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E. Zusammenfassung
Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß die Dogmatik des Stiftungsrechts
nicht regelungsarm ist und die Bundesgesetzgebung einen klaren Rahmen für die
Vorstandspflichten geschaffen hat. Die Landesgesetzgeber mißverstehen teilweise die bundesrechtlichen Vorgaben und insbesondere das rechtliche Konzept
der konkurrierenden Gesetzgebung. Teilweise versteht sich das Landesrecht als
grundlegende Rechtsquelle zum Stiftungsrecht, eine Ansicht, die auch in der stiftungsrechtlichen Literatur nicht fremd scheint1567. Aus Landesrecht kann jedoch
dasjenige nicht mehr konkretisierend normiert werden, was bereits im Bundesrecht abschließend geregelt ist. Dabei ist abschließendes Bundesrecht auch dann
nicht mehr durch Landesrecht ergänzbar, wenn das Bundesrecht noch konkretisierender Auslegung bedarf, da diese nur anhand der Bundesrechtssystematik
vorgenommen werden kann. Soweit die Landesgesetzgeber versuchen, die vermeintlich unklaren und auslegungsbedürftigen aber gleichwohl abschließenden
Bundesnormen durch Landesrecht auszufüllen, auszulegen, zu erläutern oder anhand des Ergebnisses eigener Auslegung neu zu formulieren, verstoßen sie gegen
zwingende Kompetenzregeln der Verfassung. Obgleich die landesrechtlichen Regelungen ein wichtiger Bestandteil des Stiftungsrechts sind, müssen diese im Zusammenspiel mit den Bundesvorgaben das Stiftungsrecht beschreiben und regeln,
ein isoliertes Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht gibt es nicht1568. Die
Knappheit der §§ 80 ff. BGB darf die Landesgesetzgeber nicht dazu verleiten,
vermeintlich eindeutigere und klarere Normen im Landesrecht zu schaffen, deren
einziges Ziel es ist, die Bundesnormen zu erklären und für Laien verständlich zu
machen. Es ist vielmehr Aufgabe des Landesrechts, die verbleibenden Rechtsräume auszufüllen und zu konkretisieren, mithin den Platz für landesrechtliche
Besonderheiten im festen bundesrechtlichen Rahmen zu nutzen. Soweit die Länder dies nicht tun, verfehlen sie ihren Gesetzgebungsauftrag und mißverstehen ein
föderales Konzept der Legislative.
Die zwei großen Pflichten des Stiftungsvorstands, nämlich die Pflicht zur Stiftungszweckerfüllung und die Pflicht zur Vermögenserhaltung, folgen bereits
abschließend aus Bundesrecht. Landesrechtliche Regelungen hierzu sind überflüssig und kompetenzwidrig. Überdies ignorieren die Landesgesetze das Verhältnis zwischen diesen beiden Prinzipien, nämlich die nachrangige Stellung der
Vermögenserhaltungspflicht gegenüber der Stiftungszweckerfüllung, welches
sich nur aus bundesrechtlicher Gesetzessytematik ergibt. Eine zulässige landes-
1567 Carstensen, ZSt 2005, 90, 91, nennt §§ 80 ff. BGB als gesetzliche Grundlage nicht einmal
mehr; auch Seifart/v.Campenhausen/v.Campenhausen, § 3, Rn. 3 nennt als wichtigsten
Bestandteil des bundesrechtlichen Stiftungsrechts das Steuerrecht und nicht etwa die §§ 80
ff. BGB.
1568 Andrick, ZSt 2005, 155, 156.
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rechtliche Regelung zur Vermögenserhaltungspflicht liegt allerdings in der Vermögenstrennungspflicht, die sich so aus Bundesrecht nicht ergibt. Weitere Landesnormierungen, wie die Pflicht der Stiftung Erträge nur zugunsten des Stiftungszwecks zu verwenden, sind Selbstverständlichkeiten des Bundesrechts und
als gleichlautendes Landesrecht unwirksam. Grundsätzliche Aussagen zur Vermögensanlage können vom Landesgesetzgeber dann auch nicht getroffen werden,
wenn dadurch der Entscheidungsspielraum der Stiftungsorgane bei wirtschaftlichen Entscheidungen im Spannungsverhältnis zwischen Rentabilität und Risiko
beeinträchtigt wird. Dies betrifft insbesondere Fragen der Vermögensanlageform
und Eingrenzungen oder Ausweitungen der Thesaurierungsmöglichkeiten.
Ein bedeutender Regelungskomplex des Landesrechts sind die Normen zur
Stiftungsaufsicht. Kompetenzen der Behörde, die ohne Eingriff in Rechte der
Stiftung möglich sind, sind zulässig. Eingriffsbefugnisse sind dagegen daran zu
messen, ob mit ihnen das bundesrechtlich geregelte Stiftungsrecht verändert oder
unzulässig ergänzt wird. Dabei sind ihre Eingriffe immer nur im Rahmen einer
Rechtsaufsicht möglich, wie BVerfGE 40, 347, 352 klarstellt. Zulässig sind die
Befugnisse der Aufsichtsbehörde zur Informationsbeschaffung, solange sie verhältnismäßig ausgeübt werden.
Teilweise unwirksam sind dagegen die Genehmigungsvorbehalte der Stiftungsaufsicht. Dies folgt häufig schon daraus, daß die Stiftungsaufsicht nicht Vorhaben oder Handlungen des Stiftungsvorstands genehmigen kann, die bereits
nach Bundesrecht unzulässig oder unmöglich sind: Zulässig sind Änderungen der
Stiftungssatzung, soweit sie sich auf einfache Satzungsfragen, d.h. auf Fragen,
die den Stiftungszweck nicht berühren, beschränken und wenn der Stifter eine
entsprechende Öffnungsklausel vorgesehen hat. Soweit es an einer Öffnungsklausel fehlt, sind einfache Satzungsänderungen nur zulässig, wenn dies mit der stifterlichen Intention bei Errichtung der Stiftung vereinbar ist. Für Fragen der
§ 81 I 3 Nr. 1, 2, 4, 5 BGB wird dies grundsätzlich zu verneinen, für völlig unwesentliche Veränderungen wohl eher zu bejahen sein. Im Falle der wesentlichen
Veränderung der Verhältnisse kann eine Änderung der Stiftungssatzung in einfachen Satzungsfragen möglich sein. In jedem Fall ist aber auf den tatsächlichen
oder mutmaßlichen Willen des Stifters beim Stiftungsgeschäft abzustellen.
Unwirksam sind dagegen jegliche Änderungsbefugnisse der Stiftungsorgane
und entsprechende Genehmigungsvorbehalte der Landesgesetze soweit sie den
Stiftungszweck selbst betreffen. Diese Normen verstoßen gegen die abschlie-
ßende Vorschrift des § 87 I BGB, die den einzigen Fall einer Stiftungszweckänderung bzw. Stiftungsaufhebung regelt. Es steht dem Stiftungsvorstand nicht zu,
eine solche Änderung herbeizuführen. Diese Eingriffe dürfen nur vom Staat im
Rahmen des § 87 I BGB vorgenommen werden. Gleiches gilt für landesrechtliche
Zusammenlegungs- und Umwandlungsbefugnisse.
Auch solche Eingriffe in die zentralen Merkmale der Stiftungsorganisation
sind der Stiftungsaufsichtsbehörde vorbehalten. Soweit das Landesrecht die Aufsichtsbehörde zu solchen Zusammenlegungs- und Umwandlungseingriffen
ermächtigt, folgt die Nichtigkeit aus der Vorrangstellung von § 87 I BGB. Die
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entsprechenden Befugnisse sind bereits als mildere Mittel aus § 87 I BGB und
damit nach Bundesrecht möglich.
Aus der Stellung der Stiftungsaufsichtsbehörde als reine Rechtsaufsichtsinstanz ergeben sich weitere Erkenntnisse hinsichtlich der landesrechtlichen
Genehmigungsvorbehalte. Bzgl. einzelner Rechtsgeschäfte sind diese nämlich
auch dann unwirksam, wenn sie in den Beurteilungsspielraum des Stiftungsvorstands eingreifen, den dieser in Abwägung zwischen Rentabilität und Risiko hat.
Die Grenzen dieses Spannungsverhältnisses ergeben sich aus Bundesrecht als
Pflicht zur Ertragsmaximierung einerseits und der Pflicht zur Vermögenserhaltung andererseits. Dies ist insbesondere bei Fragen der Vermögensumschichtungen und Thesaurierungen relevant, da diesbezüglich das Spannungsverhältnis
zwischen den beiden Vermögensverwaltungspflichten offen zutage tritt. Das Bundesrecht läßt bewußt einen Entscheidungsspielraum des Vorstands offen, den das
Landesrecht nicht mit Genehmigungsvorbehalten in die eine oder andere Richtung einengen darf. Die Stiftungsaufsicht als Rechtsaufsichtsbehörde trifft solche
Ermessensentscheidungen nicht anstelle der Stiftungsorgane.
Zulässig sind dagegen Genehmigungsvorbehalte bei belastenden Zuwendungen, also bei solchen Unterstützungen, die mit einer zusätzlichen Belastung versehen sind. Hierbei darf die Aufsichtsbehörde überprüfen, ob die Belastung die
Zuwendung überschreitet oder ob unüberschaubare Risiken aufgenommen werden, mithin ob die Grenzen des Entscheidungsspielraums des Stiftungsvorstands
überschritten werden. Gleiches gilt für den Abschluß von besonders werthaltigen
oder riskanten Rechtsgeschäften. Im Wege rechtsaufsichtlicher Kontrolle darf die
Stiftungsaufsicht vor ihrer Genehmigung überprüfen, ob ein Verstoß gegen Bundesrecht oder zulässig erlassenem Landesrecht vorliegt. Ein Genehmigungsvorbehalt bei Rechtsgeschäften über Gegenstände von besonderem immateriellem
Wert mit dem Ziel einer ermessensabhängigen Gestattung des Rechtsgeschäfts
durch die Behörde ist unwirksam. Über die Genehmigung zur Ausfuhr solcher
Gegenstände entscheidet die zuständige Bundesbehörde im Wege zulässigen
Ermessens. Die Stiftungsbehörde darf daher lediglich überprüfen, ob die Genehmigung der Bundesbehörde eingeholt wurde bzw. ob sonst ein rechtswidriges
Handeln vorliegt.
Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Rechtsaufsicht sind die Genehmigungsvorbehalte bei sog. Insichgeschäften zu betrachten. Die Aufsichtsbehörde
darf bei der Gestattung solcher Insichgeschäfte keine ermessensabhängige Entscheidung im Sinne einer Genehmigung des Insichgeschäfts treffen, sondern
allenfalls prüfen ob ein Insichgeschäft i.S.d. § 181 BGB vorliegt und ob ohnehin
eine satzungsmäßige Genehmigung vorliegt bzw. ob ein zuständiges Satzungsorgan, das notfalls vom Amtsgericht gem. §§ 86, 29 BGB zu bestellen ist, eine entsprechende Genehmigung erteilen kann. Ist dies nicht der Fall, ist das angestrebte
Insichgeschäft unwirksam.
Stiftungsrechtlich überwiegend unproblematisch sind die repressiven Aufsichtsmaßnahmen der Anordnung, Beanstandung, Ersatzvornahme und Aufhebung von Organhandlungen und -beschlüssen. Diese müssen für ihre Rechtmä-
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ßigkeit auf rechtmäßigen Grundlagen basieren, die sich aus dem allgemeinen
Stiftungsrecht ergeben. Die Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen ist daher
anhand der Verhältnismäßigkeit und zulässiger Ermessensausübung zu prüfen
und im Einzelfall gesondert zu betrachten. Die Abberufung von Stiftungsorganmitgliedern ist zulässig. Ebenfalls zulässig ist die Bestellung eines Sachwalters,
der bei grobem Fehlverhalten der Stiftungsorgane deren Geschäfte übernimmt.
Unzulässig ist dagegen die Neubesetzung des Stiftungsvorstands durch die Aufsichtsbehörde oder die Notbestellung von Stiftungsorganmitgliedern durch die
Aufsichtsbehörde. §§ 86, 29 BGB sehen hierfür abschließende Spezialnormen
vor.
Die Haftung des Stiftungsvorstands gegenüber der Stiftung folgt aus dem
besonderen Schuldverhältnis, das zwischen Stiftung und Vorstand besteht, wobei
dessen konkrete Ausgestaltung die Anwendbarkeit schuldrechtlicher Schadensersatznormen nicht hindert. Haftungserleichterungen können nur vom Stifter im
Stiftungsgeschäft oder in der Stiftungssatzung normiert werden; der Haftungsmaßstab ergibt sich ansonsten abschließend aus § 276 BGB. Landesrechtliche
Haftungserleichterungen sind unwirksam; arbeitsrechtliche Haftungserleichterungen kommen nicht in Betracht. Die deliktische Haftung ist neben der schuldrechtlichen Haftung möglich und denkbar, wird im Regelfall aber hinter letzterer
zurückstehen.
Eine Entlastung des Stiftungsvorstands ist nur durch ein vom Stifter in der Satzung konstituiertes Kontrollorgan bzw. ein eigens vorgesehenes Entlastungsorgan
möglich. Die Rechtsaufsichtsbehörde kann derartige Entlastungen nicht vornehmen.
Im Verhältnis zu den Destinatären hat eine Haftung des Stiftungsvorstands nur
sehr eingeschränkte Bedeutung. Aus besonderen schuldrechtlichen Normen ist
diese kaum denkbar; relevant kann diesbezüglich allenfalls das Deliktsrecht werden, da den Destinatären keine besondere schuldrechtlich geschützte Stellung im
Verhältnis zum Stiftungsvorstand zukommt. § 823 II BGB und § 826 BGB sind
als Anspruchsgrundlagen der Destinatäre gegenüber dem Stiftungsvorstand möglich. Diese schützen die Destinatäre allerdings auch nur begrenzt in Fällen vorsätzlicher deliktischer bzw. strafrechtlicher Beeinträchtigung ihrer Vermögensinteressen durch den Vorstand.
Soweit Stiftung und Stiftungsvorstand gemeinsam gegenüber den Destinatären
aufgrund deliktischer Schädigung der Destinatäre durch den Vorstand haften,
sind sie gem. § 840 I BGB i.V.m. § 31 BGB Gesamtschuldner. Soweit Stiftung
und Destinatäre gleichermaßen einen Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand haben, handelt es sich um eine Gläubigermehrheit, die nicht als Gesamtgläubigerschaft des § 428 BGB gilt. Ähnlich der Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft können die Destinatäre nur Leistung an die Stiftung und nicht Leistung
an sich selbst verlangen.
Im Vertretungsrecht gilt beim mehrgliedrigen Vorstand Mehrheitsvertretungsmacht, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt. Die Vertretungsmacht des
Stiftungsvorstands ist durch die Satzung beschränkbar und gilt ohne Rücksicht
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auf die Gutgläubigkeit gegenüber jedem Dritten. Diese Beschränkung folgt nicht
schon selbst aus dem Stiftungszweck. Vertretungsbescheinigungen werden von
der Aufsichtsbehörde erteilt; diese entfalten aber keine Wirkung im Verhältnis zu
Dritten. Insbesondere gilt § 172 BGB nicht. Ein Schutz des Rechtsverkehrs entfalten die Vertretungsbescheinigungen dadurch, daß bei einer schuldhaft fehlerhaft erteilten Vertretungsbescheinigung die Aufsichtsbehörde eine Haftung gem.
§ 839 BGB, Art. 34 GG begründet.
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References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.