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men1398. Wehnert führt dagegen an, daß das organschaftliche Schuldverhältnis
eben kein »klassisches« Schuldverhältnis sei, sondern im Rahmen eines Sonderrechtsverhältnis bestünde, das Rechte und Pflichten des Organs begründe1399.
Worin nun aber genau der Unterschied zum Schuldverhältnis im Rahmen des
§ 280 I BGB liegen soll, bleibt in Wehnerts Ausführungen im Dunkeln.
Aber selbst nach Wehnerts These müßte bei konsequenter Fortführung die
Nichtigkeit des Landesrechts die Folge sein. So geht Wehnert von einer zumindest
analogen Anwendung von § 280 I BGB aus1400. Dieser soll allerdings nur greifen,
wenn Landesrecht nicht einschlägig sei. Diese Auffassung mißachtet die Kompetenzverteilung aus Art. 74 I Nr. 1 GG. Wenn nämlich eine abschließende bundesrechtliche Rechtsgrundlage existiert, auch wenn diese nur im Rahmen einer Analogie besteht, bleibt für landesrechtliche Normen kein Raum mehr, diese sind
wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz unwirksam.
5. Enthaftung durch Entlastung
Eine Enthaftung des Stiftungsvorstands kommt durch Entlastung in Betracht. Bei
der Entlastung handelt es sich nach Reuter nicht um einen Anspruchsverzicht,
sondern um das Bekunden der Zufriedenheit mit der Amtsführung1401. Diese Bekundung führe dann zu einem Anspruchsverlust der Stiftung, wenn die Bekundung der Zufriedenheit von dem autonomen Organ der juristischen Person, das
zur Verfügung über Ansprüche der juristischen Person befugt ist, vorgenommen
werde. Dieses würde sich demnach widersprüchlich verhalten, wenn es das Handeln, auf das sich die Zufriedenheit bezieht, zum Gegenstand eines Regreßbegehrens machte1402. Im Stiftungsrecht bedeutet diese Auffassung, daß die Aufsichtsbehörde keine Entlastung des Stiftungsvorstands bewirken kann1403: die Behörde
ist kein Organ der Stiftung1404 und auch nicht zur Verfügung über die Ansprüche
der Stiftung befugt1405.
Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Eine Entlastungsfunktion der Stiftungsaufsichtsbehörde würde sich nicht mit der Stellung der Stiftungsaufsicht als reiner
1398 Dies mag u.U. auch der Grund dafür sein, daß die Literatur eine Anwendbarkeit von § 280
I BGB ohne Begründung annimmt.
1399 Wehnert, ZSt 2007, 67, 68, 69.
1400 Wehnert, ZSt 2007, 67, 73.
1401 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 167; Schmidt, ZGR 1978, 425, 434 ff.
1402 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 167.
1403 a.A. allerdings Soergel/Neuhoff, § 86, Rn. 13, der aus einer »Motivierungsfunktion« der
Aufsichtsbehörde das Recht zur Entlastung (= Lob) des Stiftungsvorstands ableitet. Dabei
wird abgesehen von dogmatischen Hinderungsgründen übersehen, daß die motivierende
Aufsichtsbehörde den Vorstand auch loben kann, ohne einen Anspruchsverlust der Stiftung
herbeiführen zu müssen.
1404 BVerwGE 40, 347, 352.
1405 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 167; Hüttemann/Herzog, Non Profit Law
Yearbook 2006, 33, 49 f.
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Rechtsaufsichtsinstanz1406 vertragen. Es obliegt der Aufsichtsbehörde eben nur
die Kontrolle auf Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns. War dieses rechtmäßig,
besteht ohnehin kein Regreßanspruch. War das Vorstandshandeln dagegen nicht
rechtmäßig, darf die Aufsichtsbehörde diesen Verstoß nicht heilen. Sie darf letztlich nicht das rechtmäßige Handeln des Stiftungsvorstands begründen, sondern
muß mit aufsichtlichen Mitteln darauf hinwirken.
Nach Reuter kann ein satzungsmäßig bestimmtes Kontrollorgan vom Stifter
zwar mit der Aufgabe der Entlastung betraut werden, bei einem solchen Kontrollorgan würde es sich aber nach Reuter um kein autonomes Organ der Stiftung handeln. Daher komme eine wirksame Enthaftung nur in Betracht, wenn der Verzicht
durch das Interesse der Stiftung zu rechtfertigen sei1407, also wenn das Kontrollorgan durch die Entlastung nicht ermessensfehlerhaft handelte1408. Daher soll
nach Reuter und Schwintek durch ein satzungsmäßiges Kontrollorgan nur in Ausnahmefällen ein wirksamer Anspruchsausschluß erreicht werden1409.
Dem ist nicht zuzustimmen. Eine Entlastung des Stiftungsvorstands ist eine
Entscheidung ähnlich dem Verzicht auf den Schutz des § 181 BGB. Es wird eine
gesetzliche Barriere oder ein gesetzlicher Schutzmechanismus aus Gründen der
Zweckmäßigkeit beiseite geschoben. Eine solche Entscheidung kann wie gesehen
richtigerweise nicht der Aufsichtsbehörde zustehen. Gleichzeitig muß dem Stifter
aber die Möglichkeit gegeben sein, eine entsprechende Befugnis an ein satzungsmäßiges Kontrollorgan zu übertragen. Mit der Bestellung eines solchen Organs
mit der ausdrücklichen Aufgabe der Entlastung gibt der Stifter deutlich genug zu
erkennen, daß er die von Reuter geforderte Autonomie des Kontrollorgans
wünscht und anerkennt. Mit der Möglichkeit der Entlastung des Stiftungsvorstands wird dessen Tätigkeit sicherer und selbständiger, da dieser nicht ständig
befürchten muß, wegen vergangener Handlungen in die Haftung genommen zu
werden. Dieser Umstand steigert die Attraktivität des Vorstandsamtes und kann
nicht zuletzt ein Faktor bei der Gewinnung von fachlich geeignetem Führungspersonal auf Vorstandsebene sein. Es entspricht der stifterlichen Freiheit eine entsprechende Satzungsbestimmung aufzunehmen.
Ebenso wie der Stifter bereits bei Stiftungserrichtung Haftungserleichterungen
in die Stiftungssatzung integrieren kann, kann er einem zuständigen Organ die
turnusmäßige Entlastung des Stiftungsorgans übertragen. Ist dies der Fall,
gewinnt bei Übertragung der vereinsrechtlichen Rechtsprechung der Stiftungsvorstand einen Anspruch auf turnusmäßige Entlastung gegenüber der Stiftung1410.
Das Kontrollorgan hat die Pflicht die Entlastung gewissenhaft und ermessensfeh-
1406 BVerwGE 40, 347, 352.
1407 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 167; zustimmend Kiehte, NZG 2007, 810,
813.
1408 Insoweit zustimmend Schwintek, ZSt 2005, 108, 115.
1409 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 167; Schwintek, S. 203; Kiethe, NZG 2007,
810, 813, geht sogar von einem völligen Ausbleiben einer materiell-rechtlichen Wirkung
einer Entlastung durch ein satzungsmäßig bestimmtes Kontrollorgan aus.
1410 OLG Celle NJW-RR 1994, 1545, 1545 ff.; OLG Köln NJW-RR 1997, 483, 483 f.; vgl.
Palandt/Heinrichs, § 27, Rn. 5 m. w. N.
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lerfrei vorzunehmen. Tut es das nicht, ist die Entlastung entgegen Reuter gleichwohl wirksam. Die Pflichtverletzung des Kontrollorgans begründet aber eine
Haftung der Stiftung gegen dieses.
Den Destinatären kommt aufgrund ihrer Stellung kein Entlastungsrecht zu.
Eine Selbstentlastung der Organmitglieder wäre sinnwidrig und scheidet wegen
§§ 86 S. 1, 28 I, 34 BGB aus1411.
6. Geltendmachung der Ansprüche
Die Stiftung ist aufgrund ihrer nonpersonalen Organisation bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen den Stiftungsvorstand naturgemäß behindert1412. So
würde eine effektive Durchsetzung dieser Ansprüche eine Mitwirkung des Stiftungsvorstands voraussetzen, die nicht in jedem Fall zu erreichen sein wird. Diesen Mißstand gleichen § 11 III StiftG Baden-Württemberg1413 und Art. 23 S. 1
StiftG Bayern1414 aus. Die Stiftungsbehörde fungiert hier als Vertreter der Stiftung
und vertritt deren Interessen bei Ansprüchen gegen die Organmitglieder1415. Derartige Regelungen verstoßen nicht gegen Bundesrecht; es fehlt im Bundesrecht
gänzlich an einer solchen Regelung. §§ 86, 29 BGB ermöglichen zwar die Einsetzung eines Notvorstands1416, der die Durchsetzung der Ansprüche namens der
Stiftung vornehmen kann; alleine aus dieser Möglichkeit läßt sich aber noch kein
Vorrang des Bundesrechts für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den alten Stiftungsvorstand ableiten. §§ 86, 29 BGB sehen nur eine
Spezialnorm für die Behebung von Organvakanz vor, d.h. für den Fall, daß der
Stiftungsvorstand nicht oder nicht vollständig besetzt ist.
Soweit die Aufgabe der Stiftungsaufsicht nicht konkret in den Landesgesetzen
vorgesehen ist, ergibt sie sich nicht aus der generellen Aufgabe der Stiftungsbehörde, die Stiftung vor Schäden durch pflichtwidriges Organhandeln zu schützen1417. In diesem Fall fehlt es der Stiftungsbehörde an der Befugnis zum Handeln, denn die Behörde greift mit einer solchen Maßnahme zumindest in den
Handlungsspielraum des Art. 2 I GG der Stiftung ein. Ein solcher Eingriff darf
1411 Schwintek, ZSt 2005, 108, 115 m.w.N.
1412 Blydt-Hansen, S. 161 f.; ähnlich auch Jakob, ZSt 2006, 63, 67 f.
1413 »Ansprüche der Stiftung gegen Mitglieder von vertretungsberechtigten Organen werden
von der Stiftungsbehörde im Namen und auf Kosten der Stiftung geltend gemacht.«
1414 »Die Stiftungsaufsichtsbehörde ist befugt, im Namen der Stiftung den Anspruch auf Schadensersatz gegen Mitglieder der Stiftungsorgane gerichtlich geltend zu machen, sofern
dies nicht binnen angemessener Frist durch das zuständige Organ der Stiftung selbst
geschieht.«
1415 Vgl. auch Schiffer, NJW 2004, 2497, 2499 f.
1416 A.A. allerdings Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 48, die davon ausgehen, daß eine Anwendbarkeit von §§ 86, 29 BGB nur gegeben sei, wenn der Stiftungsvorstand die Geschäftsführung völlig verweigere.
1417 A.A. Voll/Störle, Art. 23, Rn. 2.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.