103
5. Die Indexierung der Sonderleistungen
Die Sonderleistungen der ausgleichungsberechtigten Abkömmlinge können Jahrzehnte vor dem Erbfall erbracht worden sein, so dass sich die Frage des Zeitpunkt
des Wertes der Zuwendung stellt. Nach § 2055 Abs. 2 BGB bestimmt sich der Wert
von Zuwendungen des Erblassers an einen Abkömmling nach dem Zeitpunkt, zu
dem die Zuwendungen erfolgt sind. Vergleichbar wird aber dieser Wert mit der Situation im Erbfall nur durch eine Indexierung. Eine Verweisung auf § 2055 Abs. 2
BGB, wonach sich der Wert der Zuwendung nach deren Zeitpunkt bestimmt, enthält
§ 2057 a BGB nicht und dies scheint auch nicht erforderlich, denn § 2057 a Abs. 3
BGB verlangt, die Ermittlung der Höhe des Ausgleichungsanspruchs nach Billigkeitserwägungen vorzunehmen. Im Rahmen dessen wird die allgemeine Geldentwertung neben den übrigen vorgegebenen Bemessungskriterien eine Rolle zu
spielen haben.358
VII. Die Durchführung der Ausgleichung (§ 2057 a Abs. 4 BGB)
1. Die Berechnung von Bothe und Kritik
Die Durchführung der Ausgleichung regelt § 2057 a Abs. 4 BGB. Die Formulierung
der Norm ist unglücklich359 und führt deshalb in der Kommentarliteratur auch zu
unterschiedlichen Berechnungsmethoden. Darüber hinaus kann aufgezeigt werden,
dass die Berechnungsvorgaben des § 2057 a Abs. 4 BGB dann zu einem ungerechten Ergebnis führen, wenn der Nachlass nicht nur unter ausgleichspflichtigen
Erben aufgeteilt werden muss.
Gemäß § 2057 a Abs. 4 Satz 1 BGB ist bei der Auseinandersetzung der Ausgleichsbetrag dem Erbteil des ausgleichungsberechtigten Erben hinzuzurechnen.
Diese Formulierung erweckt zunächst den Eindruck, es sei zuerst der Erbteil eines
jeden zur Ausgleichung berechtigten Abkömmlings zu ermitteln und anschließend
dem ausgleichungsberechtigten Abkömmling sein Ausgleichungsanspruch hinzuzurechnen.360
Aus diesem Grunde rechnet Bothe für einen exemplarischen Fall wie folgt:
Die Abkömmling A, B und C erben neben der Ehefrau, die im gesetzlicher Güterstand gelebt hat. Die Teilungsmasse beträgt 120.000 EUR. Der Wert der Leistung
des Abkömmlings A nach § 2057 a BGB beträgt 10.000 EUR.
1. Schritt: Der Anteil der Ehefrau beträgt 60.000 EUR, es verbleibt eine
358 Für eine Indexierung: Juris Praxiskommentar-Kerscher, § 2057 a Rn. 61;
LG Ravensburg BWNotZ 1981, 17; Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 21; Leipold Rn. 751
359 Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 18: „Der Gesetzeswortlaut ist insoweit ungenau“
360 So aber Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 21
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.