tisch ist der Angriffspunkt des Belastungsminimierungsgrundsatzes allerdings weiter
gefasst als der von Einsparungsgrundsatz und Grundsatz des Ressourcenerhalts, da
die möglichst geringe Belastung nicht beschränkt wird: Es sollen nicht nur die Ressourcen vor Belastungen geschont werden, sondern die Umwelt.
Es ist Gegenstand des speziellen Umweltrechts, Umweltbelastungen zu minimieren. Insofern macht sich das EnWG damit teilweise die Zielsetzung des Fachrechts
wie BImSchG oder BNatSchG zu eigen.68 Insbesondere das BImSchG ist hinsichtlich der „klassischen“ -durch BImSchG geregelten- Emissionen spezieller als das
EnWG. Somit geht das BImSchG dem EnWG hinsichtlich dieser Emissionen als lex
specialis vor. Ohnehin dürfte eine weitergehende Regelung durch das EnWG vom
Gesetzgeber nicht angestrebt worden sein, da die Zweckbestimmung durch den Begriff möglichst abgemildert wird. Damit bleibt für Energiebehörden in den Fällen
kein Anwendungsspielraum, in denen das Fachrecht greift und die zuständigen Behörden tätig werden.69
An Anwendungsmöglichkeiten ist trotzdem zu denken: Zum einen könnte bei der
Entscheidung zwischen alternativen, die Umwelt unterschiedlich belastenden Maßnahmen der Belastungsminimierungsgrundsatz den Energiebehörden einen gewissen
Ermessensspielraum geben. Des Weiteren könnte sich ein Anwendungsbereich hinsichtlich der Reduzierung von Emissionen ergeben, deren Reduzierung nicht durch
das BImSchG abschließend geregelt ist. In Frage kommen Treibhausgase, deren Reduktion nicht nur mithilfe des BImSchG, sondern auch mit Hilfe von TEHG, EEG,
KWK-G oder EnergieeffizienzV erreicht werden soll. Treibhausgase führen zum
Anstieg der globalen Erwärmung und haben somit Einfluss auf das Klima beziehungsweise die Umwelt. Von einer abschließenden Regelung dieser Materie durch
BImSchG und TEHG kann also nicht ausgegangen werden. Damit bleibt dem Belastungsminimierungsgrundsatz die Anwendbarkeit für Treibhausgase und, im gewissen Rahmen, für den Schutz der Umwelt (zum Beispiel der Landschaft) vor Beeinträchtigungen.
IV. Die besondere Bedeutung erneuerbarer Energien und KWK-Anlagen
1. Fiktion
Der Nutzung erneuerbarer Energien und Kraft-Wärme-Kopplung kommt gemäß § 3
Nr. 33 EnWG im Rahmen der umweltverträglichen Energieversorgung besondere
Bedeutung zu. Fraglich ist, ob die Nennung spezifischer Energieträger eine Fiktion
normiert.
68 Büdenbender, EnWG 98, § 2 Rn. 65; Kuxenko, Umweltverträgliche Energieversorgung im
Planfeststellungsverfahren, NuR 2003, S. 332, 334.
69 Büdenbender, EnWG 98, § 2 Rn. 65; Salje, EnWG, § 3 Rn. 233.
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Eine Fiktion ist die gewollte Gleichsetzung eines als ungleich Erkannten.70 Wesentliche Eigenart einer Fiktion ist also die normative Gleichbewertung verschiedener Tatbestände im Sinne einer „als ob“-Formel.71 Von Bedeutung sein spricht diesen alternativen Energiequellen große Wichtigkeit zu – damit scheint die Umweltverträglichkeit in der Wertung des Gesetzgebers gegeben zu sein. Allerdings besteht
ein wesentlicher Unterschied zwischen der Wertung von Bedeutung sein und dem
Gleichsetzen im Sinne der Formulierung, die alternativen Energiequellen seien umweltverträglich. Nur eine Formulierung im letzteren Sinne ließe sich als Fiktion werten. Eine Fiktion liegt hier somit nicht vor.72
2. Regelvermutung
Es könnte eine Regelvermutung vorliegen. Regelvermutungen finden sich zum Beispiel in § 11 Abs. 3 S. 3 BauNVO, § 891 Abs. 1 BGB oder Art. 28 Abs. 2 EGBGB.
Beim Vorliegen eines bestimmten Tatbestands wird eine Rechtsfolge angenommen.
Dies wird auch durch den Wortlaut deutlich: Die Rechtsfolge wird vermutet (§ 891
Abs. 1 BGB, Art. 28 Abs. 2 EGBGB) oder ist in der Regel anzunehmen (§ 11 Abs. 3
S. 3 BauNVO). Der Gesetzgeber macht damit deutlich, dass die Regelvermutung
grundsätzlich zutreffen soll.
Mit der Formulierung wesentliche Bedeutung wird deutlich, dass der Gesetzgeber
davon ausgeht, Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbare Energien seien wichtig für
die Umweltverträglichkeit der Energieversorgung. Beide Formen der Energieproduktion sind also grundsätzlich oder weitgehend umweltverträglich. Zwar können
beide Formen der Energiegewinnung die Umwelt auch beeinträchtigen. Es besteht
aber die grundsätzliche Vermutung, dass beide Energieproduktionsformen das Umweltverträglichkeitsziel besonders wirksam erfüllen können.73
Damit formuliert das Gesetz also eine Regelvermutung hinsichtlich der Umweltverträglichkeit der Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbarer Energien.
Kann grundsätzlich eine Beeinträchtigung der Umwelt durch die Energieproduktion
angenommen werden, ist die besondere Schädlichkeit von KWK und erneuerbaren
Energien also zu begründen.
V. Ergebnis der Bestimmung des § 3 Nr. 33 EnWG
Nach dem Einsparungsgrundsatz ist eine Maßnahme umweltverträglich, wenn sie im
Vergleich zu anderen Handlungsmöglichkeiten Energie einspart. Dies führt zu gerin-
70 Fikentscher, Methoden des Rechts, Band IV, S. 285; Larenz, Methodenlehre, S. 262 m.w.N.
71 Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen, S. 29 f.
72 So auch Rebentisch, Umweltschutz im Energiewirtschaftsgesetz, UTR 2000, S. 191, 197.
73 Dagegen siehe Rebentisch, Umweltschutz im Energiewirtschaftsgesetz, UTR 2000, S. 191,
197.
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.