geschlossenen Kraftwerks aufzunehmen. Dann trifft den Netzbetreiber die Pflicht
nach §§ 11 Abs. 1 und 12 Abs. 1 EnWG, das Netz bedarfsgerecht auszubauen. Das
kann unter Umständen auch die Verlegung neuer Leitungen bedeuten. Allerdings
kann der grundsätzlich der Umweltverträglichkeit dienende Anschluss neuer Kraftwerke die Umwelt wiederum durch den Neubau von Leitungen beeinträchtigen.
IV. Nutzung dezentraler Optionen
Unter dem Stichwort aktiver Netzbetreiber werden in neuerer Zeit Aufgaben diskutiert, die in erster Linie dem Verteilernetzbetreiber zufallen. Zwar sind Verteilernetzbetreiber auch bisher nicht „passiv“, da sie zentral erzeugten Strom zum Verbraucher weitergeleitet haben. Aber der aktive Netzbetreiber soll zusätzlich dezentrale
Optionen verwirklichen. Unter dezentralen Optionen werden verschiedene Technologien wie der Einsatz von EEG27- und KWK-Anlagen, Lastmanagement, Energieeffizienzmaßnahmen beim Kunden oder Speicher verstanden.28
Energieeffizienzmaßnahmen auf Kundenseite erfolgen nicht im Rahmen der Netzsteuerung sondern durch Beratung, die keine Kernaufgabe des Netzbetreibers ist.
Deshalb sind sie hier nicht weiter zu beachten.
1. Dezentrale Einspeisung
Dezentrale Einspeisung ist die Einspeisung von elektrischer Energie in Verteilernetze durch kleine Umwandlungsanlagen. Die geringe Energiedichte erneuerbarer
Energien und dezentrale unvermaschte Wärmenetze führen dazu, dass fast alle dezentralen Einspeiser EEG- und KWK-Anlagen sind.29 Deshalb wird die dezentrale
Einspeisung vor allem mit Hilfe des EEG und KWKG gefördert. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Gesetze gibt es zwar kaum dezentral einspeisende Anlagen.30 Aber auch diese Anlagen werden in begrenztem Umfang privilegiert. Denn
gemäß § 18 StromNEV sind die Verteilernetzbetreiber verpflichtet, vermiedene
Netzentgelte zu erstatten.
Neben der umweltverträglichen Energieerzeugung durch dezentrale EEG- und
KWK Anlagen sprechen Gründe der Versorgungssicherheit dafür, dezentrale Strukturen zu unterhalten, da diese nicht so fehleranfällig sind wie zentralisierte Systeme.31 Darüber hinaus können dezentrale Energiesysteme die Effizienz des Energiesystems erhöhen. Unter Effizienz, oder in diesem Zusammenhang dezentraler Effizi-
27 Ausgenommen sind große Windparks.
28 Leprich u.a., Dezentrale Energiesysteme und aktive Netzbetreiber, S. 18.
29 Zu den KWK-Anlagen zählen zum Beispiel Verbrennungsmotoren, Brennstoffzellen, Mikrogasturbinen oder auch der Stirlingmotor, vgl. Hollmann, Ökologisches Potenzial dezentraler
Energieversorgung, ew 13-14/2007, S. 26.
30 Leprich u.a., Dezentrale Energiesysteme und aktive Netzbetreiber, S. 81.
31 Leprich u.a., Dezentrale Energiesysteme und aktive Netzbetreiber, S. 81.
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enz, ist die Verminderung der (zentral) vorzuhaltenden Leistung zu verstehen, die
zur Erfüllung der Versorgungsaufgabe erforderlich ist.32 Wird Leistung in vielen
kleineren Anlagen erzeugt statt in wenigen großen, kann der Ausfall einzelner Anlagen vom Gesamtsystem leicht verkraftet werden.
2. Lastmanagement
Neben der Nutzung dezentraler Einspeiser wird die dezentrale Effizienz insbesondere durch dezentrales Lastmanagement gesteigert. Beim Lastmanagement kann der
Netzbetreiber aufgrund entsprechender Verträge auf stromintensive Einzelkunden
oder weniger intensive größere Kundengruppen (Haushaltskunden)33 zugreifen.34
Aufgrund der Neuerungen in der Kommunikationstechnik ist es heute technisch
möglich, industrielle Anlagen, aber auch Haushaltsgeräte in Abhängigkeit vom
Stromdargebot zu betreiben. Dadurch lässt sich bei geeigneten Geräten die Netzlast
von Zeiten der Spitzenbelastung in nachfrageärmere Zeiten verschieben.35
3. Speicher
Auch Speicher können dezentral eingesetzt werden.36 So muss sich der negative Effekt stochastisch einspeisender Anlagen wie Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen gar
nicht erst auf höherer Netzebene im Einsatz von mehr Regelenergie niederschlagen,
da extreme Leistungsspitzen lokal gespeichert werden oder aber kurzfristige Leistungseinbrüche mit der gespeicherten Energie ausgeglichen werden können.
Die Speicherung mit Hilfe von Pumpspeicherkraftwerken ist heute schon Stand
der Technik. Auch ein Druckluftspeicherkraftwerk ist in Betrieb.37 Weiterhin werden
als dezentrale Speichertechnologien Brennstoffzellen, Batteriesysteme, Kondensatoren und Schwungmassenspeicher diskutiert. Aber auch ganz andere, schon vorhandene, Systeme können zur Speicherung von Energie genutzt werden. Zum Beispiel
können auch Kühlhäuser als Speicher genutzt werden. Da kleinere Temperaturschwankungen etwa zwischen minus 18 und 19° C der eingelagerten Ware nichts
ausmachen, können die Kühlhäuser heruntergekühlt werden, wenn ein Überschuss
an Strom da ist und vom Netz genommen werden, wenn das Stromangebot knapp
32 Leprich/ Bauknecht, Anreizregulierung für aktive Stromnetzbetreiber, ET 6/2006, S. 32.
33 So ein Pilotprojekt der EnBW. Siehe dazu http://www.enbw.com/content/de/impulse/forschung_umwelt/
stromzaehler/index.jsp (zuletzt aufgerufen am 28. 11. 2007).
34 Leprich, Intelligente Anreizregulierung, ZfE 2006, S. 195, 198 f.
35 Eikmeyer u.a., Entwicklung der Energieversorgung in Norddeutschland, S. 69 f.
36 In Zukunft kann eine wachsende Anzahl von Systemdienstleistungen dezentral und unabhängig
von der Stromerzeugung angeboten werden. Siehe dazu auch Schwintowski, Grundlinien eines
zukünftigen europäischen Energierechts, in: FS Büttner, S. 274, 284.
37 Zu Speichern siehe S. 38 unter Nr. IX.
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ist. Erfahrungen in Neuseeland zeigen, dass ein Kühlhaus bis zu 12 Stunden vom
Netz genommen werden kann, bevor die Temperatur zu sehr steigt.38
4. Folgerung – Nutzung dezentraler Optionen
Dezentrale Einspeisung kann verbrauchsnah oder verbrauchsfern erfolgen. Wenn
verbrauchsnah eingespeist wird, muss der vorgelagerten Netzebene (Übertragungsnetze) weniger elektrische Energie entnommen werden, da der Bedarf wenigstens zu
einem gewissen Teil aus der dezentralen Einspeisung gedeckt werden kann. Denn
der Ausgleich zwischen Nachfrage und Angebot kann durch Speicherung und Laststeuerung bis zu einem gewissen Grad im dezentralen Netz geleistet werden. Im Falle verbrauchsnah dezentraler Erzeugung sind damit die Transportwege kürzer. Die
Übertragungsverluste sinken.39 Gegebenenfalls kann mittel- bis langfristig auf Netzausbaumaßnahmen in vorgelagerten Netzbereichen verzichtet werden.40
Energie wird außerdem verstärkt dort erzeugt, wo sie auch verbraucht wird. Das
größte Einsparpotenzial liegt in der effizienten Verknüpfung der Energieeinheiten
Strom, Wärme und Kälte bei Erfassung und Steuerung der Verbraucher. So kann die
vorzuhaltende Menge von Kraftwerken zur Deckung von extremen Lastspitzen reduziert werden.41 Einsparungen von mindestens 20 Prozent gegenüber der zentralen
Energieversorgung sind laut Feldmann möglich.42 Diese Verknüpfung der einzenen
dezentralen Anlagen, die vom Verteilernetzbetreiber wie ein „verteiltes Großkraftwerk“ eingesetzt werden können, wird auch als virtuelles Kraftwerk bezeichnet.43
Dezentrale Optionen, solange sie verbrauchsnah dezentral erzeugte elektrische
Energie einsetzen, sind somit umweltverträglich, weil Primärenergieträger effizienter eingesetzt werden. Außerdem ist für den Transport weniger Energie aufzubringen und der Flächenverbrauch und auch die Emissionen durch Netze können mittelfristig gegebenenfalls verringert werden.
38 Siehe dazu FTD vom 19. 11. 2007, S. 28 und das europäische Demonstrationsprojekt Night
Wind (http://www. nightwind.eu/ pageID_4054349.html, zuletzt aufgerufen am 26. 11. 2007).
39 Leprich u.a., Dezentrale Energiesysteme und aktive Netzbetreiber, S. 60.
40 So die Wertung des Verordnungsgebers der Strom NEV. Vgl. dazu § 18 des Regierungsentwurfs einer StromNEV vom 14. 4. 2005. Skeptisch Leprich/Thiele u.a., Einsatz stationärer
Brennstoffzellentechnologie, S. 97 f.
41 Feldmann, Anhörung der Enquete-Kommission "Nachhaltige Energieversorgung", S. 5.
42 Feldmann, Anhörung der Enquete-Kommission "Nachhaltige Energieversorgung", S. 2.
43 Leprich/Thiele u.a., Einsatz stationärer Brennstoffzellentechnologie, S. 83.
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V. Regelleistung
1. Gegeneinanderregeln
Der Gebrauch positiver wie negativer Regelleistung dient der Aufrechterhaltung des
Gleichgewichts zwischen Energieverbrauch und Energieeinspeisung zu jedem Zeitpunkt. So kann dem Verbundnetz innerhalb von Sekunden Energie zugeführt oder
entnommen werden, um das Gleichgewicht zu halten. Die positive Regelleistung
wird in Kraftwerken produziert, ihre Erzeugung beeinträchtigt somit die Umwelt. Im
Sinne der Umweltverträglichkeit der Energieversorgung sollte die Menge an benötigter positiver Regelleistung also möglichst gering sein. Insbesondere entspricht es
nicht dem Umweltverträglichkeitsziel, wenn an einer Stelle des Verbundnetzes
Energie entnommen werden muss, während an anderer Stelle Energie zugeführt
wird. Wird in einer Regelzone positive Regelleistung angefordert und in einer anderen Regelzone negative benötigt, spricht man in diesem wie im umgekehrten Fall
von Gegeneinanderregeln.44 Es wäre energiesparender und damit umweltverträglicher, wenn der Überschuss an der einen Stelle des Verbundnetzes zum Mangel an
der anderen Stelle geleitet würde, ein Gegeneinanderregeln also vermieden würde.
Praktisch stößt dieses effiziente Verfahren an Grenzen, da die Netze für die Durchleitung aufgrund von Energiehandel oder Energieerzeugung belegt sein könnten.45
Auch die Unterteilung Deutschlands in vier Regelzonen behindert den effizienten
Gebrauch von Regelenergie, denn in den Regelzonen wird unabhängig voneinander
geregelt. Nach Ansicht von Kurscheid/Scheffler/Schufft hätte im Januar 2006 eine
Regelenergie von 112,4 GWh eingespart werden können, hätte eine einheitliche Regelzone bestanden. Das sind 29 Prozent der insgesamt in Anspruch genommenen
Regelenergie.46 Würde das Bundesgebiet technisch als eine Regelzone behandelt, erhöhte sich die Umweltverträglichkeit der Energieversorgung jedenfalls deshalb, weil
weniger Regelleistung abgefragt würde und somit weniger Strom produziert werden
müsste. Je besser die Abstimmung der Regelzonenbetreiber untereinander und umso
geringer der Einsatz der eingesetzten Regelenergie, desto umweltverträglicher ist die
Steuerung der Hochspannungsnetze.
2. Umweltverträgliche Regelleistung, virtuelle Kraftwerke
Da Regelenergie in jedem Fall benötigt wird, kann sie, um so umweltverträglich wie
möglich zu sein, aus umweltverträglichen Quellen stammen. Hierfür gibt es mehrere
Möglichkeiten.
44 BNetzA, Monitoringbericht 2007, S. 41.
45 Allerdings bestehen keine Anzeichen für langfristige Netzengpässe zwischen den Regelzonen,
BBH/BET, R-A-N Gutachten, S. 43.
46 Kurscheid/Scheffler/Schufft, Analyse des Regelleistungsbedarfs in Deutschland, ew 3/2007, S.
20, 23.
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.