II. Koordination des Regelleistungseinsatzes
Fraglich ist aber, inwieweit die Übertragungsnetzbetreiber zur Koordination des Regelleistungseinsatzes verpflichtet sind. § 22 Abs. 2 S. 4 EnWG gibt vor, dass die Zusammenarbeit dem Ziel dienen muss, den Regelenergiebedarf zu senken. Dabei
muss die Zusammenarbeit über das hinausgehen, was laut § 22 Abs. 2 EnWG ohnehin schon verpflichtend ist: eine gemeinsame Ausschreibung (Satz 1) über eine gemeinsame Internetplattform (Satz 2).
In einem ersten Schritt könnten sich die Netzbetreiber über die einzusetzenden
Mengen an Regelleistung informieren. In einem zweiten Schritt könnte eine Vereinbarung geschlossen werden, wie der Einsatz von Regelleistung (mit dem Ziel den
Bedarf zu senken) zu koordinieren ist. In einem letzten Schritt ließe sich das Gegeneinanderregeln ganz vermeiden, wenn der Einsatz der Regelleistung bundesweit so
abgestimmt würde, als sei eine einheitliche Regelzone gegeben. Voraussetzung wäre
es, dass die Versorgungssicherheit nicht gefährdet ist.
Diese konkreten Schritte widersprechen weder Wortlaut noch Telos des Gesetzes.
Auch systematisch lassen sich keine Widersprüche erkennen. Allerdings kann keine
dahingehende Pflicht angenommen werden, weil keine notwendige Konkretisierung
im Sinne des Wesentlichkeitsgebots vorliegt. Denn keine der Pflichten lässt sich
konkret der Norm § 22 Abs. 2 S. 4 EnWG entnehmen. Aber die Netzbetreiber dürfen auch kein Verfahren wählen, das nicht tauglich ist, den Bedarf an Regelleistung
zu reduzieren. Denn dieses Ziel ist durch die Zusammenarbeitspflicht des § 22 Abs.
2 S. 4 EnWG vorgeschrieben.
III. Ergebnis – Zusammenarbeitspflicht der Übertragungsnetzbetreiber
Eine Zusammenlegung der Regelzonen zu einer bundesweiten Regelzone entspricht
zwar dem Umweltverträglichkeitsziel. Aber die in Frage kommende Norm § 22 Abs.
2 S. 4 EnWG ist nicht konkret genug, um eine dahingehende Pflicht zu begründen.
Aus § 22 Abs. 2 S. 4 EnWG folgt allerdings, dass die Netzbetreiber Anstrengungen
unternehmen müssen, durch Koordination den Regelleistungsbedarf zu senken. Diese Anstrengungen müssen dafür auch tatsächlich tauglich sein.
G. Einspeisung von Biomethan
Im Jahr 2006 wurden nach dem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur 134 Anfragen zur Biomethaneinspeisung gestellt. In Betrieb genommen wurden bisher allerdings nur zwei Anlagen.42 Es ist aber wahrscheinlich, dass mit zunehmender Erfahrung die Bedeutung der Biomethaneinspeisung zunehmen wird. Gasnetzbetreiber
42 BNetzA, Monitoringbericht 2007, S. 135.
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haben mehrere Ansatzpunkte, die Einspeisung von Biomethan zu unterstützen, was
die Umweltverträglichkeit der Gasversorgung erhöht.
Da auch für Einspeiser von Biomethan der diskriminierungsfreie Netzzugang
nach § 20 Abs. 1 EnWG gilt, müssen die Netzbetreiber diskrimminierungsfreie Zugangsvoraussetzungen für Biomethan entwerfen und zugänglich machen.43 Bisher
haben noch nicht alle Netzbetreiber technischen Anschlussbedingungen für Biomethan festgelegt.44 Aber die Anlagenbetreiber, deren Anlage sich noch in der Planung befindet, müssen erfahren können, welche Mindestanforderungen ihre Anlage
erfüllen muss. Denn die technischen und wirtschaftlichen Konditionen des Netzzugangs sind Voraussetzung für die Planung. Um den Anspruch auf Netzzugang gemäß § 20 Abs. 1 EnWG gewähren zu können, muss der Netzbetreiber auf Anfrage
also umgehend die Mindestvoraussetzungen für die Einspeisung von Biomethan
nennen können. Das verlangt die Pflicht, effizienten Netzzugang im Sinne des § 20
Abs. 1 EnWG zu gewährleisten.
Bei der Einspeisung von Biomethan wird sich in der Praxis zeigen, mit welchen
Problemen Einspeiser umgehen müssen. Jedenfalls ist den Einspeisern effizienter
und diskriminierungsfreier Netzzugang zu gewähren. § 20 EnWG dient im Fall der
Biomethaneinspeisung also nicht nur dem Wettbewerbsziel, sondern wenigstens
auch der Förderung des Gesetzesziels Umweltverträglichkeit.
H. Planung durch Netzbetreiber
Nach den §§ 43 ff. EnWG werden die Netzplanungen der Energieversorgungsunternehmen von den Genehmigungsbehörden planfestgestellt. Dabei sind die Netzbetreiber an die Beachtung die Gesetzesziele des EnWG gebunden, die bei den Entscheidungen gegeneinander abgewogen werden müssen.
I. Erdkabel
Der Bau von Erdkabeln ist im Vergleich zu Freileitungen umweltverträglicher. Dem
entgegen sprechen grundsätzlich die höheren Kosten. Im Einzelfall dürften Preiswertigkeitsaspekte gegenüber der Umweltverträglichkeit abzuwägen sein. Im Einklang mit der bisherigen Argumentation genügt kein bloßer Kostenvergleich zwischen Freileitung und Erdkabel. Vielmehr muss in die Abwägung einbezogen werden, dass Netzverluste sinken, Eingriffe in das Landschaftsbild geringer sind und gegebenenfalls die Anbindung umweltverträglicher Energieanlagen zügiger fortschreiten kann. Auch sollte in der Umgebung von sensiblen Bereichen (Naturschutzgebiete, Siedlungen) der Umweltverträglichkeitsaspekt größeres Gewicht gewinnen.
43 Kanngießer, Rechtsrahmen für die Einspeisung von Biogas, GWF 2007, S. 408, 409.
44 BNetzA, Monitoringbericht 2007, S. 135.
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References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.