Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik
herausgegeben von
Ernst-Joachim Mestmäcker,
Wernhard Möschel und
Martin Hellwig
Band 230
Christoph Wolf
Vertikale Kontrolle durch
Immaterialgüterrechte
Nomos
D21
1. Auflage 2009
© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2009. Printed in Germany. Alle Rechte,
auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der
Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 2008
ISBN 978-3-8329-4170-3
Meinen Eltern
und
meinen Großeltern
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Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist zwischen September 2006 und April 2008 entstanden und
wurde im Sommersemester 2008 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-
Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur
fanden Berücksichtigung bis Januar 2009.
Danken möchte ich meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Wernhard Möschel. Er hat mich dazu ermutigt, eine Arbeit im Schnittfeld von Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht zu schreiben und dabei ordnungspolitische Aspekte
nicht außer Acht zu lassen. Danken möchte ich ihm auch für die optimalen Arbeitsbedingungen an seinem Lehrstuhl, die ich über viele Jahre genießen durfte. Während
der Anfertigung der Dissertation habe ich von einer am Lehrstuhl aus Mitteln der
Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. im Rahmen des Netzwerks „Wettbewerb und Innovation“ geschaffenen Stelle profitiert. Neben Professor
Dr. Möschel danke ich Herrn Professor Dr. Ulrich Bälz für die zügige Erstellung des
Zweitgutachtens und ein sehr bereicherndes Gespräch über die Arbeit nach Abschluss des Promotionsverfahrens. Zudem bin ich neben Prof. Dr. Möschel auch
Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Ernst-Joachim Mestmäcker für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe zu Dank verpflichtet. Die Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Bezirksgruppe Südwest) hat
die Veröffentlichung der Arbeit durch einen großzügigen Druckkostenzuschuss gefördert. Dafür danke ich stellvertretend Herrn Rechtsanwalt Professor Dr. Thomas
Sambuc, LL. M. (Yale).
Neben meinem Doktorvater habe ich die Themenfindung und Konkretisierung
auch anderen Personen zu verdanken: Dank schulde ich Herrn Dr. Gerhard Riehle,
LL. M. (Austin). Seine Arbeiten über den vertikalen Schutzbereich von Immaterialgüterrechten waren eine der wichtigsten Anregungen für diese Arbeit, und in Gesprächen hat er mir seine Positionen hierzu immer bereitwillig näher gebracht. Größter Dank gebührt zudem Herrn Professor Dr. Stefan Bechtold, J.S.M. (Stanford), der
mir in allen Phasen der Arbeit behilflich war. Die Diskussionen mit ihm halfen mir,
das Thema abzugrenzen und die rechtsökonomische Betrachtungsweise in sinnvoller
Weise mit einzubeziehen. Außerdem hat er mich stets dazu ermutigt, die USamerikanische Literatur zum Thema aufzuarbeiten, stand immer für Verständnisfragen zur Verfügung und hat schließlich auch das Manuskript durchgesehen. Für die
Durchsicht des ökonomischen Teils und fachkundige Anregungen hierzu danke ich
zudem Herrn Dipl.-Volksw. Jesko Herre.
Für zahlreiche Diskussionen, Anregungen und sonstige Hilfestellungen danke ich
allen Lehrstuhlkollegen, mit denen ich im Laufe der Jahre zusammenarbeiten durfte.
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Nennen möchte ich hier vor allem Frau Dr. Johanna Bätge, Frau Roswitha Blank-
Czarnetzki, Herrn Dr. Florian Wagner-von Papp, LL. M. (Columbia University),
Herrn Dr. Markus Müller, LL. M. (Berkeley), Herrn Dr. Florian Bien, Maître en
droit (Aix-Marseille III) und Herrn Johannes Hertfelder. Besonders hervorheben
möchte ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Maximilian Hermann, der als mein Zimmerkollege am Lehrstuhl die komplette Entstehung der Arbeit konstruktiv begleitet und
große Teile des Manuskriptes durchgesehen und korrigiert hat.
Für die sehr aufmerksame Korrektur des gesamten Manuskripts danke ich Herrn
Benjamin Janowitz. Er und Herr Oliver Meyer haben mich außerdem während der
Entstehung der Arbeit auf vielfältige Weise moralisch unterstützt.
Der größte Dank gebührt allerdings meiner Familie. Meinen Geschwistern danke
ich für ihre Geduld mit mir und für zahlreiche Diskussionen in allen Lebensbereichen. Den größten Anteil an der Entstehung dieser Arbeit hatten jedoch meine Eltern, die mich immer in allen meinen Vorhaben intellektuell und materiell unterstützt und mich auch zu diesem Projekt ermutigt haben. Ohne sie wäre diese Arbeit
nicht möglich gewesen. Meinem Vater danke ich darüber hinaus für die sorgfältige
Korrektur des gesamten Manuskripts. Zuletzt danke ich meinem Großvater Georg
Wolf, der mich stets in jeglicher Weise unterstützt hat, die Fertigstellung und Veröffentlichung dieser Arbeit jedoch nicht mehr erleben durfte.
Tübingen, im Januar 2009 Christoph Wolf
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Inhaltsübersicht
Einführung 17
A. Erkenntnisinteresse der Arbeit 18
B. Einschränkungen der Untersuchung 19
C. Begrifflichkeit 21
D. Gang der Untersuchung 22
Teil 1: Grundkonflikte des Immaterialgüterrechts 23
A. Normatives Leitbild 23
B. Idealtypische Funktionsweise 26
C. Zusammenfassung und Bewertung 48
Teil 2: Ökonomischer Rahmen vertikaler Kontrolle 49
A. Vertikale Kontrolle durch Immaterialgüterrechte 49
B. Die Ausübung von Marktmacht im Vertikalverhältnis 53
C. Die Dynamik des eigentumsrechtlichen Immaterialgüterschutzes 98
D. Bewertung der ökonomischen Untersuchung 140
Teil 3: Immaterialgüterrechtlicher Rahmen vertikaler Kontrolle 142
A. Schutzvoraussetzungen 143
B. Schutzumfang 172
C. Schutzschranken 196
Schlussbetrachtungen 255
A. Zusammenfassung 255
B. Erkenntnisse 261
Literaturverzeichnis 265
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Inhaltsverzeichnis
Einführung 17
A. Erkenntnisinteresse der Arbeit 18
B. Einschränkungen der Untersuchung 19
C. Begrifflichkeit 21
D. Gang der Untersuchung 22
Teil 1: Grundkonflikte des Immaterialgüterrechts 23
A. Normatives Leitbild 23
B. Idealtypische Funktionsweise 26
I. Subjektives Recht und Marktwirtschaft 27
1. Subjektive, absolute Rechte 27
2. Individuelles und überindividuelles Interesse 27
3. Naturrechtliche Begründung 28
4. „Eigentumslogik“ und Begrenzungsproblem 29
II. Öffentliche Güter, Marktversagen und „Property Rights“ 31
III. Internalisierung externer Effekte 36
IV. Belohnung zwischen Monopol und Wettbewerb 38
1. Immaterialgüterrechte und Marktmacht 38
a) Eigentumsrecht und Markt 38
b) Verbindung durch Marktmacht 39
c) Schutzrechte und Marktformen 41
2. Immaterialgüterrecht und Wettbewerb 44
a) Mehrebenenansatz 44
b) „Competing Exclusivities“ 45
V. Modifizierung der Funktionsweise für das Markenrecht 46
1. Anreizlogik 46
2. Kosten 47
C. Zusammenfassung und Bewertung 48
Teil 2: Ökonomischer Rahmen vertikaler Kontrolle 49
A. Vertikale Kontrolle durch Immaterialgüterrechte 49
I. Gewinnmaximierung durch vertikale Kontrolle 50
II. Bedeutung im Immaterialgüterrecht 51
III. Allokative und dynamische Komponente 52
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B. Die Ausübung von Marktmacht im Vertikalverhältnis 53
I. Bewertung vertikaler Bindungen in Ökonomie und
Wettbewerbstheorie 54
II. Vertikale Integration 55
1. Grundlagen 55
2. Bedeutung im Immaterialgüterrecht 56
3. Übertragung von Marktmacht und Marktverschließung 58
a) Das klassische Argument der doppelten Marginalisierung 58
b) Die Chicago-These vom einheitlichen Monopolgewinn 60
c) Vertikale Integration unter dem Aspekt der
Marktverschließung 61
aa) Marktverschließungseffekt 61
bb) Rationalität der Marktausschließungsstrategie 63
cc) Auswirkungen auf die Wohlfahrt 63
4. Absicherung von Marktmacht und Marktverschließung 65
a) Vertikale Marktverschließung („vertical foreclosure“) 65
b) Das wesentliche Gut 66
c) Bindungsproblem 67
aa) Bindungsproblem des monopolistischen Herstellers
dauerhafter Güter 68
bb) Bindungsproblem des Herstellers eines wesentlichen
Gutes 68
d) Lösungsmöglichkeiten für das Bindungsproblem 69
e) Bedeutung im Immaterialgüterrecht 70
III. Lizenzierung 71
1. Grundlagen 71
2. Differenzierungen 72
IV. Preisdiskriminierung 75
1. Grundlagen der Preisdiskriminierung 75
2. Preisdiskriminierung dritten Grades und Immaterialgüterrecht 76
a) Räumliche Marktaufteilung 76
b) Sachliche Marktaufteilung 78
c) Auswirkungen auf die Wohlfahrt 79
3. Preisdiskriminierung zweiten Grades 81
V. Kopplungen 81
1. Grundlagen der Kopplung 82
2. „Tying“ und Preisdiskriminierung zweiten Grades 83
3. Bedeutung des Immaterialgüterrechts 84
4. Auswirkungen auf die Wohlfahrt 85
a) Das Chicago-Argument 86
aa) Einheitlicher Monopolgewinn 86
bb) Folgemarkt-Problematik 86
cc) Geschlossene und offene Systeme 87
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b) Erweiterungen der Chicago-Argumentation 88
aa) Allgemeine Effizienzvorteile von Kopplungen 88
bb) Preisdiskriminierung zweiten Grades 89
cc) Marktunvollkommenheiten 90
dd) Ausschlusseffekte und Eintrittsbarrieren 91
c) Übertragung auf das Immaterialgüterrecht 93
VI. Zusammenfassung und Bewertung 95
C. Die Dynamik des eigentumsrechtlichen Immaterialgüterschutzes 98
I. Wohlfahrtsgewinne durch vertikale Kontrolle 99
1. Verhinderung von Übernutzung 99
2. Kontrolle von Folgeinnovationen 101
a) „Prospect theory“ 101
b) Kontrolle derivativer Werke 104
3. Ermöglichung kumulativer Innovation 108
4. Immaterialgüterrecht als Entscheidungsbefugnis 111
a) Der Ansatz 111
b) Probleme unvollständiger Verträge und
Lösungsmöglichkeiten 112
c) Immaterialgüterrechte als Entscheidungsbefugnis 114
d) Immaterialgüterrechte und die Grenzen der Firma 115
e) Kritik und Fazit 117
5. Marktstruktur und optimale Innovationsrate 118
II. Wohlfahrtsverluste durch vertikale Kontrolle 121
1. Öffentliche Güter 121
2. Zentralisierung vs. Dezentralisierung 122
3. Lizenzierungsprobleme 127
a) Asymmetrische Information 128
b) Theoretische Verhandlungsprobleme 128
c) Fehlschlagen von Verhandlungen bei Pionierpatenten 129
d) Anticommons 130
4. Infrastruktur als Schutzgegenstand 131
5. Vielfalt der Informationsproduktion 135
III. Zusammenfassung 139
D. Bewertung der ökonomischen Untersuchung 140
Teil 3: Immaterialgüterrechtlicher Rahmen vertikaler Kontrolle 142
A. Schutzvoraussetzungen 143
I. Ideen- und Informationsschutz im Urheber- und Datenbankrecht 144
1. Urheberrechtliche Grundsätze 144
2. Informationsschutz vs. Datenbankschutz 147
3. Magill 148
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4. „Sole source“-Datenbanken 151
a) British Horseracing Board vs. William Hill Organization 151
b) Bewertung der Entscheidung durch die Literatur 153
c) Eigene Bewertung 156
5. IMS-Health 157
6. Bewertung 160
II. Unterscheidungskraft und Freihaltebedürfnis im Markenrecht 161
III. Absoluter Stoffschutz im Patentrecht 162
1. Doppelnatur von Gensequenzen 163
2. Entwicklung des absoluten Stoffschutzes 164
3. Absoluter Stoffschutz für menschliche Gensequenzen? 165
4. Der zugrunde liegende Konflikt 167
5. Bewertung 170
IV. Gemeinsamkeiten und Unterschiede 171
B. Schutzumfang 172
I. Urheberbearbeitungsrecht, Fortsetzungsroman und Abstracts 173
1. Wirtschaftliche Interessenlage 173
2. Bearbeitung, freie Benutzung und ökonomische Rationalität 176
3. Bearbeitungsrechtliche Kontrolle über Abstracts 179
4. Bewertung 184
II. Benutzungsbegriff und Spielzeugmarkt 184
1. Wirtschaftliche Interessenlage 184
2. Kontrolle und Benutzungsbegriff 188
a) Rechtsprechung 188
b) Bewertung der Rechtsprechung 190
3. Kontrolle und Schranken 193
4. Bewertung 194
III. Zusammenfassung 196
C. Schutzschranken 196
I. Erschöpfungsgrundsatz 197
1. Der nationale Erschöpfungsgrundsatz 198
a) Belohnungstheorie 199
b) Verkehrssicherungstheorie 200
c) Eigentumstheorie 200
d) Modifizierung für das Markenrecht 201
e) Würdigung 201
2. Die räumliche Ausdehnung des Erschöpfungsgrundsatzes 203
a) Die gemeinschaftsweite Erschöpfung 203
b) Internationale Erschöpfung 206
3. Erschöpfungsfähige Ausschlussbefugnisse 207
a) Markenrecht 209
aa) Ankündigungs- und Werbehinweisrecht 209
bb) Kennzeichnungsrecht 210
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b) Urheberrecht 212
aa) Ankündigung und Werbung 212
bb) Unkörperliche Verbreitung 216
cc) Speziell: Der Handel mit gebrauchter Software 217
(1) Wirtschaftlicher Hintergrund 218
(2) Rechtliche Bewertungsgrundlagen 218
(3) Körperliche Weiterveräußerung 219
(4) Unkörperliche Weiterveräußerung 221
(5) Bewertung 222
4. Grenzen der Erschöpfung 223
a) Erschöpfungsgrenzen im Markenrecht 224
b) Erschöpfungsgrenzen im Urheberrecht 226
5. Bewertung 233
II. Softwareschutz und Interoperabilität 235
1. Vertikale Kontrolle und Interoperabilität 235
2. Urheberrecht 239
3. Patentrecht 242
4. Bewertung 245
III. Reparaturklausel im Geschmacksmusterrecht 246
1. Interessenlage 246
2. Geschmacksmusterschutz für Ersatzteile 248
3. Reparaturklausel für „must-match“-Teile 250
4. Reparaturklausel als vertikale Beschränkung des
Geschmacksmusterrechts 251
Schlussbetrachtungen 255
A. Zusammenfassung 255
I. Normatives Leitbild 255
II. Idealtypische Wirkungsweise 256
III. Konkret-dynamische Wirkungen 257
IV. Schutzvoraussetzungen 259
V. Schutzumfang 260
VI. Schutzschranken 260
B. Erkenntnisse 261
Literaturverzeichnis 265
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Immaterialgüterrecht soll die Imitation von geistigen Leistungen verhindern. Damit wirkt es zunächst horizontal gegen direkte Konkurrenz. Es verleiht jedoch auch Schutz gegenüber Dritten, die das geschützte Gut als Input auf anderen Märkten nutzen. Dies kann als vertikale Schutzrichtung bezeichnet werden. Obwohl diese Schutzrichtungen verschiedene Auswirkungen auf die Produktion immaterieller Güter haben, wird im Immaterialgüterrecht nicht zwischen ihnen differenziert.
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand dieser Unterscheidung die schutzrechtsinternen Grenzen des Immaterialgüterrechts. In einer ökonomischen Analyse werden zunächst die Wirkungen der vertikalen Kontrollbefugnisse dargestellt. Anschließend wird analysiert, inwieweit die ökonomischen Erkenntnisse ins Recht Einzug gefunden haben und welche Hebel es zur Justierung vertikaler Kontrolle gibt. Diese Betrachtungsweise schärft das Verständnis des Immaterialgüterrechts als Marktorganisationsrecht und schafft eine tragfähigere Grundlage für die Bewertung und Justierung der schutzrechtsexternen Grenzen. Darüber hinaus trägt sie zu einem „more economic approach“ im Immaterialgüterrecht bei.