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konkreten Fassung des Vorschlags gilt dies schon deshalb, weil wohl nur schwer
bestimmbar sein wird, was Vergünstigungen von »erheblichem Wert« für die Erreichung »bestimmter Umsätze« oder eine »bestimmte Anzahl von Geschäftsabschlüssen« sein sollen.727 Der Vorschlag ist aber auch dem Grundsatz nach abzulehnen. Bereits im Rahmen des bisherigen § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB wird die Aufgabe des sonst im Kartellrecht durchgängigen Prinzips der Anknüpfung jeden
Verbotes an die Marktwirkungen der in Rede stehenden Handlung zutreffend kritisiert.728 Mit Köhlers Vorschlag geschähe dass, was es eigentlich zu vermeiden
gilt, nämlich eine schleichende Ausweitung der Wertung des Satz 2 auf weitere
Sachverhalte. Nebenleistungswettbewerb, auch systematischer, belebt aber den
Wettbewerb und ist deshalb grundsätzlich zu begrüßen. Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass es zahlreiche Ansatzpunkte gibt, dem Behinderungspotenzial von Bonusprogrammen beizukommen. Ein weiteres Pauschalverbot
hieße demgegenüber das Kind mit dem Bade auszuschütten. Verbote ohne Berücksichtigung der konkreten Marktwirkungen führen vielmehr stets zu einem
hohen Maß an Verlust von Einzelfallgerechtigkeit. Das diesem Vorschlag zugrunde liegende Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes zu fördern,
kann besser und widerspruchsfreier durch andere wirtschaftspolitische Maßnahmen wie beispielsweise über das Steuer- und Abgabenrecht oder die Kreditförderung erreicht werden.
G. Zusammenfassung
Bonusprogramme können zu wettbewerbsinkonformen Behinderungen nicht angeschlossener Unternehmen führen, die im Wege der §§ 19, 20 Abs. 1 und Abs.
4 GWB, des Art. 82 EG oder des § 4 Nr. 10 UWG untersagt werden können. Die
kritischen Aktionsparameter sind zunächst Verlustpreise, stark ansteigende Bonusstaffeln und kurze Verfallsdaten. Es gilt zu betonen, dass auch im Rahmen von
Bonusprogrammen ohne Auszahlungsfunktion Verlustpreise identifizierbar sind.
Im Anwendungsbereich des deutschen Kartellrechts müssen vor allem die Besonderheiten des § 20 Abs. 4 GWB und dort insbesondere das Verbot des Verkaufs
unter Einstandspreis des Satzes 2 beachtet werden. Wird die vom Gesetzgeber ins
Auge gefasste weitere Verschärfung des § 20 Abs. 4 GWB im Hinblick auf die
Preisgestaltung von Lebensmitteln Realität, hat dies auch für Bonusprogramme
eine erhebliche Bedeutung. Der mit Bonusprogrammen einhergehende Kopplungsaspekt ist hingegen irrelvant, weil es sich einerseits nicht um eine strenge
Kopplung und andererseits um eine verkaufsfördende und nicht um eine machtbedingte Kopplung handelt. Kartellrechtlich bedenklich ist aber weiter der Einsatz von Bonusprogrammen in netzwerksbezogenen Märkten, wie zum Beispiel
im Fall von Vielfliegerprogrammen. Die freiwillige oder verordnete Aufnahme
727 Vgl. die Kritik bei Dangelmaier Der Verkauf unter Einstandspreis S. 117 f.
728 Vgl. oben Kap. 4 C. II. 3.
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der Außenseiter ins Programm schafft hier keine Abhilfe, sondern verschäft die
Situation eher noch. Es sollte verstärkt eine Untersagung solcher Programme –
wenn auch nur auf einzelnen Strecken – in Betracht gezogen werden. Auch Bonusprogramme in regulären Märkten weisen eine kritische rein systembedingte
Sogwirkung auf. Hier wird eine Untersagung in der Praxis aber wohl an der mangelnden Nachweisbarkeit der negativen Marktfolgen scheitern. Ein Stand-Alone-
Programm eines Marktbeherrschers hingegen kann nicht allein wegen des tatsächlichen Anreizes, seine Einkäufe bei ihm zu konzentrieren, als missbräuchlich
eingestuft werden. Hinzukommen müssen kritische Parameter wie etwa gestaffelte Incentivierungen oder eine mangelnde Kostendeckung. Die Wertungen des
europäischen Kartellrechts sind in den genannten Punkten fast identisch. Allerdings kennt das europäische Recht das Konzept der relativen Marktmacht nicht
und beurteilt auch sonst Untereinstandpreisverkäufe etwas anders. Unter Umständen kann hier sogar eine Preisgestaltung, die noch marginale Gewinne zulässt, missbräuchlich sein. Der Einsatz der besonders kritischen Aktionsparameter wie etwa von Verlustpreisen oder Bonusstaffeln kann auch über § 4 Nr. 10
UWG untersagt werden. Allerdings muss jedenfalls dann, wenn die Aufgreifschwellen des GWB nicht erfüllt sind, das Vorliegen einer gezielten Vernichtungsabsicht nachweislich sein, da sonst die Wertungsprärogative des Kartellrechts unterlaufen werden würde.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.