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Nacherben nur gleich seinem Pflichtteil oder sogar kleiner, gilt die Beschränkung –
hier die Anordnung der Nacherbfolge – als nicht angeordnet. Der als Nacherbe
eingesetzte wird dann im Umfang seines Pflichtteils sofort Vollerbe und kann in
dieser Position unter den weiteren Abkömmlingen im Rahmen der Erbauseinandersetzung eine Berücksichtigung seiner Sonderleistungen im Sinne des § 2057
a BGB verlangen.
Ist der dem Nacherben (Abkömmling) vom Erblasser zugedachte Erbteil größer
als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, kann der Nacherbe sein Erbteil ausschlagen
und seinen Pflichtteil verlangen (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB) und im Zuge dessen
dann gemäß § 2316 BGB gleichfalls sein Ausgleichungsrecht nach § 2057 a BGB
Berücksichtigung finden lassen.
7. Die Rechte der Ersatzerben
Der Erblasser kann für den Fall, dass ein Erbe vor oder nach dem Eintritt des
Erbfalls wegfällt einen anderen als Erben einsetzen (Ersatzerbe gem. § 2096 BGB).
Fällt ein Abkömmling, der als Erbe zur Ausgleichung verpflichtet sein würde, vor
oder nach dem Erbfall weg und hat der Erblasser für diesen weggefallenen Abkömmling einen Ersatzerben bestimmt, so ist nach § 2051 Abs. 2 BGB im Zweifel
anzunehmen, dass dieser nicht mehr erhalten soll, als der Abkömmling unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht erhalten würde.
Eine direkte Verweisung in § 2057 a BGB auf § 2051 Abs. 2 BGB gibt es, wie
dargelegt, nicht, so dass nach dem Gesetzeswortlaut zunächst zweifelhaft ist, ob der
vom Erblasser eingesetzte Ersatzerbe eine Ausgleichung für die Leistungen des
weggefallenen Erben verlangen kann. Zur Veranschaulichung kann folgender Fall
dienen:
Der Erblasser E hat von seinem Sohn S Leistungen im Sinne des § 2057 a BGB
erhalten. E hat eine Testament verfasst, worin er seinen Sohn S und seine Tochter T
zu gleichen Teilen zu Erben einsetzt. Nach dem Testament ist als Ersatzerbe für S
dessen Ehefrau F genannt. Der Sohn S stirbt vor seinem Vater.
Da die Schwiegertochter zwar Erbin (Ersatzerbin) nach dem Erblasser wurde, sie
aber kein Abkömmling des Erblassers ist, ist nach dem Wortlaut des § 2057 a BGB
die Ausgleichung der von ihrem Mann (Sohn S) erbrachten Leistung bei der Erbauseinandersetzung mit ihrer Schwägerin nicht möglich. Auch dieses Ergebnis wird
aber allgemein für nicht akzeptabel gehalten. Die herrschende Meinung wendet deshalb wiederum „umgekehrt entsprechend“ § 2051 Abs. 2 BGB analog an.167 Im
Sinne dieser umgekehrten Analogie wäre danach § 2051 Abs. 2 BGB im Rahmen
einer Ausgleichung nach § 2057 a BGB wie folgt zu lesen: Hat der Erblasser für den
weggefallenen Abkömmling einen Ersatzerben eingesetzt, so ist im Zweifel anzu-
167 Lutter, § 6, III 1 a; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 7 m. w. N.
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nehmen, dass dieser nicht weniger erhalten soll, als der Abkömmling unter
Berücksichtigung des Anspruchs auf Ausgleichung erhalten würde. Bei Anwendung
dieser „umgekehrten Analogie“ ist damit auch der Ersatzerbe ausgleichungsberechtigt, selbst wenn er kein Abkömmling des Erblassers ist.
Die Konstruktion einer solchen Analogie ist jedoch nicht notwendig. So wird
auch von Lutter nicht verkannt, dass § 2057 a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz BGB „voll“
auf § 2052 BGB verweist und diese Vorschrift für entsprechend anwendbar erklärt.
§ 2052 BGB nimmt aber seinerseits wiederum auf § 2051 BGB Bezug und damit
auch auf § 2051 Abs. 2 BGB.
Nach § 2052 sind die Abkömmlinge, welche von dem Erblasser auf dasjenige als
Erben eingesetzt worden sind, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden, oder
Erbteile so bestimmt sind, dass sie zueinander in demselben Verhältnis stehen wie
die gesetzlichen Erbteile, im Zweifel nach §§ 2050, 2051 zur Ausgleichung verpflichtet. Für den geschilderten Fall bedeutet dies: Der Erblasser hatte seine Abkömmlinge – wie von §§ 2057 a, 2052 BGB gefordert – zu gleichen Teilen zu Erben
eingesetzt. Die rechtliche Folge ist, dass die Abkömmlinge nach §§ 2050, 2051
BGB zur Ausgleichung „verpflichtet“ sein sollen, mithin auch gegenüber dem
Ersatzerben (§ 2051 Abs. 2 BGB), gleichgültig, ob dieser Abkömmling des Erblassers ist oder nicht.168
Es zeigt sich mithin, dass im Fall der testamentarischen Erbeinsetzung und Ersatzerbenanordnung die Notwendigkeit der Konstruktion einer Analogie bzw. die
„umgekehrt entsprechende Anwendung“ von § 2051 Abs. 2 BGB nicht erforderlich
ist, da sich die Anwendbarkeit direkt aus dem Gesetz ableiten lässt. Im Ergebnis
kann damit auch der Ersatzerbe – selbst wenn er nicht Abkömmling des Erblassers
ist – Ausgleichung im Rahmen der Erbauseinandersetzung aufgrund der Leistungen
des zunächst als Erben eingesetzten Abkömmlings des Erblassers verlangen.
Lutter fragt bei dieser Lösung, ob aus der Sicht des Erblassers der Enkel
tatsächlich deswegen mehr erhalten solle, weil seine Mutter den Haushalt des
Großvaters (Erblassers) geführt habe. Die Frage kann noch pointierter gestellt
werden, wenn - wie im Eingangsfall - nicht der Enkel, sondern die familienfremde
Schwiegertochter, damit zur Ausgleichung berechtigt wäre. Die Antwort muss am
Erblasserwillen ansetzen. Der Erblasser hatte zunächst seine Kinder je zu ½ als
Erben eingesetzt. Die Ersatzerbeneinsetzung der Schwiegertochter erfolgte gerade
für den ebenfalls angedachten Fall, sein Sohn könne vor einer Erbauseinandersetzung wegfallen (§ 2096 BGB). Der Erblasser kalkulierte dies damit nicht
nur ein, es war vielmehr sogar sein im Testament zum Ausdruck gebrachter Wille,
168 Lutter, § 6 III 1 a: „Einerseits ist kein rechter Grund ersichtlich, weshalb
der Ausgleichungsanspruch des § 2057 a BGB höchst persönlichen Charakter haben soll und
nicht dem ganzen Stamm zugute kommen sollte; andererseits ist aber weder die Verweisung
eindeutig noch ist ein vermuteter Erblasserwille als Basis für § 2057 a BGB in dieser Richtung
unbedingt überzeugend: Soll – aus der Sicht des Erblassers – der Enkel auf jeden
Fall deswegen mehr erhalten, weil seine Mutter den Haushalt des Großvaters (Erblassers)
geführt hat?“
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dass auch ein anderer (hier die Schwiegertochter) die Rolle des zunächst eingesetzten Abkömmlings sollte übernehmen können.
8. Die Berechtigung entfernterer Abkömmlinge
Dafür sei folgender Beispielsfall gebildet:
Der Enkel E hat den Erblasser in erheblicher Weise zu dessen Lebzeiten in
seinem Geschäft über längere Zeit unterstützt. Der Sohn des Erblassers und Vater
des Enkels kümmert sich dagegen nicht um den Vater. Als der Erblasser stirbt, ist
der Sohn bereits vorverstorben. Erbe neben weiteren Abkömmlingen ist der Enkel E.
Diese Fallgestaltung wirft die Frage auf, ob ein entfernterer Abkömmling, der
Leistungen im Sinne des § 2057 a BGB zu einem Zeitpunkt erbracht hat, als er noch
durch einen vorrangigen Abkömmling (hier seinen Vater) von der Erbschaft ausgeschlossen war, als späterer Erbe Ausgleichungsansprüche nach § 2057 a BGB
(aufgrund eigener Leistung) geltend machen kann. Für Zuwendungen des Erblassers
an „entferntere Abkömmlinge“ enthält § 2053 BGB eine Regelung. Danach soll eine
Zuwendung, die ein entfernterer Abkömmling vor dem Wegfall des ihn von der Erbfolge ausschließenden näheren Abkömmlings oder ein an die Stelle eines Abkömmlings als Ersatzerbe tretender Abkömmling von dem Erblasser erhalten hat, nicht zur
Ausgleichung zu bringen sein, es sei denn, der Erblasser habe bei der Zuwendung
eine Ausgleichung angeordnet. Im Ergebnis besteht also für den eine Leistung des
Erblassers empfangenden Enkel keine Ausgleichungsberechtigung, es sei denn, dass
bei der Zuwendung eine Ausgleichung angeordnet worden ist. Für das umgekehrte
Leistungsverhältnis (nicht die Zuwendung des Großvaters an den Enkel, sondern die
Leistung des Enkels an den Großvater) bietet das Gesetz keine Lösung. Hat der
Gesetzgeber nun in § 2057 a BGB eine Verweisung auf § 2053 BGB schlichtweg
vergessen oder die entsprechende Anwendung dieser Norm auf Zuwendungen des
entfernteren Abkömmlings an den Erblasser tatsächlich nicht gewollt? Teile der
Literatur sind der Auffassung, es sei eine entsprechende Anwendung des § 2053
BGB geboten,169 so dass auch der entferntere Abkömmling im Rahmen des § 2057 a
BGB eine Ausgleichung seiner Leistungen verlangen könne, dies wohl mit der
Begründung, dass das, was für die Leistung in die eine Richtung (vom Erblasser an
den entfernteren Abkömmling) gelte, gerechterweise auch für Leistungen des
entfernteren Abkömmlings an den Erblasser gelten müsse.170 Allerdings führt selbst
die entsprechende Anwendung des § 2053 BGB, wollte man sie denn für geboten
erachten, eben nicht zu der Konsequenz, dass im Rahmen des § 2057 a BGB ein
entfernterer Abkömmling eine Ausgleichung verlangen kann. § 2053 BGB erklärt
vielmehr die Ausgleichung einer Leistung an entferntere Abkömmlinge gerade nicht
für geboten, es sei denn, der Erblasser hat diese Ausgleichung bei der Leistung angeordnet. Eine solche Anordnung zugunsten des „entfernteren Abkömmlings“ ist
169 Damrau, FamRZ 1969, 779, 780; Palandt-Edenhofer, § 2057 a Rn. 3; a.A. Schlüter Rn. 722
170 Dagegen jedoch Palandt-Edenhofer, § 2057 a Rn. 3; Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 10
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.