stünden.14 Dieser Zusammenhang sei jedenfalls bei historischen Kulturlandschaften
und Landschaften von besonderer charakteristischer Eigenart gegeben.15 Eine Abgrenzung einer solchen menschlich veränderten Landschaft von einem durch Abgase
angegriffenen Gebäude (zum Beispiel Kölner Dom) ist ohne weiteres mit Hilfe des
Merkmals natürlich möglich: Das Gebäude ist lediglich ein Bauwerk, ein Bezug zur
natürlichen Umwelt ist in keinem nennenswerten Umfang gegeben. Insofern ist das
Merkmal enger Bezug im Gegensatz zur oben genannter Kritik nicht unbestimmt.
Des Weiteren ist zu beachten, dass kein sachlicher Unterschied zwischen den Begriffen Umwelt und natürliche Lebensgrundlagen (Schutzauftrag in Art. 20a GG)
besteht.16 Eine Fachrecht übergreifende Definition des Umweltbegriffs muss sich am
übergreifenden Recht, insbesondere an der Verfassung orientieren, um Begriffsverwirrungen zu vermeiden. Der Wortlaut der Verfassung in Art. 20 a GG deutet auf
ein Verständnis des Umweltbegriffs im Sinne der natürlichen Umwelt hin.17 Nur bei
einem engen Bezug zu natürlichen Umweltgütern sind Kultur- uns Sachgüter vom
Umweltbegriff umfasst.
6. Ergebnis
Der Umweltbegriff ist somit in diesem Sinne modifiziert-restriktiv zu verstehen. Anders gefasst: Eine Fachrecht übergreifende Definition des Umweltbegriffs versteht
unter Umwelt die natürliche Lebensgrundlagen und, im engen Bezug zu diesen stehend, die vom Menschen gestaltete Natur.
II. Der Umweltbegriff im europäischen Recht
1. Primärrecht
Zunächst ist das Primärrecht auf eine Definition des Umweltbegriffs hin zu untersuchen, da es grundsätzlich Vorrang gegenüber dem Sekundärrecht hat18. In Titel XIX
des EG-Vertrags wird die Kompetenz der Gemeinschaft für den Umweltschutz begründet (Art. 175 EG). Art. 174 Abs. 1 EG legt die vier wesentlichen umweltpoliti-
13 Bunge, in: Storm/Bunge, HdUVP, 0600 (§ 2 UVPG) Rn. 77. Auch Jarass lehnt den engen Bezug zur natürlichen Umwelt ab (Jarass, BImSchG, § 1 Rn. 3). Dessen historische Argumentation im Rahmen des BImSchG kann aber nicht auf eine fachrechtübergreifende Definition übertragen werden .
14 Appold, in: Hoppe, UVPG, § 2 Rn. 31; Dietlein, in: Hansmann (Hg.), Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 1 Rn. 14; Erbguth/Schink, UVPG, § 2 Rn. 34.
15 Erbguth/Schink, UVPG, § 2 Rn. 34.
16 Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art 20a, Rn. 16; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG,
III, Art. 20a, Rn. 36.
17 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, III, Art. 20a, Rn. 36.
18 Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/EGV, Art. 249 EG, Rn. 14.
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schen Aufgaben fest; darunter nennt der 1. Spiegelstrich „Erhaltung und Schutz der
Umwelt“. Eine Definition des Umweltbegriffs mit dem Begriff selbst wäre jedoch
eine Tautologie. Somit definiert Art. 174 Abs. 1 EG den Umweltbegriff nicht, sondern setzt ihn voraus. Eine andere Begriffsbestimmung aufgrund des Primärrechts
ist nicht ersichtlich.
2. Sekundärrecht
Im Sekundärrecht finden sich Umschreibungen des Umweltbegriffs. Zum Beispiel
Art. 3 der Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung bestimmt als Prüfungsziel
die Auswirkungen eines Projekts auf Mensch, Fauna und Flora, Boden, Wasser,
Luft, Klima und Landschaft, die Sachgüter und kulturelles Erbe sowie auf die Wechselwirkungen dieser Faktoren untereinander.19 Zieht man die oben zum deutschen
Recht entwickelten Begrifflichkeiten heran, so handelt es sich hier um ein modifiziert-restriktives Verständnis des Umweltbegriffs. Noch weiter geht eine Mitteilung
der Europäischen Kommission vom 24. März 1972, in der sie Umwelt definiert als
„Gesamtheit der Elemente, die -so, wie sie sind oder wie sie empfunden werden- in
ihrem komplexen Zusammenwirken den Lebensrahmen, das Milieu und die Lebensbedingungen des Menschen und der Gesellschaft bilden [...].“20 Bezieht man diese
Definition auf die Ausführungen zum deutschen Recht, könnte die Kommission den
Umweltbegriff extensiv verstanden wissen wollen.
Eine Auslegung des Umweltbegriffs auf dem Boden des Sekundärrechts könnte
jedoch wegen eines Verstoßes gegen die Normenhierarchie des Gemeinschaftsrechts
unzulässig sein. Denn der Umweltbegriff könnte bereits abschließend durch das Primärrecht bestimmt werden müssen. Dagegen spricht, dass keine Legaldefinition im
Primärrecht vorliegt. Für die Notwendigkeit einer abschließenden Definition durch
das Primärrecht ist hingegen anzuführen, dass mit einer Definition des Umweltbegriffs die Kompetenzen der EG im Umweltbereich festgelegt werden. Denn Art. 175
EG erlaubt ein Tätigwerden der EG zur Erreichung der Ziele des Art. 174 EG, also
unter anderem im Rahmen des Umweltschutzes. Stünde es den Organen der EG frei,
den Umweltbegriff zu definieren, wären sie somit in der Lage, die Zuständigkeit der
EG selbst zu definieren. Gemäß Art. 5 Abs. 1 EG wird die Zuständigkeit der EG
aber durch das Primärrecht und damit durch die Mitgliedstaaten selbst bestimmt
(Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung)21. Eine Bestimmung des Umweltbegriffs durch das Sekundärrecht, und damit durch die Organe der EG, widerspräche
somit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Der Umweltbegriff wird
durch das Primärrecht schon vorausgesetzt und ist somit nicht mit Hilfe des Sekundärrechts, sondern allein durch Auslegung des Primärrechts zu bestimmen.22
19 Richtlinie 85/337/EWG, ABl. 1985 L 175, S. 40.
20 ABl. 1972 C 52, S. 1 (4).
21 Vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hg.), EUV/EGV, Art. 5 EG, Rn. 8.
22 Epiney, Umweltrecht in der EU, S. 4.
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3. Auslegung des Primärrechts
Durch Auslegung des Primärrechts könnte der Umweltbegriff zu bestimmen sein.
Bei den Verhandlungen zum Umwelttitel des EG-Vertrags wurden verschiedene
Einschränkungen oder Definitionen des Umweltbegriffs eingebracht. Aber weder
die Beschränkung auf Umwelt in der Gemeinschaft oder die natürliche Umwelt noch
eine Enumeration der Umweltbereiche waren mehrheitsfähig. Daraus wird teilweise
auf ein besonders weit gehendes Begriffsverständnis geschlossen, das nicht nur die
natürlichen Lebengrundlagen, sondern auch das sozio-ökonomische Umfeld umfasst.23
Eine Einschränkung des Umweltbegriffs wird teilweise grundsätzlich abgelehnt,
weil der Umweltbegriff dann seine Anpassungsfähigkeit verlöre.24 Allerdings begegnet ein extensiver Umweltbegriff im europäischen Recht der gleichen Kritik wie ein
extensiver nationaler Umweltbegriff.25 Auch führt die Uferlosigkeit des Begriffs zu
Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den vergemeinschafteten Politikbereichen.26
Die Grenzziehung zwischen den einzelnen Politikbereichen wird erschwert, wenn
die Umweltkompetenz auch als Auffanggrundnorm für alle sozialen und wirtschaftlichen Belange diente. Es wäre nicht absehbar, auf welchen Titel europäische
Rechtsakte gestützt werden können. Das ist insbesondere problematisch, weil die
Wahl der Ermächtigungsgrundlage nicht beliebig ist, da von ihr Organkompetenz
und Verfahren (Intensität der Beteiligung des Europäischen Parlaments, Beschlussfassungsmehrheit im Rat) abhängen.27
Als weiteres systematisches Argument für eine Begrenzung wird die Unterscheidung zwischen Arbeitsumwelt und Umwelt in Art. 95 Abs. 5 EG herangezogen, um
zu begründen, dass der Umweltbegriff nicht „allumfassend“ sei.28 Sonst wäre die
Nennung des Begriffs Arbeitsumwelt überflüssig. Ein restriktives Verständnis des
Umweltbegriffs wäre indiziert.
Auch teleologisch könnte der Umweltbegriff eingeschränkt werden müssen. Ein
weiter Umweltbegriff führt zu einer dementsprechend weiten Zuständigkeit der europäischen Organe. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung würde ad absurdum geführt, verlangte man einerseits eine Ermächtigung, damit die EG überhaupt tätig werden darf, wenn die Ermächtigung andererseits uferlos ist. Insofern ist
der Umweltbegriff teleologisch auf den Schutz der natürlichen Umwelt zu reduzieren. Der Begriff natürliche Umwelt darf aber wiederum nicht auf die unberührte
23 Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 15 ff.
24 Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 14.
25 Siehe dazu S. 57 unter Nr. 5.
26 Epiney, Umweltrecht in der EU, S. 6.
27 König, in: Schulze/Zuleeg (Hg.), Europarecht, § 2 Rn. 11.
28 Epiney, Umweltrecht in der EU, S. 5; Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EU-Recht (Maastrichter Fassung), Art. 130r Rn. 2; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 84; Krämer, in: von der
Groeben/Schwarze (Hg.), Kommentar zum EG-/EU-Vertrag, Art. 174 EG, Rn. 6.
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Umwelt beschränkt sein, um der Umweltpolitik einen realistischen Anwendungsbereich zu eröffnen.29
Aus systematischen und teleologischen Gründen ist der europäische Umweltbegriff auch restriktiv zu verstehen. Somit ist auch der europäische Umweltbegriff modifiziert-restriktiv auszulegen.
III. Ergebnis – Umweltbegriff im deutschen wie europäischen Recht
Im deutschen wie europäischen Recht wird ein im Wesentlichen deckungsgleicher
Umweltbegriff verwendet.30 Im Sinne der oben dargelegten Terminologie31 ist dies
der modifiziert-restriktive Umweltbegriff. Umwelt sind somit die natürliche Lebensgrundlagen und, im engen Bezug zu diesen stehend, die vom Menschen gestaltete
Natur.
B. Die Definition von „Umweltverträglichkeit“ in § 3 Nr. 33 EnWG
Der Zweck des EnWG bezieht sich auf alle Kriterien, die die Energieversorgung erfüllen muss. Deshalb kann eines der Kriterien nicht als Zweck des Gesetzes bezeichnet werden. Für die einzelnen Kriterien wird im EnWG der Begriff Ziele verwendet,
§ 17 Abs. 2 oder § 20 Abs. 2 EnWG.
Der in § 1 Abs. 1 EnWG niedergelegte Gesetzeszweck nennt fünf Einzelziele.
Umweltverträglichkeit ist eine der fünf Zielbestimmungen. Der Begriff Umweltverträglichkeit wurde im deutschen Gesetz zum ersten Mal im UVPG erwähnt.32 Im
EnWG steht der Begriff als Zielbestimmung seit der Reform von 1998. Eine Legaldefinition findet sich in § 3 Nr. 33 EnWG. Die Begriffsbestimmung lässt sich in drei
Abschnitte unterteilen, die hier in Anlehnung an Salje als Einsparungsgrundsatz,
Grundsatz des Ressourcenerhalts und Belastungsminimierungsgrundsatz bezeichnet
werden.33
29 Epiney, Umweltrecht in der EU, S. 7; Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EU-Recht (Maastrichter Fassung), Art 130r, Rn. 3; Scherer/Heselhaus, in: Dauses (Hg.), Hdb. EU-WirtschaftsR,
O Rn. 11.
30 So auch Büdenbender/Rosin, KWK-AusbauG, § 1 Rn. 65; Kloepfer, Umweltrecht, § 9 Rn. 84.
31 Siehe oben S. 56 unter Nr. 3.
32 Kuxenko, Umweltverträgliche Energieversorgung im Planfeststellungsverfahren, NuR 2003, S.
332, 333 f.
33 Salje, Umweltaspekte der EnWG-Reform, UPR 1998, S. 201, 203. Salje bezeichnet den zweiten Abschnitt allerdings mit dem Begriff Nachhaltigkeitsgrundsatz, was hier aber nicht übernommen werden soll. Siehe dazu S. 67 unter Nr. 3.
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.