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1. Die sog. »Untätigkeitslösung«
Nach Gorka konstituiert § 25 Abs. 2 einen Sonderfall strafbaren täterschaftlichen
Unterlassens. Die Beteiligten seien jeweils »in dem Umfang bzw. in der Beteiligungsform entsprechend dem vereinbarten eigenen Tatanteil Garanten dafür, dass
die Tat von keinem anderen Tatgenossen vereinbarungsgemäß in die Stadien des
Versuchs und der Vollendung geführt wird.«150. Weiter heißt es: »Im Anwendungsbereich des § 25 Abs. 2 StGB, also im Strukturgefüge einer einheitlichen
Tat, die gemeinschaftlich von mehreren (Mittätern) begangen wird, wird die eigene, mit dem Tatplan vereinbare Untätigkeit eines Mittäters den tatbestandsverwirklichenden Ausführungshandlungen anderer Mittäter gleichgestellt.« Demnach solle durch den gemeinsamen Tatplan eine »ingerenzähnliche Garantenhaftung«151 begründet werden. Es bestehe eine Strukturverwandtschaft zwischen §
25 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 dahingehend, dass sowohl bei der Mittäterschaft als
auch beim täterschaftlichen Unterlassen eine Strafbarkeit trotz teilweiser Untätigkeit begründet werde.152
2. Die Anwendung der Untätigkeitslösung auf die additive Mittäterschaft
Unter Anwendung der von ihm entwickelten und soeben im Überblick dargestellten Prämissen gelangt Gorka zur Bejahung von Mittäterschaft aller Beteiligten
bei der »additiven Mittäterschaft«.153 Da nach seiner Auffassung nicht einmal das
Ausbleiben des Tatbeitrages eines Beteiligten dessen Charakterisierung als Mittäter hindern würde, kann bei einem nicht nachweisbar erfolgskausalen Tatbeitrag nichts anderes gelten. Auf die Wesentlichkeit des Tatbeitrages käme es demnach nicht an. Entscheidend sei alleine, dass jeder Beteiligte durch seine Zusage
den Sinn einer Abstandnahme für die anderen verringert habe. Da die von Gorka
vorgeschlagene Lösung der hier zu untersuchenden Fallgruppe unter Zugrundelegung seines Mittäterschaftsbegriffs konsequent ist, muss dieser Mittäterschaftsbegriff nunmehr kritisch geprüft werden.
3. Die Ablehnung der Untätigkeitslösung
Die von Gorka entwickelte Untätigkeitslösung vermag als allgemeine Mittäterschaftskonstruktion nicht zu überzeugen, so dass auch die auf sie gestützte Lösung der hier zu untersuchenden Fallgruppe abzulehnen ist.
150 Gorka S. 155.
151 A.a.o. S. 139.
152 A.a.o. S. 135 ff.
153 A.a.o. S. 162 f.
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References
Zusammenfassung
Das Werk behandelt die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme, eine angesichts der Verbreitung des Tatherrschaftsgedankens rückläufige Diskussion. Losgelöst vom Begriff „Tatherrschaft“ wird die Mittäterschaft – anhand der sog. „additiven Mittäterschaft“ – konsequent auf ihre gesetzliche Regelung in § 25 Abs. 2 StGB zurückgeführt. Die entwickelte Lösung, eine teilweise Renaissance der formal-objektiven Theorie, mag dem Einwand fehlender argumentativer Flexibilität und somit mangelnder Praxistauglichkeit ausgesetzt sein. Demgegenüber steht die Rückbesinnung auf eine echte Tatbestandsbezogenheit, die den dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Garantien die notwendige Geltung verschafft.