Nomos Universitätsschriften
Recht
Band 616
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Manfred Werwitzki
Die erbrechtliche Berücksichtigung
von Pflegeleistungen und sonstiger
besonderer Zuwendungen eines
Familienangehörigen an den Erblasser
Nomos
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1. Auflage 2009
© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2009. Printed in Germany. Alle Rechte,
auch die des Nachdrucks von Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe und
der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Zugl.: Bremen, Univ., Diss., 2008
ISBN 978-3-8329-4160-4
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Vorwort des Verfassers
Die Tatsache, dass Sonderleistungen von Abkömmlingen gegenüber dem Erblasser
zu Vorteilen bei der Erbauseinandersetzung führen können, wird in der Praxis zu
wenig bedacht. Dabei erfolgen Pflegeleistungen von Kindern gegenüber den Eltern
relativ häufig. Der Grund für die Pflegebereitschaft ist in den meisten Fällen nicht
die Verhinderung von Pflegeheimkosten. Die familiäre Nähe und ein gutes persönliches Verhältnis zwischen der Pflegeperson und dem hilfebedürftigen Elternteil
sind in erster Linie die Gründe für die Pflegebereitschaft. Die spätere Sonderstellung
im Rahmen der Erbauseinandersetzung ist oftmals nicht bekannt oder spielt bei der
Entscheidung zur Pflege keine wesentliche Rolle.
Dennoch ist es nicht mehr als recht und billig, dass gerade vor dem Hintergrund
einer vom vermuteten Erblasserwillen getragenen gleichmäßigen erbrechtlichen Behandlung seiner Kinder solche Sonderleistungen auch zu einer Sonderstellung bei
der Erbauseinandersetzung führen. Dem trägt § 2057 a BGB Rechnung. Die Bundesregierung beabsichtigt1, die Sonderleistung Pflege wegen ihrer gesellschaftlichen
Bedeutung durch § 2057 b BGB-E noch stärker zu würdigen. Die Höhe des
Ausgleichungsanspruches soll sich danach grundsätzlich an den Pflegesätzen des §
36 SGB XI orientieren. Diese Regelung wird nicht selten zu einem vollständigen
Verzehr des Nachlasses führen, aber auch einen Anreiz zur häuslichen Pflege bieten.
Die Arbeit soll neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung des § 2057 a BGB und
der angekündigten Vorschrift des § 2057 b BGB – E in der Praxis zum Erkennen der
erbrechtlichen Bedeutung, insbesondere der wirtschaftlichen Tragweite des Ausgleichungsanspruches, beitragen.
Wenn dies gelingt, ist es vor allem meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Peter
Derleder von der Universität Bremen zu verdanken, der mir das Thema der Dissertation vorschlug, mich stets unterstützte und mit konstruktiver Kritik begleitete.
Mein Dank gilt gleichfalls Herrn Vertretungsprofessor Dr. Kai Oliver Knops und
den Mitprüfern im Kolloquium, den Herren Prof. Dr. Christoph Schmid und Prof.
Dr. Peter Rott. Herrn Rechtsanwalt Olaf Taubert und Herrn Jan – Philip Dierking
danke ich für die technische Betreuung der Arbeit.
Mein Wunsch zur Promotion ist spät, erst im „reiferen“ Alter, in Erfüllung
gegangen. Die erlebte Freude an der wissenschaftlichen Arbeit und das erreichte
Ziel lassen den zeitlichen Aufwand neben der beruflichen Tätigkeit in der Kanzlei
völlig unbeachtlich erscheinen.
1 Regierungsentwurf vom 30.01.2008, abrufbar unter http://www.zev.de
6
Die nach Abgabe der Arbeit veröffentlichten Aufsätze von Prof. Dr. Otte,
Bielefeld2 und Prof. Dr. Windel3, Bochum, sind in der Publikationsfassung der
Arbeit mit behandelt.
Wunstorf, im September 2008 Manfred Werwitzki
2 Otte, ZEV 2008, S. 260 ff
3 Windel, ZEV 2008 S. 305 ff
7
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis 11
Kapitel 1 Einführung 15
Kapitel 2 Die Entstehungsgeschichte des § 2057 a BGB 23
Kapitel 3 Die Pflegeleistung als gesellschaftliche Aufgabe 31
I. Der Umfang von Dienstleistungen im Sinne des § 2057 a BGB und die 31
gesellschaftliche Bedeutung von Pflegeleistungen
II. Sichtweisen von Hilfe- und Pflegebedürftigkeit im Alte 34
III. Pflegebedürftigkeit als Lebenskrise 35
IV. Entwicklungstrends bei Hilfe- u. Pflegebedarf in Privathaushalten 36
V. Haushalts- und Familienformen 37
VI. Der gewünschte Vorrang der häuslichen Pflege 38
VII. Pflegeaufwand und Belastung der Hauptpflegeperson 39
VIII. Leitlinien häuslicher Versorgung 41
IX. Die Grenzen häuslicher Versorgung 42
X. Zusammenfassung und Konsequenzen 42
Kapitel 4 Die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausgleichungsanspruches nach
§ 2057 a BGB 46
I. Der Kreis der Ausgleichungsberechtigten 46
1. Die Abkömmlinge des Erblassers 46
2. Die Berechtigung des nachrückenden Erben 46
3. Der Kreis der Berechtigten bei Wegfall eines Ausgleichsberechtigten zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung 47
4. Der Anspruch des Schlusserben auf Ausgleichung 48
5. Der Ausgleichungsanspruch des Vorerben 52
6. Der Ausgleichungsanspruch des Nacherben 52
7. Die Rechte der Ersatzerben 53
8. Die Berechtigung entfernterer Abkömmlinge 55
9. Der Erbschaftskäufer als Ausgleichungsberechtigter 56
10. Die weiteren Ausgleichungsberechtigten und –verpflichteten 59
11. Die Ausklammerung des Ehegatten und des Lebenspartners
nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) aus dem
Kreis der Berechtigten 61
8
12. Die Ausgleichungsberechtigung der erbenden Abkömmlinge
gegenüber nur pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen 63
13. Die Berücksichtigung eines Ausgleichungsrechtes nach
§ 2057 a BGB im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach §§ 2325, 2329 BGB 65
II. Die zur Ausgleichung berechtigenden Leistungen 70
1. Leistungen die zur Ausgleichung berechtigen: 70
2. Die Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers 71
3. Erhebliche Geldleistungen 72
4. Leistungen in anderer Weise 74
5. Der für die Vermögensmehrung und Mehrung des Nachlasses
als Gegenstand der Ausgleichung maßgebliche Zeitpunkt 77
6. Die Pflege als Sonderleistung 81
III. Die entsprechende Anwendung des § 2052 BGB 84
IV. Die Subsidiarität des Ausgleichungsanspruchs gemäß § 2057 a
Abs. 2 BGB Ansprüche aus „anderem“ Rechtsgrund 88
1. Ansprüche aus „anderem“ Rechtsgrund 88
2. Kein Ausschluss des Ausgleichungsanspruchs im Falle
einer nicht nachgewiesenen oder einredebehafteten
Nachlassverbindlichkeit 89
3. Kein Ausschluss des Ausgleichungsanspruchs bei Verzicht
des Abkömmlings auf die Forderung gegen den späteren
Erblasser 91
V. Die Leistungen des Kindes im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB
(§ 2057 a Abs. 2 S. 2 BGB) 93
1. Dienstleistungen in Haus und Geschäft (§1619 BGB) 93
2. Aufwendungen des Kindes für den elterlichen Haushalt
(§ 1620 BGB) 96
VI. Die Höhe des Ausgleichungsbetrages (§ 2057 a Abs. 3 BGB) 98
1. Maßstäbe für die Höhe des Ausgleichungsanspruches 98
2. Die Aufzehrung des Nachlasses durch den Ausgleichungsanspruch 99
3. Der Einfluss von Vorempfängen auf die Höhe des
Ausgleichungsanspruches 101
4. Die Vertrags- und Testierfreiheit des Erblassers 102
5. Die Indexierung der Sonderleistungen 103
VII. Die Durchführung der Ausgleichung (§ 2057 a Abs. 4 BGB) 103
1. Die Berechnung von Bothe und Kritik 103
2. Das Zusammentreffen von Ausgleichungsansprüchen nach
§ 2057 a BGB und Vorempfängen 107
Kapitel 5 Der Regierungsentwurf vom 30.01.2008 108
I. Die Begründung für den Gesetzentwurf 108
9
II. Die Erweiterung des Kreises der Ausgleichsberechtigten nach dem
Regierungsentwurf vom 30.01.2008 110
III. Die Streichung des Tatbestandsmerkmals „Verzicht auf
berufliches Einkommen“ bei Pflegeleistungen 110
IV. Zur Beweiserleichterung des Ausgleichungsanspruchs
und dessen Höhe 111
V. Die fehlende Verweisung in § 2057 b BGB – E auf § 2057 a
Abs. 3 BGB 112
VI. Der Ansatz der Pflegesätze des § 36 SGB XI im
§ 2057 b – E BGB 113
Kapitel 6 Die Möglichkeiten des Erbrechts zur Förderung von
Pflegeleistungen 115
I. Gedanken zur Beteiligung nicht verwandter Personen am Nachlass 115
II. Der Gedanke des gesetzlichen Erbrechts Familienfremder 116
III. Die mögliche Form der Beteiligung Familienfremder am
gesetzlichen Erbrecht 117
Kapitel 7 Die Anfechtung der irrtumsbehafteten Erblasserverfügung 123
I. Der Irrtum des Erblassers 123
II. Der Zweck der Anfechtung einseitiger Testamente 125
III. Der Zweck der Anfechtung von Erbverträgen und
gemeinschaftlichen Testamenten 126
IV. Der Vorrang der Auslegung vor der Anfechtung 126
V. Die Bestätigung der anfechtbaren Verfügung 127
VI. Der Anfechtungsgrund 127
VII. Der Zeitpunkt des Irrtums 130
VIII. Die Ursächlichkeit des Motivirrtums 130
IX. Die Wirkung der Anfechtung bei einseitigen Testamenten 132
X. Die Wirkung der Anfechtung beim gemeinschaftlichen Testament 132
XI. Die Wirkung der Anfechtung beim Erbvertrag 132
XII. Die Frist für die Anfechtung erbvertraglicher Verfügungen 133
XIII. Die Wirkung der Anfechtung auf den Ausgleichungsanspruch
nach § 2057 a BGB 133
XIV. Zusammenfassung und Ergebnis 135
Kapitel 8 Die vorausschauende Berücksichtigung von Sonderleistungen im
Sinne des § 2057 a BGB, 2057 b BGB – E
in Verfügungen von Todes wegen 137
I. Die Anordnung einer Ausgleichungspflicht aller Erben 137
II. Das Verbot der Drittbestimmung nach § 2065 Abs.2 BGB 137
III. Die Anordnung eines Vermächtnisses und die Bestimmung des
Vermächtnisnehmers durch einen Dritten (§ 2151 BGB) 141
10
IV. Die Anordnung einer Auflage 142
Kapitel 9 Die gerichtliche Durchsetzung des Ausgleichungsanspruchs
nach §§ 2057 a BGB, 2057 b BGB – E 144
I. Gerichtsstand 144
II. Die Klageart 144
III. Der Klagantrag 145
1. Ansprüche nach § 2057 a BGB 145
2. Ansprüche nach § 2057 b BGB – E 147
IV. Die Substantiierungspflicht des Anspruchstellers und
die Beweislage 148
V. Die Kostenentscheidung des Gerichtes 149
Kapitel 10 Zusammenfassung und Ausblick 150
Literaturverzeichnis 155
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.