geren Emissionen bei der Energiegewinnung und ist Mittel, um ein Ziel des Grundsatzes des Ressourcenerhalts zu erreichen: die Schonung endlicher und regenerierbarer Ressourcen. Nach dem Belastungsminimierungsgrundsatz ist eine Maßnahme
umso umweltverträglicher, je weniger sie die Umwelt beeinträchtigt. Hinsichtlich
der ressourcenschonenden und emissionsarmen erneuerbaren Energien wie auch der
energieeffizienten KWK wird die Regelvermutung aufgestellt, sie seien umweltverträglich im Sinne des EnWG.
Die einzelnen Elemente der Definition sind nicht scharf voneinander zu trennen.
Rebentisch ist somit rechtzugeben, dass die Definition als solche nicht konturenscharf ist.74 Im Rahmen der erfolgten Gesamtbetrachtung lassen sich jedoch redundante Ziele streichen, um zum Kern der Definition vorzudringen. Der Umweltverträglichkeitsbegriff des EnWG zielt letztlich darauf ab, Ressourcen zu schonen und
Beeinträchtigungen der Umwelt zu vermeiden. Zwar differenziert die Definition
zwischen dem sparsamen Umgang mit Elektrizität, Gas und Ressourcen. Auch wird
das Phänomen der Emissionen aus Sicht der Energieverwendung thematisiert (Einsparungsgrundsatz) und einmal aus Sicht des Produzenten (Belastungsminimierungsgrundsatz). Aber letztlich führen alle weit gefassten Bestandteile der Definition
zu den Zielen Ressourcenschonung und Vermeidung von Beeinträchtigungen der
Umwelt. Diese Kriterien sind bestimmt genug, um einzelne Maßnahmen daraufhin
zu untersuchen, ob sie umweltverträglicher als andere sind. Damit ist der Umweltverträglichkeitsbegriff rechtlich handhabbar.
C. Verankerung im deutschen Verfassungsrecht
Der Umweltverträglichkeitsbegriff des EnWG könnte im deutschen Verfassungsrecht verankert sein. Hier ist insbesondere Art. 20a GG zu untersuchen. Art. 20a GG
ist eine Staatszielbestimmung, nach der der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen durch den Staat angeordnet wird. Der Begriff natürliche Lebensgrundlagen ist
dem Umweltbegriff im Wesentlichen gleichzusetzen.75 Staatszielbestimmung bedeutet, dass Art. 20a GG einen Grundsatz normiert, der bei staatlichem Handeln zu berücksichtigen ist. Verpflichtet ist somit der Staat und nicht Private.76 Staatliche Organe wie Gesetzgeber, Verwaltung und Gerichte sind bei Vollzug und Anwendung
des geltenden (auch einfachgesetzlichen) Rechts verpflichtet, das Staatsziel zu beachten.77 Für den Gesetzgeber folgt daraus die objektive Gesetzgebungspflicht, ge-
74 Rebentisch, Umweltschutz im Energiewirtschaftsgesetz, UTR 2000, S. 191, 197 f.
75 Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20a, Rn. 15; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG,
Art. 20a, Rn. 36; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hg.), GG, Bd. 2, Art. 20a, Rn. 32. Zum Meinungsstand siehe Kloepfer, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 20a, Rn. 63. Siehe
auch S. 58 unter Nr. 5.
76 Kloepfer, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 20a, Rn. 29; Scholz, in: Maunz/
Dürig, GG, Art. 20a GG, Rn. 44 ff; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hg.), GG, Bd. 2, Art. 20a, Rn.
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eignete Vorschriften zu erlassen.78 Speziell wegen der „überragenden Bedeutung der
Energiewirtschaft“ sind dabei weitergehende Interventionen gerechtfertigt als in anderen Wirtschaftsgebieten.79 Im Zusammspiel mit dem Sozialstaatsprinzip aus
Art. 20 GG und dem objektiven Schutzgehalt der Grundrechte trifft den Staat für die
Energiewirtschaft deshalb die Pflicht, durch einen geeigneten gesetzlichen Rahmen
für eine flächendeckende, preisgünstige und umweltverträgliche Versorgung mit
Strom und Gas Sorge zu tragen (Infrastruktursicherungspflicht).80
Die Staatszielbestimmung ist zur verfassungskonformen Auslegung unbestimmter
Rechtsbegriffe in solchen Gesetzen hinzuzuziehen, die keine Umwelt- oder Tierschutzgesetze sind. Art. 20a GG wirkt somit als integrative Querschnittsklausel.81
Das Staatsziel ist mit Hilfe der praktischen Konkordanz mit anderen Prinzipien des
Grundgesetzes in Einklang zu bringen. Im Verhältnis zu den Grundrechten ist
grundsätzlich von Gleichrangigkeit auszugehen.82 Art. 20a GG ordnet allerdings keine konkreten Maßnahmen an. Insofern ist der Umsetzungsspielraum groß.
Als einfachgesetzliche Norm bindet das Umweltverträglichkeitsziel des § 1 Abs. 1
EnWG grundsätzlich nicht nur den Staat, sondern auch diejenigen Privaten, auf die
die Norm beziehungsweise das EnWG Anwendung findet. Der Umfang möglicher
Rechtspflichten, die sich aus § 1 Abs. 1 EnWG ergeben können, soll hier noch nicht
bestimmt werden. Festzuhalten ist aber, dass § 1 EnWG potenziell Private verpflichten kann, was durch Art. 20a GG nicht möglich ist. Wegen der besonderen Stellung
der Netzbetreiber tragen sie aber trotzdem eine besondere Verantwortung für eine
umweltverträgliche Stromversorgung.83 Somit ist das Umweltverträglichkeitsziel des
§ 1 EnWG als Konkretisierung der Rechtspflichten des Art. 20a GG für Private im
Energiewirtschaftsrecht zu verstehen.
D. Verankerung im europäischen Recht
Das deutsche Energierecht wird wesentlich durch das Europarecht geprägt. Um den
Rechtsbegriff Umweltverträglichkeit im europäischen Energierecht zu verorten, wird
im Folgenden ein Überblick über die relevanten Normen unter Berücksichtigung
wesentlicher Urteile gegeben.
77 Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art 20a, Rn. 43; Kloepfer, in:
Dolzer/Vogel/Graßhof, Bonner Kommentar, Art. 20a, Rn. 33 ff.
78 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hg.), GG, Art. 20a, Rn. 69. Weitergehend Kuxenko, Umweltverträgliche Energieversorgung, der vertritt, für die Annahme einer bestimmten Pflicht müsse der
allgemeine Handlungsauftrag des Art. 20a GG noch auf den Energiebereich „zugeschnitten
werden“, S. 183 ff.
79 BVerfG, NJW 29/1971, 1255, 1258.
80 Pielow, Anreizregulierung, S. 9 f; Säcker, Regulierungsrecht zwischen öffentlichem und privatem Recht, AöR 130, S. 180, 187.
81 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hg.), GG, Art. 20a, Rn. 77.
82 Salzwedel, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, § 7 Rn. 26.
83 BGH, Az. VIII ZR 322/02, Urt. v. 11. 6. 2003, S. 11 f.
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References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.