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lerfrei vorzunehmen. Tut es das nicht, ist die Entlastung entgegen Reuter gleichwohl wirksam. Die Pflichtverletzung des Kontrollorgans begründet aber eine
Haftung der Stiftung gegen dieses.
Den Destinatären kommt aufgrund ihrer Stellung kein Entlastungsrecht zu.
Eine Selbstentlastung der Organmitglieder wäre sinnwidrig und scheidet wegen
§§ 86 S. 1, 28 I, 34 BGB aus1411.
6. Geltendmachung der Ansprüche
Die Stiftung ist aufgrund ihrer nonpersonalen Organisation bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen den Stiftungsvorstand naturgemäß behindert1412. So
würde eine effektive Durchsetzung dieser Ansprüche eine Mitwirkung des Stiftungsvorstands voraussetzen, die nicht in jedem Fall zu erreichen sein wird. Diesen Mißstand gleichen § 11 III StiftG Baden-Württemberg1413 und Art. 23 S. 1
StiftG Bayern1414 aus. Die Stiftungsbehörde fungiert hier als Vertreter der Stiftung
und vertritt deren Interessen bei Ansprüchen gegen die Organmitglieder1415. Derartige Regelungen verstoßen nicht gegen Bundesrecht; es fehlt im Bundesrecht
gänzlich an einer solchen Regelung. §§ 86, 29 BGB ermöglichen zwar die Einsetzung eines Notvorstands1416, der die Durchsetzung der Ansprüche namens der
Stiftung vornehmen kann; alleine aus dieser Möglichkeit läßt sich aber noch kein
Vorrang des Bundesrechts für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den alten Stiftungsvorstand ableiten. §§ 86, 29 BGB sehen nur eine
Spezialnorm für die Behebung von Organvakanz vor, d.h. für den Fall, daß der
Stiftungsvorstand nicht oder nicht vollständig besetzt ist.
Soweit die Aufgabe der Stiftungsaufsicht nicht konkret in den Landesgesetzen
vorgesehen ist, ergibt sie sich nicht aus der generellen Aufgabe der Stiftungsbehörde, die Stiftung vor Schäden durch pflichtwidriges Organhandeln zu schützen1417. In diesem Fall fehlt es der Stiftungsbehörde an der Befugnis zum Handeln, denn die Behörde greift mit einer solchen Maßnahme zumindest in den
Handlungsspielraum des Art. 2 I GG der Stiftung ein. Ein solcher Eingriff darf
1411 Schwintek, ZSt 2005, 108, 115 m.w.N.
1412 Blydt-Hansen, S. 161 f.; ähnlich auch Jakob, ZSt 2006, 63, 67 f.
1413 »Ansprüche der Stiftung gegen Mitglieder von vertretungsberechtigten Organen werden
von der Stiftungsbehörde im Namen und auf Kosten der Stiftung geltend gemacht.«
1414 »Die Stiftungsaufsichtsbehörde ist befugt, im Namen der Stiftung den Anspruch auf Schadensersatz gegen Mitglieder der Stiftungsorgane gerichtlich geltend zu machen, sofern
dies nicht binnen angemessener Frist durch das zuständige Organ der Stiftung selbst
geschieht.«
1415 Vgl. auch Schiffer, NJW 2004, 2497, 2499 f.
1416 A.A. allerdings Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 48, die davon ausgehen, daß eine Anwendbarkeit von §§ 86, 29 BGB nur gegeben sei, wenn der Stiftungsvorstand die Geschäftsführung völlig verweigere.
1417 A.A. Voll/Störle, Art. 23, Rn. 2.
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aber nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen und muß durch eine Befugnisnorm
gedeckt sein.
Den Destinatären steht de lege lata keine Möglichkeit zu, die Ansprüche der
Stiftung gegen die Vorstandsmitglieder im Klageweg durchzusetzen1418, sofern
ihnen keine eigenen Schadensersatzansprüche gegen den Stiftungsvorstand
zustehen1419. Eine Einflußnahme auf die Geltendmachung der Ansprüche ist den
Destinatären somit entweder faktisch durch Information der Aufsichtsbehörde
oder rechtlich durch Beantragung eines Notvorstands gem. §§ 86, 29 BGB beim
zuständigen Amtsgericht möglich1420.
II. Haftung des Stiftungsvorstands im Verhältnis zu den Destinatären
1. Haftung aus §§ 280, 281 ff. BGB
Eine Haftung aus §§ 280, 281 ff. BGB kommt zwischen Stiftungsvorstand und
den Destinatären grundsätzlich nicht in Betracht. Vereinzelt wird – basierend auf
einer alten Entscheidung des Reichsgerichts1421 – eine Haftung des Stiftungsvorstands ggü. den Destinatären i.V.m. einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen
Vorstand und Destinatären bejaht1422. Dies soll zumindest dann gegeben sein,
wenn den Destinatären klagbare Ansprüche auf Stiftungsleistungen zustehen. Die
Entscheidung des Reichsgerichts war jedoch von den Besonderheiten des preußischen Familienrechts (vgl. Art. 2 pr. AGBGB) geprägt und läßt sich mit den
Grundsätzen des heutigen Schadensersatzrechts nicht mehr vereinbaren1423. Die
Relativität der Schuldverhältnisse steht im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung; aus einer schuldrechtlichen Dreiecksbeziehung zwischen Stiftung, Vorstand und Destinatären wird ein schuldrechtliches Interesse der Destinatäre an einem bestimmten Vorstandshandeln hergeleitet, ohne daß dies durch die dogmatischen Rechtsverhältnisse, die das BGB zugrunde legt, gedeckt wäre. Etwaige Ansprüche der Destinatäre bestehen nur im Verhältnis zur Stiftung, und auch dies
nur, wenn der Stifter eine entsprechende Satzungsbestimmung aufgenommen
hatte1424. Der Stiftungsvorstand ist allein der Stiftung im besonderen Schuldverhältnis des Anstellungs- oder Auftragsverhältnisses verpflichtet. Eine besondere
1418 Blydt-Hansen, S. 178 f.; Überlegungen de lege ferenda bzgl. einer Stärkung der Stellung
der Destinatäre zum Ausgleich solcher aufsichtlichen Defizite finden sich bei MüKo/Reuter (5. Auflage), § 85, Rn. 20 ff.; ebenso bei Muscheler ZRP 2000, 390, 393.
1419 Vgl. dazu unter D II, S. 210 ff.
1420 Blydt-Hansen, S. 179.
1421 RG JW 1909, 160.
1422 Soergel/Neuhoff, § 85, Rn. 15.
1423 Blydt-Hansen, S. 165.
1424 BGH, NJW 1957, 708, 708; OLG Hamburg, NJW-RR 1992, 451, 452 f.; OLG Hamm, MDR
1992, 949, 950; für Kontroll- und Verwaltungsbefugnisse der Destinatäre, vgl. BGHZ 99,
344, 353; OLG Hamburg, ZIP 1994, 1950, 1950 ff. mit zustimmenden Anmerkungen von
Rawert; BAG, NJW 1991, 514, 515.
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References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.