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V. Die Leistungen des Kindes im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB
(§ 2057 a Abs. 2 S. 2 BGB)
1. Dienstleistungen in Haus und Geschäft (§1619 BGB)
Hat ein Kind in der Zeit, in der es dem elterlichen Hausstand angehörte und von den
Eltern erzogen oder unterhalten wurde, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft
Dienste geleistet (§ 1619 BGB), so soll gemäß § 2057 a Abs. 2 Satz 2 BGB dieser
Umstand einem Ausgleichungsanspruch nicht entgegenstehen. Gleiches gilt für den
Fall, dass ein volljähriges, dem elterlichen Hausstand angehörendes Kind zur
Bestreitung der Kosten des Haushaltes aus seinem eigenen Vermögen eine Aufwendung macht oder den Eltern zu diesem Zwecke aus seinem Vermögen etwas
überlässt (§ 1620 BGB).
Aus der Formulierung in § 2057 a Abs. 2 Satz BGB, dass Leistungen nach §§
1619, 1620 BGB einem Anspruch auf Ausgleichung „nicht entgegenstehen“, muss
zunächst gefolgert werden, dass nicht jede Leistung eines Kindes in Erfüllung seiner
gesetzlichen Dienstleistungspflicht (§ 1619 BGB) oder jede Aufwendung oder
Vermögenszuwendung im Rahmen des § 1620 BGB von vornherein einen
Ausgleichungsanspruch begründet. Leistungen im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB
sprechen per se nicht gegen einen Ausgleichungsanspruch, aber auch nicht
automatisch dafür. Andererseits können aber auch allein die Leistungen nach §§
1619, 1620 BGB geeignet sein, einen Ausgleichungsanspruch zu begründen – es
müssen mithin nicht solche Dienstleistungen erbracht werden (§ 1619 BGB) oder
Vermögenszuwendungen (§ 1620 BGB) erfolgen, die über das Maß dessen, was
diese Vorschriften ansprechen, hinausgehen. Selbstverständlich müssen die
Leistungen im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB auch Sonderleistungen „im Sinne
des § 2057 a BGB“ sein, mithin Beiträge, die „im besonderen Maße“ dazu beigetragen haben, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder sogar zu vermehren.
Auch für Leistungen im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB ist ein
Ausgleichungsanspruch ausgeschlossen, wenn für die Leistung ein angemessenes
Entgelt gewährt oder vereinbart worden ist (§ 2057 a Abs. 2 Satz 1 BGB).
Wann also Leistungen in der Form der §§ 1619, 1620 BGB zum Ausgleichungsanspruch in akzeptabler Weise führen können, ist differenziert zu betrachten.
Die Tatsache, dass ein Kind, solange es dem elterlichen Hausstand angehört und
erzogen (nur bei Minderjährigen) oder unterhalten wird (auch bei volljährigen
Kindern), verpflichtet ist, im Hauswesen der Eltern nach seinen Kräften und seiner
Lebensstellung entsprechend unterstützend mitzuwirken hat, ist heute nicht mehr
geläufig. Erstaunen begegnet auch die Erkenntnis, dass auch solche Leistungen des
Kindes zwar nicht gegenüber den Eltern, aber gegenüber den Erben (Abkömmlingen) nach § 2057 a BGB eine „Versilberung“ erfahren können. Das kann an
folgendem Fall verdeutlicht werden:
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V und M haben zwei Kinder, A und B. A zieht mit 18 Jahren aus dem Elternhaus
aus und versorgt sich selbst. B lebt im Haushalt der Eltern – zunächst als Schüler,
später als Student – hat im Haushalt der Eltern ein Zimmer, wird verpflegt und
bezieht ein Taschengeld, mit dem er seine übrige Lebenshaltung bestreiten kann.
Die Eltern erwarten von ihm Unterstützung im Hauswesen, wie Rasenmähen (3
Stunden pro Woche), Reinigungsarbeiten im Haus (3 Stunden pro Woche) und Erledigung von Besorgungen (2 Stunden pro Woche), die B auch erbringt.
Solche Leistungen des Kindes müssen im Rahmen der Familiengemeinschaft als
völlig normal und angemessen angesehen werden, und auch der Gesetzgeber sieht
vor, dass B zu diesen Leistungen nach § 1619 BGB verpflichtet ist, ohne dafür ein
Entgelt verlangen zu können. Wenn solche Leistungen des Kindes im Rahmen des
Familienverbundes als völlig normal, angemessen und üblich angesehen werden, so
mutet es dann geradezu abwegig an, diese Leistungen des Sohnes (B) möglicherweise Jahrzehnte später im Erbfall der Eltern im Rahmen des § 2057 a BGB
gegenüber seinem Bruder A zur Diskussion zu stellen. Ganz formal betrachtet
könnte die Leistung des B (möglicherweise über Jahre hinweg) sogar eine Sonderleistung im Sinne des § 2057 a BGB darstellen, denn anders als sein Bruder A hat
allein er, B, die Unterstützung im Hauswesen der Eltern erbracht. Auch kann dem
Tätigwerden des B nicht von vornherein ein Geldeswert abgesprochen werden.
Hätte vielmehr ein Dritter seine Arbeiten erledigt, wäre dieser zu entlohnen gewesen, so dass die kostenfreie Leistung des B zur Vermögenserhaltung (§ 2057 a
BGB) der Eltern beigetragen haben kann. Tatsächlich hatte aber die Unterstützung
des Kindes im Rahmen des elterlichen Hauswesens kein Geldeswert, denn es ist
lebensfremd, wenn angenommen würde, dass dann, würde das Kind entgegen seiner
aus § 1619 BGB abgeleiteten Verpflichtung den „Rasen nicht mähen, die notwendigen Besorgungen nicht erledigen“, als Ersatz dafür eine andere Arbeitskraft
engagiert würde, die zu entlohnen wäre. Dieser rein formalen Überlegung kann nicht
gefolgt werden. Die Weigerung des im Haushalt lebenden Kindes würde vielmehr
von den Eltern oder anderen dem Hauswesen angehörigen Personen aufgefangen
werden. Mäht der Sohn den Rasen nicht, so macht es meist der Vater, erledigt der
Sohn nicht die regelmäßig notwendigen Einkäufe von Lebensmitteln, so übernimmt
dies meist die Mutter. Genau diese Lebens- und Familienpraxis wird vom Gesetzgeber auch erkannt, indem er mit § 1619 BGB den Leistungen des Kindes im Hauswesen dadurch einen Geldeswert versagt, dass seiner Unterstützung im Hauswesen
der Eltern eine Entlohnung nicht zugebilligt wird. Weshalb allerdings dieser
Charakter der nichtmonetären Leistung des Kindes im Hauswesen der Eltern im
Erbfall geändert werden soll, ist nicht einsehbar. Damit ist deutlich, dass Unterstützungsleistungen im Hauswesen von vornherein nicht „das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehren“ (§ 2057 a BGB) können.
Eine andere Würdigung ist dann geboten, wenn das dem Haushalt der Eltern angehörende und von ihnen erzogene oder unterhaltene Kind im Rahmen seiner Verpflichtung aus § 1619 BGB Dienste „im Geschäft“ der Eltern leistet.
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Dazu können zwei Fälle gebildet werden:
Fall 1:
Die Kläger sind die Eltern des im Jahre 1984 im Alter von 17 Jahren an den Folgen
eines Verkehrsunfalls ums Leben gekommenen Sohnes B. Die Eltern sind Inhaber
eines ca. 36 ha großen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes, in dem der
Sohn bereits seit 1979, damals erst 13 Jahre alt, tatkräftig mitarbeitete. Es war dem
Wirken des Sohnes, der im Haushalt der Eltern lebte (Vollaufnahme), zu verdanken,
dass der Ertrag des Betriebes erheblich gesteigert werden konnte. Die Eltern
verlangen Schadensersatz vom Unfallverursacher, weil die Leistung des Sohnes
infolge seines Todes weggefallen war (§ 845 BGB).322
Fall 2:
Die Witwe A hat zwei Kinder, den Sohn S und die Tochter T. Sie ist Eigentümerin
einer größeren Immobilie, die sie an fünf gewerbliche Betriebe vermietet hat. Der
Sohn S wohnt in einer Wohnung seiner Mutter auf dem Gewerbeobjekt und kümmert sich wie ein Hausmeister um die dem Eigentümer obliegenden Belange im
Verhältnis zu den Mietern. Die Tochter T hat eine Heilpraktikerausbildung absolviert, wohnt drei Kilometer entfernt und hat keinerlei Berührungspunkte mit dem
Geschäftsbetrieb der Mutter.
Im Fall 1 bejahte der Bundesgerichtshof die Verpflichtung des Verstorbenen zur
Mitarbeit im Betrieb der Eltern und führte hierzu aus, der Umfang und das Ausmaß
der geschuldeten Dienste seien nicht etwa durch den Wert des dem Hauskind gewährten Unterhalts begrenzt; es sei vielmehr allein die Fortdauer der spezifischen familienrechtlichen Beziehung, an die das Gesetz die Dienstleistungspflicht knüpfe.
Dies könne insbesondere unter landwirtschaftlichen Verhältnissen durchaus bedeuten, dass das Hauskind im Rahmen des § 1619 BGB seine volle Arbeitskraft einsetze. Auch unter den heutigen Verhältnissen sei es keinesfalls ausgeschlossen, dass
das Hauskind im Rahmen des § 1619 BGB den elterlichen Hof mit seiner Hände
Arbeit über Wasser halte und praktisch allein bewirtschafte. Es sei gerade der Sinn
und Zweck der Vorschrift, dass das Hauskind seine ganze verfügbare Arbeitskapazität einsetze, und zwar ohne Rücksicht auf ein etwaiges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung; das gelte auch, wenn solcher Einsatz unter Verzicht auf andere Erwerbsmöglichkeiten und lediglich in der rechtlich ungesicherten
Erwartung einer späteren Übernahme des Hofes geschehe.
In beiden vorgestellten Fällen kann ohne Zweifel angenommen werden, dass die
Leistungen des Kindes Geldeswert hatten. Anders als im Fall der Unterstützung im
Hauswesen der Eltern hätten die Beiträge der Kinder im Elternhaushalt nicht „aufgefangen“ werden können. Sollten die solche Leistungen erbringenden Kinder im
Erbfall neben anderen untätigen Abkömmlingen eine Auseinandersetzung betreiben,
kann nicht in Zweifel gezogen werden, dass sie in „besonderem Maße“ zur Vermögensmehrung der Eltern und ihres Nachlasses beigetragen haben. Die Berück-
322 Fall nach BGH NJW 1991, 1226ff
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sichtigung ihrer Sonderleistungen im Rahmen des § 2057 a BGB erscheint durchaus
gerechtfertigt, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie zu diesen
Leistungen gesetzlich verpflichtet waren.323 Entscheidendes Kriterium für die
Anwendung des § 2057 a BGB i.V. mit §1619 BGB ist es also, ob die Sonderleistungen des Kindes für das Geschäft der Eltern von diesen so nicht hätten erbracht
werden können.
2. Aufwendungen des Kindes für den elterlichen Haushalt (§ 1620 BGB)
Auch der Verweis in § 2057 a Abs. 2 Satz 2 BGB auf § 1620 und damit darauf, dass
Vermögenszuwendungen des zum Haushalt der Eltern gehörenden volljährigen
Kindes an die Eltern oder auch Aufwendungen des Kindes zum Bestreiten der Kosten des Haushaltes nicht von vornherein einen späteren Ausgleichungsanspruch nach
§ 2057 a BGB ausschließen, bedarf einer genaueren Prüfung. Auch dafür können
zwei Fälle gebildet werden:
Fall 1:
Der volljährige Sohn S lebt im Haushalt der Eltern. Der Bruder B ist schon mit 18
Jahren ausgezogen und seit diesem Zeitpunkt nicht mehr unterhaltsbedürftig. S
bewohnt zwei Zimmer im Haushalt der Eltern, wird mit „Essen und Wäsche“ versorgt und nutzt das Familienfahrzeug neben den Eltern für eigene Zwecke. Als das
Fahrzeug und die gemeinsam genutzte Waschmaschine ersetzt werden müssen, beteiligt er sich freiwillig mit 10.000 EUR am Kauf von Pkw und Waschmaschine.
Da die Vermögenszuwendung des S freiwillig erfolgte, wird im Zweifel angenommen, dass S zum Zeitpunkt seiner Leistung nicht die Absicht hatte, Ersatz zu
verlangen. Ändert S seine Absicht auch nicht und verlangt von den Eltern keinen Ersatz seiner Leistung, so bleibt ihm über § 2057 a BGB jedenfalls der Weg der Wiedergutmachung dann offen, wenn sein Beitrag als eine Sonderleistung qualifiziert
werden kann, die das Vermögen der Eltern als spätere Erblasser erhalten oder vermehrt hat. Dieser Weg wird dem Sohn S tatsächlich jedoch schon deshalb verschlossen bleiben, da seine Leistungen (Zuschuss für Fahrzeug und Waschmaschine)
zum gemeinsamen Verbrauch bestimmt sind und mit Sicherheit einen Jahre später
zu beurteilenden Nachlass nicht positiver zu bewerten erlauben. Seine Leistung
dient auch nicht der Vermögenserhaltung, sondern deckt seinen Verbrauchsanteil ab.
Anders könnte die Situation in folgendem Fall beurteilt werden:
Fall 2:
Der volljährige Sohn – Handwerker – lebt im Haushalt der Eltern. Er bewohnt zwei
Zimmer im Haus der Eltern und wird von ihnen unterhalten. Als das Dach des
Familienheims saniert, eine Heizung ersetzt und das Haus neu verklinkert werden
muss, beteiligt sich S mit 10.000 EUR an diesen notwendigen Aufwendungen.
323 Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 12; Erman-Schlüter, § 2057 Rn. 5; Juris Praxiskommentar-
Kerscher, § 2057 Rn. 56
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.