verbindungen in Anschlag zu bringen und abzuwägen. Die Verlegung eines Erdkabels oder einer Gleichstromverbindung ist dabei aber nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn diese Lösung teurer als eine herkömmliche Freileitung ausfällt.
Denn das Preiswertigkeitsziel ist gegenüber den anderen Gesetzeszielen abzuwägen.
Es ist also zwischen dem Nutzen einer geringeren Umweltbelastung und dem Kosten der Erdkabellösung im Einzelfall abzuwägen.
Im Referenznetz wird also nicht die billigste Lösung verwirklicht, sondern diejenige, die die netzwirtschaftliche Leistung (bei möglichst weitgehender Umweltverträglichkeit) am effizientesten umsetzt. Auch bei der Erstellung des Referenznetzes
ist also das Umweltverträglichkeitsziel zusammen mit den anderen Gesetzeszielen
möglichst weitgehend zu verwirklichen. Weil die Spezialnorm § 22 Abs. 2 ARegV
die Anlagensicherheit besonders betont, kommt dem Sicherheitziel im Rahmen der
Abwägung ein besonders hohes Gewicht zu.
Damit wird deutlich, dass die Regulierungsverwaltung zu mehr dient, als lediglich zur Kostenreduktion. In dem Maße, in dem sich Auswirkungen der Netzstruktur
auf die Umwelt abzeichnen, gewinnt das Umweltverträglichkeitsziel an Bedeutung.
D. Erzeugungsmanagement nach EEG
Wie dargestellt, kann der Netzbetreiber bei Kapazitätsengpässen den Netzzugang
mit Hilfe des Erzeugungsmanagements auf Grundlage des § 4 Abs. 3 S. 2 EEG einschränken.19 Im Sinne des Umweltverträglichkeitsziels, ist der Zugang von EEG-Anlagen möglichst wenig einzuschränken. Deshalb ist es notwendig zu betrachten,
nach welchen Kriterien die Leistung der betroffenen Anlagen reduziert werden.
I. Kriterien, nach denen die Einspeiseleistung reduziert wird
Die Einspeisung darf dann reduziert werden, wenn das Netz vollständig ausgelastet
ist. Dies ist dann der Fall, wenn bei weiterer Belastung die (n-1)-Sicherheit gefährdet würde.20 Fraglich ist, nach welchen Kriterien und in welcher Reihenfolge die
Leistung derjenigen Anlagen reduziert werden können, die am Erzeugungsmanagement beteiligt sind. Das Gesetz ordnet keine Reihenfolge an und in der Praxis hat
sich noch kein einheitliches Vorgehen durchgesetzt. Diskutiert werden drei Herangehensweisen:21
18 So zum Beispiel beim „Abtransport“ großer Windstrommengen aus den dünner besiedelten
aber windstarken Küstenregionen in die Ballungsräume.
19 Siehe S. 36 unter Nr. 2.
20 Burges/Twele, Power systems operation with high penetration of renewable energy - the German case, S. 3; Schwarz, Anwendung des Netzsicherheitsmanagements in Brandenburg, S. 17
f.
21 Eine Darstellung dieser drei Herangehensweisen findet sich bei: Haubrich, Windenergieerzeugungsmanagement, S. 17 f.
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Nach dem Prioritätsprinzip werden diejenigen Anlagen zuerst vom Netz genommen, die zuletzt angeschlossen wurden (Grundsatz des „last in – first out“ oder umgekehrtes Prioritätsprinzip).22 Wesentliches Argument ist der Vertrauensschutz derjenigen Anlagenbetreiber, die vor Auftreten des Engpasses an das Netz angeschlossen wurden und damit noch nicht von Abschaltungen ausgehen konnten.
Nach dem Gleichrangigkeitsprinzip kann die Einspeiseleistung aller angeschlossenen Anlagen im betroffenen Netzabschnitt (Cluster) des Engpasses stufenweise
auf 60, 30 und schließlich null Prozent reduziert werden. Gegenüber dem Prioritätsprinzip hat diese Leistungsreduzierung den Vorteil, dass einzelne Anlagen unter
Umständen nicht ihre gesamte Leistung reduzieren müssen, sondern die Einspeiseleistung insgesamt im Sinne des Gemeinlastprinzip reduziert wird.23
Eine dritte Variante stellt das technisch optimierte Erzeugungsmanagement dar.
Mit Hilfe eines Gleichungssystem wird dabei ermittelt, um wieviel die Leistung an
jedem Netzknoten reduziert werden müsste, um die Netzsicherheit wieder zu gewährleisten. Dann werden diejenigen Anlagen zuerst vom Netz genommen, die den
jeweiligen Netzabschnitt am stärksten entlasten.
Die Einschränkung des Netzzugangs sollte, um dem Umweltverträglichkeitsziel
zu entsprechen, die Einspeisung der EEG-Anlagen möglichst wenig einschränken.
Es ist also nur so viel Einspeiseleistung zu reduzieren, wie nötig ist, um die (n-1) -
Sicherheit nicht zu gefährden.
Haubrich hat im Rahmen einer Modellstudie die Auswirkungen der Varianten
festgestellt. Wesentliches Kriterium ist dabei der Erwartungswert der Leistungsbegrenzung. Dieser in Megawatt ausgedrückte Wert zeigt, in welcher Höhe die Leistung reduziert werden muss, damit die (n-1)-Sicherheit nicht mehr gefährdet ist.
Zwischen stufenweiser Abschaltung und Prioritätsprinzip unterscheidet sich der Erwartungswert nur im geringen Maße, so dass beide Varianten im Einzelfall bewertet
werden müssen. Die Erwartungswerte beim technisch optimierten Erzeugungsmanagement liegen allerdings in einer ganz anderen Größenordnung.24 Da nur gezielt
diejenigen Anlagen abgeschaltet werden, die Auswirkungen auf den Engpass haben,
ist eine wesentlich geringere Leistungsbeschränkung als bei den beiden anderen Varianten notwendig, bei denen die Leistung der Anlagen nicht nach technischen Kriterien reduziert wird. Die Leistungsbegrenzung lag beim technisch optimierten Erzeugungsmanagement häufig bei unter einem Fünftel des Wertes der anderen Methoden.
Die Gesamtmenge des eingespeisten Stroms aus umweltverträglichen Quellen ist
also am größten, wenn eine Leistungsreduzierungen mit Hilfe des technisch optimierten Erzeugungsmanagements vorgenommen wird. Das technisch optimierte Er-
22 LG Itzehoe, RdE 4-5/2006, 128 ff.; Dreher/Reshöft, Erzeugungsmanagement nach EEG, ZNER
2006, S. 311, 315 f.; Fischer/Henning, Stromabnahme, Netzlastmanagement und Netzausbau
nach § 4 EEG, ZUR 5/2006, S. 225, 229; Reshöft, in: Reshöft/Steiner/Dreher, Hk-EEG, § 4
EEG, Rn. 43.
23 Salje, EEG-Vorrangprinzip und Netzengpassmanagement, RdE 2005, S. 250, 254 f.
24 Haubrich, Windenergieerzeugungsmanagement, S. 33 f.
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zeugungsmanagement ist deshalb die umweltverträglichste Variante der Reduzierung von Einspeiseleistung.
II. Folgerungen
Zur bestmöglichen Integration von umweltverträglichem Strom sollten Maßnahmen
ergriffen werden, die bewirken, dass der Netzengpass möglichst wenig Auswirkungen auf die Stromeinspeisung hat. So sollte zum Beispiel ein Freileitungs-Monitoring an den Leitungen durchgeführt werden, damit eine vollständige Auslastung des
Netzes gar nicht erst auftritt.. Ist ein Erzeugungsmanagement notwenig, ist das technisch optimierte Management die umweltverträglichste Variante.
Allerdings ist das Vertrauen der Anlagenbetreiber beachtlich. Bei der gleichmäßigen Abschaltung aller Anlagen im betroffenen Cluster, wie auch bei der Abschaltung der am stärksten entlastenden Anlage gilt, dass die wirtschaftliche Position von
Anlagenbetreibern verschlechtert werden könnte, die bei Anschluss der Anlage vom
Engpass noch nichts wussten. Deshalb sind diese Anlagenbetreiber schutzwürdig.25
Anderes trifft auf die Betreiber derjenigen Anlagen zu, die als letzte an das ausgelastete Netz angeschlossen wurden. Diese wussten von der Netzbelastung und mussten
Abschaltungen bei der Finanzierung der Anlage bedenken. Somit entspricht das umgekehrte Prioritätsprinzip auch dem Grundsatz der Planungssicherheitheit.26
Allerdings könnte der Schaden desjenigen Anlagenbetreibers, der die Einspeisung
reduzieren muss, kompensiert werden (entweder mit einer Umlage auf alle Anlagenbetreiber oder durch eine Zahlung eines Lastenausgleichs des Netzbetreibers an den
Anlagenbetreiber).27 Unter einer solchen Voraussetzung würde auch die regelmäßige
Abschaltung derselben Anlagen keinen Vermögensschaden des Anlagenbetreibers
bedeuten. Eine solche Regelung kann aber der gesetzlichen Grundlage nicht entnommen werden, sondern bedarf der Normierung. Mangels einer gesetzlichen Regelung kann somit aufgrund der aktuellen Rechtslage die umweltverträglichste Variante des Erzeugungsmanagemens nicht durchgeführt werden.
E. Freileitungs-Monitoring als Maßnahme des Netzausbaus
Gemäß § 11 Abs. 1 EnWG sind die Netzbetreiber verpflichtet, das Energieversorgungsnetz bedarfsgerecht auszubauen und zu betreiben, solange dies wirtschaftlich
zumutbar ist. Fraglich ist, ob der Netzbetreiber zu einer weniger kostenintensiven
Schaffung von Kapazität zugunsten der Nutzung umweltverträglicher dezentraler
Optionen verpflichtet ist, wenn die Verlegung einer neuen Leitung wirtschaftlich unzumutbar wäre.
25 Dreher/Reshöft, Erzeugungsmanagement nach EEG, ZNER 2006, S. 311, 315.
26 LG Itzehoe, RdE 4-5/2006, 128, 132.
27 Haubrich, Windenergieerzeugungsmanagement, S. 18.
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.