39
2. Vereinigungsfreiheit, Art. 9 Abs.1 GG
Da bei einer Stiftung im Unterschied zum Verein das korporative Element gerade
nicht im Vordergrund steht, scheidet ein Rückgriff auf die Vereinigungsfreiheit des
Art. 9 Abs.1 GG von vorneherein aus.114
3. Eigentumsgrundrecht, Art.14 Abs.1 GG
Weil der Stiftungsakt mit der Widmung eine vermögensrechtliche Verfügung
enthält, wurde vereinzelt vertreten, die Errichtung sei insoweit durch das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs.1 GG geschützt.115 Hiergegen wird zu Recht vorgebracht, dass sich die Eigentumsgewährleistung nicht auf eine bestimmte Form der
Eigentumsverwendung beziehe.116 Das Eigentumsgrundrecht eignet sich daher nicht
als verfassungsrechtlicher Ankerpunkt der Stifterfreiheit, obwohl die Stiftungen mit
gemeinwohlbezogenen Zwecken den in Art. 14 Abs.2 GG enthaltenen Grundsatz,
dass der Gebrauch des Eigentums der Allgemeinheit dienen soll, geradezu idealtypisch umsetzen. Das Vermögen der bestehenden Stiftung wiederum steht unter dem
Schutz der in Art. 14 GG enthaltenen Eigentumsgarantie.
4. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs.1 GG
Mittlerweile wird der grundrechtliche Schutz für die Stiftungserrichtung durch den
lebenden Stifter überwiegend auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs.1
GG gestützt.117 Dieser Ansatz trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Stiftung nicht
nur aus ihrem Vermögen und ihrer Organisationsstruktur besteht, sondern im Kern
vor allem aus einer ideellen Zwecksetzung, die der Stifter vorgeben kann.118 Auf das
allgemeine Freiheitsrecht beziehen sich auch einige landesrechtliche Regelungen,
wenn sie die Beachtung des Stifterwillens als oberstes Leitprinzip formulieren.119
Vor dem Hintergrund des umfassenden Freiheitsrechts ergibt sich beinahe von
selbst die Folgerung, dass die Stifterfreiheit sich nicht in dem abstrakten Recht erschöpft, auf die bestehende Rechtsform Stiftung zurückzugreifen. Umgesetzt auf
den konkreten Stiftungsakt prägt sie sich auch in einer umfassenden Regelungsfreiheit des Stifters aus. Er kann selbst über den Inhalt und die Ausgestaltung des Stif-
114 Sachs-Höfling, Art.9 Rn.10.
115 Staudinger-Rawert, Vor §§ 80 ff. Rn.43 ff.; Machreich, S.162, 172 auf Grund einer gesamtwertenden Betrachtung von Eigentums- und Erbrechtsgarantie.
116 Frowein, S.16.
117 A.A. Machreich, S.216, der auf Grund der Anwendung des spezielleren Art.14 Abs.1 GG
konsequenterweise das allgemeine Freiheitsgrundrecht als subsidiär verwirft.
118 Seifart/v.Campenhausen-Hof, § 4 Rn.21.
119 Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 12.05.2004, Begründung zu §
1, Landtag Rheinland-Pfalz, Drucks. 14/3129, S.13.
40
tungsgeschäfts und der Stiftungssatzung entscheiden und im Einzelnen festlegen,
wie der Zweck der Stiftung nach Maßgabe des Stiftungszwecks verwirklicht werden
soll.120 Diese grundlegende Regelungsfreiheit erstreckt sich neben der Formulierung
des Stiftungszwecks und der Beschreibung der Stiftungsorganisation auch auf Regelungen zur Vermögensverwendung. Dabei ist der Stifter nicht an Vorlagen und Mustertexte der Stiftungsbehörden gebunden, sondern kann seinen Willen in Stiftungsgeschäft und Satzung frei zum Ausdruck bringen.121
Damit der Stifterwille nicht zur Stifterwillkür wird, ist die Stifterfreiheit aber umgekehrt auch an einen gewissen Zwang zur Kodifikation gebunden. Motive des Stifters, die in die Stiftungsverfassung keinen Eingang gefunden haben, oder spätere
Willensänderungen sind nicht geschützt und können das Wirken der juristischen
Person nicht beeinflussen. Geschützt ist also primär der in Stiftungsgeschäft und
Stiftungssatzung zum Ausdruck kommende Wille des Stifters.122
II. Quellen und Auslegung
Prägendes Gestaltungselement unserer Privatrechtsordnung ist die Willensäußerung
des autonomen Individuums. Dies gilt umso mehr im Stiftungsrecht, das auf der verfassungsmäßig garantierten Stifterfreiheit123 fußt. Hierzu zählt auch die Freiheit der
Form, in der dem Stifterwillen Ausdruck verliehen wird.124 Der Auslegung des Stifterwillens kommt darüber hinaus eine besondere Bedeutung zu, da er seinerseits
wichtigste Maßgabe für die Ausübung der Stiftungsaufsicht und die Anwendung der
Stiftungsgesetze ist. So schreibt etwa § 1 Abs.1 ThürStiftG als Zielvorgabe des Gesetzes fest, dass bei seiner Anwendung der Wille des Stifters vorrangig beachtet
wird.125
Wo immer aber das Recht Folgen an eine Willenserklärung knüpft, stellt sich im
gleichen Atemzug die Frage, wie diese zu verstehen ist. Das Zivilrecht hält für diese
semantische Aufgabe ein differenziertes Auslegungsinstrumentarium bereit, das
auch auf die Interpretation des Stifterwillens in seiner jeweiligen Äußerungsform
Anwendung findet. Die korrekte Anwendung dieses Instrumentariums gewinnt bei
der Stiftung durch ihren im Vergleich zu anderen Rechtsgeschäften extremen Zeithorizont besonderes Gewicht. Die bei Gründung vom Stifter abgegebene Willenserklärung muss teilweise über Jahrhunderte als Entscheidungsgrundlage für die Stiftungsverantwortlichen und die Stiftungsbehörden dienen – vor dem Hintergrund sich
120 Gesetzentwurf der Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 12.05.2004, Begründung zu § 1,
Landtag Rheinland-Pfalz, Drucks. 14/3129, S.13; vgl. auch Seifart/v.Campenhausen-Hof, § 4
Rn.36.
121 O.Werner, ZSt 2006, 126 (129 f.).
122 Vgl. die Formulierung des § 6 Abs.2 StiftGNRW.
123 Vgl. oben, S.36.
124 O.Werner, FS für Lübtow, S.25 f.
125 Ähnlich § 2 StiftGBW; § 3 BremStiftG; § 4 Abs.1 S.2 StiftGMV; § 2 NStiftG, § 4 Abs.1
StiftGRP; Art. 2 Abs.1 BayStiftG.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die jüngste Finanzkrise hat in zahlreichen Stiftungsdepots deutliche Spuren hinterlassen und die Diskussion über die konkreten Anforderungen an das Vermögensmanagement von Stiftungen neu entfacht. Dabei zeigt sich, dass zentrale Begriffe wie Vermögenserhaltung, ertragbringende Anlage oder Wirtschaftlichkeit in der Praxis nach wie vor unterschiedlich interpretiert werden.
Das Werk untersucht zunächst die bundes- und landesgesetzlichen Vorgaben zum Stiftungsvermögen, um anschließend den Gestaltungsspielraum des Stifters und des Stiftungsmanagements herauszuarbeiten. Ihnen obliegt es, die Art der Vermögensverwendung festzulegen – einschließlich des Erhaltungskonzepts. An den Anlagezielen Wert, Ertrag, Risiko und vor allem Zweck hat sich jede einzelne Anlage- und Umschichtungsentscheidung zu orientieren.
Dieses Buch enthält das rechtliche und ökonomische Basiswissen für alle Praktiker, die selbst Verantwortung für Stiftungsfinanzen tragen oder Stiftungen in Vermögensfragen beraten.
Der Autor ist im gehobenen Privatkundensegment einer großen Geschäftsbank für die Beratung von Stiftern und Stiftungen verantwortlich und verfügt über langjährige Praxiserfahrung in diesem Segment.