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II. Einsatzmittel der Widerstandsübenden
Als weiteres Merkmal wurden die Tatmittel der Widerstandsübenden berücksichtigt,
wobei verschiedene Antwortmöglichkeiten vorgegeben waren, die von sehr häufig
bis nie bewertet werden konnten (Abbildung 17).
Abbildung 17: Widerstandsmittel
Es liegt eine konstante Verteilung vor. Nach Einschätzung der Befragten aller
drei Städte setzen Widerstandsübende sehr häufig körperliche Tatmittel ein, was
darauf hindeutet, dass Konflikte oft auch spontan entstehen und spontan ausgetragen
werden. Dementsprechend kommen Messer und Schreckschusspistolen nur teilweise
bis selten sowie scharfe Schusswaffen nur sehr selten zum Einsatz. Unter die
sonstigen Tatmittel, die in der Befragung nicht weiter definiert wurden, fallen insbesondere sämtliche gefährliche Werkzeuge. Solche werden nach Einschätzung der
Befragten von widerständigen Bürgern nur teilweise bis selten eingesetzt.
Somit steht fest, dass häufig nur körperliche Tatmittel verwendet werden. Diese
polizeiliche Einschätzung ist regional nicht abweichend, so dass insoweit eine
Vergleichbarkeit der Städte gegeben ist.
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III. Einsatzanlässe
Aufschluss über die Tatmodalitäten geben auch die Einsatzanlässe, in deren Verlauf
es häufig zu Widerstandshandlungen kommt.
Abbildung 18: Widerstandsrelevanz von Einsatzanlässen
Es wurden regelmäßig wiederkehrende Anlässe vorgegeben, die wiederum anhand
einer sechsteiligen Ratingskala zu bewerten waren (Abbildung 18).
Die polizeiliche Einschätzung der Einsatzanlässe ist in den drei untersuchten
Städten identisch. Abbildung 18 ist zu entnehmen, dass es bei Blutproben und bei
Einsätzen wegen häuslicher Gewalt offenbar häufig zu Widerstandshandlungen
kommt. Das hohe Konfliktpotenzial bei häuslicher Gewalt kann damit erklärt
werden, dass die Polizeibeamten bei solchen Einsätzen in die Privatsphäre des
Bürgers eindringen (müssen) und häufig ein hohes Aggressionspotenzial bei
dem gewalttätigen Ehepartner antreffen. Dem Polizeieinsatz gehen zumeist bereits
gewaltsame Handlungen, üblicherweise in der Konstellation Ehemann gegen Ehefrau375, voraus. Beim Eintreffen der Beamten hat sich die Lage oft schon zugespitzt,
375 Frommel (2004b), S. 299.
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit knüpft an das irritierende Faktum an, dass in der Hansestadt Lübeck zumindest in den Jahren 1999 bis 2004, aber auch noch aktuell, deutlich mehr Delikte wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB registriert worden sind als in Kiel. Dennoch ist die Zahl der Verurteilten nahezu gleich. Es liegt die Vermutung nahe, dass nur mehr Widerstände thematisiert werden als verurteilt.
Bisher vorhandene Studien zum Thema Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gehen zumeist ätiologisch vor. Sie liefern keine Erklärung für das unterschiedliche Registrierungsverhalten, aber wichtige Vorerkenntnisse über die zu erwartenden Konflikte und sozialen Besonderheiten der „widerständigen“ Personen.
Die Arbeit knüpft an diese Erkenntnisse an, überprüft sie bezüglich ihrer Aktualität und stellt einen eigenen vollständigen theoretischen Ansatz auf. Dieser kriminalsoziologische Ansatz unterscheidet zwischen Wahrnehmung eines Konfliktes, Thematisierung des Konfliktes und Mobilisierung des Widerstandsparagrafen. Die Datenerhebung erfolgte per schriftlicher Befragung mit Interviews bei 300 Polizeibeamtinnen und -beamten. Einbezogen wurden Kiel, Lübeck und – des regionalen Vergleichs wegen – die sozialstrukturell vergleichbare Stadt Mannheim. Abgefragt wurden zahlreiche Konfliktkonstellationen und Einflussfaktoren, solche wie Geschlecht, Diensterfahrung und Dienstgrad. Die Arbeit wertet die Daten umfangreich auf unterschiedliche Reaktionsmuster hin aus.