sentlich auf einer „übervertraglichen Ebene“.41 Die Bundesregierung stellt in ihrer
Gegenäußerung jedoch fest, dass der Verbraucherschutz neben den hergebrachten
Zielen auch einen eigenen Stellenwert habe, insbesondere bei den Regelungen zur
Stromkennzeichnung und bei den stärkeren Beteiligungsrechten von Verbraucherverbänden.42 Tatsächlich werden diese verbraucherschützenden Regeln nicht notwendig von den bisherigen Zielen des EnWG 2003 umfasst.
Fraglich ist, ob der Verbraucherschutz im Sinne des § 1 Abs. 1 EnWG eine weitere Dimension haben kann. Denn auch in den umzusetzenden Richtlinien wird Verbraucherschutz stets neben Versorgungssicherheit, Umweltschutz und dem Wettbewerbsziel genannt. So zum Beispiel in den Erwägungsgründen 26 und 27 sowie
Art. 3 Abs. 1 von EltRL und GasRL. Ausführlich wird in den Art. 3 Abs. 5 EltRL
beziehungsweise Art. 3 Abs. 3 GasRL darauf eingegangen, was unter „Schutz der
Endkunden“ zu verstehen sei. Unter anderem umfasse Verbraucherschutz Maßnahmen zur Vermeidung eines Ausschlusses von der Versorgung (auch in abgelegenen
Gebieten), transparente Vertragsbedingungen sowie die Sicherstellung, den Stromlieferanten ohne Berechnung von Gebühren wechseln zu können. Auch auf Mindestvoraussetzungen von Energielieferverträgen wird eingegangen: die Notwendigkeit
fristgerechter Mitteilung über eine Gebührenerhöhung sowie eine einfache und kostengünstige Behandlung von Beschwerden. Die Vorgaben in der Richtlinie betreffen
die Vertragsgestaltung und legen Mindeststandards für den verpflichteten Energielieferanten fest. Damit gehen diese detaillierten und weitreichenden Angaben über
die Vorgaben sicher und preisgünstig über das hinaus, was der Regulierer steuern
kann. Insoweit die Vorgaben der Richtlinien nicht aufgrund der Normen des EnWG
umgesetzt werden (insbesondere §§ 31 und 36 ff. EnWG), gelten sie indirekt über
die richtlinienkonforme Auslegung beziehungsweise § 1 Abs. 3 EnWG.
Im EnWG wird Verbraucherschutz beispielsweise durch § 42 EnWG gewährt.
Demnach müssen Elektrizitätsversorgungsunternehmen auf Rechnungen und Werbematerial angeben, wie hoch der Anteil einzelner Energieträger am Gesamtenergieträgermix in ihrem Angebot ist. Gemäß Absatz 2 sind dieser Angabe die Durchschnittswerte des Energieträgermixes und seine Umweltauswirkungen entgegenzusetzen. Auf dieser Grundlage hat der Verbraucher die Möglichkeit, neben dem Preis
seine Entscheidung für ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen auch auf dessen
Energieträgermix und Umweltverträglichkeitsaspekte zu stützen.
VI. Effizienz
Auch das Gesetzesziel Effizienz ist mit dem EnWG 2005 neu in den Katalog der Gesetzesziele aufgenommen worden.43 Laut Duden bedeutet Effizienz „Wirksamkeit
41 Salje, EnWG, Einführung, Rn. 11.
42 Gegenäußerung der BReg, BT-Drucks. 15/4086, S. 2.
43 Eingefügt wurde das Ziel erst im Vermittlungsverfahren durch den Bundestagsausschuss für
Wirtschaft und Arbeit, BT-Drucks. 15/5268, S. 116.
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oder Wirtschaftlichkeit.“44 Effizienz kann in der Energiewirtschaft zwei Aspekte haben: Kosteneffizienz und Energieeffizienz. Kosteneffizienz bedeutet, dass das eingesetzte Kapital möglichst wirtschaftlich verwendet wird, dass also die zur Verfügung
stehenden Mittel so eingesetzt werden, dass sie der Aufgabe des Unternehmens
großtmöglichen Nutzen bringen. Energieeffizienz bedeutet dagegen gemäß § 3
Nr. 15a EnWG die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Energieaufwand und
dem damit erzielten Ergebnis in den Bereichen Energieumwandlung, -transport und
-nutzung. Im deutschen Recht wurde dafür bisher synonym der Begriff Energieeinsparung verwendet.45 Energieeffizienz führt zu einem geringeren Verbrauch von Primärenergieträgern, damit zu weniger Schadstoff- und Treibhausgasausstoß und damit zu mehr Umweltverträglichkeit. In der Gesetzesbegründung wird weniger die
Energieeffizienz als die Kosteneffizienz der Energieversorgungsnetze betont.46 Eine
preiswertere Energieversorgung setzt Kosteneffizienz voraus.47
Somit ist Effizienz ein Teilaspekt der Ziele Umweltverträglichkeit und Preiswertigkeit.48 Aber auch die Versorgungssicherheit in ihrer energiestrategischen Dimension wird durch die effiziente Verwendung von Energie gefördert.49 Indem der Gesetzgeber den Begriff einzeln nennt, betont er die Wichtigkeit der Effizienz für die
unterschiedlichen Ziele der Energieversorgung.
Umgesetzt werden Energieeffizienzaspekte mit der Pflicht für Verteilernetzbetreiber, Energieeinsparmaßnahmen zu berücksichtigen, § 14 Abs. 2 EnWG. Gemäß § 53
EnWG sind Effizienzmaßnahmen zu berücksichtigen, bevor neue Erzeugungskapazitäten ausgeschrieben werden.
Kosteneffizienz wird insbesondere bei der Anreizregulierung berücksichtigt. So
stellt der Regulierer beim Benchmarking auf effiziente Netzbetreiber ab und macht
Effizienzvorgaben, § 21a EnWG. Der Evaluierungsbericht der Bundesregierung soll
insbesondere die Methoden berücksichtigen, die eine Effizienzsteigerung des Netzbetriebs bewirken. Im Sinne der Gesetzesbegründung ist davon auszugehen, dass der
Gesetzgeber hier vor allem die Kosteneffizienz des Netzbetriebs meint. Aber auch
der Zugang zu den Energieversorgungsnetzen und Speicheranlagen soll (kosten-) effizient gestaltet werden, § 20 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 EnWG.
Die Sicherstellung eines effizienten Netzbetriebs gemäß § 12 Abs. 2 und § 15
EnWG kann die Kosteneffizienz wie auch die Energieeffizienz (insbesondere für
den Einsatz der Regelleistung) betreffen.
44 Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 2007.
45 Salje, EnWG, § 1 Rn. 46.
46 BT-Drucks. 15/5268, S. 116.
47 GesE der BReg zum EnWG 98, BT-Drucks. 13/7274, S. 14.
48 So auch Büdenbender, Umweltschutz in der Novelle des EnWG, DVBl 2005, S. 1161, 1163.
49 Theobald, in: Danner/Theobald, Energierecht, EnWG I B1 § 1 Rn. 25.
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VII. Versorgung der Allgemeinheit
§ 1 EnWG 98 bezweckte die sichere, preisgünstige und umweltverträgliche Energieversorgung „im Interesse der Allgemeinheit“. Die Orientierung des EnWG 98 am
Interesse der Allgemeinheit wurde als unsinnig kritisiert, da eine Versorgung im Interesse von Partikularinteressen, die sich von der Versorgung im Interesse der Allgemeinheit unterscheide, nicht denkbar sei. Denn Beeinträchtigungen der Umwelt und
der Versorgungssicherheit sowie ein hohes Preisniveau hätten immer Auswirkungen
auf die Gesellschaft als ganzes.50 Die aktuelle Fassung der Zweckbestimmung stellt
nicht mehr auf das Interesse der Allgemeinheit ab. Die Allgemeinheit wird nur noch
als Objekt genannt - als derjenige Marktteilnehmer, der versorgt werden muss. Von
der soeben dargestellten Kritik Büdenbenders ausgehend, kann angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Doppelregelung erkannt hat und vermeiden wollte.
Der Gesetzgeber macht mit der Streichung des Begriffs Interesse deutlich, dass das
EnWG nicht im besonderen Maße am Allgemeininteresse auszulegen ist.
Fraglich ist, ob die Nennung der Allgemeinheit auch ein Ziel des Gesetzes ausdrückt. Es wird vertreten, die Erwähnung „(des Interesses) der Allgemeinheit“ habe
den Zweck, die besondere Branchenregulierung mit Art. 86 Abs. 2 EG „kompatibel
zu halten.“51 Art. 86 Abs. 2 EG erlaubt es, Unternehmen, die mit Dienstleistungen
im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse betraut sind, von den Wettbewerbsregelungen auszunehmen, soweit die Wettbewerbsregelungen die Wahrnehmung der
übertragenen Aufgabe behindern. Da die Vertragsvorschriften zum Wettbewerb
durchbrochen werden, ist die Vorschrift restriktiv auszulegen.52 Das gilt insbesondere bei der Feststellung, ob die Erfüllung der übertragenen Aufgabe verhindert würde.53
Die Tätigkeit der Energieversorgungsunternehmen im Rahmen des EnWG müsste
eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sein. Die Stromversorgung ist grundsätzlich eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse.54 Es ist kein Grund ersichtlich, warum das gleiche nicht auch für die Gasversorgung gelten sollte. Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind durch die allgemeine Anschluss- und Versorgungspflicht dem Allgemeinwohl verpflichtet.55 Weiterhin
können Enteignungen im Rahmen der Planung von Netztrassen wegen Art. 14 Abs.
3 S. 1 und 2 GG nur zum Wohle der Allgemeinheit vorgenommen werden.56 In diesen beschriebenen Fällen sind die Elektrizitätsversorgungsunternehmen tatsächlich
50 Büdenbender, EnWG 98, § 1 Rn. 49 f; Salje, EnWG, § 1 Rn. 17.
51 Salje, EnWG, § 1 Rn. 14.
52 Jung, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/EGV, Art. 86 Rn. 35; Stadler, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht, Art. 86 Rn. 43.
53 Jung, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/EGV, Art. 86 Rn. 45.
54 EuGH, Rs. 393/92, Slg. 1994, I-1477, Rn. 47 ff. – Almelo/Energiebedrijf Ijsselmij; Rs.
C-159/94, Slg. 1997, I-5815, Rn. 57 – Kommission/Frankreich; Rs. C-158/94, Slg. 1997,
I-5789, Rn. 38 ff. - Kommission/Italien; Jung, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/EGV, Art. 86
Rn. 52; Stadler, in: Langen/Bunte, Europäisches Kartellrecht, Art. 86 Rn. 40.
55 Rojahn, Das neue Fachplanungsrecht für Energiefreileitungen, in: Burgi (Hg.), Planungssicherheit, S. 66, 72.
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.