gungspflicht festgelegt, entspräche die Verordnung nicht der Vorgabe einer möglichst weitgehenden Verwirklichung aller Gesetzesziele. Mindestens muss die Verordnung also gewährleisten, dass auch die Umwelt- und Versorgungssicherheitsaspekte einer dezentralen Lösung zu berücksichtigen sind. Dabei müssen auch die kostensenkenden und die Versorgungssicherheit erhöhenden Aspekte der Nutzung dezentraler Optionen in die Berücksichtigung einfließen, um die Verwirklichung umweltverträglicher Maßnahmen optimal zu ermöglichen.
C. Entwurf des Referenznetzes für Übertragungsnetzbetreiber
Die Beachtung des Umweltverträglichkeitsziels könnte auch bei der Referenznetzanalyse gemäß § 22 Abs. 2 ARegV Auswirkungen haben. Bei der dreistufigen Referenznetzanalyse ergeben sich der zweite und der dritte Schritt nur noch als vergleichende Operationen aus dem ersten.17 Umweltverträglichkeitsaspekte können hier
nicht mehr berücksichtigt werden. Somit kommt für eine Beachtung der Gesetzesziele nur die Erstellung des Referenznetzes im ersten Schritt in Frage.
Das Referenznetz zeichnet ein optimales Verhältnis zwischen Kosten und netzwirtschaftlicher Leistung aus. Indem bei der Planung auf optimale Kosten abgestellt
wird, finden das Preisgünstigkeitsziel in seiner Konkretisierung als Kosteneffizienz
Beachtung. Aber auch die anderen Gesetzesziele könnten im Rahmen der Planung
Gewicht entfalten. Ein Anwendungsbereich eröffnet sich bei der Bestimmung der
„netzwirtschaftlichen Leistung“ die definiert und möglichst kosteneffizient verwirklicht werden muss. Laut § 22 Abs. 2 ARegV muss das Referenznetz insbesondere
ein technisch sicheres Netz sein. Die netzwirtschaftlich zu erbringende Leistung ist
somit in erster Linie Anlagensicherheit als Bestandteil des Sicherheitsbegriffs des
§ 1 Abs. 1 EnWG. Telos des § 22 Abs. 2 ARegV ist es also insbesondere, dass die
Sicherheit des Netzbetriebs durch die Planung des kostenoptimalen Referenznetzes
nicht eingeschränkt wird.
Im Wege der Abwägung sind die Gesetzesziele folglich so weit wie möglich zu
verwirklichen, solange die Sicherheit des Netzbetriebs nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Dem Umweltverträglichkeitsziel könnte zum Beispiel Rechnung
getragen werden, indem bei Transportnetzen im Strombereich Netzverluste durch
die Verplanung von Kabeln oder gasisolierten Rohrleitern (GIL) reduziert werden.
Hinzu kommt, dass die Genehmigungsverfahren bei einem Erdkabel kürzer sind als
bei einer Freileitung, neue (umweltverträgliche) Anlagen, daher schneller angeschlossen werden können. Auch Netzengpässe deretwegen Erzeugungsmanagement
zur Reduzierung von Strom aus EEG-Anlagen betrieben werden muss, lassen sich
auf diese Weise schneller überwinden. Darüber hinaus kann der Flächenverbrauch
sowie Eingriffe in das Landschaftsbild gemindert werden. Bei einem Transport über
größere Strecken ist also der Einsatz von Gleichstromverbindungen zu erwägen.18
Dem gegenüber sind die Kosten für die Verwendung von Kabeln oder Gleichstrom-
17 Siehe dazu S. 54 unter Nr. 2.
173
verbindungen in Anschlag zu bringen und abzuwägen. Die Verlegung eines Erdkabels oder einer Gleichstromverbindung ist dabei aber nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn diese Lösung teurer als eine herkömmliche Freileitung ausfällt.
Denn das Preiswertigkeitsziel ist gegenüber den anderen Gesetzeszielen abzuwägen.
Es ist also zwischen dem Nutzen einer geringeren Umweltbelastung und dem Kosten der Erdkabellösung im Einzelfall abzuwägen.
Im Referenznetz wird also nicht die billigste Lösung verwirklicht, sondern diejenige, die die netzwirtschaftliche Leistung (bei möglichst weitgehender Umweltverträglichkeit) am effizientesten umsetzt. Auch bei der Erstellung des Referenznetzes
ist also das Umweltverträglichkeitsziel zusammen mit den anderen Gesetzeszielen
möglichst weitgehend zu verwirklichen. Weil die Spezialnorm § 22 Abs. 2 ARegV
die Anlagensicherheit besonders betont, kommt dem Sicherheitziel im Rahmen der
Abwägung ein besonders hohes Gewicht zu.
Damit wird deutlich, dass die Regulierungsverwaltung zu mehr dient, als lediglich zur Kostenreduktion. In dem Maße, in dem sich Auswirkungen der Netzstruktur
auf die Umwelt abzeichnen, gewinnt das Umweltverträglichkeitsziel an Bedeutung.
D. Erzeugungsmanagement nach EEG
Wie dargestellt, kann der Netzbetreiber bei Kapazitätsengpässen den Netzzugang
mit Hilfe des Erzeugungsmanagements auf Grundlage des § 4 Abs. 3 S. 2 EEG einschränken.19 Im Sinne des Umweltverträglichkeitsziels, ist der Zugang von EEG-Anlagen möglichst wenig einzuschränken. Deshalb ist es notwendig zu betrachten,
nach welchen Kriterien die Leistung der betroffenen Anlagen reduziert werden.
I. Kriterien, nach denen die Einspeiseleistung reduziert wird
Die Einspeisung darf dann reduziert werden, wenn das Netz vollständig ausgelastet
ist. Dies ist dann der Fall, wenn bei weiterer Belastung die (n-1)-Sicherheit gefährdet würde.20 Fraglich ist, nach welchen Kriterien und in welcher Reihenfolge die
Leistung derjenigen Anlagen reduziert werden können, die am Erzeugungsmanagement beteiligt sind. Das Gesetz ordnet keine Reihenfolge an und in der Praxis hat
sich noch kein einheitliches Vorgehen durchgesetzt. Diskutiert werden drei Herangehensweisen:21
18 So zum Beispiel beim „Abtransport“ großer Windstrommengen aus den dünner besiedelten
aber windstarken Küstenregionen in die Ballungsräume.
19 Siehe S. 36 unter Nr. 2.
20 Burges/Twele, Power systems operation with high penetration of renewable energy - the German case, S. 3; Schwarz, Anwendung des Netzsicherheitsmanagements in Brandenburg, S. 17
f.
21 Eine Darstellung dieser drei Herangehensweisen findet sich bei: Haubrich, Windenergieerzeugungsmanagement, S. 17 f.
174
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.