kreis zuzuordnen. Gegenüber dem Netzbetreiber ist ein Bilanzkreisverantwortlicher
zu ernennen, § 4 Abs. 2 StromNZV. Der Bilanzkreisverantwortliche muss dafür sorgen, dass sich innerhalb einer Bilanzierungsperiode die Menge der abgenommenen
beziehungsweise verkauften Energie mit der eingespeisten Menge deckt. Bilanzkreise sind also reine Kontingentierungssysteme, keine geographischen Einheiten.23
Der Bilanzkreisverantwortliche stellt dem Übertragungsnetzbetreiber innerhalb
definierter Fristen Bedarfsprognosen zur Verfügung. Der Übertragungsnetzbetreiber
sorgt mithilfe der in Kapitel IV. dargestellten Regelleistungsinstrumente für den momentanen Ausgleich zwischen Beschaffung und Abgabe. Der Bilanzkreisverantwortliche ist für den Ausgleich im Rahmen einer Abrechnungsperiode zuständig.
Die Ausgleichsenergie ist nun die Differenz zwischen erfolgter Einspeisung eines
Bilanzkreisverantwortlichen (durch Handel oder Eigenproduktion) und der tatsächlichen Kundenentnahme.24 Ausgleichsenergie muss also vom Bilanzkreisverantwortlichen dem Übertragungsnetzbetreiber zur Verfügung gestellt beziehungsweise abgenommen werden, damit der Bilanzkreis ausgeglichen ist. Im Unterschied zur Regelleistung muss dies jedoch nicht im Moment der Prognoseabweichung geschehen,
sondern bei der späteren Abrechnung der Bilanzabweichungen. Die kann gemäß § 8
Abs. 2 StromNZV innerhalb von zwei Monaten erfolgen.
VI. Systemverantwortung des Übertragungsnetzbetreibers
Von den vielen im Verbund tätigen Netzbetreibern trägt der Übertragungsnetzbetreiber die Systemverantwortung. Das ergibt sich aus den §§ 12 und 13 EnWG. Systemverantwortung bedeutet insbesondere sicherzustellen, dass der Bedarf an Übertragung von Elektrizität befriedigt werden kann und die Versorgungssicherheit durch
die Bereitstellung der entsprechenden Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit
der Netze gesichert ist, § 12 Abs. 3 EnWG.
Den Übertragungsnetzbetreiber trifft nach §§ 11 Abs. 1 und 12 Abs. 3 EnWG
weiterhin die Pflicht, die Netze im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit bedarfsgerecht auszubauen. Wird der Ausbau am Bedarf orientiert, sollten keine Engpässe von Dauer im Netz entstehen dürfen.25 Tritt der Netzengpass aber nur sehr selten auf, kann ein Fall der Unzumutbarkeit vorliegen. Die Kosten eines Netzausbaus
haben dann einen nur geringen Nutzen und können unverhältnismäßig sein. Unzumutbar ist ein Netzausbau deshalb dann, wenn der Netzbetreiber auch bei langfristiger Betrachtung nicht in der Lage sein wird, die entstehenden Netzausbaukosten
durch Netznutzungsentgelte bezahlt zu bekommen.26
Unabhängig von der bestehenden Pflicht zum Netzausbau muss der Übertragungsnetzbetreiber aber kurzfristig eingreifen können, wenn eine Gefährdung der
23 Spicker, in: Schwintowski (Hg.), Handbuch Energiehandel, S. 50.
24 Engelsing, in: Säcker (Hg.), Berliner Kommentar EnR, GWB § 19 Rn. 171.
25 Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE
2007, S. 36, 37.
26 Salje, EnWG, § 11 Rn. 23.
30
Systemsicherheit zu befürchten ist. Um das Netz in so einem Fall zu entlasten, hat
der Netzbetreiber nach § 13 EnWG als ultima ratio sogar die Möglichkeit, kurzfristig Erzeugungsanlagen abzuschalten oder herunterzuregeln beziehungsweise die
Einspeiseminderung von den Anlagenbetreibern vornehmen zu lassen.
Ist die Sicherheit gefährdet oder gestört, erlaubt § 13 EnWG in einem Stufensystem, Störungen vorzubeugen beziehungsweise sie zu verhindern. Zunächst müssen
gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG netzbezogene Maßnahmen durchgeführt werden.
Diese Maßnahmen betreffen den „internen“ Bereich des Netzbetreibers, also zum
Beispiel Entlastungsschaltungen durch das Heranziehen nicht benutzter Netzteile.27
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG kann der Netzbetreiber marktbezogene Maßnahmen anwenden; dies sind zum Beispiel Redispatching28 oder Regelleistung.29 Sind
die Maßnahmen des § 13 Abs. 1 EnWG nicht erfolgreich, können die Netzbetreiber
in einem weiteren Schritt gemäß § 13 Abs. 2 EnWG Erzeugung, Lasten oder Stromtransite anpassen oder anpassen lassen.
Die Systemsicherheit ist gefährdet, wenn Netzausfälle oder kurzfristige Netzengpässe zu besorgen sind oder Frequenz oder Spannung nicht im erforderlichen Maße
aufrecht erhalten werden können, § 13 Abs. 3 EnWG.
Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals kurzfristig stellt sich die Frage, ob langfristige Netzengpässe (zum Beispiel bei fehlendem zumutbaren Netzausbau) in den
Anwendungsbereich des § 13 EnWG fallen können. Es ist zu bedenken, dass § 13
EnWG die Aufgaben- und Rechtsstellung der Netzbetreiber in Hinblick auf die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesamtnetzsystems regelt.30 Eine Begrenzung der Rechte und Pflichten des Netzbetreibers auf Netzengpässe, die nur von
kurzer Dauer sind, könnte deshalb zur Gefährdung der Netzsicherheit bei länger andauernden Netzengpässen führen. Das Tatbestandsmerkmal könnte somit so auszulegen sein, dass bereits kurzfristige Netzengpässe Maßnahmen nach § 13 EnWG
rechtfertigen und erforderlich machen und langfristige Ausfälle deshalb erfasst
sind.31 Allerdings bestünde nur dann eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Netzes, wenn der Netzbetreiber bei länger andauernden Netzengpässen keine gesetzliche Handhabe gegenüber den Netznutzern hätte, um deren Einspeise- und Ausspeiseleistung im Sinne der Netzsicherheit zu reduzieren. Diese stehen ihm aber mit
§§ 17 Abs. 2, 20 Abs. 2 EnWG und insbesondere dem Bewirtschaftungsverfahren
nach § 15 Abs. 2 StromNZV zu. § 13 EnWG regelt dagegen nur den Extremfall einer unvorhersehbaren Netzstörung, weshalb Ansprüche aus Vermögensschaden gemäß Absatz 4 ausgeschlossen sind. Für vorhersehbare und langfristige Engpässe
kann § 13 EnWG deshalb gerade keine Rechtsgrundlage sein.32
27 Salje, EnWG, § 13 Rn. 15 und 19.
28 Redispatching ist ein Mechanismus, dem eine vertragliche Vereinbarung zwischen Kraftwerksund Netzbetreiber zugrunde liegt, die es erlaubt, die Kraftwerksfahrweise der Engpasssituation
anpassen zu können.
29 GesE der BReg zum EnWG, BT-Drucks, 15/3917, S. 57.
30 GesE der BReg zum EnWG, BT-Drucks, 15/3917, S. 56.
31 Salje, EnWG, § 13 Rn. 8.
32 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? (Teil 1), IR 2006,
S. 199, 202; Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redis-
31
VII. Netzanschluss
Eine Anlage kann nur Energie ins Netz einspeisen, wenn sie daran angeschlossen ist.
Der Anschluss ist tatsächliche und rechtliche Voraussetzung für den Netzzugang.33
Die gesetzlichen Grundlagen des Anschlusses von Anlagen richten sich grundsätzlich nach dem EnWG. Es gelten spezielle Regelungen im Anwendungsbereich von
EEG und KWK-G.
1. Netzanschluss nach EnWG
Nach § 17 Abs. 1 EnWG haben Betreiber von Erzeugungsanlagen einen Anspruch auf Netzanschluss. Der Anschluss kann gemäß § 17 Abs. 2 EnWG verweigert werden, wenn er unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG nicht
möglich oder nicht zumutbar ist. Die Bestimmungen des Netzanschlusses können
gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 EnWG durch eine Anschlussverordnung konkretisiert werden, wovon im Strombereich mit der KraftNAV Gebrauch gemacht worden ist.
Ein Anschluss ist insbesondere dann (subjektiv) unmöglich, wenn keine ausreichende Kapazität zur Aufnahme des produzierten Stroms im jeweiligen Netzabschnitt vorhanden ist.34 Bei Kapazitätsmangel muss der Netzbetreiber die konkreten
Maßnahmen und Kosten darlegen, die zum Ausbau des Netzes erforderlich wären,
§ 17 Abs. 2 S. 3 EnWG. Inwieweit eine Ausbauverpflichtung des Netzbetreibers besteht, ist streitig. Teilweise wird sie abgelehnt, weil § 17 Abs. 2 EnWG keine explizite Ausbauverpflichtung enthalte. Auch die EltRL ordne den Ausbau nicht zwingend an.35 Dagegen wird angeführt, die Netzbetreiber seien nach § 11 Abs. 1 EnWG
verpflichtet, das Netz im Rahmen des wirtschaftlich zumutbaren bedarfsgerecht auszubauen. Auch nach § 12 Abs. 3 EnWG müssen Betreiber von Übertragungs- und
Verteilernetzen (dann in Verbindung mit § 14 Abs. 1 EnWG) sicherstellen, dass die
Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität durch Bereitstellung entsprechender
Übertragungskapazität befriedigt werden kann.36 Die genannten Ausbauverpflichtungen sind nicht auf besondere Situationen wie zum Beispiel die Durchleitung beschränkt. Somit erstreckt sich die Ausbauverpflichtungen im Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit auch auf den Netzanschluss von Kraftwerken. Eine explizite
Ausbauverpflichtung in § 17 Abs. 2 EnWG ist also nicht erforderlich.
patching, RdE 2007, S. 36, 37.
33 GesE der BReg zum EnWG, BT-Drucks, 15/3917, S. 58.
34 Salje, EnWG, § 17 Rn. 36 f.
35 Salje, EnWG, § 17 Rn. 43.
36 V. Hammerstein, Netzanschluss und Netzzugang, ZNER 2006, S. 110, 111.
32
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.