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gen bei jeder Gesellschaftsform alle funktionell dem Gesellschaftszweck untergeordneten Vermögenswerte in sich aufzunehmen und zu binden hat. Das zweckgewidmete Gesellschaftsvermögen sei Anknüpfungspunkt für alle späteren
inhaltlich durch den Gesellschaftszweck präformierten Vermögensveränderungen1482. Dies müsse nicht nur für Fragen der Vermögensaufbringung und Vermögensverwendung, sondern ebenso für die Kompensationsleistung für eingetretene
Vermögensverluste gelten. Die Vernachlässigung des Individualinteresses sei vor
allem deswegen unerheblich, weil deren Eigeninteresse durch Befriedigung des
Kollektivinteresses gebührend berücksichtigt werde1483.
Für die Stiftung stellt sich die Problematik ähnlich dar. Die Schädigung der
Destinatäre ist ebenso reflexartig wie die Schädigung der Aktionäre im Fall der
Aktiengesellschaft. Wird der Schaden bei der Stiftung ausgeglichen, entfällt auch
der Schaden bei den Destinatären. Die Zweckwidmung des Vermögens ist zentraler Bestandteil des Stiftungsrechts. Zwar haben die Destinatäre ein schützenswertes Interesse am Ausgleich ihres Schadens. Diesen vorab zu befriedigen und die
Stiftung leer ausgehen zu lassen, hieße jedoch die Zweckwidmung des Stiftungsvermögens zugunsten der einzelnen Destinatäre auszuhöhlen. Dies ist umso mehr
abzulehnen, als die Destinatäre auch auf anderem Wege, nämlich durch Leistung
des Schädigers an die Stiftung selbst, in gleichem Umfang befriedigt werden. Die
Rechtsprechung des BGH zur Aktiengesellschaft und dem Ersatz mittelbarer
Schäden der Aktionäre durch Schädigung der Aktiengesellschaft ist daher in vollem Umfang auf die Stiftung übertragbar. Der Destinatär kann im Falle eines nur
mittelbar bei ihm eingetretenen Schadens nur Leistung an die Stiftung und nicht
Leistung an sich selbst verlangen.
3. Haftung aus § 42 II 2 BGB
Mit der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags korrespondiert die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Stiftungsvorstands gegenüber den Gläubigern
der Stiftung, im Regelfall den Destinatären, die durch einen verzögerten Antrag
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schaden erlitten haben1484. Die Destinatäre werden regelmäßig Gläubiger aus Zeiten vor der Überschuldung sein, daher
beschränkt sich die Schadensersatzpflicht auf den Quotenschaden1485, d.h. auf den
Betrag, um den sich ihre Quote nach Beendigung des Insolvenzverfahrens durch
die verzögerte Antragsstellung verringert hat. Gläubiger, die nach der Überschuldung aber vor dem pflichtwidrig zu spät gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinzugekommen sind, können dagegen verlangen vom Stif-
1482 Mertens, ZGR 1972, 254, 280.
1483 Mertens, ZGR 1972, 254, 280.
1484 Prütting, Non Profit Law Yearbook 2002, 137, 142 f.
1485 Vgl. BGHZ 126, 181, 181 ff. = NJW 1994, 2220, 2220 ff.
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tungsvorstand so gestellt zu werden, als hätten sie nie mit der überschuldeten Stiftung kontrahiert1486.
III. Die Vertretungsmacht des Stiftungsvorstands
1. Umfang der Vertretungsmacht des Stiftungsvorstands
Der Umfang der Vertretungsmacht ergibt sich aus §§ 86, 26 II BGB. Danach hat
der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters und vertritt die Stiftung
gerichtlich und außergerichtlich1487. Damit ist die Vertretungsmacht grundsätzlich
unbeschränkt1488.
a. Einzel- und Mehrheits- bzw. Gesamtvertretung
Die Besetzung des Stiftungsvorstands ist weder bundes- noch landesrechtlich
festgeschrieben. Grundsätzlich kann also der Stiftungsvorstand auch mit einer
Einzelperson besetzt sein. Meist wird der Vorstand jedoch aus mehreren Personen
bestehen, um bereits im Stiftungsvorstand selbst eine gewisse Selbstkontrolle zu
institutionalisieren. Grundsätzlich kann die Stiftungssatzung auch beim mehrgliedrigen Vorstand sowohl Einzel-, als auch Gesamtvertretungsbefugnis vorsehen1489. Bei der Einzelvertretungsmacht wäre ein Vorstandsmitglied allein zur
Vertretung befugt, während bei der Gesamtvertretung nur der gesamte Vorstand
handeln darf. Ein Vorstand, der nur aus einem Mitglied besteht, hat – sofern die
Satzung nichts anderes vorsieht – zwangsläufig Einzelvertretungsbefugnis1490, da
§ 28 I BGB nur beim mehrgliedrigen Vorstand gilt.
Problematisch ist die Frage, welche Konsequenz das Fehlen einer Regelung
über die Vertretungsbefugnis in der Satzung der Stiftung hat. § 86 BGB verweist
auf die entsprechenden Regeln des Vereinsrechts1491. Auch das Vereinsrecht regelt
diese Frage allerdings nicht explizit; vielmehr erschöpfen sich die fraglichen Normen beim mehrgliedrigen Vorstand in Regelungen über die interne Beschlußfassung. Denkbar wäre nun hier, § 26 I, II BGB als alleinige Grundlage der Vertretungsbefugnis anzusehen. Danach ist der Vorstand zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung befugt. Da nur von dem Vorstand als solchem die Rede
ist, muß der ganze Vorstand gemeint sein. Folglich wäre die Konsequenz im Ver-
1486 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 42, Rn. 4 m. w. N. zum Verein; für eine analoge Anwendung
der §§ 92 III, 93 III Nr. 6 AktG für pflichtwidrige Zahlungen des Stiftungsvorstands nach
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit spricht sich Passarge, NZG 2008, 605 ff. aus.
1487 Seifart/v. Campenhausen/Hof, § 9 Rn. 30; Meyn/Richter, Rn. 541.
1488 Bamberger/Roth/Schwarz (1. Auflage), § 86 Rn. 3.
1489 Ebersbach, S. 107; MüKo/Reuter (5. Auflage), § 86 Rn. 12.
1490 Für das Vereinsrecht Schwarz, Rpfleger 2003, 1, 2.
1491 Dazu ausführlich Schwarz, Rpfleger 2003, 1, 2.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.