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Verpflichtung zur Ausgleichung ausscheiden. Auch wenn in der letztwilligen Verf-
ügung keine ausdrückliche Aussage zu einem Ausschluss einer Ausgleichung enthalten ist, kann deren Auslegung sich derart gegen die Annahme eines die Ausgleichung bejahenden Erblasserwillens verdichten, dass vernünftigerweise die gesetzliche Vermutung als widerlegt gilt. So könnte z. B. die Anordnung im Testament, „die Abkömmlinge hätten nach Abzug der Vermächtnisse das Verbleibende
gleich zu teilen“ die Vermutung des § 2052 BGB entkräften und den Ausgleichungsanspruch ausschließen.302
IV. Die Subsidiarität des Ausgleichungsanspruchs gemäß § 2057 a Abs. 2 BGB
Ansprüche aus „anderem“ Rechtsgrund
1. Ansprüche aus „anderem“ Rechtsgrund
Der Ausgleichsanspruch nach § 2057 a BGB ist subsidiär303 gegenüber Ansprüchen
des Abkömmlings aus anderem Rechtsgrund, den er gegen die Erben als Nachlassverbindlichkeit geltend machen kann. So kann ein Ausgleich „nicht verlangt werden“, wenn für die Leistung ein angemessenes Entgelt gewährt oder vereinbart
worden ist oder soweit dem Abkömmling wegen seiner Leistungen ein Anspruch
aus anderem Rechtsgrunde zusteht. Dies ist gesehen aus der Zweckrichtung des §
2057 a BGB durchaus verständlich. Nur die Sonderleistung soll mit dem Ausgleichungsanspruch belohnt werden – und eine Sonderleistung kann nicht die sein,
für die bereits aus anderem Rechtsgrund eine Belohnung erfolgt oder zu erfolgen
hat.304 Noch nicht vom Erblasser zu Lebzeiten erfüllte Verpflichtungen (Nachlassverbindlichkeiten) belasten den Nachlass und verschaffen dem Abkömmling eine
Gegenleistung für seine Tätigkeit.305
Der Anspruch „aus anderem Rechtsgrund“ richtet sich damit als Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) gegen den gesamten Nachlass, es werden alle
Miterben belastet, nicht nur die zur Ausgleichung Verpflichteten.306 Die
Subsidiarität des Ausgleichungsanspruchs besteht gegenüber Ansprüchen des Abkömmlings, die vom Erblasser noch nicht vollständig befriedigt wurden oder nach
dem Erbfall unstreitig einredefrei bestehen.
302 OLGE 26, 305
303 Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 22; Richter, BWNotZ 1970, 1, 7
304 Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 17: „Der Ausgleichsanspruch soll nicht zu einer
Doppelhonorierung führen.“; so auch Weimar MDR 1973, 23, 24
305 Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 23
306 MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 30
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2. Kein Ausschluss des Ausgleichungsanspruchs im Falle einer nicht
nachgewiesenen oder einredebehafteten Nachlassverbindlichkeit
Behauptet der Abkömmling einen Anspruch (z.B. auf Darlehenszinsen, Darlehensrückzahlung, Miete, auf Arbeits-/Dienstlohn, aus Geschäftsführung ohne Auftrag
oder nach § 812 BGB)307 in der Form einer Nachlassverbindlichkeit, kann er den
Anspruch, aber nicht beweisen, scheint es fraglich, ob die Subsidiarität des § 2057
Abs. 2 BGB die rechtliche Wirkung hat, dass „dann wenigstens“ ein Ausgleichungsanspruch anzunehmen ist. In diesem Fall hätte § 2057 a BGB die
Aufgabe eines Auffangtatbestandes.308
Fall:
Der Abkömmling A des Erblassers behauptet in einem Verfahren gegen die übrigen
Abkömmlinge des Erblassers, er habe mit diesem einen Dienstvertrag geschlossen,
woraus ihm eine vereinbarte Entlohnung zustehe. Seine dienstvertragliche Verpflichtung habe er erfüllt – eine Entlohnung jedoch nicht erhalten. Die übrigen
Erben (Abkömmlinge des Erblassers) bestreiten nicht die Leistung des A – jedoch
die Entgeltabrede mit dem Erblasser. Mangels einer Beweisführung wird die Klage
des A abgewiesen.
Soll in diesem Fall dem A wenigstens das „Minus“ eines Ausgleichsanspruchs
erhalten bleiben? Dies wird überwiegend angenommen.309
In der vorerwähnten Fallgestaltung ist die Leistung des A unstreitig. Streitig ist
und nicht bewiesen wurde lediglich die Verabredung einer Entlohnung mit dem
Erblasser. Eine Nachlassverbindlichkeit konnte mithin deshalb nicht angenommen
werden, weil die „Entgeltlichkeit“ der Arbeitsleistung nicht bewiesen, d. h. der Vortrag der übrigen Erben zur Unentgeltlichkeit der Leistung des Abkömmlings nicht
ausgeräumt werden konnte. In dem Verfahren musste also von einer keine
Gegenleistungspflicht begründenden Leistung – eben von einer Sonderleistung des
Abkömmlings – ausgegangen werden. Gerade aber dies ist Tatbestandsmerkmal des
§ 2057 a BGB, so dass es keinen Grund gibt, den Ausgleichungsanspruch zu
versagen. § 2057 a BGB setzt gerade keinen Entgeltanspruch voraus, ja schließt ihn
nach § 2057 a Abs. 2 BGB sogar aus. Wer mithin seine Leistung – nicht jedoch die
Verpflichtung des Erblassers zu einer Gegenleistung – beweisen kann, ist im Ergebnis so zu behandeln, als sei seine Tätigkeit von vornherein unentgeltlich erfolgt –
eben ein „Sonderopfer“ gewesen.310
307 AK-Pardey, § 2057 a Rn. 7: „Auffangnorm”
308 MünchKomm-Heldrich, § 2057a Rn. 28
309 MünchKomm-Heldrich § 2057 a Rn. 31; Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 23 mit Hinweis auf
Odersky Anm. II 2 d; Palandt-Edelhofer, § 2057 a Rn. 2; Johannsen WM 1970, 738, 744;
Damrau, FamRZ 1969, 579, 581
310 So auch AK-Pardey, § 2057 a Rn. 10; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 31; Soergel-Wolf,
§ 2057 a Rn. 14; Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 2
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References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.