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11. Die Ausklammerung des Ehegatten und des Lebenspartners nach dem
Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) aus dem Kreis der Berechtigten
Die Tatsache, dass insbesondere Ehegatten und Lebenspartner nach dem LPartG von
einem Ausgleich nach § 2057 a BGB ausgeschlossen sind, erstaunt.187 Auch die
Begründung dafür, die Leistungen des Ehegatten188 würden durch die Erhöhung des
gesetzlichen Erbteils bzw. des Zugewinnausgleichs (§§ 1371, 1931 Abs. 3 BGB)189
und selbst bei der Wahl des Güterstandes der Gütertrennung durch die Gleichstellung neben einem oder zwei Abkömmlingen ausreichend gewürdigt, überzeugt
nicht. „Rechtsethisch“190 wird das Ehegattenerbrecht mit der Teilhabe des
überlebenden Ehegatten am Leben und der Person des verstorbenen Ehepartners
begründet – „wirtschaftlich“ mit der Vermutung eines gemeinsamen Wirkens und
Wirtschaftens – allerdings besteht das Ehegattenerbrecht unabhängig von der Dauer
der Ehe und losgelöst von der Frage der Herkunft des Erblasservermögens.191
Gerade die Gleichstellung des Ehegattenerbrechts im Falle kurzer Ehedauer (z. B.
ohne Pflege) und im Fall der langen Ehe mit intensivster Betreuung des Erblassers
durch den Ehepartner (denn zunächst wird es der Ehepartner sein, der durch Pflege
und Verzicht auf eigenes Einkommen den Partner betreut) macht deutlich, dass die
vorstehende Begründung des Ehegattenerbrechts einen Ausschluss des Ehegatten im
Rahmen des § 2057 a BGB nicht rechtfertigt.
Immerhin entsteht das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten schon mit dem Zeitpunkt der Eheschließung. Wird er dann über Jahre vom Ehepartner gepflegt und dies
unter Verzicht auf eigenes Einkommen, so kann auch nicht der mutmaßliche Wille
des Erblassers192 angenommen werden, gerade diese Leistung solle erbrechtlich
keine Rolle spielen. Das zeigt folgender Fall:
Eine Zahnärztin pflegt ihren Ehemann über Jahre und stellt ihre Praxis darauf ein
(Behandlungen nur vormittags). Ihr Einkommen dient zum großen Teil dem Abtrag
des im gemeinsamen Eigentum stehenden Familienhauses. Nach dem Tode des
Erblassers findet sich kein Testament, und es melden sich die Kinder des Erblassers
und pochen auf ihr nicht gekürztes Erbrecht.
Im Ergebnis wird diese Ehefrau erbrechtlich der Ehefrau gleichgestellt, die nach
kurzer Ehedauer ihren Ehemann beerbt und dann das von den Eltern des Erblassers
stammende Vermögen erhält. Dies mag als gesetzgeberische Entscheidung noch
hingenommen werden können. Die Unterstellung jedoch, es sei der mutmaßliche
Wille des Erblassers, die Betreuungsleistung eines Ehepartners solle nicht durch
187 Ausgleichungsansprüche für Ehegatten bestanden auch nach § 633 Schweizer ZGB nicht ,
auch nicht nach dem späteren § 334 ZGB
188 Wenn im folgenden die Worte Ehegatte oder Ehepartner verwendet werden, sind in gleicher
Weise Lebenspartner nach dem LPartG angesprochen, deren Erbberichtigung sich aus § 10
des LPartG ergibt
189 Zimmermann Rn. 562
190 MünchKomm-Leipold, § 1931 Rn. 1
191 MünchKomm-Leipold, § 1931 Rn. 4
192 Vgl. MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 3
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einen möglichen Ausgleichungsanspruch belohnt werden, eben weil die erbrechtliche Stellung der Ehefrau ohnehin durch die Vorschriften der §§ 1371, 1931 BGB
ausgebaut sei, ist nicht haltbar.
Der Ausschluss des Ehegatten aus dem Kreis der Ausgleichungsberechtigten ist
auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass Ehepartner vielfach von der Möglichkeit der
gegenseitigen Alleinerbeneinsetzung Gebrauch machen und damit ein zusätzlicher
Ausgleichungsanspruch grundsätzlich überflüssig wird. Dies gilt schon dann nicht,
wenn gemeinsame Kinder Pflichtteilsansprüche nach dem erstverstorbenen Elternteil geltend machen und der Erblasser durch den Ehepartner erhebliche Geldzuwendungen oder nachlasserhaltende Pflegeleistungen erhalten hat. Hier profitieren
die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge von der nachlassmehrenden oder – erhaltenden Maßnahme des Ehepartners im Rahmen der Geltendmachung ihrer nicht
durch einen Ausgleichsanspruch gekürzten Pflichtteilsrechte. Wäre der Ehepartner
ausgleichsberechtigt würde das dazu führen, dass auch im Rahmen des § 2316 BGB
bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen Ausgleichungsansprüche des
Ehepartners berücksichtigt werden könnten. In 2006 waren 74 % der Familien
Ehepaare mit Kindern.193 Die Bedeutung eines Ausgleichungsanspruchs für den
Ehepartner liegt somit auf der Hand. Auch in einer kinderlosen Ehe hätte ein Ausgleichsanspruch des länger lebenden Ehepartners Bedeutung – jedenfalls in den
Fällen, in denen im Erbfall neben dem Ehepartner noch die Eltern des Erblassers
leben. Auch diese könnten bei der derzeitigen Gesetzeslage Pflichtteilsansprüche in
ungekürztem Umfang geltend machen. Ohne einen Ausgleichsanspruch profitieren
auch die Eltern des Erblassers von den Sonderleistungen des Ehepartners – was eine
nicht zu akzeptierende Rechtslage darstellt.194 Dies hat der Gesetzgeber mittlerweile
erkannt und beabsichtigt, das Ausgleichungsrecht zumindest bei Pflegeleistungen
auf den „gesetzlichen Erben“ und damit auch auf den Ehepartner zu erweitern.195
Nach der Vorstellung der Bundesregierung soll die neue Vorschrift des § 2057 b
Abs. 1 Satz 1 BGB folgenden Wortlaut erhalten:
Ein gesetzlicher Erbe, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat, kann
bei der Auseinandersetzung die Ausgleichung dieser Leistung verlangen.
An dieser Stelle ist zunächst nur festzustellen, dass durch die geplante
Neuregelung der Personenkreis der Ausgleichungsberechtigten eines Ausweitung
erfährt. Nicht nur Abkömmlinge – wie nach der derzeitigen Gesetzeslage – sondern
die gesetzlichen Erben ganz allgemein sollen im Falle von Sonderleistungen in Form
von Pflege bei der Auseinandersetzung einen Ausgleichungsanspruch verlangen
können, so mithin auch der Ehepartner und die übrigen Verwandten des Erblassers.
193 RegE vom 30.01.2008, S.11
194 So im Ergebnis auch Braga, FamRZ 1972, 105, 111: „Es ist deshalb zu bedauern, dass der
miterbende Ehegatte nicht in den Kreis der Ausgleichungsberechtigten nach § 2057 a BGB
einbezogen und die Möglichkeit ohne nähere Begründung als bei Eheleuten „undurchführbar
ausgeschlossen wurde.“
195 Siehe RegE zu § 2057 b vom 30.01.2008
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12. Die Ausgleichungsberechtigung der erbenden Abkömmlinge gegenüber nur
pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen
Wird der eine Leistung im Sinne des § 2057 a BGB erbringende Abkömmling als
einziger Abkömmling Erbe, auch neben anderen Personen, so findet eine
Ausgleichung nicht statt. Der ausgleichungsberechtigte Abkömmling muss neben
anderen Abkömmlingen gesetzlicher Erbe werden. Der Gesetzgeber unterstellt mit
dieser Regelung den Erblasserwillen, dass ausschließlich unter Abkömmlingen,
denen durch den Erbfall das zukommt, was ihnen aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses von Gesetzes wegen zusteht, die Ausgleichung erfolgen soll. Nach §
2057 a Abs. 1 S. 1 BGB findet die Ausgleichung dementsprechend nur unter Abkömmlingen statt, die mit dem Berechtigten zur gesetzlichen Erbfolge gelangen.
Damit ist zunächst ausgeschlossen, dass eine echte Ausgleichung zwischen dem
zum Alleinerben eingesetzten und dem weiteren enterbten Abkömmling vorzunehmen ist.196 Nicht beantwortet ist aber damit die Frage, ob sich ein enterbter
Abkömmling im Rahmen der Geltendmachung seines Anspruchs auf Zahlung eines
Pflichtteils die Sonderleistungen des Alleinerben im Sinne des § 2057 a BGB entgegenhalten lassen muß, die diesen im Falle gesetzlicher Erbfolge berechtigt hätten,
eine Ausgleichung nach § 2057 a BGB zu verlangen. In der materiellen Wirkung
käme dies dann einem Ausgleichsanspruch nach § 2057 a BGB gleich. Die Verpflichtung zur Ausgleichung im Rahmen eines Pflichtteilsanspruches ist in § 2316
BGB geregelt. Danach bestimmt sich der Pflichtteil eines Abkömmlings, wenn
mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Falle der gesetzlichen
Erbfolge eine Zuwendung des Erblassers oder Leistungen der in § 2057 a BGB
bezeichneten Art zur Ausgleichung zu bringen sein würden, nach demjenigen, was
auf den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflichten bei
der Teilung entfallen würde. Das OLG Stuttgart197 vertrat nun hierzu die Auffassung, § 2316 Abs. 1 BGB sei nur zugunsten des pflichtteilsberechtigten Abkömmlings, nicht aber zugunsten des durch die letztwillige Verfügung zum
Alleinerben eingesetzten Abkömmlings anwendbar. Nach dieser Auffassung regelt §
2316 BGB nur, wie sich der Pflichtteilsanspruch des enterbten Abkömmlings berechnet, wenn dieser, nicht aber die als Erben eingesetzten Abkömmlinge im Falle
gesetzlicher Erbfolge ausgleichungsberechtigt wären. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass der Wortlaut des § 2316 BGB nichts dafür hergibt, dass dort
ausschließlich das Ausgleichungsrecht des enterbten pflichtteilsberechtigten Abkömmlings angesprochen wird. Der BGH ist deswegen der Rechtsprechung des
OLG Stuttgart entgegengetreten und führt aus, dass in § 2316 BGB allgemein die
Berechnung des Pflichtteils beschrieben wird, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Falle gesetzlicher Erbfolge eine Ausgleichung stattzufinden hätte. 198 Es wird unterstellt, dass für alle pflichtteilsberechtigten Ab-
196 BGH NJW 1993, 1197
197 OLG Stuttgart, DNotZ 1989, 184 f
198 So BGH NJW 1993, 1197; Cieslar, DNotZ 1989,184, 185
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.