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Kapitel 4 Die Tatbestandsvoraussetzungen des
Ausgleichungsanspruches nach § 2057 a BGB
I. Der Kreis der Ausgleichungsberechtigten
1. Die Abkömmlinge des Erblassers
Zur Ausgleichung berechtigt sind die Abkömmlinge des Erblassers, also die Personen, die mit ihm in gerader absteigender Linie verwandt (Kinder, auch nichteheliche Kinder und Enkel) und zum Zeitpunkt des Erbfalls erbberechtigt sind (§ 2057 a
Abs. 1 Satz 1 BGB). Ausgleichsberechtigt ist ferner das Kind, welches von dem
Lebenspartner eines Elternteils nach § 9 Abs. 7 LPartG in Verbindung mit § 1754
Abs.1 BGB als Kind angenommen wurde.
2. Die Berechtigung des nachrückenden Erben
Hat eine Tochter des Erblassers Leistungen im Sinne des § 2057 a BGB erbracht,
stirbt sie aber vor dem Erblasser und wird dieser von seinen Abkömmlingen beerbt,
z. B. von einem weiteren Sohn und den Kindern der Tochter, so stellt sich die Frage,
ob diese nachrückenden Erben die zur Ausgleichung berechtigte Position ihrer
Mutter einnehmen. Nach dem Wortlaut des § 2057 a BGB ist nur der die jeweilige
Leistung selbst erbringende Abkömmling zur Ausgleichung berechtigt.140
Es könnte daran gedacht werden, dass ein in der Person der vorverstorbenen
Mutter begründeter Anspruch im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge auf deren Kinder
übergegangen sei. Dem könnte jedoch der Umstand entgegen stehen, dass § 2057 a
BGB zu Lebzeiten des Erblassers keinen eigenständigen Anspruch begründet, der
auf die Erben des Leistenden übergehen könnte. § 2057 a BGB könnte vielmehr eine
„Berechnungsregel für die Erbauseinandersetzung“ darstellen, eine Änderung des
Verteilungsschlüssels141, der nach dem Wortlaut des Gesetzes allein zwischen dem
leistenden und dem nichtleistenden Abkömmling selbst zur Anwendung kommen
könnte. Die sog. nachrückenden Abkömmlinge würden danach von der „Wohltat“
des § 2057 a BGB nicht profitieren, wohl aber die Abkömmlinge (Kinder), welche
keine Leistungen gegenüber dem Erblasser erbracht haben.
Dieses Ergebnis wird allgemein für unbefriedigend gehalten, die angebotenen
Lösungen sind jedoch unterschiedlich. Knur erkennt hier eine Lücke im Gesetz142,
140 S. auch Damrau, FamRZ 1969, 579, 580
141 Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 3; vgl. BGH 96, 174
142 Knur, FamRZ 1970, 269, 277; ders., DB 1970, 1113, 1115
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und zwar wegen des Fehlens einer Verweisung auf § 2051 BGB, und hofft darauf,
dass die Rechtsprechung die Aufgabe übernimmt, diese Lücke zu schließen. Andere
Autoren143 sprechen sich für eine analoge Anwendung des § 2051 Abs. 1 BGB aus,
der die Ausgleichung unter Abkömmlingen wegen eines Vorempfangs von Erblasserleistungen im Sinne des § 2050 BGB an einen vorverstorbenen Abkömmling
regelt. Fällt ein Abkömmling, der als Erbe zur Ausgleichung verpflichtet sein würde
vor oder nach dem Erbfall weg, so ist nach § 2051 Abs. 1 BGB wegen der ihm zuteil
gewordenen Zuwendung der an seine Stelle tretende Abkömmling zur Ausgleichung
verpflichtet. Die Zielrichtung des § 2051 Abs. 1 BGB geht also dahin, dass sich
Erben eines Abkömmlings dasjenige an Zuwendungen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung anrechnen lassen müssen, was diesem Abkömmling bereits
zugeflossen war. Warum diese Anrechnung der Leistungen des Erblassers an einen
vorverstorbenen Abkömmling erfolgt, nicht aber der Leistungen des vorverstorbenen Abkömmlings an den Erblasser, ist nicht einzusehen. Eine analoge Anwendung des § 2051 Abs. 1 BGB im Rahmen einer Ausgleichung nach § 2057 a BGB
ist deshalb gerechtfertigt, so dass im Ergebnis auch der sog. „nachrückende
Abkömmling“ zur Ausgleichung berechtigt ist.144
Für dieses Ergebnis spricht auch der im Rahmen der Prüfung des § 2057 a BGB
stets zu hinterfragende „vermutete Erblasserwille“. Es ist auf den gestellten Fall
bezogen zu fragen, ob es der Erblasser gewollt hätte, dass nicht nur die pflegende
Tochter selbst, sondern auch deren Kinder von der Ausgleichungsregel des § 2057 a
BGB profitieren sollten. Außer im Falle anderweitiger Willensäußerungen darf wohl
angenommen werden, der Erblasser wolle die ihm zuteil gewordene Wohltat nicht
nur dem Geber sondern auch dessen Kindern vergelten.145
3. Der Kreis der Berechtigten bei Wegfall eines Ausgleichsberechtigten zwischen
Erbfall und Erbauseinandersetzung.
Der Kreis der Berechtigten ist insbesondere bei folgender Fallkonstellation
abzugrenzen:
Der Vater hat erhebliche Geldleistungen von seiner Tochter T erhalten. Er
hinterlässt zwei Erben, die Tochter und einen Sohn S. Vor der Auseinandersetzung
stirbt die Tochter T. Ihre Erben sind ihr Kind K und ihr Lebensgefährte.
Anders als in der zuvor diskutierten Fallvariante ist hier der zur Ausgleichung
berechtigte Erbe (Tochter T) erst nach dem Erbfall weggefallen, was bei analoger
Anwendung zu § 2051 Abs. 1 BGB zu keiner anderen Beurteilung führen kann, als
wäre die Tochter vor dem Erbfall verstorben, da § 2051 Abs. 1 BGB beide Fälle
143 H.M.: Soergel-Wolf, § 2057a, Rn. 10; Damrau, FamRZ 1969, 579, 580; Damrau-Bothe,
§ 2057a Rn. 6; Odersky, Anm.
II 1; RGRK- Kregel, § 2057 a Rn. 3; Lutter, § 6 III 1 a, Frieser-Juchem, § 2057 a, Rn 7
144 Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 6
145 Damrau-Bothe, § 2057 a Rn. 6
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.