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Schlussbetrachtungen
Im Folgenden sollen zunächst die Ergebnisse der Arbeit thesenartig zusammengefasst werden. Darauf folgt eine Bewertung der Erkenntnisse.
A. Zusammenfassung
Ziel der Arbeit war es, Kriterien für die Bewertung vertikaler Kontrolle durch Immaterialgüterrechte zu finden und nachzuzeichnen, inwieweit das Immaterialgüterrecht
diese Gedanken nachvollzieht bzw. welche „Hebel“ es für die Justierung vertikaler
Kontrolle bereit hält. Die ermittelten Kriterien können anhand der verschiedenen
Bedeutungen des Funktionsbegriffes dargestellt werden:1623 Zunächst wird es um
das normative Leitbild (I.), dann um die abstrakte, idealtypische Wirkungsweise (II.)
und schließlich um die konkret-dynamische Wirkung (III.) gehen. Die Darstellung
des immaterialgüterrechtlichen Rahmens erfolgt anhand der Einteilung in Schutzvoraussetzungen (IV.), Schutzumfang (V.) und Schutzschranken (VI.).
I. Normatives Leitbild
Der individualistischen Rechtfertigung des Immaterialgüterrechts steht eine Rechtfertigung durch überindividuelle, also gesamtgesellschaftliche Vorteile gegenüber.
Dies entspricht dem Unterschied zwischen einem deontologischen und einem utilitaristischen Rechtsverständnis. Wenn man stark vereinfacht, kann hier auch eine
Trennlinie zwischen kontinentaleuropäischem und anglo-amerikanischem Schutzrechtsverständnis gezogen werden. Aber auch innerhalb beider Rechtssysteme ist
dieser Konflikt zu beobachten. (Teil 1 A.).
Es zeigt sich jedoch, dass diese Ansätze nicht isoliert nebeneinander stehen dürfen, sondern kombiniert werden müssen. Der utilitaristische Ansatz offenbart die
überindividuellen Zielsetzungen des Schutzrechtssystems, z.B. den technischen
Fortschritt, die innovative Produktdifferenzierung und die Kunst- und Kommunikationsförderung. Der deontologische Ansatz zeigt, dass diese Zielsetzungen durch ein
System gleicher Freiheiten unter einem allgemeinen Gesetz zu verwirklichen sind.
Hieran muss sich auch die vertikale Kontrolle messen lassen, denn auch sie muss
Einzel- und Gesamtinteresse in einen gerechten Ausgleich bringen. (Teil 1 A.).
1623 S. oben Teil 1 A.
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II. Idealtypische Wirkungsweise
Der Immaterialgüterschutz beruht in Marktwirtschaften regelmäßig auf einem System subjektiver, absoluter Rechte. Dies ist problematisch, soweit es zu einer „Eigentumslogik“ führt, die Folgemärkte reflexartig einem Schutzrechtsinhaber zuweist.
Diese Logik ist nicht zwingend. Auch in einem individualistischen Ansatz sind subjektive Rechte selbstverständlich durch entgegenstehende Rechtspositionen begrenzt. Dies gilt auch für die allgemeine Markt- oder Wettbewerbsfreiheit Dritter.
(Teil 1 B. I.).
Die ökonomische Betrachtung erhellt das Verhältnis von Freiheit und Schutzrecht. Grundlegend ist das Problem öffentlicher Güter. Dieses begründet das „Innovationsdilemma“. Die Furcht vor direkter Konkurrenz durch Dritte hält den potentiellen Innovator davon ab, in Abwesenheit von Rechtsschutz Kosten für die Hervorbringung immaterieller Güter aufzuwenden, die er in dieser Situation niemals
wieder einspielen könnte. Wird dieses Problem mit der Herstellung einer Ausschlussbefugnis gelöst, ermöglicht dies zugleich, dass positive Wirkungen für Dritte,
die von der Arbeit des Innovators ausgehen, in den Preismechanismus miteinbezogen werden können (Internalisierung externer Effekte). In jedem Fall resultiert die
Frage, ob die Ausschlussbefugnis hergestellt werden soll, in eine Abwägung zwischen Vorteilen für die dynamische und Nachteilen für die statischer Effizienz eines
Wirtschaftssystems. Dabei sollte die statische Effizienz nur soweit eingeschränkt
werden, wie dies die dynamische Effizienz fördert. Dies entspricht auf der rechtstheoretischen Ebene einer Bestimmung der Grenze zwischen absolutem und relativem Schutz von Freiheiten. (Teil 1 B. II. u. III.).
Offen bleibt das konkrete Maß an Unabhängigkeit bei der Preissetzung, das dem
Schutzrechtsinhaber als Belohnung für seine Leistung gewährt wird. Denn ein
Schutzrecht entspricht keiner bestimmten Marktsituation, sondern ist vom Markt
abstrakt. Eine gewisse Verbindung besteht jedoch zwischen diesen Kategorien, weil
ein zunehmender Schutzumfang als Maß für den Ausschluss von Substituten tendenziell auch ein Ansteigen der Marktmacht des Schutzrechtsinhabers bewirkt. In
jedem Fall ist aber zu beachten, dass eine marktgerechte Belohnung des Schutzrechtsinhabers nur zustande kommen kann, wenn sich seine Leistung im Wettstreit
mit anderen, eventuell auch geschützten Leistungen durchsetzen muss („competing
exclusivities“). (Teil 1 B. IV.)
Das Markenrecht nimmt bei seiner idealtypischen Wirkungsweise eine Sonderstellung unter den Schutzrechten ein. Die Marke ist ein rivalisierendes Gut und wirft
daher weniger Zugangsprobleme auf als andere Schutzrechte. Grundlegend ist seine
Bedeutung für die Herstellung von Markttransparenz. Seine Anreizkomponente
richtet sich nicht auf das geschützte Immaterialgut, sondern auf das betriebliche
Angebot eines Unternehmens. Jedoch stellen sich im Markenrecht ähnliche Probleme vertikaler Kontrolle wie in anderen Schutzrechten. Auch hier geht es darum, ob
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References
Zusammenfassung
Das Immaterialgüterrecht soll die Imitation von geistigen Leistungen verhindern. Damit wirkt es zunächst horizontal gegen direkte Konkurrenz. Es verleiht jedoch auch Schutz gegenüber Dritten, die das geschützte Gut als Input auf anderen Märkten nutzen. Dies kann als vertikale Schutzrichtung bezeichnet werden. Obwohl diese Schutzrichtungen verschiedene Auswirkungen auf die Produktion immaterieller Güter haben, wird im Immaterialgüterrecht nicht zwischen ihnen differenziert.
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand dieser Unterscheidung die schutzrechtsinternen Grenzen des Immaterialgüterrechts. In einer ökonomischen Analyse werden zunächst die Wirkungen der vertikalen Kontrollbefugnisse dargestellt. Anschließend wird analysiert, inwieweit die ökonomischen Erkenntnisse ins Recht Einzug gefunden haben und welche Hebel es zur Justierung vertikaler Kontrolle gibt. Diese Betrachtungsweise schärft das Verständnis des Immaterialgüterrechts als Marktorganisationsrecht und schafft eine tragfähigere Grundlage für die Bewertung und Justierung der schutzrechtsexternen Grenzen. Darüber hinaus trägt sie zu einem „more economic approach“ im Immaterialgüterrecht bei.