I. Differenzierung zwischen Gas aus Biomasse und Biomethan
Die GasNZV bezieht sich in ihren Vorrangregelungen auf Gas aus Biomasse und
Biomethan. Da die GasNZV auf Grundlage von § 24 S. 1 Nr. 1 EnWG erlassen wurde, ist die Biogasdefinition des EnWG heranzuziehen. § 3 Nr. 10 lit. c) EnWG definiert Biogas als Biomethan, Gas aus Biomasse und die drei anderen Erscheinungsform Deponiegas, Klärgas und Grubengas. Da der Verordnungsgeber ausdrücklich
die ersten beiden Gasformen einbezieht, kann im Umkehrschluss angenommen werden, dass sich die Vorrangregelungen nicht auf Deponiegas, Klärgas und Grubengas
beziehen sollen.47
Gas aus Biomasse ist ein sehr weiter Begriff, da er letztlich dem Wortlaut nach
die auf biogener Vergärung beruhenden Gase Deponiegas und Klärgas umfasst. Biomethan dagegen ist ein Endprodukt. Es entsteht, indem Biomasse biochemisch vergoren oder thermochemisch vergast und das entstehende Gas aufbereitet bzw. methanisiert wird.48 Biomethan ist also das auf Erdgasqualität aufbereitete Gas aus Biomasse.49 Indem die Verordnung Gas aus Biomasse und Methan erwähnt, wird deutlich, dass der Vorrang unabhängig von den erfolgten Verfahrensschritten gewährt
werden soll. Eine Differenzierung zwischen Gas aus Biomasse und Biomethan ist
deshalb nicht notwendig. Grund der Aufzählung ist lediglich, wie soeben dargestellt,
der Ausschluss von Deponie-, Klär- und Grubengas aus der Vorrangregelung. Im
Folgenden wird nicht mehr zwischen Gas aus Biomasse und Biomethan differenziert, sondern einheitlich der Begriff Biomethan verwendet.
II. Vorrangige Einspeisung in Verteilernetze
Gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 GasNZV besteht ein vorrangiger Anspruch auf Vertragsabschluss für einen Netzzugangsberechtigten, der Biomethan einspeisen möchte. Voraussetzung dieses Anspruchs ist laut § 8 Abs. 1 S. 2 GasNZV, dass das Gas netzkompatibel ist,50 keine vorhandenen Verträge der Einspeisung entgegenstehen und
die Versorgungssicherheit der Letztverbraucher nicht eingeschränkt wird. Im Gegensatz zum EEG handelt es sich um keinen Einspeiseanspruch, sondern um einen
Vertragsschließungsanspruch.
Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 GasNZV besteht der bedingte Anspruch
des Einspeisewilligen gegenüber dem örtlichen Verteilerbetreiber hinsichtlich eines
Transportvertrags. Fraglich ist aber, ob der Anspruch den Abschluss eines Vertrags
zum Gastransport beinhalten kann (also im Sinne des Zweivertragsmodelles einen
47 Graßmann, Vorrangige Einspeisung von Biogas in Erdgasnetze, ZNER 2006, S. 12, 16.
48 Graßmann, Vorrangige Einspeisung von Biogas in Erdgasnetze, ZNER 2006, S. 12, S. 16; IE,
Möglichkeiten einer europäischen Biogaseinspeisestrategie, S. 4, Abildung 2-1.
49 Kanngießer, Rechtsrahmen für die Einspeisung von Biogas, GWF 2007, S. 408, Fn. 1.
50 Die Netzkompatibilität wird in § 35 Abs. 2 GasNZV definiert und bedeutet vor allem eine Entsprechung in Qualität (Brennwert, Dichte, Odorierung) und Druck an die im Netz gegebene
Verhältnisse.
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Ein- und Ausspeisevertrag). Laut § 20 Abs. 1 b EnWG und § 3 GasNZV wird durch
Ein- und Ausspeiseverträge ein netzübergreifender Zugang gewährt. Wäre die Vorrangregel auf den Transport innerhalb eines Verteilernetzes begrenzt, würde das im
Widerspruch zu diesem Grundsatz stehen.51 Gesetzeskonform im Sinne des § 20
Abs. 1 b EnWG ausgelegt, begründet § 8 Abs. 1 S. 2 GasNZV somit einen Anspruch
auf Abschluss eines Ein- und Ausspeisvertrags.
III. Vorrang bei Kapazitätsengpässen
Bei vertraglichen Kapazitätsengpässen (Buchungsanfragen erreichen 90 Prozent der
Netzkapazität) in örtlichen Verteilernetzen sind die restlichen Transportkapazitäten
grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 zu versteigern. Gemäß § 10 Abs. 4
GasNZV hat aber die Einspeisung von Biomethan Vorrang gegenüber dem Versteigerungsverfahren. Darüber hinaus wird die dem Versteigerungsverfahren vorgeschaltete 24-Stundenfrist des § 10 Abs. 3 GasNZV suspendiert.52
IV. Erweiterter Bilanzausgleich
Gemäß § 34 Abs. 1 GasNZV beträgt der Bilanzierungszeitraum für Transportkunden
von Biomethan nicht eine Stunde, wie grundsätzlich in § 30 Abs. 1 GasNZV vorgeschrieben, sondern ein halbes Jahr. Das heißt, die Ein- und Ausspeisungen von
Transportkunden müssen nur halbjährlich ausgeglichen sein. Da die das Gas einsetzenden Anlagen vor allem wärmegeführt sind, würden anderenfalls wegen der jahreszeitlichen Schwankungen bei den Einspeisern erhebliche Probleme auftreten.53
§ 34 Abs. 1 GasNZV ermöglicht aber die Nutzung des Erdgasnetzes als Speicher.54
V. Ergebnis – Umweltverträglichkeit der GasNZV
Biomethan wird im Wesentlichen aufgrund der Äquivalenzgasnutzung des § 8 Abs.
1 S. 3 EEG genutzt. Offensichtlich ist aber auch, dass die Förderung für Biomethan
nicht so umfangreich wie die des EEG ausfällt. Deshalb fordern Biogasverbände
weitergehende Vorrangregelungen für Biogas.55
51 Graßmann, Vorrangige Einspeisung von Biogas in Erdgasnetze, ZNER 2006, S. 12, 14.
52 Graßmann, Vorrangige Einspeisung von Biogas in Erdgasnetze, ZNER 2006, S. 12, 19.
53 Kanngießer, Rechtsrahmen für die Einspeisung von Biogas, GWF 2007, S. 408, 409.
54 Longo, Strategische Fragen der Biogaseinspeisung, ZNER 2007, S. 155, 156.
55 Der Fachverband Biogas fordert ein Abnahme- und Vergütungsmodell nach dem Vorbild des
EEG. Dazu und zu weiteren Förderungsmöglichkeiten siehe Klinski in: IE, Einspeisung von
Biogas in das Erdgasnetz, S. 226 f. Ablehnend allerdings Kanngießer, Hürden bei der Biomethan-Einspeisung, E&M 6/2007, S. 6.
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References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.