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V. Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich folgendes feststellen: In Bezug auf die Bekämpfung
von Behinderungsmissbräuchen folgt das europäische Kartellrecht den gleichen
Grundprinzipien wie das deutsche Kartellrecht. Allerdings ist auf europäischer
Ebene das Konzept der relativen Marktmacht nicht bekannt. Es fallen somit tendenziell weniger Unternehmen in den Anwendungsbereich des Art. 82 EG als in
den der §§ 19 f. GWB. Signifikante Unterschiede bestehen nur in der Beurteilung
von Verlustpreisstrategien. Unter Umständen kann sogar eine Preisgestaltung, die
noch marginale Gewinne zulässt, missbräuchlich sein. Dies kann auch im Rahmen von Bonusprogrammen Bedeutung erlangen. In Fragen des Kopplungsaspekts und der Sogwirkungen von Bonusprogrammen – sei diese aktionsparameter- oder systembedingt – ergeben sich keine Abweichungen zum deutschen
Recht. Auch nach europäischem Recht besteht kein Anspruch auf Aufnahme in
ein Multi-Partner-Programm.
E. Bonusprogramme nach § 4 Nr. 10 UWG
Die Interessen der nichtangeschlossenen Konkurrenten von Unternehmen, die in
Bonusprogramme integriert sind, werden neben den Kartellrecht auch durch das
deutsche Lauterkeitsrecht geschützt. Es ist seit jeher Anliegen des UWG, die
Konkurrenten eines handelnden Unternehmens vor Behinderungen zu schützen.670 Folgerichtig findet diese Schutzrichtung nach der Novellierung in § 1
UWG ausdrückliche Erwähnung. Darüber hinaus heißt es nun in § 4 Nr. 10 UWG:
unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert.
Genau wie im Kartellrecht wird unter einer Behinderung die Beeinträchtigung
der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers verstanden.671 Im Unterschied zu den kartellrechtlichen Behinderungstatbeständen setzt
das Lauterkeitsrecht aber keine besondere Marktstärke des handelnden Unternehmens voraus, sondern betrifft grundsätzlich alle Unternehmen.672 Deshalb ist nach
ganz herrschender Auffassung ein Wettbewerbsverhalten erst dann als unlauter
einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die ihm das Gepräge der Unlau-
670 Vgl. Fezer/Fezer § 1 Rn. 7 ff; Hefermehl/Köhler/Bornkamm Einl. Rn. 6.17 sowie § 4 Rn.
10.18.
671 Vgl. Fezer/Götting § 4 –10 Rn. 1; BGH GRUR 2002, 902, 905 – Vanity-Nummern; BGH
GRUR 2001, 1061, 1062 – Mitwohnzentrale.de. Rechtshistorisch erklärt sich diese Parallelität daraus, dass vor Inkrafttreten des GWB nach heutigem Verständnis kartellrechtliche Sachverhalte nach dem UWG beurteilt wurden. Vgl. RGZ 134, 342 f – Benrather
Tankstelle.
672 Dieser weite Ansatz leuchtet ein, denn in der über 100jährigen Geschichte des UWG haben
sich verschiedene Verhaltensweisen herausgebildet, die unabhängig von der konkreten
Marktsituation als per se wettbewerbsinkonform einzustufen sind. Exemplarisch können
hierfür das Verbot der Herabsetzung oder Verunglimpfung von Mitbewerbern (jetzt § 4 Nr.
7 UWG), das so genannte Anschwärzen (jetzt § 4 Nr. 8 UWG) und die Vorlagenfreibeuterei
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit untersucht Bonusprogramme wie Miles & More oder Payback aus lauterkeits- und kartellrechtlicher Sicht. Sie präzisiert den gängigen Terminus Kundenbindungssystem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Einen Schwerpunkt stellen die lauterkeitsrechtlichen Anforderungen an die Transparenz solcher Programme dar. Dabei wird zwischen der Transparenz der Inanspruchnahmebedingungen und der Werttransparenz unterschieden. Die Frage, inwiefern Bonusprogramme mit den Missbrauchstatbeständen des deutschen und europäischen Kartellrechts konfligieren können, bildet einen weiteren Schwerpunkt. Neben den Grenzen der Angebots- und Preisgestaltungsfreiheit wird hier der Aspekt der Sogwirkung diskutiert.