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mäßige) Geschehen als Weiterentwicklung zugerechnet werde.192 Somit könne
die Abgrenzung zwischen Täter und Teilnehmer systematisch stets nur innerhalb
dieses ex-ante-Handlungsunrechts verortet sein.193 Schild fasst die Täterformen
des § 25 sämtlich als eine Form des Werkzeuggebrauchs auf.194 Der Täter verwende – bei der unmittelbaren Täterschaft – entweder sich selbst oder ein nichtmenschliches Werkzeug bzw. bei der mittelbaren und bei der Mittäterschaft einen
anderen als menschliches Werkzeug, wobei er dieses bei letzterer zur arbeitsteiligen Erfolgsherbeiführung einsetze.195 Schild entwickelt in diesem Zusammenhang auch einen eigenständigen, normativen Handlungsbegriff, wonach der Begriff »Handlung« nicht in einem vor-normativen, phänomenologischen Sinne zu
verstehen ist, sondern vielmehr nur in Bezug auf den jeweiligen Tatbestand gebildet werden kann.196 Bei allen Täterschaftsformen sei jeder Einzelne zum
Zwecke einer strikten Isolierung innerhalb des Beteiligtenverhältnisses stets nur
für die Umsetzung seines eigenen Handlungsprogrammes, das gegebenenfalls jedoch eben die Handlungen anderer einplant, zu bestrafen.197
2. Mittäterschaft im allgemeinen nach Schild
Das Handlungsunrecht des Mittäters ist nach Schild die eigene unmittelbare Umsetzung des auf Zusammenarbeit abstellenden Handlungsprogrammes, welche
eine Zurechnung des Taterfolges begründe, da bzw. wenn dieser sich als Verwirklichung dieses Programms erweise.198 Im Einzelnen sei ein Handlungsprogramm
erforderlich, das einen anderen als Werkzeug einplane, dessen Tätigkeit arbeitsteilig gleichrangig mit dem als eigenen geplanten Beitrag sein soll, weshalb ihre
Realisierung dem Planenden als eigene Handlung zugerechnet werden könne.199
»Im Ergebnis« fordert Schild für die Mittäterschaft eine Mitwirkung an der tatbestandlichen Ausführungshandlung und begründet dies mit dem Hinweis auf das
gemäß § 25 Abs. 2 erforderliche Handlungsprogramm, welches die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges durch ein arbeitsteilig gleichrangig tätigwerdendes Werkzeug umfassen müsse.200 Mittäterschaft sei daher überhaupt nur
dann möglich, wenn die Tatbestandshandlung »aufgeteilt« werden könne.201 Als
Beispiele nennt Schild den Raub gemäß § 249, aber auch den Diebstahl gemäß
§ 242, da hier die Tatbestandshandlung in Bruch fremden Gewahrsams und Be-
192 A.a.o. 157.
193 A.a.o. Rn. 113.
194 A.a.o. Rn. 284; dazu noch unten C. I. 3. b).
195 A.a.o. Rn. 284.
196 Schild Täterschaft 17 ff.
197 NK – Schild Vorbem §§ 25 ff. Rn. 278 ff.
198 Vgl Schild a.a.o. Rn. 162 sowie § 25 Rn. 84.
199 NK – Schild § 25 Rn. 92.
200 A.a.o. Rn. 94.
201 A.a.o. Rn. 95.
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gründung neuen Gewahrsams teilbar sei, sowie die Verwirklichung eines Tötungsdeliktes durch mehrere Giftgaben.202
3. »Additive Mittäterschaft« im Besonderen nach Schild
Schild lehnt die Figur der »additiven Mittäterschaft« generell ab.203 Er schließt
die Unzulässigkeit diese Rechtsfigur als Form der Mittäterschaft daraus, dass es
bei der Mittäterschaft, ebenso wie bei anderen Täterschaftsformen, stets um ein
das Handlungsprogramm jedes Einzelnen betreffendes Handlungsunrechtsproblem gehe, womit eine nachträgliche Zusammenfügung der einzelnen Tatbeiträge
zu einer »Kollektivtat« ausscheide.204 Bei der »additiven Mittäterschaft« sei zwar
ein Tatentschluss hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Attentats gegeben, nicht
aber hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Tötens, da vielmehr jeder Einzelne die
Tötungshandlung alleine vornehmen solle.205 Für das als »Gesamtprojekt« vorhandene, gemeinschaftliche Attentat fehle es an einem Straftatbestand.206 Das
Abstellen der herrschenden Lehre auf die Risikoerhöhung sei unzulässig, da auch
der Teilnehmer grundsätzlich das Risiko erhöhe und darüber hinaus, nähme man
alleine die Risikoerhöhung als maßgeblich an, bereits unmittelbare Alleintäterschaft bejaht werden müsste.207 Außerdem ist nach der Auffassung von Schild die
Risikoerhöhung keine Voraussetzung von Mittäterschaft. Vielmehr sei auch derjenige Mittäter, der von der Bande nur zu Lernzwecken mitgenommen werde und
aufgrund seiner Unerfahrenheit das Risiko eines Gelingens der Tat eher vermindere.208
4. Kritik
Die Ausführungen von Schild zu den §§ 25 ff. sind sehrt umfangreich und konnten
hier nur in ihren Grundzügen dargestellt werden. Gleichwohl sollte die vorstehende Darstellung genügen, um eine Auseinandersetzung mit der von Schild entwickelten Auffassung zur »additiven Mittäterschaft« zu ermöglichen. Es soll dabei nicht unerwähnt bleiben, dass zum einen in Teilaspekten erhebliche Übereinstimmungen mit der von Schild vertretenen Auffassung und dem hier noch zu
Entwickelnden bestehen, dass aber zum anderen die Zusammenhänge und die Sy-
202 NK – Schild Vorbem §§ 25 Rn. 347.
203 Vgl. NK – Schild Vorbem §§ 25 Rn. 247 und 303; sowie § 25 Rn. 85. und 94.
204 A.a.o. Rn. 163.
205 A.a.o. Rn. 247.
206 NK – Schild § 25 Rn. 94.
207 NK – Schild Vorbem §§ 25 ff. Rn. 247; zur Frage der Risikoerhöhung eingehend oben A.
II. 2.
208 NK – Schild § 25 Rn. 85.
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References
Zusammenfassung
Das Werk behandelt die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme, eine angesichts der Verbreitung des Tatherrschaftsgedankens rückläufige Diskussion. Losgelöst vom Begriff „Tatherrschaft“ wird die Mittäterschaft – anhand der sog. „additiven Mittäterschaft“ – konsequent auf ihre gesetzliche Regelung in § 25 Abs. 2 StGB zurückgeführt. Die entwickelte Lösung, eine teilweise Renaissance der formal-objektiven Theorie, mag dem Einwand fehlender argumentativer Flexibilität und somit mangelnder Praxistauglichkeit ausgesetzt sein. Demgegenüber steht die Rückbesinnung auf eine echte Tatbestandsbezogenheit, die den dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Garantien die notwendige Geltung verschafft.