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legen.«721 Entsprechendes gilt für den Vorschlag zur Sales-Promotion-Verordnung.722
Die Beschränkung auf den B2C-Bereich wird in der deutschen Literatur sehr
bedauert. Ein derartiger Ansatz stelle die Ausgangssituation des Wettbewerbs
insgesamt auf den Kopf. Mitbewerberschutz und Verbraucherschutz seien zwei
Seiten derselben Medaille und somit kaum trennbare Sachverhalte.723 Der Grund
wird aber letztlich in der mangelnden politischen Durchsetzbarkeit einer Harmonisierung auch des B2B-Bereiches liegen.724 So müsste vor allem eine Einigung
über die schwierige Frage der Handhabe von Verkäufen unter Einstandspreis
getroffen werden.725
F. Anmerkungen zu Köhlers Vorschlag zur Einführung eines
kartellrechtlichen Spezialtatbestandes zur Erfassung von
Bonusprogrammen
Um langfristige Incentivierungen und somit auch den Bereich der Bonusprogramme umfassend zu regeln, sprach sich Köhler bereits im Zuge der Abschaffung des RabattG und der ZugabeVO zur Abdämpfung etwaiger nachteiliger Effekte der Liberalisierung für kleine und mittlere Unternehmen für die Einführung
eines Spezialtatbestandes in Form eines weiteren Regelbeispiels im Rahmen des
§ 20 Abs. 4 Satz 2 GWB aus. Er schlägt folgende Formulierung vor:726
»Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein
Unternehmen
1.Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis
anbietet, oder
2.für die Erreichung bestimmter Umsätze oder einer bestimmten Zahl von Geschäftsabschlüssen eine Vergünstigung von erheblichem Wert anbietet.«
Im Zuge der 7. GWB Novelle ist dieser Vorschlag glücklicherweise nicht ins Gesetz aufgenommen worden. Das Ansinnen, einen Spezialtatbestand für die Regelung des systematischen Nebenleistungswettbewerbs durch zumindest marktstarke Unternehmen zu schaffen, ist aber auch für die Zukunft abzulehnen. In der
721 ABl. EG 2005 NR. L 149, S. 23.
722 KOM (2002) 585 endg.
723 Henning-Bodewig FS Tilmann, S. 149, 157; Köhler/Lettl WRP 2003, 1019, 1051; Veelken
WRP 2004, 1, 5 Beater ZEuP 2003, 11, 32, 48; ders. § 5 Rn 12, § 10 Rn 21, § 12 Rn 20,
§ 13 Rn 1 ff; Wiebe WRP 2002, 283, 292; Schricker/Henning-Bodewig GRUR 2002, 319,
321 f.
724 Köhler/Lettl WRP 2003, 1019, 1050.
725 Vgl. nur die strafbewehrte Vorschrift Art. L. 442-2 des Code de Commerce in Frankreich.
726 Köhler BB 2001 265, 272; zustimmend Lange/Spätgens Rn. 416; vgl. auch die Abwandlung bei Dangelmaier S. 104 ff.
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konkreten Fassung des Vorschlags gilt dies schon deshalb, weil wohl nur schwer
bestimmbar sein wird, was Vergünstigungen von »erheblichem Wert« für die Erreichung »bestimmter Umsätze« oder eine »bestimmte Anzahl von Geschäftsabschlüssen« sein sollen.727 Der Vorschlag ist aber auch dem Grundsatz nach abzulehnen. Bereits im Rahmen des bisherigen § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB wird die Aufgabe des sonst im Kartellrecht durchgängigen Prinzips der Anknüpfung jeden
Verbotes an die Marktwirkungen der in Rede stehenden Handlung zutreffend kritisiert.728 Mit Köhlers Vorschlag geschähe dass, was es eigentlich zu vermeiden
gilt, nämlich eine schleichende Ausweitung der Wertung des Satz 2 auf weitere
Sachverhalte. Nebenleistungswettbewerb, auch systematischer, belebt aber den
Wettbewerb und ist deshalb grundsätzlich zu begrüßen. Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass es zahlreiche Ansatzpunkte gibt, dem Behinderungspotenzial von Bonusprogrammen beizukommen. Ein weiteres Pauschalverbot
hieße demgegenüber das Kind mit dem Bade auszuschütten. Verbote ohne Berücksichtigung der konkreten Marktwirkungen führen vielmehr stets zu einem
hohen Maß an Verlust von Einzelfallgerechtigkeit. Das diesem Vorschlag zugrunde liegende Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes zu fördern,
kann besser und widerspruchsfreier durch andere wirtschaftspolitische Maßnahmen wie beispielsweise über das Steuer- und Abgabenrecht oder die Kreditförderung erreicht werden.
G. Zusammenfassung
Bonusprogramme können zu wettbewerbsinkonformen Behinderungen nicht angeschlossener Unternehmen führen, die im Wege der §§ 19, 20 Abs. 1 und Abs.
4 GWB, des Art. 82 EG oder des § 4 Nr. 10 UWG untersagt werden können. Die
kritischen Aktionsparameter sind zunächst Verlustpreise, stark ansteigende Bonusstaffeln und kurze Verfallsdaten. Es gilt zu betonen, dass auch im Rahmen von
Bonusprogrammen ohne Auszahlungsfunktion Verlustpreise identifizierbar sind.
Im Anwendungsbereich des deutschen Kartellrechts müssen vor allem die Besonderheiten des § 20 Abs. 4 GWB und dort insbesondere das Verbot des Verkaufs
unter Einstandspreis des Satzes 2 beachtet werden. Wird die vom Gesetzgeber ins
Auge gefasste weitere Verschärfung des § 20 Abs. 4 GWB im Hinblick auf die
Preisgestaltung von Lebensmitteln Realität, hat dies auch für Bonusprogramme
eine erhebliche Bedeutung. Der mit Bonusprogrammen einhergehende Kopplungsaspekt ist hingegen irrelvant, weil es sich einerseits nicht um eine strenge
Kopplung und andererseits um eine verkaufsfördende und nicht um eine machtbedingte Kopplung handelt. Kartellrechtlich bedenklich ist aber weiter der Einsatz von Bonusprogrammen in netzwerksbezogenen Märkten, wie zum Beispiel
im Fall von Vielfliegerprogrammen. Die freiwillige oder verordnete Aufnahme
727 Vgl. die Kritik bei Dangelmaier Der Verkauf unter Einstandspreis S. 117 f.
728 Vgl. oben Kap. 4 C. II. 3.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.