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und zwar wegen des Fehlens einer Verweisung auf § 2051 BGB, und hofft darauf,
dass die Rechtsprechung die Aufgabe übernimmt, diese Lücke zu schließen. Andere
Autoren143 sprechen sich für eine analoge Anwendung des § 2051 Abs. 1 BGB aus,
der die Ausgleichung unter Abkömmlingen wegen eines Vorempfangs von Erblasserleistungen im Sinne des § 2050 BGB an einen vorverstorbenen Abkömmling
regelt. Fällt ein Abkömmling, der als Erbe zur Ausgleichung verpflichtet sein würde
vor oder nach dem Erbfall weg, so ist nach § 2051 Abs. 1 BGB wegen der ihm zuteil
gewordenen Zuwendung der an seine Stelle tretende Abkömmling zur Ausgleichung
verpflichtet. Die Zielrichtung des § 2051 Abs. 1 BGB geht also dahin, dass sich
Erben eines Abkömmlings dasjenige an Zuwendungen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung anrechnen lassen müssen, was diesem Abkömmling bereits
zugeflossen war. Warum diese Anrechnung der Leistungen des Erblassers an einen
vorverstorbenen Abkömmling erfolgt, nicht aber der Leistungen des vorverstorbenen Abkömmlings an den Erblasser, ist nicht einzusehen. Eine analoge Anwendung des § 2051 Abs. 1 BGB im Rahmen einer Ausgleichung nach § 2057 a BGB
ist deshalb gerechtfertigt, so dass im Ergebnis auch der sog. „nachrückende
Abkömmling“ zur Ausgleichung berechtigt ist.144
Für dieses Ergebnis spricht auch der im Rahmen der Prüfung des § 2057 a BGB
stets zu hinterfragende „vermutete Erblasserwille“. Es ist auf den gestellten Fall
bezogen zu fragen, ob es der Erblasser gewollt hätte, dass nicht nur die pflegende
Tochter selbst, sondern auch deren Kinder von der Ausgleichungsregel des § 2057 a
BGB profitieren sollten. Außer im Falle anderweitiger Willensäußerungen darf wohl
angenommen werden, der Erblasser wolle die ihm zuteil gewordene Wohltat nicht
nur dem Geber sondern auch dessen Kindern vergelten.145
3. Der Kreis der Berechtigten bei Wegfall eines Ausgleichsberechtigten zwischen
Erbfall und Erbauseinandersetzung.
Der Kreis der Berechtigten ist insbesondere bei folgender Fallkonstellation
abzugrenzen:
Der Vater hat erhebliche Geldleistungen von seiner Tochter T erhalten. Er
hinterlässt zwei Erben, die Tochter und einen Sohn S. Vor der Auseinandersetzung
stirbt die Tochter T. Ihre Erben sind ihr Kind K und ihr Lebensgefährte.
Anders als in der zuvor diskutierten Fallvariante ist hier der zur Ausgleichung
berechtigte Erbe (Tochter T) erst nach dem Erbfall weggefallen, was bei analoger
Anwendung zu § 2051 Abs. 1 BGB zu keiner anderen Beurteilung führen kann, als
wäre die Tochter vor dem Erbfall verstorben, da § 2051 Abs. 1 BGB beide Fälle
143 H.M.: Soergel-Wolf, § 2057a, Rn. 10; Damrau, FamRZ 1969, 579, 580; Damrau-Bothe,
§ 2057a Rn. 6; Odersky, Anm.
II 1; RGRK- Kregel, § 2057 a Rn. 3; Lutter, § 6 III 1 a, Frieser-Juchem, § 2057 a, Rn 7
144 Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 6
145 Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 6
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erfasst.146 Dennoch wird in der Literatur für den vorstehenden Fall im Rahmen der
Prüfung des § 2057 a BGB – eigentlich ohne Not – auch eine andere rechtliche
Begründung für das gleiche angestrebte rechtliche Ergebnis angeboten. Damrau147
ist der Meinung, der Erbe des ausgleichungsberechtigten Abkömmlings könne
gleichfalls den Ausgleich verlangen und zwar für die Leistung des Weggefallenen,
weil das Ausgleichungsrecht vererblich sei. Die Geldleistung der Tochter T gibt
dieser nach dem Tod des Erblassers einen Anspruch auf Ausgleichung im Rahmen
der Erbauseinandersetzung mit ihrem Bruder (Sohn S). Stirbt T dann vor der
eigentlichen Erbauseinandersetzung, so gehe diese Rechtsposition nach der Ansicht
von Damrau auch auf den Lebensgefährten L über. Ob dies dem mutmaßlichen
Erblasserwillen entspricht, ist jedoch durchaus zu bezweifeln. Zudem entfernt sich
die Annahme der allgemeinen Vererblichkeit des Rechts, eine Ausgleichung
verlangen zu können, zu sehr vom Tatbestand des § 2057 a BGB.
Zunächst ist festzuhalten, dass § 2057 a BGB eine direkte Verweisung auf § 2051
BGB nicht enthält. Eine analoge Anwendung des § 2051 Abs. 1 BGB ist daher nur
erlaubt, wenn angenommen werden kann, dass eine Gesetzeslücke besteht148 und nur
die Anwendung des § 2051 BGB zu adäquaten Ergebnissen führt. § 2051 Abs. 1
BGB behandelt aber die Fälle, dass der Abkömmling vor oder nach dem Erbfall
stirbt, gleich und hat dann zur rechtlichen Konsequenz, dass ausschließlich
Abkömmlinge zur Ausgleichung verpflichtet, d. h. im Rahmen des § 2057 a BGB
auch nur berechtigt sein könnten. Eine Erweiterung des Kreises der Ausgleichungsberechtigten auf die Erben des die Sonderleistung erbringenden Abkömmlings,
welche nicht Abkömmlinge des Erblassers sind, würde sich zu sehr von dem Rechtsgedanken entfernen, dass eben nur Abkömmlinge zur Ausgleichung berechtigt sein
sollen. Deshalb kann der Meinung von Damrau nur mit der Einschränkung gefolgt
werden, dass zwar mit dem Erbfall nach dem Vater die Tatsache einer Leistung
durch die Tochter zu einer Rechtsposition im Rahmen der Erbauseinandersetzung
erstarkt, dies aber in analoger Anwendung des § 2051 Abs. 1 BGB nach deren Tod
nur bei ihren Abkömmlingen, also nicht in der Person ihres Lebensgefährten.
4. Der Anspruch des Schlusserben auf Ausgleichung.
Haben sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten – meist wohl an die gemeinsamen Kinder – fallen
soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte (Kinder) für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist (§ 2269 Abs. 1
BGB). Von dem erstversterbenden Elternteil sind die Kinder damit von der Erbfolge
146 § 2051 Abs. I: „Fällt ein Abkömmling ...vor oder nach dem Erbfall weg“
147 Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 6; ebenso MünchKomm-Heldrich, § 2057 a, Rn. 8 und Palandt
Edenhofer, § 2057 a Rn.2
148 Knur, FamRZ 1970, 269, 277
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.