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sich selbst leisten kann, auf andere Abkömmlinge erbrechtlich zu verlagern.276
Luxusaufwendungen sind auf eine individuelle Vermögensvorstellung des Leistenden zurückzuführen, die eine Gleichheit in der Erbauseinandersetzung nicht
fordert.277
Einhellige Meinung ist, dass der Abkömmling mit seiner Leistung ein „besonderes Opfer“ zu erbringen hat.278 Nutzlose Mitarbeit oder das, was von jedem
Abkömmling erwartet wird, bleibt außer Betracht.279 Haben alle Abkömmlinge
Leistungen erbracht, so ist nur derjenige ausgleichsberechtigt, dessen Leistungen für
das Erblasservermögen denjenigen der anderen Abkömmlinge sichtbar übertreffen.
Mithin muss der Leistung des Abkömmlings eine „beherrschende Rolle“ zukommen280 und die Vermögensmehrung muss – verglichen mit anderen Ursachen – im
wesentlichen auf den erbrachten Leistungen des Abkömmlings beruhen.281 Für das
„besondere Maß“ im Sinne des § 2057 a BGB trägt der die Ausgleichung beanspruchende Abkömmling die Beweislast.282
6. Die Pflege als Sonderleistung
Auch Pflegedienste eines Abkömmlings gegenüber dem Erblasser über längere Zeit
können zu einem Ausgleichungsanspruch führen (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB), wenn
sie unter Verzicht auf eigenes Einkommen erbracht wurden.
Der Begriff der Pflege hat in § 14 Abs. 3 SGB XI eine Definition erfahren.
Danach ist Pflege
die Hilfe von Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit
oder Behinderung für die gewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im
Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in
erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Sie besteht in der Unterstützung bei der
teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens
oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser
Verrichtungen.
Einzelne Beispiele zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen sind im § 14 Abs. 4 SGB XI geregelt. Aufgrund dieser Definition ist es
nicht mehr erforderlich, auf allgemein gehaltene Umschreibungen auszuweichen,
wie diejenige, dass „Pflege im Zweifel Krankenpflege“ sei,283 oder auch „Begleitung
276 AK-Pardey, § 2057 a Rn. 14
277 AK-Pardey, § 2057 a Rn. 14
278 Weimar, MDR 1973, 23, 24
279 Odersky, § 2057 a Anm. II 2; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 16
280 Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 10
281 MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 16
282 Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 14; OLG Oldenburg FamRZ 1999, 1466; zu Beweisfragen s.
Petersen ZEV 2000, 432
283 So Weimar, MDR 1973, 23, 24
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in Kurorten und Bädern“284 oder „Dienstleistung für den pflegebedürftigen Erblasser“. Die Pflege ist für den Erblasser selbst zu erbringen.285 Pflegeleistungen zugunsten von Familienangehörigen können allerdings „Leistungen in anderer Weise“
darstellen, wobei hierbei auch ein Verzicht auf berufliches Einkommen verlangt
werden muss.286 Die Pflegedienstleistungen müssen nicht unbedingt vom Abkömmling selbst erbracht werden; es reicht vielmehr, dass Dienstleistungen für den
pflegebedürftigen Erblasser auf Veranlassung des Abkömmlings, durch Ehegatten
oder sonstige Dienstkräfte erbracht werden.287
Ein konkreter zeitlicher Umfang solcher Pflegeleistungen ist in § 2057 a BGB
nicht vorgegeben. Die 6-Monatsfrist des § 14 SGB XI dürfte kaum als gesetzgeberische Vorgabe zum Maßstab für zur Ausgleichung berechtigten Pflegetätigkeit
im Sinne des § 2057 a BGB herangezogen werden. § 14 SGB XI schreibt zwar den
Begriff der Pflegebedürftigkeit fest – dies jedoch ausschließlich vor dem Hintergrund einer zu hinterfragenden Berechtigung für den Erhalt von Pflegedienstleistungen nach dem Pflegesicherungsgesetz, d. h. für die Frage, ob dem Pflegebedürftigen ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Unterstützung zusteht. Es kann
deshalb keinesfalls angenommen werden, der Gesetzgeber habe mit der in § 14 Abs.
3 SGB formulierten 6-Monatsfrist gleichzeitig einen Hinweis auf § 2057 a BGB
geben wollen, zumal § 2057 a BGB (Pflegeleistungen) auch ein anderes Ziel als §
14 SGB XI verfolgt. Während § 14 SGB XI einen öffentlich-rechtlichen Anspruch
auf Pflegedienstleistungen nur bejaht, wenn die Hilfe von voraussichtlich mindestens 6 Monaten erforderlich ist, soll nach § 2057 a BGB derjenige Abkömmling,
dessen Leistungen sich für den Erblasser von denen der anderen Abkömmlinge
abheben, eine Art Wiedergutmachung erhalten. Nur dieser anzustellende Vergleich
ist für den Ausgleichungsanspruch relevant. Im Ergebnis ist die von § 14 SGB XI
erwähnte 6-Monatsfrist für das Tatbestandsmerkmal „Pflege während längerer Zeit“
nicht heranzuziehen.
Jedoch stellt § 2057 a BGB die Pflegeleistungen auf eine Stufe mit der Mitarbeit
im Haushalt, Beruf oder Geschäft (dies während längerer Zeit) und erheblichen
Geldleistungen, woraus gefolgert werden kann, dass die Pflegedienste ebenfalls
erheblich sein müssen, sowohl im Hinblick auf Zeit und Umfang, um zu einem Ausgleichsanspruch zu führen.288
In der Kommentarliteratur wird das Tatbestandsmerkmal „während längerer Zeit“
teilweise danach bewertet, wie intensiv die Pflegetätigkeit und wie hoch die
Einkommensbußen des Abkömmlings während dieser Zeit waren.289 Der Wortlaut
284 MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 23: „Versorgung des Erblassers“; Soergel-Wolf, § 2057
a Rn. 7
285 Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 7
286 So MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 26
287 Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 7; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 25
288 Staudinger-Werner, § 2057 a Rn.17 ; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 23; Odersky, §
2057 a Anm. II 2 f; Soergel-Wolf, § 2057 a Rn.7
289 MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 23: 1 Monat bei geringer Pflegedienstleistung; so auch
Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 17; Odersky, § 2057 a Anm. II 2 f: „längere Zeit“; Damrau-
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des Gesetzes „während längerer Zeit“ rechtfertigt diese Form der Abgrenzung
jedoch nicht. Das Tatbestandsmerkmal- so unbestimmt es auch sein mag- grenzt sich
vielmehr ausschließlich von einer Kurzzeitpflege ab, die trotz möglicher Einkommensbußen des Abkömmlings nicht zur Ausgleichung berechtigen soll. Es ist nicht
einzusehen, weshalb sowohl eine intensive Pflege über einen Monat und eine
mehrjährige, weniger intensive Pflege jeweils unter das Tatbestandsmerkmal
„während längerer Zeit“ subsumiert werden sollten. Vielmehr ist vom Gesetzgeber
ausschließlich das Zeitmoment angesprochen – dies möglicherweise vor dem Hintergrund, dass eine Pflege „während längerer Zeit“ ein „Sich-Einstellen“ auf die
Belange des Erblassers und die Vernachlässigung der eigenen Interessen des Abkömmlings erfordert. Allein dies soll im Rahmen der Ausgleichung belohnenswert
sein, allerdings nur, wenn die Pflegetätigkeit „unter Verzicht auf eigenes berufliches
Einkommen“ erfolgt.290 Teilweise Einkommensbußen in nicht belangloser Höhe sollen für einen Ausgleichungsanspruch ausreichen.291 In der Praxis werden hierzu
meist die Fälle des Verzichts auf eine Beförderung oder eine höhere Vergütung292 zu
berücksichtigen sein.293 Wer gar nicht berufstätig ist, erleidet durch die Pflege keinen Einkommensverlust und ist damit auch nicht ausgleichungsberechtigt.294
1. Fall:295
Der Vater (späterer Erblasser) lebt allein. Seine erwachsenen Kinder leben im
Bundesgebiet verstreut – bis auf eine am Wohnort des Vaters wohnende verheiratete
Tochter, die neben ihrer Vollzeitbeschäftigung die Pflege (täglich zwei Stunden)
über Jahre übernimmt. Sie erleidet hierdurch keine Einkommensbußen.
Im Ergebnis wird die Tochter für ihre jahrelangen Dienste mangels einer Einkommenseinbuße nicht vom Gesetz belohnt. Es zeigt sich deutlich, dass mit der
Regelung des § 2057 a BGB nicht die „treusorgende Seele“ bedacht und auch nicht
der Einsatz des Abkömmlings gewürdigt wird, der dazu führt, dass dem Erblasser zu
Lebzeiten das Gefühl des Umsorgtseins gegeben wurde. Statt Herzlichkeit und
Menschlichkeit soll allein eine wirtschaftliche Einbuße – schlicht der Verlust von
Geld – eine Differenzierung bei der Beteiligung am Nachlass rechtfertigen.
2. Fall:
Der Erblasser wird von seiner selbst krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Tochter
(Frührentnerin) über Jahre gepflegt.
Bothe, § 2057 a Rn. 13; Palandt-Edenhofer, § 2057 a Rn. 9; Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 7:
bei leichter Pflege – mehrere Jahre, bei intensiver Pflege reicht ein Monat; AK-
Pardey, § 2057 a Rn. 17: Vergleich mit Diensten höherer Art, § 627 BGB
290 So AK-Pardey, § 2057 a Rn. 17, der wohl auch deshalb das Tatbestandsmerkmal „während
längerer Zeit“ für entbehrlich hält
291 Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 17 m. w. N.; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 24;
Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 7; Körting NJW 1970, 1525, 1527
292 MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 24
293 S. auch Odersky, § 2057 a Anm. II 2f; Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 13; Weimar, MDR 1973,
23, 24: „Ausscheiden aus dem Staatsdienst“, allerdings reiche ein Verzicht auf ein
Fortbildungsseminar nicht aus.
294 A.A.: Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 7
295 Angelehnt an Weimar, MDR 1973, 23, 24
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Mangels eigener Einkommenseinbußen hat auch diese Tochter keinen Ausgleichungsanspruch. Ohne Frage kann dieses Ergebnis von demjenigen für ungerecht
gehalten werden, dem das Bewusstsein für die Bedeutsamkeit sozialen Handelns
nicht abhanden gekommen ist, indem er solche Pflegeleistungen ohne Einkommenseinbußen auf eine Wertstufe mit den Leistungen im Rahmen eines Vermögensaustausches – insbesondere Mitarbeit – des Abkömmlings stellt. Das Ergebnis erscheint auch nicht akzeptabel. Obwohl die vermögensrechtlich Orientierung der
Norm unverkennbar ist, folgt die Versagung des Ausgleichungsanspruches nicht
zwingend aus dem Gesetz, zumindest nicht bei einem modernen Verständnis des §
2057 a BGB im Hinblick auf die Pflegebedürfnisse von Verwandten im Generationenzusammenhang. Wird die Pflegeleistung auch als gesellschaftliche Aufgabe
verstanden und soll die private Pflege den staatlichen Haushalt entlasten, sollte die
Auslegung der Norm dem auch in der Weise Rechung tragen, dass ein Vermögensverlust immer schon dann anzunehmen ist, wenn die Pflegeleistung an Dritte
zu Einkünften geführt hätten. Hätte die Tochter (Frührentnerin) nicht den Vater,
sondern die Nachbarin gepflegt, hätte sie Einkünfte erzielt, welche ihr durch die Entscheidung für Pflege des Vaters versagt bleiben. Bei einer solchen Fallkonstellation
dürfte mithin das Tatbestandsmerkmal des „Verzichtes auf berufliches Einkommen“
im Sinne des § 2057 a Abs. 1 Satz 2 BGB anzunehmen und im Ergebnis der Tochter
ein Ausgleichungsanspruch zuzubilligen sein.
III. Die entsprechende Anwendung des § 2052 BGB
Die Vorschrift des § 2057 a BGB soll nach der gesetzgeberischen Intention durch
die Annahme eines vermuteten Erblasserwillens zur Gleichbehandlung der Abkömmlinge beitragen. Es wird vermutet, der Erblasser habe, ohne eine ausdrückliche
Regelung zu treffen, den Willen gehabt, durch eine Ausgleichung seine Abkömmlinge in gleicher Weise an seinem Nachlass teilhaben zu lassen. Dieses Streben nach
Gleichbehandlung der Abkömmlinge wird „im Zweifel“ nach §§ 2057 a i.V. mit
2052 BGB auch angenommen, wenn der Erblasser die ausgleichsberechtigten und –
verpflichteten Abkömmlinge „auf dasjenige eingesetzt hat“, was sie als gesetzliche
Erben erhalten würden oder er ihre Erbteile so bestimmt hat, dass sie zueinander in
demselben Verhältnis stehen wie ihre gesetzlichen Erbteile.
Fälle:
a. Der verwitwete Erblasser hat zwei Kinder und setzt sie zu je 1/2 als Erben ein.
b. Der verwitwete Erblasser hat zwei Kinder und setzt sie zu je 1/8 als Erben ein.
c. Der verwitwete Erblasser hat drei Kinder und setzt den ältesten Sohn zu 1/2,
die beiden jüngeren zu je 1/4 als Erben ein.
In den Fällen a) und b) würde derjenige Abkömmling, der eine Sonderleistung im
Sinne des § 2057 a BGB erbracht hat, „im Zweifel“ zur Ausgleichung unter den
Abkömmlingen berechtigt sein. Im Fall c) käme es nur zwischen den jüngeren
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.