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1. Kapitel: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes
A. Vergleichbarkeit der untersuchten Sozialstrukturen und Stand der Forschung
Bisherige polizeiwissenschaftliche Studien zum Thema gehen ätiologisch vor. Sie
betrachten zwar auch das Verhalten der Beamten, untersuchen aber hauptsächlich
solche Merkmale der Widerstandsübenden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu
einer polizeilichen Registrierung führen. Im Folgenden wird eine andere Vorgehensweise gewählt, es wird das polizeiliche Kriminalisierungsverhalten untersucht. Bevor der entsprechende Untersuchungsansatz hergeleitet wird, ist zu prüfen,
ob Tatverdächtigenstruktur und Konfliktpotenzial der untersuchten Städte einheitlich sind. Erst wenn dies bejaht werden kann, ist es schlüssig, die Gründe für die
unterschiedliche Registrierung nicht aufseiten der Widerstandsübenden, sondern
aufseiten der Polizei zu suchen.
Zu überprüfen ist, ob alle wichtigen Faktoren aufseiten der Widerstandsübenden,
die die Deliktshäufigkeit beeinflussen könnten, in Kiel, Lübeck und Mannheim
konstant sind. Es sind zwei Ebenen zu betrachten: die Makro- und die Mikroebene.
Auf der Makroebene werden die Sozialstrukturen der untersuchten Städte anhand
statistischer Daten aus den jeweiligen Städtestatistiken miteinander verglichen. Auf
der Mikroebene werden wichtige individuelle Merkmale von Widerstandsübenden
und Widerstandssituationen verglichen. Diese Daten zu den Tatverdächtigen sind
drei Quellen zu entnehmen: 1. den Ergebnissen der polizeiwissenschaftlichen
Studien, 2. der polizeilichen Kriminalstatistik und 3. den Ergebnissen der durchgeführten Befragung. Sollten diese Daten auf eine Vergleichbarkeit der Sozial- und
Tatverdächtigenstruktur hindeuten, so kann der Grund für die unterschiedliche
regionale Registrierung am polizeilichen Etikettierungsverhalten anknüpfen.
Zunächst werden die Sozialstruktur und sodann die Tatverdächtigenstruktur dargelegt.
I. Vergleichbarkeit der Sozialstrukturen
Der Begriff Sozialstruktur wird hier in Anlehnung an die Definition von Schäfers14
als die Einteilung einer abgrenzbaren gesellschaftlichen Gruppe unter Einbeziehung
sozialer Beziehungsmuster und Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen verstanden.
14 Schäfers (2000), S. 618 f.
24
Anhand einer Gegenüberstellung gesellschaftlicher Merkmale lassen sich mehrere
soziale Gefüge miteinander vergleichen und es können Parallelen und Unterschiede
aufzeigt werden.
Als Vergleichsfaktoren kommen im hier behandelten Kontext allgemeine
strukturelle Merkmale der jeweiligen Städte, wie Einwohnerzahl, Altersstruktur der
Einwohner, Wohnfläche, Anzahl der Arbeitslosen, Anteil der ausländischen Einwohner, öffentliche Sicherheit und Pro-Kopf-Verschuldung in Betracht. Diese
werden für Kiel, Lübeck und Mannheim vergleichend aufgezeigt, wobei die Aufzählung wichtige Merkmale enthält, jedoch nicht abschließend ist, da noch weitere
Faktoren eine Rolle spielen könnten. Die Wahl fiel auf die genannten Faktoren, da
diese von den Städten zahlenmäßig erfasst werden und damit gegenübergestellt
werden können. Dem Vergleich liegen die statistischen Daten aus dem Berichtsjahr
2006 (Erscheinungsjahr 2007) zugrunde.
Kiel ist eine kreisfreie Stadt im Osten des Bundeslandes Schleswig-Holstein und
zugleich dessen Hauptstadt. Neben den Städten Lübeck, Flensburg und Neumünster
ist sie die größte Stadt des Landes mit starken maritimen Bezügen im Bereich
Schiffsbau, Meeresforschung und einem großen Hafengebiet. Die traditionsreiche
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel prägt mit derzeit über 21.000 Studierenden
seit 1665 das Stadtbild.
Lübeck ist eine kreisfreie Stadt im Südosten Schleswig-Holsteins und hat nach
Kiel die meisten Einwohner. Flächenmäßig ist sie die größte Stadt des Landes und
verfügt über eine im Jahre 1964 als "Medizinische Akademie Lübeck" gegründete
Universität.
Mannheim ist eine kreisfreie Stadt im Nordwesten Baden-Württembergs und nach
der Landeshauptstadt Stuttgart die zweitgrößte Stadt. Die ehemalige Residenzstadt
der Kurpfalz bildet heute das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Rhein-
Neckar-Region mit einem der bedeutendsten Binnenhäfen Europas. Neben der in
dieser Form seit 1967 existierenden Schlossuniversität mit derzeit etwa 12.500
Studierenden ist sie Heimat des seit 1779 bestehenden Nationaltheaters, in dem 1782
Friedrich Schillers Uejcwurkgn"ãFkg"T“wdgtÐ"wtcwhigh¯jtv"ywtfg0
Kiel hat, wie Abbildung 3 zeigt, insgesamt 232.389 Einwohner, davon sind
119.801 weiblich, Lübeck hat 213.651 Einwohner, darunter 112.167 weibliche und
Mannheim hat 307.914 Einwohner, davon sind 163.883 weiblich. Die Altersgruppe
der 0- bis 20-Jährigen ist bezogen auf Anzahl sowie Geschlechterverteilung in allen
drei Städten zahlenmäßig nahezu identisch vertreten. Die Gruppe der 21- bis 44-
Jährigen ist in Kiel etwas größer als in Lübeck und Mannheim. Die Verteilung der
Einwohner, die zwischen 45 und 59 Jahre alt sind, ist in allen drei Vergleichsstädten
fast gleich. In Lübeck dominiert die Altersgruppe der über 65-Jährigen leicht.
Insgesamt zeigt sich hinsichtlich der Geschlechts- und der Altersstruktur in allen
drei Städten eine relativ konstante Verteilung (Abbildung 3).
25
Von Interesse sind auch die Größe des Stadtgebietes und die Einwohneranzahl je
Quadratkilometer. Aus diesen Werten lässt sich schließen, wie viele Einwohner sich
im Durchschnitt eine bestimmte Fläche teilen. Lübeck hat mit 21.414 Hektar die mit
Abstand am größten Stadtgebietsfläche, gefolgt von Mannheim mit 14.496 Hektar
und Kiel mit lediglich 11.839 Hektar. Damit ist die Wohnfläche Lübecks fast
doppelt so groß wie die in Kiel und dementsprechend ist die Einwohneranzahl je
Hektar in Lübeck um etwa die Hälfte geringer als in Kiel. In Lübeck ist die Einwohnerdichte folglich mit Abstand am geringsten.
Als Indiz für soziale Bindungen kann unter anderem der Familienstand mit einer
Unterteilung nach ledigen, verheirateten und geschiedenen Personen herangezogen
werden. Eine solche Aufschlüsselung ist hier auch deswegen von Interesse, da
Personen mit einer festen sozialen Bindung tendenziell weniger häufig zu
kriminellen Handlungen neigen.15 Der in Abbildung 3 veranschaulichte Vergleich
zeigt ein durchweg ausgeglichenes Verhältnis zwischen ledigen, verheirateten und
geschiedenen Bürgern in Kiel (47,1 Prozent ledig, 37,5 Prozent verheiratet, 8,5 Prozent geschieden), Lübeck (41,3 Prozent ledig, 39,6 verheiratet, 8,6 Prozent geschieden) und Mannheim (45,2 Prozent ledig, 40,8 Prozent verheiratet, 6,9 Prozent
geschieden).
Ein weiteres wesentliches sozialstrukturelles Merkmal ist die Anzahl von Nichtdeutschen. Der Anteil an Mitbürgern nichtdeutscher Herkunft prägt eine Sozialstruktur nicht unerheblich und reicht von einem integrativen Nebeneinander bis hin
zu einer systematischen Abschottung einzelner (ethnischer) Gruppen, innerhalb
derer sich von anerkannten gesellschaftlichen Werten abweichende Subkulturen
bilden können. Die Zahlen zeigen, dass diese Anteile in Kiel und Lübeck mit 8,6
Prozent und 7,8 Prozent fast identisch sind. Mannheim hat mit 22,6 Prozent, gemessen an der Gesamteinwohnerzahl, einen auffällig hohen Ausländeranteil, der
etwa dreifach so hoch ist wie der in Kiel und Lübeck (Abbildung 3).
Die Arbeitslosigkeit als Spiegel einer Gesellschaft ist ein wichtiges Indiz dafür,
wie intakt eine soziale Struktur ist. Der Verlust des Arbeitsplatzes birgt oftmals die
Gefahr des sozialen Abstiegs und ist verbunden mit sozialen und materiellen Nöten,
die, sofern ein Dauerzustand eintritt, kriminelle Handlungen begünstigen können.16
Aus diesem Grund ist der Blick hier auch auf die Arbeitslosenquote zu richten, also
das anteilige Verhältnis der Erwerbslosen zu den Erwerbstätigen. Diese ist im
Jahresdurchschnitt 2006 in Kiel mit 14,8 Prozent, Lübeck mit 15,2 Prozent und in
Mannheim mit 14,1 Prozent in allen drei Städten nahezu identisch.
Einen grafischen Überblick über die bisher dargelegten sozialstrukturellen Daten
gibt Abbildung 3.
15 Hirschi (1969), S. 17, 85 ff.
16 Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht (2006), Tabelle 3.2-2 und S. 439;
Dittrich/Markwardt (2004), ifo 2004 S. 15. Nach Schumann (2006, S. 64 f.) bewirkt die
Arbeitslosigkeit eine Verschärfung der justiziellen Reaktion (Labeling Approach, sozialer
Reaktionsansatz).
26
Abbildung 3: Einwohner-Altersstruktur gemessen an der Einwohnerzahl17
Regionaler Vergleich.
Die sozialstrukturellen Daten sind regional weitgehend homogen. Dies gilt nicht
für den Anteil der ausländischen Bevölkerung in Mannheim, der mehr als doppelt so
hoch ist als in Kiel und Lübeck.
Die öffentliche Sicherheit, die sich vorwiegend in der Anzahl der polizeilich
registrierten Tatverdächtigen widerspiegelt, ist als weiteres wesentliches sozialstrukturelles Merkmal einzubeziehen. Dazu werden sämtliche polizeilich registrierte
Straftaten der in die Studie einbezogenen Städte anhand eines Mehrjahresvergleiches einander gegenübergestellt (Abbildung 4).
17 Landeshauptstadt Kiel (2007), Berichtsjahr 2006; Hansestadt Lübeck (2007), Berichtsjahr
2006; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2007), Berichtsjahr 2006.
0 10 20 30 40 50
0-14 Jahre
15-17 Jahre
18-20 Jahre
21-44 Jahre
45-59 Jahre
60-64 Jahre
65 Jahre und älter
ledig
verheiratet
geschieden
Ausländische Bevölkerung
Arbeitslosenquote
Prozent
Mannheim Lübeck Kiel
27
Abbildung 4: Polizeilich registrierte Straftaten gesamt in Häufigkeitszahlen
Regionaler Mehrjahresvergleich, PKS, 2000-2006.18
In Kiel, Lübeck und auch Mannheim zeichnet sich eine relativ gleichmäßige Belastung mit Straftaten für die Jahre 2000 bis 2006 ab, wobei für das Jahr 2005 insgesamt eine leicht rückläufige Tendenz zu erkennen ist. Die relative Häufigkeit angezeigter Straftaten unterscheidet sich für Kiel und Lübeck nur geringfügig, in den
Jahren 2002 und 2004 sind für Kiel leichte Abweichungen nach oben zu verzeichnen. Mannheim hat im Gegensatz zu den zwei nördlichen Vergleichsstädten
eine im Mehrjahresvergleich etwa gleichmäßige Verteilung, insgesamt aber eine
geringere Anzahl von registrierten Straftaten zu verzeichnen. Es liegt ein Nord-Süd-
Gefälle vor, das sich nicht nur auf Städte-, sondern auch auf Landesebene wiederfindet, wie der entsprechende Vergleich der registrierten Straftaten zeigt: In den
Jahren 2005 und 2006 sind in Baden-Württemberg 5.773 bzw. 5.680 Straftaten19 je
100.000 Einwohner bekannt geworden, in Schleswig-Holstein waren es 8.623 bzw.
8.55520. Es bleibt festzuhalten, dass Mannheim, prozentual gesehen, geringer mit
angezeigten Straftaten belastet ist als Kiel und Lübeck.
Auch die Verschuldung pro Einwohner vermittelt einen Einblick in die soziale
Situation einer Gesellschaft. In Lübeck ist diese Verschuldung mit 2.298 Euro pro
Einwohner merklich höher als in Kiel. Hier sind es lediglich 1.500 Euro. In Mannheim beläuft sich die Verschuldung pro Einwohner auf 1.694 Euro.
Ein letzter vergleichender Blick gilt regelmäßig stattfindenden Großveranstaltungen, auf denen sich große Menschenmassen auf engem Raum bewegen. Es
tritt in der Regel ein erhöhter Alkoholkonsum hinzu, durch den ein Nährboden für
Konflikte entstehen kann, die sich auch in das Polizei-Bürger-Verhältnis verlagern
18 Bundes-PKS, verschiedene Berichtsjahre.
19 PKS Jahresbericht Baden-Württemberg (2007), Berichtsjahr 2006.
20 PKS Schleswig-Holstein (2007), Berichtsjahr 2006.
0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
14000
16000
18000
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Kiel Lübeck Mannheim
28
können. Solche regelmäßigen Großveranstaltungen finden in Kiel, Lübeck und
Mannheim mehrmals jährlich statt. In Kiel sind zu nennen die Kieler Woche als
größtes Volksfest Nordeuropas, der Kieler Umschlag und das Duckstein-Festival, in
Lübeck der Christopher-Street-Day, die Travemünder Woche, das Schleswig-
Holstein-Musik-Festival und das Duckstein-Festival sowie in Mannheim das Mannheimer Stadtfest, das Frühjahrsvolksfest, der Mannheimer Maimarkt, das Musik-
Hguvkxcn" ãCtgpc" qh" RqrÐ." fcu" Mwtrhcn¦hguv" wpf" fcu" Kpvgtpationale Filmfestival
Mannheim-Heidelberg. Es findet also eine in etwa vergleichbare Anzahl von Großveranstaltungen statt.
Die folgende Tabelle gewährt einen zusammenfassenden Überblick über alle in
diesem Kapitel ins Feld geführten Merkmale (Abbildung 5).
Abbildung 5: Sozialstrukturelle Synopse der untersuchten Städte
Einwohner Kiel21 Lübeck22 Mannheim23
Einwohnerzahl 232.389;
?"33;0:23
= 51,6 %
213.651;
?"3340389"
= 52,5 %
307.914;
?"3850::5
= 53.2 %
Einwohner24 je km² 1.960 998 2.124
Stadtgebietsfläche 11.839 ha 21.414 ha 14.496 ha
Alter und Geschlecht: Kiel Lübeck Mannheim
0-14 Jahre,
davon weiblich
28.717
= 12,4 %;
?"350;52
= 6 %
27.627
= 13 %;
?"350842
= 6,4 %
39.956
= 13 %;
?"3;06:5"
= 6,3 %
15-17 Jahre,
davon weiblich
6.585
= 2,9 %;
?"50443
= 1,4 %
6.304
= 3 %;
?"50367
= 1,5 %
8.858
=2,9 %;
?"60559"
= 1,4 %
18-20 Jahre,
davon weiblich
8.196
= 3,5 %;
?"60645
= 1,9 %
7.035
= 3,3 %;
?"50847
= 1,7 %
9.576
= 3,1 %;
?"60:93"
= 1,6 %
21-44 Jahre,
davon weiblich
90.610
= 39 %;
44.796
= 19,3 %
70.950
= 33,2 %;
31.516
= 14,8 %
111.207
= 36,1 %;
54.690
= 17,8 %
21 Kiel (2007), Berichtsjahr 2006.
22 Hansestadt Lübeck (2007), Berichtsjahr 2006.
23 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2007), Berichtsjahr 2006.
24 Einwohner mit alleinigem oder Hauptwohnsitz.
29
Abbildung 5: Sozialstrukturelle Synopse der untersuchten Städte
Alter und Geschlecht: Kiel Lübeck Mannheim
45-59 Jahre,
davon weiblich
43.587
= 18,8 %;
21.650
= 9,3 %
41.701
= 19,5 %;
19.534
= 9,1 %
63.358
= 20,6 %;
30.901
= 10 %
60-64 Jahre,
davon weiblich
12.239
= 5,3 %;
6.198
=2,7 %
12.352
= 5,8 %;
?"80694
= 3 %
16.305
= 5,3 %;
?":0246"
= 2,6 %
65 Jahre und älter,
davon weiblich
42.406
= 18,3 %;
25.583
= 11 %
47.682
= 22,3 %;
?"4:092:
= 13,4 %
58.660
= 19,1 %;
?"550;56"
= 11 %
Sonstige Merkmale Kiel Lübeck Mannheim
Ledig 109.548
= 47,1 %;
?"7305:6
= 22,1 %
88.217
= 41,3 %;
?"630;23
= 19,6 %
139.009
= 45,2 %;
?"860979"
= 21 %
Verheiratet 87.045
= 37,5 %;
? 43.545
= 18,8 %
84.691
= 39,7 %;
?"640476
= 19,8 %
125.528
= 40,8 %;
?"830929"
= 20 %
Geschieden 19.801
= 8,5 %;
?"330722
= 5 %
18.307
= 8,6 %;
?"3208:3
= 5 %
21.140
= 6,9 %
?"330887"
= 3,8 %
Ausländische Bevölkerung 20.034
= 8,6 %;
?";0956
= 4,2 %
16.578
= 7,8 %;
8.135
= 3,8 %
69.546
= 22,6 %
?"5505;9"
= 10,9 %
Arbeitslose 17.487
= 7,5 %;
?"90656
= 3,2 %
15.655
= 7,3 %;
7.168
= 3,4 %
16.634
= 5,4 %
?"908:;"
= 2,5 %
Arbeitslosenquote in % 14,8 % 15,2 % 14,1 %
Schulden je Einwohner 30722"Ú 404;:"Ú25 308;6"Ú
25 Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, S. 16 (2007).
30
Abbildung 5: Sozialstrukturelle Synopse der untersuchten Städte
Tatverdächtige
(Häufigkeitszahl):
Kiel Lübeck Mannheim
2000 14.398 14.624 11.199
2001 15.097 14.718 10.724
2002 16.618 14.531 11.592
2003 16.457 15.983 11.857
2004 16.234 13.964 12.266
2005 14.476 12.656 10.902
2006 13.691 13.608 11.171
Polizeidichte Kiel Lübeck Mannheim
Anzahl Polizeireviere 4 4 7
Anzahl der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten (Schutzpolizei)
59926, davon
107 Polizeibeamtinnen
(= 17,9 %)
52627, davon
82 Polizeibeamtinnen
(= 15,6 %)
99028, davon
145 Polizeibeamtinnen
(= 14,7 %)
Die dargelegten Merkmale lassen erkennen, dass es zwar sozialstrukturelle Unterschiede zwischen den Städten gibt, welche im Rahmen dieser Arbeit jedoch als
minimal betrachtet werden. Anderen hier nicht überprüften Faktoren wird daher
unterstellt, dass sie keine erheblichen Unterschiede aufweisen und somit ebenfalls
vergleichbar sind. Damit deutet alles auf eine sozialstrukturelle Vergleichbarkeit von
Kiel, Lübeck und Mannheim hin.
II. Vergleichbarkeit der Tatverdächtigen- und der Tatstruktur unter Einbeziehung
des aktuellen Forschungsstandes
Auch die Merkmale der Tatverdächtigen (§ 113 StGB) und die der Widerstandssituation dürften regional nicht erheblich abweichen. Die Überprüfung geht
folgendem Gedankengang nach: Sollten die polizeiwissenschaftlichen Studien zum
Thema sowie die Daten der polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) allesamt zu
übereinstimmenden Merkmalen führen, die häufig bei Widerstandsübenden bzw. in
Widerstandssituationen anzutreffen sind, so kann eine einheitliche Tatverdächtigenstruktur und ein einheitliches Konfliktpotenzial unterstellt werden. Um den regionalen Bezug dieser allgemeingültigen Erkenntnisse zu den untersuchten Städten herzu-
26 Auskunft des Landespolizeiamtes Kiel (2007).
27 Auskunft des Polizei Bezirksreviers Lübeck (2007).
28 Auskunft des Polizeipräsidiums Mannheim (2007). Diese Angabe bezieht sich nicht nur auf
das Stadtgebiet Mannheim, sondern auch auf die Umlandgemeinden.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit knüpft an das irritierende Faktum an, dass in der Hansestadt Lübeck zumindest in den Jahren 1999 bis 2004, aber auch noch aktuell, deutlich mehr Delikte wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB registriert worden sind als in Kiel. Dennoch ist die Zahl der Verurteilten nahezu gleich. Es liegt die Vermutung nahe, dass nur mehr Widerstände thematisiert werden als verurteilt.
Bisher vorhandene Studien zum Thema Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gehen zumeist ätiologisch vor. Sie liefern keine Erklärung für das unterschiedliche Registrierungsverhalten, aber wichtige Vorerkenntnisse über die zu erwartenden Konflikte und sozialen Besonderheiten der „widerständigen“ Personen.
Die Arbeit knüpft an diese Erkenntnisse an, überprüft sie bezüglich ihrer Aktualität und stellt einen eigenen vollständigen theoretischen Ansatz auf. Dieser kriminalsoziologische Ansatz unterscheidet zwischen Wahrnehmung eines Konfliktes, Thematisierung des Konfliktes und Mobilisierung des Widerstandsparagrafen. Die Datenerhebung erfolgte per schriftlicher Befragung mit Interviews bei 300 Polizeibeamtinnen und -beamten. Einbezogen wurden Kiel, Lübeck und – des regionalen Vergleichs wegen – die sozialstrukturell vergleichbare Stadt Mannheim. Abgefragt wurden zahlreiche Konfliktkonstellationen und Einflussfaktoren, solche wie Geschlecht, Diensterfahrung und Dienstgrad. Die Arbeit wertet die Daten umfangreich auf unterschiedliche Reaktionsmuster hin aus.