K. Regulierung
I. Mehrkosten des Erdkabels als nicht beeinflussbare Kosten
Auch Regulierungsnormen könnten die Umweltverträglichkeit des Netzbetriebs erhöhen. So scheitert die Verlegung von Erdkabeln häufig an den höheren Kosten gegenüber einer Freileitung. Unter dem Kostendruck der Anreizregulierung wird ein
Netzbetreiber die Verlegung eines Erdkabels gegenüber einer Freileitung deshalb
meist nicht vorziehen, weil ein kosteneffizienter Netzbetreiber die günstige Lösung
wählen muss. Die Gewinne würden also um den Betrag niedriger sein, den das Erdkabel teurer als eine Freileitung ist. Bei einer rein kostenbasierten Regulierung wögen die Kosten nicht so schwer, da sich höhere Kosten auch in höheren Netzentgelten widerspiegeln können. Die Realisierung eines umweltverträglichen Erdkabels
könnte also aufgrund des Effizienzvergleichs der Anreizregulierung gefährdet werden. Diesen Effekt versucht § 21a Abs. 4 S. 3 EnWG aufzuheben. Danach gelten
planfestgestellte Erdkabel als nicht beeinflussbare Kosten, die gemäß § 14 Abs. 1
Nr. 2 ARegV nicht beim Effizienzvergleich mit anzusetzen sind. Damit fallen die
höheren Kosten nicht unter diejenigen Kosten, die mit Hilfe der Anreizregulierung
reduziert werden sollen. Somit kann § 21a Abs. 4 S. 3 EnWG verhindern, dass ein
Netzbetreiber die Verlegung eines Erdkabels aus Kostengründen unterlässt.
Der Gesetzgeber trifft mit der Regelung zwar keine Vorentscheidung zugunsten
von Erdkabeln.56 Aber aufgrund von § 21a Abs. 4 S. 3 EnWG wird die Umsetzung
umweltverträglicher Planung ermöglicht. Damit ist § 21a Abs. 4 S. 3 EnWG eine
Konkretisierung des Umweltverträglichkeitsziels.
II. Anschluss dezentraler Erzeuger als nicht beeinflussbarer Parameter
Ähnliches gilt für § 13 Abs. 3 Nr. 6 ARegV. Der Anschluss dezentraler Anlagen
wirkt für Netzbetreiber grundsätzlich kostensteigernd – unter anderem, weil Aufwendungen für die Betriebsführung gemacht werden müssen, Transaktionskosten
anfallen und eine Verstärkung der Netze erforderlich sein kann.57 Wegen der höheren Kosten ist der Anreiz für einen Verteilernetzbetreiber, dezentrale Anschlussoptionen zu erleichtern, grundsätzlich gering. Aber der verstärkte Einsatz dezentraler Erzeugungsanlagen ist vor allem aus Gründen der Energieeffizienz, also der Umweltverträglichkeit, gewollt.58 Damit der Kostendruck im Rahmen der Anreizregulierung
56 So auch Salje/Hädrich, Netzanbindung von Offshore-Windenergieanlagen, NordÖR 2007, S.
183, 187.
57 BNetzA, Bericht zur Anreizregulierung, S. 221 (Rn. 1040 ff.); Leprich u.a., Dezentrale Energiesysteme und aktive Netzbetreiber, S. 74 ff.
58 Zur dezentralen Einspeisung von Strom siehe S. 104 ff. unter Nr. IV. Zur dezentralen Gaseinspeisung siehe S. 108 unter Nr. I.
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nicht dazu führt, dass Verteilernetzbetreiber dezentrale Energieerzeugungsoptionen
im Rahmen ihrer Möglichkeiten verhindern, sind dezentrale Erzeuger ein nicht beeinflussbarer Parameter der Gebietseigenschaft, § 13 Abs. 3 Nr. 6 ARegV. Damit ist
beim Effizienzvergleich die Anzahl der dezentralen Erzeugungsanlagen zu berücksichtigen. Der Effizienzwert eines Unternehmens wird also nicht deshalb verschlechtert, weil dezentrale Erzeugungsanlagen an das Verteilernetz angeschlossen
sind. Eine Motivation der Verteilernetzbetreiber, dezentrale Erzeugung zu verhindern, wird also vermindert. Damit ist § 13 Abs. 3 Nr. 6 ARegV eine Konkretisierung
des Umweltverträglichkeitsziels.
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References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.