o. S. 786.
132
gen eine rein subjektive Mittäterschaftskonstruktion bestehen.434 Sie wird im Übrigen auch, soweit ersichtlich, kaum mehr vertreten. Betrachtet man die soeben
angeführten Zitate von Roxin nun mit Blick auf diese inhaltlich zunächst scheinbar einleuchtenden Ausführungen von Küper zur negativen Tatherrschaft, so
könnte man angesichts der Bezugnahme auf »den Plan« meinen, es sei ausschließlich diese negative Tatherrschaft gemeint. Dies ist aber offenbar nicht der
Fall. Vielmehr misst Roxin der Hemmungsmacht keine eigenständige Bedeutung
bei, wenn er sie als Kehrseite der positiven Tatherrschaft auffasst. Beinhaltet
diese positive Tatherrschaft, so wie sie bei Roxin verstanden wird, die geforderte
objektive Komponente der Tatherrschaft? Einen positiven Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung im engeren Sinne, bezogen auf § 242, leistet der »Schmieresteher« ja gerade nicht. Man kann den Fall aber natürlich so konstruieren, dass
nach dem Willen der Beteiligten die Durchführung des Tatplanes von einem bestimmten Beitrag, etwa nämlich dem »Schmierestehen«, abhängen soll. Dann
könnte man auch ohne weiteres behaupten, der Plan »steht und fällt« mit diesem
Beitrag. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass die so verstandene positive Tatherrschaft ebenso einer objektiven Komponente entbehrt, wie dies für
die negative Tatherrschaft von Küper festgestellt wurde. Sie basiert ausschließlich auf der Feststellung, dass ein bestimmter Tatbeitrag ein positiver Bestandteil
der Planverwirklichung, d.h. der Tatbestandsverwirklichung, sein soll. Eine Einbeziehung objektiver Kriterien erfolgt hierbei nicht und kann angesichts der Zugrundelegung des Tatplanes als Bezugsobjekt auch gar nicht erfolgen. Der Tatplan als solcher ist eine fiktive, auf der Vorstellung der Beteiligten basierende
Projektion eines tatsächlich erst noch bevorstehenden Geschehens. Die Feststellung der objektiven Komponente der Mittäterschaft, die wie bereits erwähnt diejenigen Faktoren beinhalten muss, die außerhalb der Täterpsyche gelagert sind435,
kann anhand des ausschließlich auf der Vorstellung der Beteiligten basierenden
Tatplanes nicht erfolgen. Bei dieser Konstruktion bietet die positive Tatherrschaft
gegenüber der negativen Tatherrschaft keinen zusätzlichen Erkenntniswert.
Beide basieren vielmehr gleichermaßen auf der Feststellung, dass die Beteiligten
in ihrer Vorstellung die Durchführung der Tat von einem bestimmten Beitrag eines der Beteiligten abhängig machen. Allein deshalb »steht und fällt« der Plan
mit diesem Beitrag. Objektive Kriterien werden nicht einbezogen. Die so verstandene positive Tatherrschaft kann also festgestellt werden, ohne dass es einer Realisierung des Tatbeitrages überhaupt bedarf. Die zutreffenden Erwägungen von
Küper hinsichtlich der negativen Tatherrschaft gelten für die positive Tatherrschaft gleichermaßen, solange der Bezugspunkt der Tatplan ist. Etwas anderes
gilt erst dann, wenn man als Bezugsobjekt auf die Tatbestandsverwirklichung,
bzw. das als Tatbestandsverwirklichung zu wertende tatsächliche Geschehen ab-
434 S. oben A. I. 1. a) (1).
435 S. Oben A. II. 3. a).
133
stellt.436 Wenn A und B gemeinsam in Zueignungsabsicht eine fremde Sache wegnehmen, dann kann ohne weiteres festgestellt werden, dass beide einen objektiven (positiven) Beitrag zur Verwirklichung des § 242, präziser formuliert, zu dem
tatsächlichen Geschehen, das als Verwirklichung des § 242 zu werten ist, geleistet
haben. Bei Zugrundelegung der Tatbestandsverwirklichung als tatsächlichem Geschehen kann, anders als bei Zugrundelegung des Tatplanes, eine Feststellung der
Tatherrschaft unter Einbeziehung objektiver Elemente erfolgen. Voraussetzung
ist jedoch, dass die Tatbestandsverwirklichung, bzw. die als Tatbestandsverwirklichung zu wertenden Handlungen ex post festgestellt werden. Die Vorstellung
der Beteiligten muss hierbei, da es um die objektive Komponente der Mittäterschaft geht, außer Betracht bleiben.
(cc) Zwischenergebnis
Fassen wir die vorstehenden Überlegungen zu den Begriffen »positive« und »negative« Tatherrschaft und ihre Aussagefähigkeit über die Tat als Bezugsobjekt der
Tatherrschaft zusammen: Zunächst muss festgehalten werden, dass in diesem Zusammenhang von der herrschenden Lehre terminologisch nicht einheitlich formuliert wird. Teilweise wird das Ablauf- bzw. Hemmungsvermögen in Bezug auf
»die Tat« bzw. die »Tatbestandsverwirklichung« diskutiert, dann wiederum wird
»der Plan« bzw. dessen »Gelingen« als Bezugspunkt gewählt. Insoweit ist der
Kritik von Freund zuzustimmen, dass die Vertreter der Tatherrschaftslehre bisher
keinerlei inhaltlich präzise Konkretisierung der Tat als Bezugsobjekt der Tatherrschaft vorgenommen haben.437 Die terminologischen Abweichungen haben aber
auch in der Sache bedeutende Konsequenzen: Wird als Bezugspunkt der Tatplan
gewählt, so ist deutlich geworden, dass in diesem Fall allein die Tatherrschaft im
Sinne einer quasi Tatplanherrschaft festgestellt werden kann. Eine solche Feststellung entbehrt einer objektiven Komponenete vollständig. Sie erfolgt vielmehr
eben allein auf der Basis des Tatplanes, also der Vorstellung der Beteiligten. Demgegenüber kann eine Einbeziehung objektiver Komponenten bei der Feststellung
der Tatherrschaft erst dann erfolgen, wenn als Bezugsobjekt ausschließlich und
konsequent auf die Tatbestandsverwirklichung bzw. das als Tatbestandsverwirklichung zu wertende tatsächliche Geschehen abgestellt wird. Auch müssen diejenigen Tatbeiträge, aus denen sich dieses als Verwirklichung des Tatbestandes zu
wertende Geschehen zusammensetzt, ex post festgestellt werden. Damit ist aber
für das Beispiel des »Schmierestehens« Folgendes deutlich geworden: Eine Tatherrschaft des »Schmierestehers« im Sinne des dargestellten Ablaufs- und Hemmungsvermögens kann alleine dann begründet werden, wenn als Bezugsobjekt
436 In der anderen, oben zitierten Formulierung von Roxin wird sprachlich auf die Tatbestandsverwirklichung Bezug genommen. Nur scheut Roxin offenbar die sachlich hiermit einhergehende Konsequenz, dass der »Schmieresteher« niemals einen positiven Beitrag zur Verwirklichung des § 242 leistet.
437 Freund AT § 10 Rn. 47.
134
der Tatplan gewählt wird. Hinzukommen muss dann weiterhin, dass die Beteiligten in ihrer Vorstellung die bevorstehende Realisierung des Tatplanes von der Erbringung des Tatbeitrages des »Schmierestehers« abhängig machen. Die Tatherrschaft des »Schmierestehers« ist also eine rein subjektiv begründete und ausschließlich subjektiv begründbare, eine reine Tatplanherrschaft. Im Hinblick auf
die Tatbestandsverwirklichung als äußeres Geschehen, also als objektives Element, kommt dem »Schmieresteher« weder ein Ablaufs- noch ein Hemmungsvermögen zu. Das »Schmierestehen« ist eben nicht Teil jenes Geschehens, das in
§ 242 abstrakt umschrieben ist.
Bei Roxin heißt es, der »Schmieresteher« sei dann Mittäter, »wenn die Durchführung der Tat einen solchen Posten erforderte«.438 Unbeschadet der erneut
uneinheitlichen Terminologie – hier wird wiederum auf die »Durchführung der
Tat« Bezug genommen – kann nach den vorstehenden Darlegungen Folgendes
festgestellt werden: Versteht man unter »Durchführung der Tat« die Tatbestandsverwirklichung als äußeres Geschehen, so ist der »Schmieresteher« diesbezüglich nicht erforderlich, denn sein Beitrag ist nicht Teil dieses, unter den Straftatbestand subsumierbaren tatsächlichen Geschehens. Erforderlich439 im Hinblick
auf die Tatbestandsverwirklichung sind nur solche Beiträge, die einen Teil des im
gesetzlichen Tatbestand umschriebenen Geschehens tatsächlich verwirklichen.
Alle anderen Beiträge vermitteln dem Beteiligten nur dann ein Ablauf- und Hemmungsvermögen, sind also nur dann erforderlich, wenn Bezugspunkt der rein
subjektive Tatplan, die Vorstellung der Beteiligten von der Deliktsverwirklichung
ist. Will man das Erfordernis einer objektiven Komponente der Tatherrschaft konsequent beibehalten440, so muss die Tatherrschaft gemäß den vorstehenden Erwägungen also stets in Bezug auf das als Tatbestandsverwirklichung zu wertende
tatsächliche Geschehen festgestellt werden.441
(dd) Rückfall in die Notwendigkeitstheorie?
Die vorstehenden Erwägungen machen deutlich, dass die Feststellung der Tatherrschaft unter Beibehaltung einer objektiven Komponente, wie sie insbesondere von Roxin verlangt wird, nur ex post mit Blick auf die tatsächlich erfolgte
Tatbestandsverwirklichung erfolgen kann. Dies korrespondiert teilweise mit den
Bedenken, die bereits gegen eine ex-ante-Beurteilung der Wesentlichkeit des ob-
438 Roxin TuT S. 282.
439 Dieses Kriterium könnte sachlich auch als conditio sine qua non bezeichnet werden. Wenngleich Roxin das Abstellen auf die Kausalität kritisiert, wird gleich unter (dd) zu zeigen
sein, dass er in der Sache ebenfalls von einem Kausalitätserfordernis, lediglich mit einem
anderen Bezugsobjekt ausgeht.
440 Wofür auch und gerade Roxin mit Recht immer wieder plädiert.
441 Wie dies in einigen der oben zitierten Formulierungen ja noch zum Ausdruck kommt.
Lediglich die Ergebnisse zeigen, auf welches Kriterium der Sache nach abgestellt wird.
135
jektiven Tatbeitrages herausgearbeiteten wurden.442 Tatsächlich setzt die Feststellung, jemand habe einen positiven Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung geleistet, zwingend voraus, dass zuvor diejenigen Tatbeiträge ermittelt wurden, aus
denen sich die ex post festgestellte Tatbestandsverwirklichung zusammensetzt.
Gegenüber dieser ex-post-Feststellung der Verwirklichung eines gesetzlichen
Tatbestandes durch das Verhalten mehrerer hat die anschließende Feststellung,
die hieran durch ihr Verhalten Beteiligten hätten einen positiven Beitrag zu eben
dieser Tatbestandsverwirklichung geleistet, keinen selbstständigen Erkenntiswert. Sie ist vielmehr eine zwingende Folge daraus. Roxin führt gegen eine expost-Betrachtung an, dies stelle einen »Rückgriff auf den kausalen Ansatz der
Notwendigkeitstheorie dar«443. Unabhängig davon, inwieweit der bloße Verweis
auf die Notwendigkeitstheorie überhaupt einen hinreichenden sachlichen Einwand darstellt, muss hierzu Folgendes gesagt werden: Im Ergebnis erweist sich
auch die Auffassung von Roxin als eine Art Notwendigkeitstheorie. Denn wenn
der Tatbeitrag dem Beteiligten ein Ablauf- bzw. Hemmungsvermögen hinsichtlich der Planverwirklichung444 vermitteln soll, um Täterschaft zu begründen,
dann läuft dies inhaltlich auf ein lediglich begrifflich verschleiertes Kausalitätsbzw. Notwendigkeitserfordernis hinaus. Allein, Roxin wählt, wie gezeigt wurde,
als Bezugsobjekt dieses Kausalitätserfordernisses den Tatplan. Er verlangt mithin
eine Notwendigkeit des Beitrages mit Blick auf die Vorstellung der Beteiligten
von der beabsichtigten, also fiktiven Deliktsverwirklichung. Dass eine solche
Auffassung im Ergebnis auf eine rein subjektive Täterschaftskonstruktion hinausläuft, die auch und gerade von Roxin stets zu Recht abgelehnt wird, wurde
oben gezeigt. Diese Feststellung bleibt davon unberührt, dass sich als Konsequenz hieraus womöglich das Erfordernis einer kausalen ex-post-Betrachtung unter Zugrundelegung eines formal-objektiven Tatbestandsverständnisses445 ergibt.
Diese Frage bleibt im weiteren Verlauf der Arbeit näher zu untersuchen. Zunächst
war nur aufzuzeigen, dass die heute geläufige Tatherrschaftslehre in Grenzfällen
der Sache nach auf eine rein subjektive Abgrenzungsmethode zurückgreift.
(ee) Tatplanherrschaft und ex-ante-Betrachtung
Anhand der vorstehenden Erwägungen ist schließlich auch deutlich geworden,
dass durch die Inbezugnahme des Tatplanes bei der Bestimmung der Tatherrschaft in gleicher Weise eine Subjektivierung der Täterschaft erfolgt wie durch
die Zugrundelegung einer ex-ante-Betrachtung bei der Prüfung der Wesentlichkeit des objektiven Tatbeitrages. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle,
442 Dazu gleich (ee).
443 Roxin TuT S. 283; zur Darstellung der Notwendigkeitstheorie Roxin a.a.o. S. 38 ff.
444 Auf die diesbezüglich zum Teil uneinheitliche Terminologie wurde bereits mehrfach hingewiesen.
445 Es wird noch zu zeigen sein, dass eine solche Auffassung nicht inhaltlich deckungsgleich
mit der ursprünglichen, sog. »formal-objektiven« Theorie ist.
136
ob man die Tatherrschaft etwa des »Schmierestehers« damit begründet, dass es
»bei einer ex-ante-Betrachtung auf ihn hätte ankommen können« oder damit, dass
sein Tatbeitrag »zur Verwirklichung des Taplanes erforderlich war«. In beiden
Varianten wird die Täterschaft allein anhand eines fiktiven Geschehens ermittelt,
das ausschließlich in der Vorstellung der Beteiligten bzw. als deren Vorstellung
existiert.446 Ein derartiges fiktives Geschehen kann schon begrifflich keinerlei tatsächliche, mithin objektive Komponenten aufweisen. Beide Ansätze eliminieren
also die objektive Komponente aus der Täterschaftsbegründung. Somit bildet die
ex-ante-Betrachtung ebenso wie die Inbezugnahme des Tatplanes also ein Einfalltor für eine versteckte Subjektivierung des Täterschaftsbegriffes in problematischen Abgrenzungsfällen.
(2) Konsequenz: Die Ablehnung eines materiell-objektiven Täterbegriffes
Einer Begründung der Tatherrschaft, und damit nach der herrschenden Auffassung der Mittäterschaft, allein unter Zugrundelegung des Tatplanes stehen erhebliche Bedenken entgegen. Diese wurden im Grundsatz auch bereits dargelegt und
sind weitgehend unbestritten.447 Insoweit sei verdeutlichend nur noch Folgendes
ergänzt: Die hier abgelehnte Konzeption hätte zur Folge, dass der Umfang der täterschaftlichen Strafbarkeit ohne Einbeziehung objektiver Komponenten von
subjektiven Vorstellungen der Beteiligten abhängig gemacht würde. Hiernach
können viele Dinge zur Voraussetzung der Plandurchführung gemacht werden,
etwa das Vorhandensein eines Fluchtwagens beim Raub, die Einrichtung eines
ausländischen Nummernkontos zum Wegschaffen der Beute, etc. Ein Fall kann
ohne weiteres so konstruiert werden, dass die Beteiligten die Tat ohne das Vorliegen solcher Faktoren nicht durchgeführt hätten. Wird dadurch der Fahrer des
Wagens ebenso zum Mittäter eines Diebstahls wie derjenige, der unter falschem
Namen ein solches Konto einrichtet? Solche Ergebnisse scheinen mit Blick auf
Art. 103 Abs. 2 GG schwerlich vertretbar. Eine täterschaftliche Strafbarkeit kann
sich grundsätzlich alleine aus den Umschreibungen in den gesetzlichen Straftatbeständen ergeben, nicht aber aus der Vorstellung der Beteiligten darüber, von
welchen außertatbestandlichen Faktoren sie die Durchführung der Tat, mithin die
Tatbestandsverwirklichung abhängig machen. Die Eröffnung eine Kontos zum
Wegschaffen der Beute ist mit Blick auf § 242 ebensowenig tatbestandsmäßig wie
das »Schmierestehen«. Was also in der Lehre stets als materieller Tatbestandsbegriff bezeichnet wird, ist inhaltlich nichts anderes als eine Subjektivierung der
Täterschaft in Gestalt der Einbeziehung außertatbestandlicher Elemente, die nach
der Vorstellung der Beteiligten Bedingung der Tatausführung sind. Es geht nicht
um die »materielle Anreicherung« eines objektiven Elementes, hier des gesetzlichen Tatbestandes bzw. der Tatbestandsverwirklichung, sondern um eine voll-
446 Dass dies für die Fälle der ex-ante-Betrachtung gilt, wurde oben unter A. II. 3. ausführlich
gezeigt.
447 S. oben A. I. 1. a) (1).
137
ständige Surrogation dieses objektiven durch ein subjektives Element. Welches
materiell-objektive Kriterium neben der Tatbestandsverwirklichung im engeren
Sinne als objektivem Element und dem Tatplan als subjektivem Element von Bedeutung sein soll, ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Solche materiell-objektiven Kriterien wurden auch niemals von Vertretern der Tatherrschaftslehre entwickelt. Es ist auch nur schwer vorstellbar, anhand welcher Bezugspunkte eine
Tatherrschaft ermittelt werden sollte, wenn nicht anhand der objektiven Tatbestandsverwirklichung oder des subjektiven Tatplanes. Die vermeintlich »subjektiv-objektive« oder »materiell-objektive« Bestimmung der Täterschaft hat sich
also, jedenfalls in problematischen Abgrenzungsfällen, als der Sache nach rein
subjektiv herausgestellt. Diese, mit dem Heranziehen der ex-ante-Betrachtung
bei der Wesentlichkeitsprüfung bzw. des Tatplanes als Bezugsobjekt der Tatherrschaft einhergehende Konsequenz der vollständigen Eliminierung der objektiven
Komponente der Mittäterschaft, wird offenbar mehr oder weniger bewusst in
Kauf genommen. Das dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass als einzige Konsequenz aus den vorstehenden Erwägungen bleibt, dass eine wirklich objektive
Komponente der Mittäterschaft stets nur den Tatbestand bzw. die Tatbestandsverwirklichung in einem restriktiven, formal-objektiven Sinne als Bezugspunkt haben kann. Ist man nicht bereit, eine vollständige Subjektivierung bei der Bestimmung von Täterschaft hinzunehmen, so muss diese Konsequenz mangels anderer
greifbarer objektiver Kritrerien jedoch grundsätzlich akzeptiert werden. Eine
Subjektivierung unter dem Deckmantel eines vermeintlich materiell-objektiven
Tatbestandsbegriffes muss demgegenüber abgelehnt werden. Somit kann der
Charakter der in der Literatur ganz herrschenden Tatherrschaftslehre als eine materiell–objektive Täterlehre bereits als entscheidende Schwäche dieser Lehre ausgemacht werden. Mit Blick auf die bereits aus Wortlaut und Systematik folgende
Tatbestandsbezogenheit der Täterschaft, aber insbesondere unter Berücksichtigung teleologischer, verfassungsrechtlich abgesicherter Erwägungen muss daher
über eine Abkehr vom materiellen Täterbegriff mehr als nur nachgedacht werden.
Diese Gedanken sollen im Folgenden vertieft und ihre zuletzt einzig schlüssige
Konsequenz, die Anerkennung eines formal-objektiven Tatbestandsbegriffes,
soll aufgezeigt werden.
(a) Die Tatherrschaftslehre als materiell-objektive Täterlehre und die
hieraus resultierenden Probleme
Man kann die Tatherrschaftslehre, unbeschadet ihrer teilweise erheblich differierenden Ausprägungen, mit Recht als Inbegriff oder Synonym der materiell-objektiven Täterlehren bezeichnen. Insoweit ist es sicher eine zutreffende Einschätzung, wenn die wesentliche Funktion des Tatherrschaftsbegriffes in der Rechtslehre vor allem in der Antwort auf die »extremen« Beteiligungslehren, sei es nun
138
die subjektive oder die formal-objektive Theorie gesehen wird.448 Je mehr sich die
Auffassung durchsetzte, dass diese sog. »extremen« Beteiligungslehren zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht geeignet seien, desto mehr wurde
die Tatherrschaftslehre als vermeintliche Synthese aus objektiven und subjektiven Lehren von der Rechtslehre aufgenommen. Dieser Grundgedanke der Tatherrschaftslehre, dass die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nur anhand einer Kombination von objektiven und subjektiven Momenten erfolgen
kann, ist heute in der Literatur nahezu unbestritten. Gleichwohl versteht insbesondere Roxin seine Lehre als maßgeblich auf der formal-objektiven Theorie basierend, deren »richtigen Ausgangspunkt« er ausdrücklich anerkennt.449 Dies
deutet darauf hin, dass er seine Tatherrschaftslehre als eine primär objektive Abgrenzungstheorie versteht. Diese werde aber »mit Recht auch als ‚materiell-objektive’ Lehre bezeichnet, weil ihr ein nicht an formalen Kriterien haftender, materieller Begriff der Tatbestandserfüllung zugrunde liegt.«450. Vorstehend wurde
deutlich gemacht, was die tatsächlichen Konsequenzen der Zugrundelegung eines
solchen vermeintlich »materiellen Begriffes der Tatbestandsverwirklichung«
sind. Die entsprechende Konstruktion ermöglicht in Grenzfällen die Begründung
von Mittäterschaft auf rein subjektiver Grundlage sowie die täterschaftliche
Strafbarkeit aufgrund von nicht tatbestandsmäßigem Verhalten. Insbesondere
Letzteres ist im Grunde unvermeidbar, sobald man sich von einem formal-objektiven, strikt auf das in den gesetzlichen Tatbeständen umschriebene Geschehen
begrenzten Tatbestandsbegriff entfernt und den Tatbestand einer materiellen Bestimmung zugänglich macht. Im Bereich des nicht tatbestandsmäßigen Verhaltens kann es eben keine Abstufungen, etwa in »tatbestandsnahes« und »tatbestandsfernes« Verhalten geben. Ein Verhalten ist tatbestandsmäßig oder ist es
eben nicht. Das unter dem Begriff formal-objektiv in der Lehre überwiegend
nachdrücklich verworfene, restriktive Verständnis des Tatbestandsbegriffes erweist sich bei dieser Betrachtung als das einzig wirklich konsequente. In derselben Perspektive müssen sog. »materiell-objektive« Lehren, und damit auch und
vor allem die Tatherrschaftslehre als deren bedeutendste Ausprägung, dagegen
auf Bedenken stoßen. Diese Erwägungen führen zu der Frage, welche bisher entwickelten wissenschaftlichen Erkenntnisse, angesichts des Charakters der Tatherrschaftslehre als weitgehend herrschender Auffassung, für die hier gestellte
Aufgabe der Entwicklung einer allgemeinen Mittäterschaftsdogmatik überhaupt
fruchtbar gemacht werden können. Abgelehnt wird die Tatherrschaftslehre ausdrücklich von Weber, der jedoch seinerseits eine subjektive Abgrenzungstheorie
vertritt.451 Da sich eine solche Auffassung als nicht haltbar erwiesen hat, muss an
dieser Stelle hierauf nicht erneut eingegangen werden. Auch die gegenüber der
Tatherrschaftslehre eigenständigen Konstruktionen von Heinrich und Stein haben
sich nicht als geeignet erwiesen. Bei Freund heißt es: »Solange unklar bleibt, wie
448 So Schmidhäuser Wessels – FS S. 354.
449 LK - Roxin § 25 Rn. 34.
450 Roxin A.a.o.
451 Baumann / Weber / Mitsch AT § 29 Rn. 59 ff.
139
die zu beherrschende Tat genau beschaffen sein muss, um eine Verantwortlichkeit
als Täter oder Teilnehmer dieser Tat zu begründen, ist der Herrschaftsbegriff ein
‚Zauberhut’, aus dem praktisch jedes beliebige Ergebnis herausgeholt werden
kann.«452. Dies entspricht der hier vertieft dargestellten Auffassung, dass zunächst geklärt werden muss, was eigentlich »die Tat« und somit das Bezugsobjekt
der Tatherrschaft ist. Freund zieht aus diesen Erwägungen die Konsequenz, dass
es sich bei der Frage nach der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe
schwerpunktmäßig um ein Problem des Besonderen Teils handele.453 Letzterer
Gedanke soll noch für einen Moment zurückgestellt werden.454 Der von Freund
geäußerte Eindruck, dass sich mit dem von Roxin selbst als »ergebnisoffen« bezeichneten Tatherrschaftsbegriff und damit durch die Zugrundelegung eines materiellen Tatbestandsbegriffes ein gewünschtes Ergebnis stets »begründen« lässt,
verstärkt sich erheblich, nimmt man die hier untersuchte »additive Mittäterschaft« in den Blick.
Grundsätzlich sieht Roxin das Wesen der Mittäterschaft ja in der funktionellen
Tatherrschaft, die eben darin bestehe, dass jeder Mittäter eine unersetzliche Funktion habe und durch Nichtleisten des von ihm übernommenen Beitrags den
Deliktsplan zum Scheitern bringen könne.455 Dies entspricht inhaltlich dem, was
soeben gemäß der herrschenden Lehre mit den Begriffen »positive« und »negative« Tatherrschaft gekennzeichnet wurde.456 Nun hat bei der »additiven Mittäterschaft« ersichtlich keiner der Beteiligten eine unersetzliche Funktion, und es
ist ebenso wenig davon auszugehen, dass der Deliktsplan bei Ausfall eines Attentäters scheitern würde bzw. dass die übrigen Beteiligten dann von der Durchführung absehen würden.457 Dies wird offenbar von Roxin auch nicht bestritten. Er
sieht eben nur gleichwohl einen wesentlichen Tatbeitrag im Sinne seiner Lehre
gegeben, weil »jeder der Verschwörer nach dem Plan das Gelingen ‚wahrscheinlicher’ machen soll«458. Dies sei sogar »geradezu ein klassischer Fall der funktionellen Tatherrschaft«459. Wie aber kann man von einem klassischen Fall der funktionellen Tatherrschaft sprechen, wenn sowohl auf die unersetzliche Funktion
(positive Tatherrschaft) als auch auf die Fähigkeit zur Hemmung der Planverwirklichung durch Nichtleisten (negative Tatherrschaft) in ihrem herkömmlichen
Verständnis verzichtet wird?460 Die funktionelle Tatherrschaft bzw. der diese
begründende wesentliche Tatbeitrag wird hier mit einem in anderen Konstellationen nicht auftauchenden Kriterium, nämlich der schlichten Erhöhung der
452 Freund AT § 10 Rn. 47 und 66.
453 Freund AT § 10 Rn. 164.
454 Dazu gleich (e).
455 Roxin AT II § 25 III Rn. 188.
456 S. oben C. II. 1. f) (1) (c) (aa).
457 Mit diesen Erwägungen fundierte Herzberg seine Kritik am Begriff der funktionellen
Tatherrschaft in Täterschaft S. 57 f.
458 Roxin JA 1979, 519 (524).
459 Roxin TuT S. 691.
460 In AT II § 25 III Rn. 230 formuliert Roxin bereits vorsichtiger: »Aber auch das ist noch
eine Form der funktionellen Tatherrschaft« (Heraushebung nicht im Originaltext).
140
Erfolgswahrscheinlichkeit begründet. Zwar formuliert Roxin: »Der Erfolg kann
von jedem einzelnen abhängen, und mehr wird für die gemeinsame Beherrschung
des Geschehens auch sonst nicht verlangt.«461. Doch macht das soeben angegebene Zitat deutlich, dass »sonst« – mithin bei der von Roxin so genannten »korrelativen Mittäterschaft« – für die Beherrschung der Tat eben doch mehr verlangt
wird, nämlich eine »unersetzliche Funktion«, und die Fähigkeit, durch Nichtleisten des Tatbeitrages den Deliktsplan zum Scheitern zu bringen. Dies ist offensichtlich inhaltlich nicht mit einer bloßen Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit identisch. Kongruenz der Kriterien besteht allein insoweit, als Roxin stets die
Wesentlichkeit nach einer ex-ante-Betrachtung bestimmt, was sich aber mit Blick
auf die Erforderlichkeit einer objektiven Komponente bereits als unzulässig herausgestellt hat. Selbst wenn man eine solche Betrachtung für zulässig hielte, wäre
evident, dass die Wesentlichkeit des »Schmierestehers« mit anderen Kriterien
begründet würde als die des einzelnen Attentäters. Hinsichtlich des Ersteren
könnte man, einen entsprechend konstruierten Fall unterstellt, zumindest sagen,
dass das Nichtleisten seines Tatbeitrages den Deliktsplan zum Scheitern gebracht
hätte.462 Für den Schützen könnte man allenfalls sagen, dass sein Tatbeitrag den
Erfolg hätte verursachen können bzw. dass er die Erfolgswahrscheinlichkeit statistisch erhöht hat, keineswegs aber, dass er durch Verweigerung seines Beitrages
den Plan hätte zum Scheitern bringen können. Dieser Vergleich macht hinreichend deutlich, dass die funktionelle Tatherrschaft bei der »additiven Mittäterschaft« unter Heranziehung von Kriterien begründet wird, die nicht denen entsprechen, die bei den übrigen Fällen der korrelativen Mittäterschaft verwendet
werden. Sind aber die tatherrschaftsbegründenden Kriterien derart austauschbar,
stellt dies den sachlichen Gehalt des Tatherrschaftsbegriffes mehr als nur in
Frage. So muss man zu dem Schluss kommen, dass mit dem Begriff der funktionellen Tatherrschaft der Eindruck eines einheitlichen Abgrenzungskriteriums
geschaffen wird, während in Wahrheit unterschiedliche Elemente herangezogen
werden. Noch deutlicher wird das Problem, wenn man die Argumentation von
Bloy untersucht, auf die sich Roxin463 ausdrücklich bezieht. Bei ihm heißt es: »Der
Einzelbeitrag ist also gerade wegen seiner Bedeutungslosigkeit für die Erfolgsherbeiführung durch das Mittäterkollektiv ein eminent wichtiger Bestandteil der
Gesamttat,[...]In diesem Paradox der Erheblichkeit durch Unerheblichkeit verfängt sich Herzbergs Argumentation[...]«464. Wenn Bedeutung mit Bedeutungslosigkeit bzw. Erheblichkeit mit Unerheblichkeit begründet wird, dann ist dies nur
unter Aufgabe weiter Teile des sachlichen Gehaltes dieser Begriffe möglich. Eine
solche Vorgehensweise, bei der unter Verwendung weitgehend inhaltsleerer
Begriffe, die im Übrigen nicht einmal die Begriffe des Gesetzes sind, die unter
Umständen strafbarkeitsbegründende, jedenfalls strafschärfende Entscheidung
461 LK - Roxin § 25 Rn. 159.
462 Zum Problem der positiven Tatherrschaft beim »Schmierestehen« s. oben C. II. 1. f) (1)
(c).
463 Roxin TuT S. 691 Fn. 515.
464 Bloy Beteiligungsform S. 373.
141
über das Vorliegen von Täterschaft getroffen wird, muss in einem strikt rechtsstaatlichen Strafrecht durchgreifenden Bedenken begegnen. Sofern eine solche
Vorgehensweise mit dem Hinweis auf einen materiellen Tatbestandsbegriff
gerechtfertigt wird, muss ein solcher abgelehnt werden.
(b) Materieller Tatbestandsbegriff und Art. 103 Abs. 2 GG
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich aus § 1 und Art. 103 Abs. 2 GG
ergibt, dass tatbestandsloses Verhalten grundsätzlich straffrei bleiben muss.
Ebenfalls wurde gezeigt, dass die Zugrundelegung eines materiellen Tatbestandsbegriffes in letzter Konsequenz zwingend dazu führt, dass täterschaftliche, vor allem mittäterschaftliche Strafbarkeit durch gänzlich tatbestandsloses Verhalten
begründet werden kann. Dies gilt wie bereits erwähnt für das im Hinblick auf §
242 tatbestandslose »Schmierestehen«, aber auch für die im Hinblick auf § 212
tatbestandslose Abgabe eines nicht-kausalen Schusses im Attentats-Beispiel.
Führt man die soeben wiederholt angesprochenen, verfassungsrechtlich abgesicherten, aus § 1 folgenden Erwägungen konsequent fort, so müsste in beiden Fällen eine Strafbarkeit wegen Mittäterschaft ausscheiden. Andernfalls läge eine
Strafbarkeit nicht tatbestandsmäßigen Verhaltens vor, die zu dem soeben Gesagten in einem Widerspruch stünde. Eine andere Bewertung wäre nur dann möglich,
wenn eine Norm gefunden werden könnte, durch die eine solche Erweiterung der
Strafbarkeit auf nicht tatbestandsmäßiges Verhalten begründet werden könnte.
Solche Normen stellen sicher ohne weiteres die §§ 26, 27 dar. Diese stellen ausdrücklich nicht das »Begehen einer Tat« unter Strafe, sondern das »Bestimmen«
zu der bzw. »Hilfeleisten« bei der von einem anderen begangenen Tat. Hierbei
muss es sich um im Hinblick auf die gesetzlichen Tatbestände tatbestandsloses
Verhalten handeln, andernfalls läge bereits eine täterschaftliche Begehung vor.
Kommt im Rahmen der Mittäterschaft § 25 Abs. 2 als Norm für die Ausdehnung
der Strafbarkeit auf tatbestandsloses Verhalten in Betracht? Ist dies etwa gemeint,
wenn immer wieder von der »konstitutiven« Funktion des § 25 Abs. 2 gesprochen
wird465, dass diese Norm die Strafbarkeit auf tatbestandsloses Verhalten erweitert,
mithin die Strafbarkeit solchen Verhaltens »konstituiert«? Eine solche Auffassung, die ausdrücklich nicht geäußert, in ihren Konsequenzen im Hinblick auf die
Ergebnisse der herrschenden Lehre aber offenbar in Kauf genommen wird, ist
durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Bezugsobjekt der Begehung ist auch in
§ 25 Abs. 2 alleine die Tat bzw. die Straftat.466 Alleine dadurch, dass der Tatbestand durch mehrere gemeinschaftlich verwirklicht wird, wird er als solcher nicht
erweitert. Auch in den Fällen der Verwirklichung des gesamten Tatbestandes
465 C. I. 3. a).
466 Dass durch das Hinzukommen der Elemente Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld, durch
die eine »Tat« zur »Straftat« wird, keine Erweiterung der Strafbarkeit über das in den
gesetzlichen Tatbeständen hinaus umschriebene Verhalten erfolgt, wurde bereits unter C.
II. 1. b). dargestellt.
142
durch das Verhalten mehrerer gemeinschaftlich darf täterschaftliche Strafbarkeit
nur durch Verhalten begründet werden, dass für sich betrachtet zumindest unter
einen Teil des im Besonderen Teil normierten Tatbestandes subsumierbar ist.
Welche Bedeutung kann dem Grundsatz der Tatbestandsbezogenheit des Täterschaftsbegriffs, der auch von Rudolphi wesentlich auf Art. 103 Abs. 2 GG zurückgeführt wird467, noch zukommen, wenn der Tatbestandsbegriff seinerseits
durch ein materielles Verständnis von den konkreten Straftatbeständen »gelöst«
wird? Die Tatbestandsbezogenheit des Täterschaftsbegriffes muss also nicht nur
dazu führen, dass eine Mittäterschaft durch Vorbereitungshandlungen ausgeschlossen ist.468 Sie erfordert vielmehr, dass Täterschaft nur durch ein Verhalten
begründet werden kann, dass sich zumindest teilweise mit dem in einem gesetzlichen Tatbestand umschriebenen Verhalten deckt bzw. ein in einem solchen Tatbestand umschriebenes Geschehen verwirklicht. Andernfalls liefe das von Teilen
der Tatherrschaftslehre zu Recht geforderte Kriterium eines Tatbeitrages im Ausführungsstadium darauf hinaus, dass der Beitrag lediglich in zeitlicher Hinsicht
in den Zeitraum zwischen dem unmittelbarem Ansetzen und der Vollendung der
Tat fallen müsste, während innerhalb dieses Zeitraumes ebenso tatbestandsmäßiges wie tatbestandsloses Verhalten strafbar sein könnte.469 Im Hinblick auf den
verfassungsrechtlich abgesicherten Grundsatz, dass strafbar ausschließlich das in
den gesetzlichen Tatbeständen umschriebene Verhalten ist, ist ein solches enges,
formales Verständnis des gesetzlichen Tatbestandes zwingend geboten. Dieser
Einsicht kann man sich nicht dadurch entziehen, dass man einen solchen Tatbestandsbegriff einfach als »formal-objektiv« bezeichnet. Ein sachlicher Einwand
ist hiermit nicht verbunden.
(c) Formal-objektiver Tatbestandsbegriff und restriktiver Täterbegriff
Die hier entwickelte Auffassung kann auch für sich in Anspruch nehmen, den Erfordernissen des dem StGB zugrunde liegenden restriktiven Täterbegriffes am
ehesten gerecht zu werden. Dieser dient vor allem der deutlichen Profilierung der
Straftatbestände und damit der Verwirklichung von Konkretisierungs- bzw. Bestimmtheitsgebot in einem rechtsstaatlich geprägten Strafrecht.470 In der heute
herrschenden Lehre kommt dies unter dem bereits mehrfach erwähnten Begriff
der Tatbestandsbezogenheit des Täterschaftsbegriffes zum Ausdruck. Um diese
Formulierung nicht zu einem inhaltsleeren Schlagwort werden zu lassen, ist es
aber unbedingt erforderlich, die Konsequenzen einer tatsächlich tatbestandsbezogenen Täterschaftskonstruktion und damit eines wirklich restriktiven Täterbegriffes aufzuzeigen und zu akzeptieren. Tatsächlich verliert ein restriktiver Täterbegriff in dem Moment weitgehend seine Bedeutung, in dem der Tatbestand einer
467 Rudolphi Bockelmann – FS S. 369 ff.
468 S. oben A. II. 4. c).
469 Mit Recht kritisch insoweit auch Freund § 10 Fn. 173.
470 Vgl. auch Luzon Pena / Diaz Y Garcia Roxin-FS S. 580.
143
materiellen Bestimmung zugänglich gemacht wird. Dies ermöglicht es, wie die
Ergebnisse der herrschenden Lehre in den oben diskutierten Fällen zeigen, tatbestandsloses Verhalten in den Tatbestand miteinzubeziehen, was faktisch zum Verlust der Vorzüge eines restriktiven Täterbegriffes führt.471 Ein restriktiver Täterbegriff erfordert also ein formal-objektives Tatbestandsverständnis, will man ihn
nicht substantiell entwerten. Vor diesem Hintergrund galt die formal-objektive
Theorie472 nicht zu Unrecht seit jeher als »Prototyp eines restriktiven Täterbegriffs«473.
(d) Formal-objektiver Tatbestandsbegriff und Einzelfallgerechtigkeit
Gegen das soeben entwickelte formal-objektive Tatbestandsverständnis könnte
man ins Feld führen, es lasse unberücksichtigt, dass die Frage nach der Täterschaft eine Wertungsfrage sei und ein formal-objektives Tatbestandsverständnis
in Einzelfällen zu ungerechten Ergebnissen führe. Auf die mit der hier vertretenen
Lehre erzielten Ergebnisse ist später bei ihrer abschließenden Ausformulierung
noch näher einzugehen. An dieser Stelle sei nur so viel gesagt: Soweit man darauf
abstellen möchte, dass ein materieller Täterschaftsbegriff deswegen geboten sei,
weil das Vorliegen von Täterschaft eine Wertungsfrage sei, kann dem nur entgegnet werden, dass die Wertung bereits durch den der hierfür von der Verfassung
vorgesehen Gesetzgeber getroffen wurde, nämlich bei der Abfassung der gesetzlichen Straftatbestände. Der Gesetzgeber allein ist befugt, über die grundsätzliche
Strafbarkeit einer Tat zu entscheiden.474 Darüber hinausgehende Wertungen sind
unvermeidbar, wenn es im Rahmen der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale darum geht festzustellen, ob ein Verhalten sich als Verwirklichung eines solchen gesetzlichen Tatbestandes darstellt. Soweit aufgrund etwaiger Wertungen
jedoch der Tatbestand als solcher auf eindeutig nicht tatbestandsmäßiges Verhalten erweitert wird, ist dies mit Blick auf das zur Bedeutung des Art. 103 Abs. 2
GG bzw. zum restriktiven Täterbegriff Gesagte unzulässig. Hierdurch würden
vielmehr die in diesem Zusammenhang vorrangigen und abschließenden Wertungen des Gesetzgebers umgangen. Als Konsequenz hieraus kann vielmehr nur festgehalten werden, dass jegliche materielle Bestimmung des Tatbestandes abgelehnt werden muss. Auch der Verweis auf die Erforderlichkeit der Einzelfallgerechtigkeit kann diese Argumentation nicht entkräften. Diese ist zwar ein wünschenswertes Ziel, aber kein selbstständiges Auslegungskriterium.475 Man darf
und muss vom Gesetz lediglich erwarten, dass es im Einzelfall eine auch unter
471 Ebenso a.a.o. S. 595 f.
472 Zu deren Schwächen in ihrer ursprünglichen Ausprägung gleich unter C. II. 2. b) .
473 LK – Roxin Vor § 25 Rn. 12.
474 LK – Gribbohm § 1 Rn. 1.
475 Larenz / Canaris Methodenlehre S. 169.
144
Gerechtigkeitsgesichtspunkten vertretbare Entscheidung ermöglicht.476 Dass dies
nach der hier vertretenen Lehre möglich ist, wird später477 noch zu zeigen sein.
(e) Täterschaft als Problem des Besonderen Teils?
Mit der hier vertretenen Auffassung erfolgt auch keine unzulässige Verlagerung
der Abgrenzungsprobleme in den Besonderen Teil. Grundlage für eine allgemeine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sind die Gesetzesbegriffe des
allgemeinen Teils, mithin der §§ 25 ff. Gleichwohl ist unbestreitbar, dass die
Frage nach der Täterschaft primär nur anhand des jeweiligen Deliktstatbestandes
beantwortet werden kann und muss. Sofern bei der Beteiligung mehrerer Personen im Einzelfall die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme zweifelhaft ist, muss im Hinblick auf die hinreichende Berücksichtigung der Tatbestandsbezogenheit des Täterschaftsbegriffes gefragt werden, ob der Beteiligte
den jeweiligen Deliktstatbestand zumindest teilweise verwirklicht hat. Dies hat
die bisherige Untersuchung ergeben. Nur dann kann er als Täter bestraft werden,
andernfalls kommt lediglich Teilnahme in Betracht. Ein solches Verständnis von
Täterschaft als Tatbestandsverwirklichung im formal–objektiven Sinne geht
zwingend damit einher, dass die Feststellung von Täterschaft vollständig in der
Feststellung des Vorliegens eines tatbestandsmäßigen Verhaltens bzw. eines Verhaltens, das einen Tatbestand verwirklicht, aufgeht. Daher verwundert es nicht,
dass es bei Freund, der ja die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe als Problem des Besonderen Teils einordnet, heißt, die formal–objektive Theorie werde
»ganz zu Unrecht als überholt angesehen«478. Auch wird deutlich, dass eine große
Ähnlichkeit zu der von Schild vertretenen Lehre besteht, der ebenfalls strikt auf
das tatbestandsmäßige Verhalten abstellt. Seine Auffassung basiert jedoch auf einem hier abgelehnten normativen Handlungsbegriff sowie auf einem »Vorrang
des subjektiven Handlungsprogramms«, während die hier vertretene Auffassung
quasi in entgegengesetzter Weise von einem »Vorrang des äußeren, tatbestandsmäßigen Geschehens« 479 ausgeht. Die hier vertretene Auffassung beansprucht insoweit, im Vergleich zu der von Schild vertretenen Lehre, der dem Gesetz zugrunde liegenden Systematik von der Begehung der Tat als logisch vorrangigem,
objektivem Bezugsobjekt des Vorsatzes besser gerecht zu werden. In den Ergebnissen stimmen die beiden Auffassungen aber offenbar weitgehend überein, was
sogleich noch zu zeigen sein wird. Legt man die hier vertretene Auffassung zu-
476 A.a.o.
477 Unten C. IV.
478 Freund AT § 10 Rn. 35; dass sich formal-objektive Theorie und die hier vertretene Auffassung nicht vollständig decken, wird gleich noch zu zeigen sein.
479 Ähnlich auch Luzón Pena / Diaz y Garcia S. 588:«Ob der Handelnde Bescheid weiß oder
nicht, ist also zweitrangig für die Bestimmung, wer der Täter ist. Entscheidend ist, was
der Handelnde tut.«.
145
grunde, so könnte man – ein wenig plakativ – formulieren, dass bei Schild »das
Pferd von hinten aufgezäumt wird«.
g) Zwischenergebnis zur teleologischen Auslegung
Die teleologische Auslegung der Begriffe »Begehen der Straftat« bzw. »Begehen
der Tat«, die vorwiegend in Auseinandersetzung mit dem Begriff »Tatherrschaft«
und den dahinterstehenden sachlichen Erwägungen erfolgte, hat ergeben, dass
unter dem gesetzlichen Begriff »Begehen der Tat« im Hinblick auf Art. 103 Abs.
2 GG nur die Tatbestandsverwirklichung im restriktiven bzw. formal-objektiven
Sinne verstanden werden kann. Allein auf diesem Wege ist sichergestellt, dass
dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Grundsatz der Straffreiheit von tatbestandslosem Verhalten Genüge getan wird. Ein wie auch immer bestimmter materieller Tatbestandsbegriff hat sich dagegen als mit den Wertungen, die den §§
25 ff. zugrunde liegen, als nicht vereinbar erwiesen. Als exemplarischer Fall der
materiell-objektiven Täterlehren muss somit auch die Tatherrschaftslehre in ihren
bisher vertretenen Varianten als ungeeignet für die Abgrenzung von Täterschaft
und Teilnahme angesehen werden, jedenfalls in den Grenzfällen zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Es wurde gezeigt, dass die Abgrenzung in problematischen Fällen auf einer ausschließlich subjektiven Grundlage durchgeführt wird.
Dies geschieht, indem zum einen als Bezugsobjekt der Herrschaft nicht die Tat
im Sinne des in Frage kommenden Deliktstatbestandes, sondern vielmehr der Tatplan herangezogen wird bzw. indem zum anderen bei der Bestimmung der Wesentlichkeit des objektiven Tatbeitrages auf eine ex-ante-Betrachtung abgestellt
wird. Darüber hinaus wurde anhand der unterschiedlichen Begründungsansätze
bei korrelativer Mittäterschaft und »additiver Mittäterschaft« gezeigt, dass der
Begriff »Tatherrschaft« kein hinreichendes Maß an inhaltlicher Kontur aufweist,
wie es für ein täterschafts- und mithin strafbarkeitsbegründendes Abgrenzungskriterium in einem rechtsstaatlichen Strafrecht erforderlich ist. Erkennt man allerdings mit der hier vertretenen Auffassung die formal–objektive Tatbestandsverwirklichung als entscheidendes Element der Täterschaft an, so ist es eine rein
terminologische Frage, ob man davon spricht, derjenige, der an dieser Tatbestandsverwirklichung durch sein Verhalten unmittelbar beteiligt ist, habe die Tatherrschaft. Ein darüber hinausgehender sachlicher Erkenntnisgewinn ist damit
ebenso wenig verbunden wie der Gewinn eines über die Beteiligung an der Tatbestandsverwirklichung im formal-objektiven Sinne hinausgehenden, materiellen Täterschaftskriteriums.
146
2. Die Formulierung der eigenen Auffassung: Begehen der Tat als
Tatbestandsverwirklichung im formal-objektiven Sinne
Nach den vorstehenden Ausführungen ist die hier entwickelte Auffassung in ihren Grundzügen weitgehend vorgezeichnet. Das Begehen der Tat, und somit das
in Abgrenzung zur Teilnahme entscheidende Moment täterschaftlicher Strafbarkeit, ist die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes im formal-objektiven
Sinne. Diese Formulierung legt natürlich nahe, die hier vertretene Auffassung als
eine »Wiederbelebung« der formal-objektiven Theorie480 anzusehen. Inwieweit
eine solche Einschätzung zutrifft, soll im Folgenden untersucht werden. Deshalb
ist zunächst die formal-objektive Theorie in ihrer ursprünglichen Gestalt kurz
darzustellen.
a) Die ursprüngliche formal-objektive Theorie und ihre Abgrenzung zur hier
entwickelten Auffassung
Die formal-objektive Theorie war bis Anfang des 20. Jahrhundert in der Wissenschaft durchaus herrschend.481 Verkürzt kann sie so formuliert werden, dass sie als
Täter denjenigen bestimmt, der die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung
vornimmt. So heißt es etwa bei Beling: »Zur Mittäterschaft läßt sich ein Handeln
mehrerer Personen nur dann zusammenfassen, wenn die mehreren hinsichtlich eines identischen Tatbestandes in Tatbestandsverwirklichungseinheit, sei es simultaner, sei es sukzessiver, jeder ein Stück der Ausführungshandlung vorgenommen
haben. Es muss also, bevor an die Zusammenlegung herangegangen werden kann,
feststehen, daß jeder der mehreren, auch abgesehen von dem Handeln der anderen, mit seinem Handeln dem Tatbestande, und zwar dem Tatbestandskern, der
Ausführung, subsumierbar ist Es muss auf jeden der mehreren der Tatbestand passen. Liegt also bei einem der mehreren ein ‚Mangel am Tatbestande’ vor, so kann
er in die Mittäterschaft nicht einbezogen werden.«482. Bei v. Hippel findet sich die
Formulierung: »Als geradezu selbstverständlich ergibt sich danach aus dem Gesetz, dass für den Mittäter die gemeinsame Begehung von Ausführungshandlungen kennzeichnend ist, für den Gehilfen also die Begehung anderer Handlungen,
d.h. entweder von Vorbereitungshandlungen oder von bloß unterstützenden
Handlungen zur Zeit der Ausführung, die aber selbst keine Tatbestandshandlungen sind.«483. Eine sehr kurze, prägnante inhaltliche Bestimmung findet sich bei
Grünhut: »Täter ist, wer den Tatbestand verwirklicht, d.h. wer die tatbestandsmä-
480 So ihre Bezeichnung bei Birkmeyer S. 21.
481 Vgl. die Darstellung bei Roxin TuT S. 34 f.
482 Beling Die Lehre vom Verbrechen S. 408.
483 V. Hippel Strafrecht S. 453; interessanterweise nennt v. Hippel als Beispiel für eine nicht
mittäterschaftsbegründende Handlung in Fn. 8 ausdrücklich das bereits hinlänglich diskutierte »Schmierestehen«.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk behandelt die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme, eine angesichts der Verbreitung des Tatherrschaftsgedankens rückläufige Diskussion. Losgelöst vom Begriff „Tatherrschaft“ wird die Mittäterschaft – anhand der sog. „additiven Mittäterschaft“ – konsequent auf ihre gesetzliche Regelung in § 25 Abs. 2 StGB zurückgeführt. Die entwickelte Lösung, eine teilweise Renaissance der formal-objektiven Theorie, mag dem Einwand fehlender argumentativer Flexibilität und somit mangelnder Praxistauglichkeit ausgesetzt sein. Demgegenüber steht die Rückbesinnung auf eine echte Tatbestandsbezogenheit, die den dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Garantien die notwendige Geltung verschafft.