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kretisierenden Anspruch gewährt.490 Diese Ausnahme vom Erfordernis eines bezifferten Klageantrags lässt sich ohne Einschränkung auf den Anspruch aus § 2057 a
BGB übertragen, denn wie der Schmerzensgeldanspruch nach § 253 BGB („billige
Entschädigung in Geld“) ist auch der Ausgleichungsanspruch von Billigkeitsabwägungen abhängig („wie es ... der Billigkeit entspricht“). Somit ist es
dem nach § 2057 a BGB Ausgleichungsberechtigten möglich, in einer Feststellungsklage einen unbezifferten Antrag zu stellen, der wie folgt formuliert werden
könnte:
Es wird beantragt festzustellen, dass der Beklagte einen Betrag, der in das
Ermessen des Gerichtes gestellt wird, mindestens aber ..... EUR gemäß § 2057 a
BGB auszugleichen hat.491
2. Ansprüche nach § 2057 b BGB – E
Die vorstehenden Feststellungen sind nicht ohne weiteres auf den Klaganspruch
nach § 2057 b BGB – E zu übertragen. Hier ist – anders als im Rahmen des § 2057 a
BGB – mangels der Verweisung auf § 2057 a Abs. 3 BGB eine Billigkeitsabwägung
nicht vorzunehmen. Dies könnte zu der Annahme führen, ein unbezifferter Antrag
sei nicht zulässig und der Anspruchsteller sei darauf verwiesen, die Höhe seiner
Klagforderung konkret zu nennen. Schlüssig ist diese Annahme daneben vor dem
Hintergrund, dass für den Anspruch weder die Frage der durch die Sonderleistung
erfolgten Nachlassmehrung zu prüfen und auch keine Relation zum Wert des Nachlasses herzustellen ist. Der Wortlaut des § 2057 b Abs. 2 BGB – E, wonach sich die
Höhe des Ausgleichungsanspruches „in der Regel“ nach dem zur Zeit des Erbfalls in
§ 36 Abs. 2 SGB XI vorgesehenen Beträgen richtet, gibt Anlass zur Überlegung, ob
mit dieser Formulierung ein Ermessensspielraum des Gerichtes oder sogar eine Billigkeitsabwägung angesprochen wird.
Beides ist jedoch im Ergebnis zu verneinen. In dem, dem Regierungsentwurf vorausgegangenen Referentenentwurf führt das Bundesjustizministerium aus, § 2057 b
BGB – E solle „zur klaren Feststellung der Höhe des Ausgleichungsanspruches“
führen, da das von § 2057 a BGB geforderte Zusammenspiel von Dauer und Umfang der Sonderleistungen mit dem Wert des Nachlasses unter Berücksichtigung der
Billigkeit weder für die Gerichte leicht ermittelbare und für die Beteiligten transparente Anhaltspunkte wiedergebe.492 Somit soll es durch die Regelung des § 2057 b
BGB – E stattdessen dem Anspruchsteller möglich sein, die Höhe seines Anspruches
zu beziffern. Ein Abweichen vom Erfordernis eines bestimmten, d. h. bezifferten
Klageantrages ist somit nicht mehr erforderlich und auch nicht gewollt.
490 Zöller-Greger, § 253 Rn. 14 a
491 Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 26; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 37; Juris Kommentar-
Kerscher, § 2057 a Rn. 73; Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 21; Palandt-Edenhofer, § 2057 a Rn. 9
492 RegE vom 30.01.2008, S. 38
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Dass der Ausgleichungsanspruch nach § 2057 b BGB – E nur „in der Regel“ nach
den Sätzen des § 36 Abs. 3 SGB XI ermittelt werden soll, rechtfertigt somit die Annahme eines Ermessens oder einer Billigkeitsabwägung nicht. Immerhin verweist
aber der Regierungsentwurf vom 30.01.2008 darauf, dass die Sätze des § 36 Abs. 3
SGB XI nur regelmäßige Anhaltspunkte für die Bewertung der Pflegeleistungen
seien und es durchaus gerechtfertigt sein könne, z. B. bei geringeren Pflegeleistungen oder beim Durchlaufen verschiedener Pflegestufen, an andere Beträge als
die der Pflegeversicherung anzuknüpfen.493 Angesprochen wird damit aber keinesfalls ein richterliches Ermessen oder eine Billigkeitsabwägung. Vielmehr solle es
Aufgabe des Anspruchstellers sein, den Ausgleichungsanspruch nach dem Umfang
seiner Pflegeleistungen im Rahmen möglicherweise unterschiedlicher durchlaufender Pflegestufen der Pflegeperson zu ermitteln. Ein unbezifferter Antrag ist
damit nicht zulässig. Ein solcher Antrag würde letztlich dazu führen, dass das
Bestimmungsrecht des Anspruches auf das Gericht verschoben würde, obwohl der
Kläger selbst in der Lage ist, dieses Recht auszuüben (§ 316 BGB).494
IV. Die Substantiierungspflicht des Anspruchstellers und die Beweislage
Der Anspruchsteller hat zunächst die seinen Anspruch begründenden Tatsachen vorzutragen. Das sind für den Ausgleichsanspruch nach § 2057 a BGB die von ihm erbrachten Sonderleistungen, die Nachlassmehrung und der Wert des Nachlasses. Die
Mithilfe im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers aber auch die „Leistungen
in anderer Weise“ dürften wertmäßig kaum durch einfache Addition bezifferbar
sein. Deshalb wird hier dem Anspruchsteller seine Substantiierungspflicht insoweit
erleichtert, als von ihm nur verlangt wird, dass er ausreichende Anknüpfungspunkte
für eine Schätzung des Wertes seiner Leistungen gemäß § 287 ZPO liefert.495 Beweise müssen nur insoweit erhoben werden, als die tatsächlichen Umstände für die
erforderliche Gesamtabwägung Bedeutung haben.496
Wird jedoch der Vortrag des Klägers bestritten, so ist er gehalten die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen und dies umfasst auch den Beweis für die
durch seine Sonderleistung erfolgte Nachlassmehrung.497 Umgekehrt haben die ausgleichungsverpflichteten Erben die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsausschließenden Umstände (§ 2057 a Abs. 2 BGB). So obliegt es ihnen z. B. nachzuweisen, dass das für die jeweilige Leistung gewährte oder vereinbarte Entgelt
hoch genug sei oder dem Kläger ein Anspruch „aus anderem Rechtsgrund“ zustehe.
Diese Beweissituation verwundert zunächst. In der 3. Alternative des § 2057 a Abs.
493 RegE vom 30.01.2008, S. 38; Keim, ZEV 2008, 161, 166
494 BGH JR 1973, 610 = ZZP 86, 322
495 OLG Oldenburg FamRZ 1999, 1466, 1467; Lange-Kuchinke, § 15 III 5 d
496 Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 17; BGH NJW 1993, 1197, 1198; BGH NJW 1992, 364
497 Petersen, ZEV 2000, 432
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.