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gesprochen werden, da die tatsächlichen Leistungen in Geld- oder Sachleistungen
sowie die Tätigkeiten im Haushalt auch die wirtschaftlichen Verhältnisse beider
Partner bestimmen.382 Gerade im Erbrecht, wo Solidarität und Verbundenheit gerade
die entscheidende Rechtfertigung für die Nachlassbeteiligung sein sollten, dürften
diese engsten Beziehungen eigentlich nicht ausgeklammert werden. Diesem
Argument könnte entgegengehalten werden, es sei doch paradox, wenn z.B.
Lebensgefährten auf einen gesetzlich normierten erbrechtlichen Ausgleich dringen,
wo sie sich doch unabhängig von rechtlichen Bindungen zusammengetan haben.383
Diese Betrachtungsweise würde aber die Zweckrichtung einer Teilhabe familienfremder Personen am Nachlass bei Pflegearbeiten für den späteren Erblasser
verkennen. Ziel einer solchen Nachlassbeteiligung ist nur teilweise die dadurch erreichte wirtschaftliche Wiedergutmachung jahrelangen Aufwandes und Mühen. Bedeutender ist vielmehr der zu schaffende Anreiz, zu Pflegeleistungen überhaupt
bereit zu sein und damit eine gesellschaftsrelevante Aufgabe zu erfüllen, die bei
ihrem Wegfall für die Pflegeperson erhebliche Einbußen an Lebensqualität zur
Folge hätte und bei der Sozialgemeinschaft zu erheblichen Kosten, z. B. im Falle der
Heimunterbringung und fehlender Deckung durch das Vermögen und Einkommen
der Pflegeperson, führte.
III. Die mögliche Form der Beteiligung Familienfremder am gesetzlichen Erbrecht
Es bleibt die Frage nach dem Wie der Beteiligung Familienfremder an dem
gesetzlichen Erbrecht, insbesondere derer, die Pflegeleistungen gegenüber dem Erblasser erbringen. Auf dem 49. Deutschen Juristentag wurde eine Beschlussfassung
angenommen, demzufolge derjenige, der mit dem Erblasser in Haushaltsgemeinschaft gelebt hat oder ihn mindestens ein Jahr unmittelbar vor seinem Tod in seinem
Haushalt betreut hat, an Stelle des Fiskus erben sollte.384 Einer solchen Idee fehlt jedoch die praktische Bedeutung, schon aufgrund der Vorrangigkeit der gesamten
Verwandtenerbfolge.
Befürwortet wird auch ein Erbrecht der „faktischen Familie“ in der Form, dass
faktische Familienangehörige für ihre über längere Zeit für den Erblasser erbrachten
Dienstleistungen einen Ersatzanspruch erhalten sollten, der sich in der Höhe an dem
Pflichtteil zu orientieren habe, den ein blutsverwandter Angehöriger mit derselben
Rolle in der Familie erhalten hätte.385 Leipold präferiert eine Nachlassbeteiligung
kraft richterlichen Ermessens für den Partner aus nichtehelicher Lebensgemein-
382 Goetz, FamRZ 1985, 987, 989
383 Derleder, NJW 1980, 545, 546 zu den Vermögenskonflikten zwischen Lebensgefährten bei
Auflösung der Ehe unter Hinweis auf OLG Düsseldorf FamRZ 1978, 581
384 Verhandlungen des 49. Deutschen Juristentages, Düsseldorf 1972, Bd. II, Sitzungsbericht K,
S.165
385 So Däubler, ZRP 1975, 136, 142 f.
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schaft,386 wogegen Goetz einwendet, dass damit eine flexible erbrechtliche Norm
vorgeschlagen würde, wie sie bereits mit § 2057 a BGB Eingang in das Gesetz
gefunden habe.387 Diesem Einwand kann jedoch nicht gefolgt werden, zumal § 2057
a BGB ausschließlich Abkömmlinge „bedenkt“ nicht jedoch familienfremde Dritte.
Auch die Einrichtung eines gesetzlichen Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner
wird zur Diskussion gestellt.388 Schwierig scheint dabei die Handhabung der
Definition einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sowie des Konkurrenzverhältnisses zum Erbrecht der Abkömmlinge und des Ehepartners.389 Stein erwägt weiter
eine Abgrenzung der gesetzlichen Erbfolge zugunsten Familienfremder, die den
Erblasser gepflegt, unterhalten oder die mit ihm zusammen gelebt haben.390 Wenn
auch dieser Vorschlag eines Erbrechts Familienfremder nach den nächsten Verwandten zumindest für den Fall der Pflege des Erblassers Beachtung verdient, wird
kritisiert, dem Vorschlag fehlten Konkretisierungen, etwa eine – sicher notwendige
– Angabe über die Mindestdauer des Zusammenlebens als Voraussetzung für das
Erbrecht.391 Dieser Kritik ist wiederum entgegenzuhalten, dass sich dieses Problem
im Rahmen des § 2057 a BGB und des § 2057 b BGB – E immer stellt. Der
Anspruchsteller hat mithin stets den Umfang seiner Leistung sowohl im Hinblick
auf Intensität als auch Dauer nachzuweisen.
Zu denken wäre an die Schaffung eines „gesetzlichen Vermächtnisses“.392 Nach
§ 1939 BGB sind Vermächtnisse Zuwendungen eines Vermögensvorteils, die der
Erblasser jemandem durch Testament zukommen lässt, ohne ihn zum Erben einzusetzen. Nach dieser Legaldefinition des § 1939 BGB gibt es mithin „gesetzliche
Vermächtnisse“ eigentlich nicht. Gleichwohl werden diejenigen so qualifiziert, für
die das Gesetz die ausdrückliche oder entsprechende Anwendung von Vermächtnisvorschriften anordnet393, so beim Voraus des Ehepartners (§ 1932 BGB) und
„Dreißigsten“ (§ 1969 BGB). Problematisch wäre bei der Schaffung eines solchen
gesetzlichen Vermächtnisses jedoch die Tatsache, dass auch ein solches vom Gesetz
vorgegebenes Vermächtnis eine Nachlassverbindlichkeit darstellen würde (§ 1967
Abs. 2 BGB) und somit vorab, d. h. vor der Auseinandersetzung, wenn auch im
Falle der Dürftigkeit des Nachlasses nach der Erfüllung der sonstigen Nachlassverbindlichkeiten, zu erfüllen sein würde (§ 1991 Abs. 4 BGB i.V.m. § 327 Abs. 1
Nr. 2 InsO). Damit wäre im Falle eines gesetzlichen Vermächtnisses der nicht mit
dem Erblasser verwandte, eine Pflegeleistung erbringende Nichterbe, rangmäßig
besser gestellt als der ebenfalls pflegende Abkömmling, der nach § 2057 b BGB – E
erst nach Befriedigung sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 2 BGB)
im Rahmen der Erbauseinandersetzung seinen Anspruch auf Ausgleichung geltend
386 Leipold, AcP 1980, 160, 180 f.
387 Goetz, FamRZ 1985, 987, 990
388 Soergel-Stein, § 1931 Rn. 16, 11. Auflage 1983
389 Goetz, FamRZ 1985, 987, 990
390 Soergel-Stein, Einleitung, Rn. 80, 11. Auflage 1983
391 Goetz, FamRZ 1985, 987, 990
392 Stöcker, FamRZ 1971, 609, 616
393 Palandt-Edenhofer, § 1939 Rn. 2
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machen kann. Dies führt für den – neben einem ausgleichungsberechtigten Dritten pflegenden Erben dann zu einem Nachteil, wenn der Nachlass nach Befriedigung
der Verbindlichkeiten des Erblassers unter Einschluss des Anspruchs aus dem hier
angedachten gesetzlichen Vermächtnis „nicht ausreicht“, um den eigenen Ausgleichungsanspruch des gesetzlichen Erben aus § 2057 b BGB – E vollumfänglich
durchzusetzen.
Es ist also das Rangverhältnis eines gesetzlichen Vermächtnisses aufgrund von
Pflegearbeit zu dem Anspruch des gesetzlichen Erben auf Ausgleichung nach
§§ 2057 a, 2057 b BGB – E zu klären. Dabei sollte dem Ausgleichungsanspruch des
gesetzlichen Erben nach § 2057 b BGB – E ein wenigstens gleicher Rang zugesprochen werden, wie dem Anspruch eines pflegenden Dritten im Rahmen eines
„gesetzlichen Vermächtnisses“. Allerdings könnte der Rückgriff auf den mutmaßlichen Erblasserwillen auch dazu führen, dass dem Ausgleichungsanspruch des
pflegenden Erben ein Vorrang einzuräumen ist. Die Diskussion um die mögliche Erweiterung des Personenkreises, dem die Pflegearbeit für den späteren Erblasser
wenigstens durch das Erbrecht, wenn auch nicht honoriert, so doch mit einem Anspruch belohnt wird, erfolgt vor dem Hintergrund, dass vor allem aufgrund des
demografischen Wandels immer weniger Familienangehörige zur Verfügung stehen
werden, die diese Pflegearbeit leisten können. Fehlen solche Angehörige und erklären sich Dritte bereit, den Erblasser zu pflegen, sollten diese Personen einen
Ausgleich für ihren Einsatz erfahren, weil sie ein „Sonderopfer“ erbringen und eine
gesellschaftsrelevante Aufgabe erfüllen und es hierzu im Widerspruch stünde,
würden ausschließlich entferntere Verwandte, zu denen der Erblasser möglicherweise keinerlei persönliches Verhältnis hat, erbrechtlich ohne Einschränkung begünstigt werden. Die Situation, dass neben dem erbberechtigten Erben eine dritte
Person Pflegeleistungen erbringt, ist anders zu beurteilen. Es darf angenommen
werden, dass ein Pflegebedürftiger es regelmäßig vorzieht, von Familienangehörigen
versorgt zu werden. Hier ist die geringste Distanz zu überwinden. Eine Vertrautheit
kann unterstellt werden, die es am ehesten möglich macht, die natürliche Schwelle
zur Intimsphäre zu überwinden. Innerhalb dieses Kreises der Familie wird der
spätere Erblasser regelmäßig zuvorderst eine Pflegeleistung zumindest erbrechtlich
belohnen wollen. Dem entspricht auch der Grundsatz des Erbrechts als Familienerbrecht.394 Sollten mithin Ansprüche des pflegenden Erben neben solchen Dritter
im Rahmen des angedachten „gesetzlichen Vermächtnisses“ bestehen, wäre es
deshalb gerechtfertigt, dem Ausgleichungsanspruch des Erben nach § 2057 b BGB –
E einen Vorrang gegenüber dem des familienfremden Dritten einzuräumen.
Diese Annahme wäre nur dann in Frage zu stellen, wenn ein vermuteter Erblasserwille dahingehend angenommen werden könnte, der Erblasser habe die Pflegeleistung des Erben (Abkömmlings, Ehepartners, andere Verwandte) eher als selbstverständlich empfunden, wie eine natürliche Pflichterfüllung, die anders als die freiwillige, ohne rechtliche Verpflichtung veranlasste Hilfestellung keinerlei oder doch
wenigstens keines so großen Respekts würdig ist wie die aufopfernde Tätigkeit eines
394 MünchKomm-Leipold, Einleitung Rn. 11 ff
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„anspruchslosen“ fremden Dritten, z. B. im Rahmen eines bürgerschaftlichen Engagements.395
Im Ergebnis muss dies verneint werden. Sicherlich erlebt jedermann im Laufe
seines Lebens Situationen, in denen er eine Unterstützung durch nicht verwandte
Dritte (Freunde, Bekannte) erhält, mit der er nicht gerechnet hat und auch nicht
rechnen durfte. Dem Begriff der Freundschaft dürfte es immanent sein, Hilfeleistung
jedweder Art erfahren zu dürfen, ohne zu einer Gegenleistung verpflichtet zu
werden. Ungesichert ist aber die Motivation, solche Leistungen, wenn schon nicht
im Leben, so doch aber jedenfalls nach dem Tod vergelten zu wollen. Dieser Gedanke führt in jedem Fall nicht dazu, einen Erblasserwillen anzunehmen, dass der
Ausgleichungsanspruch des die Pflegearbeit erbringenden gesetzlichen Erben den
gleichen Rang wie der des von diesem Kreis ausgeschlossenen Dritten habe. Es darf
deshalb angenommen werden, der vermutete Erblasserwille gehe regelmäßig dahin,
dem Ausgleichungsanspruch des Erben nach § 2057 b BGB – E gegenüber dem Anspruch Dritter den Vorrang einzuräumen.
Es bleibt die Frage zu beantworten, welchen Rang der vorgeschlagene Anspruch
des Nichterben gegenüber dem Erbanspruch des nicht Ausgleichungsberechtigten im
Rahmen der §§ 2057 a, 2057 b BGB – E haben sollte. Das kann an folgendem Fall
durchgespielt werden:
Die Lebensgefährtin F pflegt den späteren Erblasser E aufopferungsvoll über
Jahre. Der Wert eines gesetzlichen Vermächtnisses wird in entsprechender Anwendung des § 2057b BGB – E auf 50.000 EUR ermittelt. Gesetzliche Erben des E
werden seine Kinder A, B und C zu gleichen Teilen. Ausgleichungsansprüche nach
§§ 2057 a, 2057 b BGB – E haben die Erben nicht. Der Nachlasswert beträgt 60.000
EUR.
Würde das „gesetzliche Vermächtnis“ ausschließlich als Nachlassverbindlichkeit
behandelt werden, führte dies dazu, dass allein durch den Vermächtnisanspruch der
Nachlass bis auf 10.000 EUR aufgezehrt würde. Den Erben verblieben nur 10.000
EUR für die Aufteilung bei der Erbauseinandersetzung, weit weniger als der Pflichtteil nach dem Nachlass von 60.000 EUR. Dies entspricht zunächst dem Rechtsgedanken des § 2316 Abs. 1 BGB, wonach der Pflichtteil unter Berücksichtigung
von Ausgleichungsansprüchen nach § 2057 a BGB zu ermitteln ist. Allerdings stellt
das Vermächtnis keinen Ausgleichungsanspruch dar, es ist vielmehr eine Nachlassverbindlichkeit, die nach § 2046 BGB vor der Auseinandersetzung zu befriedigen ist. Die pflichtteilsberechtigten Erben (hier A, B, C) können aber nach §
2318 Abs. 3 BGB die Erfüllung des gesetzlichen Vermächtnisses insoweit verweigern und kürzen, als ihnen ihr eigener Pflichtteil verbleiben muss. Für den gestellten Fall würde dies folgendes bedeuten:
Bei einem Nachlasswert von 60.000 EUR betrüge der Pflichtteil für jeden Erben
10.000 EUR. Die Kürzung des gesetzlichen Vermächtnisses wäre mithin auf 3 x
10.000 EUR = 30.000 EUR möglich (60.000 EUR – Pflichtteile 30.000 EUR =
395 Siehe dazu Blinkert/Klie, Solidarität in Gefahr, S. 134 ff
121
30.000 EUR). Dieses Ergebnis kann für das Verhältnis des Vermächtnisnehmers und
den Pflichtteilsberechtigten durchaus als gerecht angesehen werden. Wie aber wäre
zu verfahren, wenn die Erben nicht Abkömmlinge, Ehepartner oder Eltern des Erblassers wären, sondern nicht pflichtteilsberechtigte Verwandte. Sollte auch in diesem
Fall das „gesetzliche Vermächtnis“ eine Begrenzung erfahren müssen? Zur Beantwortung kann folgender Fall dienen:
Die Lebensgefährtin F pflegt den späteren Erblasser E aufopferungsvoll über
Jahre. Der Wert eines gesetzlichen Vermächtnisses wird in entsprechender Anwendung des § 2057b BGB – E auf 50.000 EUR ermittelt. Gesetzliche Erben des E werden seine Geschwister X, Y und Z.
Die Erben haben in diesem Fall kein Pflichtteilsrecht. § 2318 Abs. 3 BGB käme
mithin nicht zur Anwendung. Dieses Ergebnis gibt auch keinen Grund zur Annahme, der Erblasser habe nach seinem vermuteten Willen die Kürzung des gesetzlichen Vermächtnisses für angebracht gehalten. Vielmehr dürfte sich tatsächlich die
Sorge des Erblassers um das „erbrechtliche Wohl“ seiner Erben verringern, wenn
diese nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählen. Hier darf angenommen
werden, der Erblasser habe den Kreis der gesetzlichen Vermächtnisnehmer präferieren und ihnen ein ungekürztes Vermächtnis zukommen lassen wollen.
Gegenüber nicht pflichtteilsberechtigten Erben sollte das gesetzliche Vermächtnis
des pflegenden „Freundes“ den Vorrang haben.
In Zusammenfassung der vorstehenden Überlegungen zu dem vorgeschlagenen
gesetzlichen Vermächtnis eines Pflegearbeit erbringenden Fremden könnte eine
weitere Norm folgenden Inhalts geschaffen werden:
„Die Erben haben demjenigen, der nicht Erbe wird, aber den Erblasser über
längere Zeit gepflegt hat, in entsprechender Anwendung des § 2057 b Abs. 2 BGB –
E seine Leistungen zu vergüten. Der Anspruch kann nicht zum Nachteil des nach §
2057 b Abs. 1, 2 BGB – E berechtigten Erben geltend gemacht werden.“
Die vorstehenden Überlegungen zu einer Beteiligung familienfremder Dritter,
insbesondere in der Form eines gesetzlichen Vermächtnisses haben bislang jedoch
keinen Eingang in das Gesetz gefunden und es ist auch die Frage zu stellen, ob mit
einem gesetzlichen Vermächtnis dem mutmaßlichen Erblasserwillen nicht zu viel
zugemutet wird.396 Auch die Bundesregierung hat bei der Vorlage des neuen § 2057
b BGB-E erkannt, damit einen in der Praxis häufig vorkommenden Fall erbrechtlich
nicht erfasst zu haben, und zwar die Pflege des Erblassers durch Schwiegertöchter
oder Lebensgefährten. Werden die pflegenden Schwiegerkinder oder Lebensgefährten nicht ausdrücklich in einem Testament oder Erbvertrag oder zu Lebzeiten
des Erblassers durch Zuwendungen bedacht, gehen sie leer aus. Aus der Begründung
zum Gesetzesentwurf vom 30.01.2008 wird klar, dass auch die Bundesregierung
hier als mögliche Lösung das gesetzliche Vermächtnis sieht. Die Schaffung eines
gesetzlichen Vermächtnisses würde aber auch zu Schwierigkeiten führen, wenn sich
der Erblasser ausdrücklich gegen eine Honorierung der Pflegeleistung ausgesprochen hat und trotzdem ein Teil des Nachlasses an die Pflegeperson fließen
396 Muscheler ZEV 2008, 105, 109
122
würde. Diese Konsequenz würde nach Meinung der Bundesregierung zu einer
erheblichen, verfassungsrechtlich bedenklichen Einschränkung der Testierfreiheit
führen.397
Otte hält diese Bedenken für unbegründet.398 In den Fällen, in denen der Pflegeperson ein angemessenes Entgelt weder gezahlt noch zugesagt worden sei, habe es
der Erblasser entweder versäumt, Pflegegeld zu beantragen oder das Pflegegeld gehortet oder für andere Zwecke verwendet. Hier habe dann der Erblasser entweder
eine Obliegenheit verletzt oder die Pflegeperson in unanständiger Weise ausgenutzt.
In beiden Fällen hat sich der Erblasser dann aber gegen eine Honorierung des
Pflegenden entschieden, ein Verhalten, was auch verfassungsrechtlich nicht als
schutzwürdig angesehen werden kann. Nach Otte würde hier die verfassungsrechtlich garantierte Testierfreiheit dazu führen, die Entscheidung des Erblassers, auf
Kosten anderer leben zu wollen, zu respektieren. Einen solchen Schutz hat aber
dieser Erblasser nicht verdient.399 Auch Otte schlägt im Ergebnis die Schaffung
eines gesetzlichen Vermächtnisses vor, zumal diese Lösung eine Differenzierung
nach der erbrechtlichen Stellung der Pflegeperson vermeidet.400
Eine Vermächtnislösung lehnt Windel ab.401 Wenn der Erblasser zu Lebzeiten
Pflegeleistung als eine geldwerte Leistung empfangen habe, so sei diese eben zu
vergüten, was nicht vom Willen des Erblassers abhängen dürfe. Der Vergütungsanspruch sei vielmehr „das gute Recht“ der Pflegeperson. Im Rang müsse daher der
Anspruch – anders als bei der Vermächtnislösung – vor dem Recht eines Legatars
oder eines Pflichtteilsberechtigen berücksichtigt werden, denn in Rede stehe allein,
ob eine offene Schuld besteht, die bezahlt werden muss.402 Windel schlägt deshalb
vor, den Anspruch der Pflegeperson als Nachlassverbindlichkeit auszugestalten und
diese als „§ 1969 a BGB“ in Abschnitt 2, Titel 2, Untertitel 1, des fünften Buches
des BGB einzufügen.403 Sollen die sozialen Sicherungssysteme eine nachhaltige
Entlastung erfahren, müssen die Pflegeleistungen letztlich aus dem Nachlass belohnt
werden. Der Vorschlag von Windel hat den Vorteil, dass die Ausgestaltung des
Anspruchs der Pflegeperson im Rang vor dem Anspruch eines Vermächtnisnehmers
oder Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht werden kann. Dies führt zu einem
erhöhten Anreiz für die Erbringung von Pflegeleistungen im häuslichen Bereich.
Zudem werden durch die vorgeschlagene Lösung die aus dem Privatvermögen aufzubringenden Beträge auf ein vernünftiges Maß beschränkt ( § 37 SGB XI statt § 36
SGB XI ).404
397 RegE vom 30.01.2008 S. 37
398 Otte, ZEV 2008, 260, 261
399 Otte, ZEV 2008, 260, 261
400 Formulierungsvorschlag von Otte, ZEV 2008, 260,262
401 Windel, ZEV 2008, 305, 306
402 Windel, ZEV 2008, 305, 306
403 Formulierungsvorschlag von Windel, ZEV 2008, 305, 308
404 Windel, ZEV 2008, 305, 308
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.