189
D. Haftung und Vertretungsmacht des Vorstands
Die bisher dargestellten Pflichten des Vorstandes sind nicht nur als Handlungsdirektive für die Verwaltung des Stiftungsvermögens und die Erfüllung des Stiftungszwecks von Bedeutung. Sie dienen auch dazu, die Stiftung vor Fehlverhalten der Stiftungsorgane zu schützen. Als Rechtsreflex werden dabei auch die Destinatäre geschützt1262. Verletzt der Stiftungsvorstand dennoch eine seiner Pflichten, bleibt der Schutz der Stiftung und der Destinatäre insoweit gewahrt, als der
Stiftungsvorstand für sein Fehlverhalten haftet und im Rahmen seiner Haftung
der Stiftung einen ihr erwachsenen Schaden zu ersetzen hat. Der darin enthaltene
Sanktionscharakter dient seinerseits wiederum dazu, den Stiftungsvorstand zur
Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten1263. Die folgende Untersuchung soll einen
Überblick über die Haftung des Stiftungsvorstands geben, Anspruchsgrundlagen
behandeln und deren Voraussetzungen darstellen.
I. Haftung im Verhältnis zur Stiftung
1. Haftung aus §§ 280, 281 ff. BGB i.V.m. Auftragsrecht
Der Stiftungsvorstand ist das ausführende Organ der Stiftung, er vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich, wie sich aus §§ 86, 26 BGB ergibt. Er steht
zur Stiftung gem. der Verweisung aus § 86 BGB in einem Auftragsverhältnis, soweit die Stiftungssatzung nichts anderes vorsieht1264. Zumindest bei größeren
Stiftungen wird der Vorstand allerdings nicht unentgeltlich tätig, so daß der Stifter regelmäßig die Anwendbarkeit von Dienstvertragsrecht gem. §§ 611 ff. BGB
in der Satzung bestimmen wird. Auch wenn die Stiftungssatzung eine andere Art
der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Stiftung und Vorstand vorsieht1265,
ist jedenfalls ein Schuldverhältnis zwischen beiden Parteien gegeben1266. Innerhalb dieses Schuldverhältnisses ist der Vorstand zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Stiftung verpflichtet und hat die o.g. Pflichten erfüllen. Auch kann der
1262 Blydt-Hansen, S. 163.
1263 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 304.
1264 Bamberger/Roth/Schwarz (1. Auflage), § 86 Rn. 5.
1265 Zur dogmatisch bedeutsamen Trennung zwischen Bestellung und Anstellung von Stiftungsvorständen, vgl. Lunk/Rawert, Non Profit Law Yearbook 2001, 91, 91; während
erstere den organisationsrechtlichen Akt beschreibt, bezieht sich letztere auf die hier
behandelte schuldrechtliche Beziehung zwischen Stiftung Vorstand; dazu auch Burgard,
S. 442 ff.
1266 Vgl. bereits Ebersbach, S. 101 ff.; Staudinger/Rawert, § 86, Rn. 13; Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 9, Rn. 218; Rödel, NZG 2004, 754, 756.
190
Stifter die Vorschriften der §§ 664 bis 670 BGB nicht völlig ausschließen, da die
allgemeinen Grundsätze des Auftragsrechts für jede Art fremder Geschäftsbesorgung gelten1267. Die §§ 80 ff. BGB befassen sich mit der Haftung des Stiftungsvorstands nicht. Somit ist mangels einschlägiger Sonderregelung das allgemeine
Schuldrecht für die Haftung anwendbar1268. Gem. § 280 I BGB haftet der Stiftungsvorstand damit für alle Pflichtverletzungen dem seiner Organstellung zugrundeliegenden Schuldverhältnis1269, soweit ihm ein Verschulden vorzuwerfen
ist1270.
a. Pflichtverletzung
Voraussetzung für eine solche Haftung ist zunächst die Verletzung einer der oben
dargestellten Pflichten1271 wie auch sonstiger Pflichten der Rücksichtnahme aus
§ 241 II BGB1272. Die gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben für den
Pflichtenkreis des Stiftungsvorstands sind insofern nicht nur allgemeine Verhaltensmaßgaben für einen Stiftungsvorstand, sondern auch schuldrechtliche Pflichten im Verhältnis zwischen Stiftung und Vorstand1273. Einige Stimmen in der Literatur1274 sehen eine Pflichtverletzung bereits dann als ausgeschlossen an, wenn
der Stiftungsvorstand im Rahmen eines Entscheidungsspielraums eine wirtschaftliche Entscheidung trifft, die sich im Nachhinein als falsch herausstellt. Der
Stiftungsvorstand schulde letztlich nicht den Erfolg der Vermögensverwaltung,
sondern nur das ernsthafte Bemühen um dieselbe. Dem Stiftungsvorstand komme
ein Entscheidungsspielraum zu, innerhalb dessen Fehlentscheidungen nicht als
Pflichtverletzungen zu qualifizieren sein.
Dieser Ansicht ist zuzustimmen; eine Haftung des Stiftungsvorstands bei Fehlentscheidungen im Rahmen des kaufmännischen Ermessens ist abzulehnen. Bei
einer wirtschaftlichen Entscheidung des Stiftungsvorstands wird eine Haftung
des Vorstands sicherlich zu verneinen sein, wenn dieser aus einer ex ante Sicht
1267 Ebersbach, S. 102 f; Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 9, Rn. 27; Bamberger/Roth/Schwarz
(1. Auflage), § 86, Rn. 5.
1268 Bamberger/Roth/Schwarz (1. Auflage), § 86, Rn. 5.
1269 Schwintek, ZSt 2005, 108; Schiffer, NJW 2004, 2497, 2499; MüKo/Reuter (5. Auflage),
§ 86, Rn. 20; für die Haftung eines satzungsmäßig bestimmten Kontrollorgans im Ergebnis
ebenso Küntzel, DB 2003, 2303, 2303 f.
1270 Schwintek, ZSt 2005, 108, 108; ders., S. 189, Staudinger/Rawert, § 86, Rn. 13, die bereits
nach alter Rechtslage zu Recht eine Haftung aus positiver Forderungsverletzung annahmen.
1271 Vgl. Teil B und Teil C.
1272 Für die Haftung eines satzungsmäßig bestellten Kontrollorgans, Küntzel, DB 2003, 2303,
2304.
1273 Schwintek, S. 189 f.; ders., ZSt 2005, 108, 108.
1274 Schwintek, S. 190; ders., ZSt 2005, 108; Schauhoff, DStR 2004, 471, 472; vgl. auch Schindler, DB 2003, 297, 299; Kiethe, NZG 2007, 810, 812; Hüttemann/Herzog, Non Profit Law
Yearbook 2006, 33, 39.
191
eine im Rahmen seines Ermessensspielraums vertretbare Entscheidung trifft, die
im Nachhinein als Fehlentscheidung gelten muß1275. Solange der Stiftungsvorstand diese Entwicklung nicht erwarten mußte, d.h. solange ihm kein Verschulden
vorzuwerfen ist, ist eine Haftung ausgeschlossen.
Der Vorstand hat die Pflicht, eine sachgerechte Dienstleistung zu erbringen
und im Rahmen seines Ermessenspielraums das Spannungsverhältnis zwischen
Risiko der Vermögensanlage und Ertragsmaximierung auszugleichen1276. Soweit
der Vorstand dabei seinen Ermessensspielraum zweckmäßig ausübt und rechtswidrige oder untragbar riskante Geschäfte unterläßt, liegt keine Pflichtverletzung
vor.
b. Rechtswidrigkeit
Die Pflichtverletzung des Stiftungsvorstands muß rechtswidrig sein. Die Rechtswidrigkeit wird durch das Vorliegen der Pflichtverletzung indiziert. Das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen kann im Einzelfall eine Haftung ausschließen;
gleichwohl wird dieser Fall nicht häufig auftreten1277. Eine etwaige Genehmigung
der Aufsichtsbehörde gilt nicht als tauglicher Rechtfertigungsgrund. Es liegt
nicht im Machtbereich der Rechtsaufsichtsbehörde, eine rechtfertigende Genehmigung zu erteilen1278. Die Stiftungsaufsichtsbehörde ist eine reine Rechtsaufsichtsbehörde1279, die rechtswidriges Handeln zu unterbinden hat. Die Behörde
kann jedoch keine Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns begründen, da sie ansonsten ihre Stellung als Rechtsaufsichtsbehörde überschreiten würde.
c. Verschulden
Maßstab für ein Verschulden ist im Schuldverhältnis zwischen Vorstand und Stiftung § 276 BGB1280. Danach hat der Vorstand Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit zu vertreten1281. Fahrlässig handelt der Vorstand, wenn er die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt, mithin wenn die Vermögensverwaltung
nicht der eines ordnungsgemäßen und gewissenhaften Stiftungsleiters ent-
1275 Vgl. auch BGHZ 135, 244, 253 f. = NJW 1997, 1926, 1928.
1276 Vgl.dazu die Ausführungen unter B II 2 b, S. 72 ff.
1277 Schwintek, S. 190.
1278 Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 11, Rn. 229; Staudinger/Rawert, § 85, Rn. 20; Schwintek,
S. 190.
1279 BVerwGE 40, 347 ff.
1280 Blydt-Hansen, S. 160.
1281 KG, Urteil v. 6.7.1970 – U 1777/69, teilweise abgedruckt bei Leisner, Bd. III, S. 35, 38;
Gebel/Hinrichsen, § 4, Anm. 3.; Kronke, S. 116; Schwintek, S. 190; allgemein BGHZ 30,
40, 46 f.; Brox/Walter, DB 1985, 1469, 1477.
192
spricht1282. Eine landesrechtliche Normierung dieses Sorgfaltsmaßstabs ist nicht
erforderlich oder möglich, sondern ergibt sich bereits abschließend1283 aus
§ 276 BGB1284. Entscheidend ist für den anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab die
übliche Sorgfalt, mithin diejenige Sorgfalt, die ein durchschnittlicher Stiftungsvorstand mit den üblicherweise zu erwartenden Fähigkeiten und Kenntnissen angewandt haben würde1285. Aus dem Gesellschaftsrecht wird auch die Formulierung übernommen, wonach diejenige Sorgfalt zu beachten ist, die einer Person in
der verantwortlich leitenden Stellung des Verwalters eines fremden Vermögens
oder der Person eines selbständigen treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen obliegt1286. Der Stiftungsvorstand hat die Stiftung so zu führen,
wie die Stiftung dies selbst täte, wenn sie eine natürliche Person wäre und ihre
Interessen selbst wahrnehmen könnte1287.
Die Konkretisierung dieser Sorgfaltspflichten hängt vom Einzelfall ab. Eine
pauschale Formulierung, wie die von Hof vertretene, wonach ein Organmitglied
für Verstoße gegen das Vermögenserhaltungsgebot nur dann hafte, wenn es »bei
deutlich erkennbaren, konkreten Vermögensverlusten grob pflichtwidrig im Einzelfall tatsächlich und rechtlich verfügbare und erfolgversprechende Gegenmaßnahmen unterlassen habe«1288, berücksichtigt nicht die Vorgabe des § 276 BGB,
der eben keine grobe Pflichtwidrigkeit, mithin grobe Fahrlässigkeit, sondern jede
Form der Fahrlässigkeit ausreichen läßt1289. Je nach Größe und Komplexität des
Verwaltungsaufwands der Stiftung gelten unterschiedliche Anforderungen an die
zu übende Sorgfalt. Teilweise werden die Anforderungen an die zu übende Sorgfalt vom »bestimmenden Verkehrskreis« abhängig gemacht1290. So wird der
hauptamtliche Geschäftsführer einer Großstiftung im Regelfall höheren Sorgfaltsanforderungen ausgesetzt sein als ein ehrenamtlich engagierter Dritter in
einer kleineren Stiftung. Die Vermögensverwaltung gestaltet sich mit zunehmender Größe des Vermögens und der Stiftung schwieriger und risikoreicher. Dementsprechend muß der Vermögensverwalter mit größeren Finanzmengen und
erhöhtem Verwaltungsaufwand erhöhte Sorgfalt üben. Aufgrund der Verschuldensvermutung des § 280 I BGB muß der Stiftungsvorstand allerdings den Ent-
1282 Schwintek, S. 191; ders., ZSt 2005, 108, 110.
1283 Vgl. auch die Ausführungen unter D I 1 c (2), S. 194 f.
1284 Steuber, DStR 2006, 1182, 1184, nimmt dagegen zu Unrecht an, daß die fehlende Kodifikation eines solchen Sorgfaltsmaßstabes im Landesrecht zu einer Regelungslücke bzgl. des
vorgeschriebenen Verhaltens des Stiftungsvorstands führte, die durch einen Corporate
Governance Kodex auszufüllen sei. Dabei wird übersehen, daß bereits die Pflicht zur Stiftungszweckerfüllung i.V.m. § 276 BGB einen solchen Verhaltensmaßstab vorgibt.
1285 Rödel, NZG 2004, 754, 756.
1286 Schindler, DB 2003, 297, 299.
1287 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 157; Martinek, S. 240 f.
1288 Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 10, Rn. 122.
1289 Schiffer, NJW 2004, 2497, 2499, kritisiert diesen Verschuldensmaßstab als nur für ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder passend, bei umfangreich tätigen Vorstandsmitgliedern
von Unternehmensstiftungen sei dieser nur bedingt anwendbar.
1290 Schwintek, S. 192.
193
lastungsbeweis dafür antreten, daß er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten
hat1291.
(1) Haftungserleichterung aufgrund behördlicher Genehmigung oder
fehlender behördlicher Rüge
Ein Verschulden soll außerdem dann völlig abzulehnen sein, wenn die Aufsichtsbehörde die haftungsbegründenden Umstände der Aufsichtsbehörde kannte, diese
nicht beanstandet oder ihnen sogar zugestimmt hat1292. Schwintek wendet ein, daß
diese Ansicht nicht als Grundregel gelten könne, da damit das Haftungsrisiko der
Organmitglieder auf die Stiftungsaufsichtsbehörde übertragen würde1293. Dem sei
schon deshalb nicht zuzustimmen, weil die Stiftungsorgane als primäre Verantwortungsträger konzipiert sein, und die Stiftungsaufsichtsbehörde in ihrer Haftung grundsätzlich unabhängig von der Vorstandshaftung zu betrachten sei1294.
Auch würde damit unterstellt, daß ein angemessen besonnenes und gewissenhaftes Verhalten des Stiftungsvorstandes auch dann angenommen werden müsse,
wenn er, - ggf. auch rechtswidrige - Maßnahmen treffe, solange dies mit Wissen
und Billigung der Aufsichtsbehörde geschieht1295. Man könne eine solche Haftungserleichterung des Vorstands ebensowenig zulassen, wie man die Stiftungsaufsichtsbehörde wegen eines Mitverschuldens der Stiftungsorgane aus der Haftung entlassen könne1296. Schwintek räumt aber ein, daß ein Verschulden der Organmitglieder dann ausscheiden könne, wenn sie bei der Behörde bzgl. der Rechtmäßigkeit ihrer Maßnahme angefragt haben und diese ihnen dort bestätigt worden
sei1297. Die Aussage der Aufsichtsbehörde müsse als fachkundiger Rat ausreichen,
nach dem der Vorstand sein Handeln richten könne1298. Ein Verschulden könne
dann nur noch in Ausnahmen anzunehmen sein, wenn sonstige Anhaltspunkte,
wie z.B. substantiierte und u.U. klageweise erhobene Einwendungen Dritter oder
die Kenntnis entgegenstehender Rechtsprechung in der jeweiligen Frage, die
Maßnahme als zweifelhaft habe erscheinen lassen1299.
Schwintek ist diesbezüglich zuzustimmen. Die Tätigkeit der Aufsichtsbehörde
erschöpft sich in einer Rechtsaufsicht. Eine verschuldensmildernde Haftungserleichterung kann sich allenfalls aus dem Umstand ergeben, daß die Aufsichtsbe-
1291 Palandt/Heinrichs, § 280, Rn. 40 f.; Schiffer, NJW 2004, 2497, 2499.
1292 KG, Urteil v. 6.7.1970 – U 1777/69, teilweise abgedruckt bei Leisner, Bd. III, 35, 37 f.,
39; Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 9, Rn. 219; Siegmund/Schultze, § 6, Anm.4.
1293 Schwintek, S. 193; ders., ZSt 2005, 108, 111.
1294 Schwintek, S. 193.
1295 Schwintek, ZSt 2005, 108, 111.
1296 Schwintek, S. 193; ders., ZSt 2005, 108, 111.
1297 Schwintek, ZSt 2005, 108, 111.
1298 BGH NJW 1971, 1881, 1882; BGH NJW 1994, 2232, 2233; BGHZ 74, 281, 284 ff.;
Schwintek, S. 193.
1299 KG, Urteil v. 6.7.1970 – U 1777/69, teilweise abgedruckt bei Leisner, Bd.III, 35, 37;
Schwintek, ZSt 2005, 108, 111.
194
hörde überlegenes Fachwissen besitzt, nach dem sich der Stiftungsvorstand richten darf1300. Ebenso ist ein Verschulden des Stiftungsvorstands zu verneinen,
wenn dieser sich ausführlich von anwaltlicher Seite beraten ließ und nach ordnungsgemäßer rechtlicher Überprüfung von fachkundiger Seite eine im Ergebnis
dennoch rechtswidrige Entscheidung getroffen hat1301. Gleichwohl kann ein Verschulden aber nur dann abgelehnt werden, wenn auch tatsächlich ein rechtskundiger Rat vorliegt, nach dem sich der Vorstand richten konnte. Die Untätigkeit
oder das Schweigen der Behörde steht fachkundigem Rat oder einer verbindlichen Rechtsauskunft nicht gleich. So kann die Untätigkeit der Behörde auch darin
begründet liegen, daß wegen der komplexen Rechtslage zunächst eine ausführliche Prüfung vorgenommen werden muß, oder daß sich die Aufsichtsbehörde eben
keine fundierte Aussage zur konkreten Rechtsfrage zutraut.
Hatte die Aufsichtsbehörde keine Kenntnis von der beabsichtigten Maßnahme,
muß dieses Ergebnis erst recht gelten. Von der Aufsichtsbehörde kann keine perfekte Überwachung der Stiftung, die mit den Anzeige- und Genehmigungspflichten1302 in diesem Umfang gar nicht erreichbar ist, verlangt werden. Da nicht davon
ausgegangen werden kann, daß die Aufsichtsbehörde jedes rechtswidrige Verhalten des Stiftungsvorstands immer zielsicher erkennt und beanstandet – selbst
wenn die geplante Maßnahme bei der Aufsichtsbehörde nicht einmal angezeigt
wurde –, kann sich der Vorstand zu seiner Entlastung nicht darauf berufen, die
Stiftungsbehörde habe sein Verhalten nicht beanstandet.
Nachträgliche Genehmigungen der Stiftungsbehörde sind ebenfalls nicht
geeignet, ein Verschulden des Stiftungsvorstands zu beseitigen, da hier keine
fachkundige Beratung des Vorstands aus einer ex ante Sicht erfolgt, sondern das
eigenverantwortliche pflichtwidrige Handeln des Vorstands ex post bewertet
wird, es läge eine untersagte rechtfertigende Genehmigung1303 vor.
(2) Haftungsbeschränkung durch Landesrecht
Die Landesgesetzgeber sehen teilweise vor, daß die Haftung der Organmitglieder
auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden kann1304 oder zumindest
1300 So auch BGH NJW 1971, 1881, 1882; BGH NJW 1994, 2232, 2233; BGHZ 74, 281, 284
ff.; für den Vereinsvorstand Haas, SpuRt 1999, 1, 3.
1301 Allerdings gilt der unrichtige anwaltliche Rat nicht immer als Entschuldigungsgrund, vgl.
BGHZ 74, 281, 284 ff.
1302 Vgl.die Ausführungen unter C II 4 a (2), S. 108 ff.
1303 Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 11, Rn. 229; Staudinger/Rawert, § 85, Rn. 20; Schwintek,
S. 190.
1304 § 6 I StiftG Bremen; § 5 II StiftG Saarland.
195
für unentgeltlich beschäftigte Organmitglieder bereits aus Landesrecht beschränkt ist1305. Diese landesrechtlichen Regelungen sind unwirksam1306.
Die Unwirksamkeit ergibt sich daraus, daß die Gesetzgebungskompetenz der
Länder, soweit bundesrechtliche Vorgaben existieren1307, Fragen der zivilrechtlichen Haftung nicht umfaßt, mithin Haftungserleichterungen durch Landesrecht
nicht zulässig sind. Die Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 281 BGB i.V.m.
§§ 664 ff. BGB gehören dem bürgerlichen Recht an, welches gem. Art. 74 I Nr.
1 GG unter die konkurrierende Gesetzgebung fällt. Mit den §§ 86 S. 1, 27 III
BGB hat der Bund den allgemeinen Grundsatz des § 276 BGB für anwendbar
erklärt und ein grundsätzliches Prinzip für den Verschuldensmaßstab des Vorstands genannt1308. Es läßt sich in den bundesrechtlichen Vorgaben kein Hinweis
darauf finden, daß der Stiftungsvorstand nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften soll. Zwar ist eine Haftungserleichterung im Bundesrecht bei unentgeltlichen Schuldverhältnissen teilweise angeordnet1309; diese findet sich jedoch
nicht bei allen unentgeltlichen Schuldverhältnissen, insbesondere im Auftragsrecht, auf das in § 86 BGB verwiesen wird, nicht1310. Nach anderer Ansicht soll
Grund für eine Unwirksamkeit der Haftungserleichterungen § 85 BGB sein, weil
Haftungstatbestände individualrechtliche und nicht satzungsmäßige Fragen
regelten. Dies sei vom Begriff der Verfassung in § 85 BGB aber nicht gedeckt1311.
Nach anderer Ansicht umfasse der Begriff der Verfassung dagegen sehr wohl die
Haftung der Stiftungsorgane1312.
§ 85 BGB ist als Argument jedenfalls nicht notwendig. Wie bereits dargelegt,
beinhaltet § 85 BGB keine Ermächtigung des Landesgesetzgebers, die Stiftungsverfassung betreffende Fragen unabhängig vom Bundesrecht zu regeln.
§ 85 BGB läßt die Kompetenzverteilung zwischen Bundes- und Landesrecht
unberührt und gibt dem Landesgesetzgeber keine zusätzlichen Befugnisse. Der
Bundesgesetzgeber hat mit §§ 86, 27 III BGB auf Auftragsrecht als ergänzend
anwendbares Stiftungsrecht verwiesen. Soweit in der Stiftungsverfassung nichts
Abweichendes bestimmt ist, gilt damit im Verhältnis zwischen Vorstand und Stiftung der Haftungsmaßstab des Auftragsrechts. Im Auftragsrecht findet sich keine
Haftungserleichterung. Infolgedessen verstoßen Haftungserleichterungen für den
Vorstand gegen höherrangiges Bundesrecht1313 und sind wegen fehlender Gesetz-
1305 Vgl. § 12 II StiftG Sachsen-Anhalt.
1306 So auch Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 36; Schwintek, S. 194 f.;
Andrick, ZSt 2005, 155, 159; MüKo/Reuter (5. Auflage), § 86, Rn. 20, allerdings mit irrigem Verweis auf Art. 31 GG; unkritisch dagegen Seifart/v.Campenhausen/Hof, § 9, Rn.
218; Unentschieden Rödel, NZG 2004, 754, 756.
1307 Richtig Hüttemann/Rawert, ZIP 2002, 2019, 2021.
1308 Andrick, ZSt 2005, 155, 159.
1309 Vgl. § 599 BGB, § 690 BGB.
1310 MüKo/Reuter (5. Auflage), § 86, Rn. 20.
1311 Staudinger/Rawert, § 86, Rn. 13.
1312 MüKo/Reuter (5. Auflage), § 86, Rn. 20.
1313 MüKo/Reuter (5. Auflage), § 86, Rn. 20, der allerdings zu Unrecht auf Art. 31 GG abstellt.
196
gebungskompetenz unwirksam1314. Dem kann nicht entgegengehalten werden,
Auftragsrecht werde im Regelfall in der Satzung oder in den Vorstandsdienstverträgen abbedungen, da dies an der grundsätzlichen Verweisung des Bundesgesetzgebers auf ein Schuldrechtsverhältnis ohne Haftungserleichterungen nichts
ändert1315. Auch die Argumentation von Kiethe1316 hindert dies nicht: Kiethe führt
an, die Verweisung der §§ 86, 27 III BGB erkläre Auftragsrecht nur insoweit für
anwendbar, soweit sich aus der Stiftungsverfassung nichts anderes ergebe. Daher
sei das Landesrecht als stiftungsverfassungsgebende Rechtsquelle durchaus
gehalten, landesrechtliche Haftungsbeschränkungen zu normieren. Kiethe übersieht dabei, daß weder § 86 BGB noch § 85 BGB das Verhältnis von Bundesrecht
zu Landesrecht regeln können1317. Dieses Verhältnis ergibt sich alleine aus
Art. 72, 74 Nr. 1 GG. Soweit eine abschließende bundesrechtliche Regelung vorliegt, ist den Ländern die Gesetzgebungskompetenz genommen. Der Verweis des
§ 86 BGB auf die Stiftungsverfassung trägt daher als Argument nur für die Stiftungsverfassung, wie sie vom Stifter in der Stiftungssatzung normiert wurde.
Landesrechtliche Haftungsbeschränkungen lassen sich über § 86 BGB nicht
begründen.
(3) Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Haftungsgrundsätze
Denkbar wäre es, arbeitsrechtliche Haftungserleichterungen heranzuziehen, um
eine Haftung des Stiftungsvorstands im Innenverhältnis im Einzelfall zu verneinen. In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung hat sich für betrieblich veranlaßte
Tätigkeiten eine nach dem Grad der Fahrlässigkeit abgestufte Haftungserleichterung für den Arbeitnehmer entwickelt1318. Danach sollen bei arbeitsvertraglich
übertragenen oder zumindest im Interesse des Betriebs ausgeführten Tätigkeiten
Arbeitnehmer dann nicht haften, wenn ihnen nur leichteste Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Dies wird damit begründet, daß jedem Arbeitnehmer im Laufe der Zeit
ein gewisser Sorgfaltsverstoß unterlaufen kann1319. Im Falle einfacher Fahrlässigkeit kommt es zu einer Schadensteilung nach Quoten, wobei die Gesamtumstände
von Schadensanlaß und Schadensfolgen nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten und
Billigkeitsgründen gegeneinander abzuwägen sind1320. Lediglich im Falle grober
1314 Ebenso Schwintek, S. 194 f; ders., ZSt 2005, 108, 112; Rawert, BB Beil. 6/1991, 13, 14
f.; Staudinger/Rawert, § 86, Rn. 13.
1315 Dementsprechend kann der Stifter Auftragsrecht nur modifizieren oder z.B. durch Dienstvertragsrecht ersetzen, nicht aber völlig ausschließen, vgl. Ebersbach, .102 f; Seifart/
v.Campenhausen/Hof, § 9, Rn. 27; Bamberger/Roth/Schwarz (1. Auflage), § 86, Rn. 5.
1316 Kiethe, NZG 2007, 810, 813.
1317 Vgl. oben.
1318 Statt vieler BGH NJW 2003, 377, 377 ff.; Palandt/Weidenkaff, §§ 611, Rn. 157.
1319 BGH NJW 2003, 377, 377 ff.; Schwintek, S. 195.
1320 Schwintek, ZSt 2005, 108, 113.
197
Fahrlässigkeit soll der Arbeitnehmer voll haften1321. Im Verhältnis zwischen Stiftung und Stiftungsvorstand könnten diese Grundsätze ebenfalls zur Anwendung
kommen, so daß sich eine Haftungserleichterung bereits aus Arbeitsrecht ergeben
könnte.
Der Grund für die arbeitsrechtliche Haftungsteilung wird in der Organisationsbefugnis des Arbeitgebers gesehen. Während der Arbeitnehmer auf die betriebliche Organisation keinen Einfluß hat, wird dessen Arbeitsablauf entscheidend von
dieser betrieblichen Organisation mitbestimmt. Da es alleine dem Arbeitgeber
obliegt, diese Organisation einzurichten und den Arbeitnehmer mittels Weisungsbefugnis in seiner Arbeit zu steuern, ist der Arbeitgeber zumindest auch teilweise
für den konkreten Ablauf der Tätigkeit des Arbeitnehmers verantwortlich, die
entstehenden Haftungsrisiken resultieren somit auch zum Teil aus arbeitgeberischer Organisationsbefugnis1322. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags für einen anderen unselbständige Dienste leistet, welche
regelmäßig gegen Entgelt erfolgen1323. Im Fall der Stiftung besteht eine solche
Organisationsbefugnis der Stiftung aber gerade nicht. Der Stiftungsvorstand steht
zur Stiftung in keinem vergleichbaren Weisungs- und Abhängigkeitsverhältnis
wie der Arbeitnehmer zum Arbeitgeber1324. Das Tätigkeitsfeld des Stiftungsvorstands ist mindestens so frei wie das des Geschäftsführers einer GmbH. Dem Stiftungsvorstand kommt eine eigene Organisationsbefugnis des Betriebsablaufs zu,
soweit dabei die stifterlichen Vorgaben beachtet werden. Darüber hinaus werden
in der Rechtsprechung1325 und Literatur1326 die Geschäftsführer juristischer Personen nicht als Arbeitnehmer anerkannt. Die Übertragung dieser Grundsätze auf
das Innenverhältnis zwischen Organmitglied und juristischer Person wird in der
Literatur überwiegend und in der Rechtsprechung durchweg abgelehnt1327. Das
Verhältnis zwischen Stiftungsvorstand und Stiftung ist auch dann wenn ihm ein
Dienstvertrag zugrunde liegt, kein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne.
Eine Haftungsprivilegierung des Vorstands nach arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätzen scheidet daher aus1328. Auch aus einer rein ehrenamtlichen Tätigkeit
des Stiftungsvorstands läßt sich eine Haftungsprivilegierung nicht ableiten1329.
1321 BAG GS NJW 1995, 210, 211 ff. m.w.N.; Schwintek, S. 195; ders., ZSt 2005, 108, 113;
Ahrens, DB 1996, 934 ff.
1322 Dütz, Rn. 198; Schwintek, S. 196 f.
1323 BAG NZA 2002, 1412, 1414; BAG NZA 2002, 1086, 1087.
1324 Schwintek, ZSt 2005, 108, 113.
1325 BGHZ 10, 187, 191; BGHZ 36, 142, 143; BGHZ 49, 30, 31; BAG NJW 1996, 614, 615;
BAG NJW 1995, 675, 676 f.; BGH NJW 2000, 1864, 1864 f.; BVerwG NZA 2003, 1094,
1094 ff.; BSG NZA 1987, 614, 614 ff.
1326 Palandt/Weidenkaff, Einf v. § 611, Rn. 7 ff.; MüKo/Müller-Glöge (4. Auflage), § 611, Rn.
146 m.w.N.; Kilian, ZSt 2007, 34, 35.
1327 BGH WM 1975, 467, 469; OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1183, 1192; Schmidt, § 28 II 4b;
Schwintek, S. 196; Kilian, ZSt 2007, 34, 37; a.A. Köhl, DB 1996, 2597, 2601 ff.; Pullen,
BB 1984, 989, 991.
1328 Schwintek, S. 195 ff.; Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 42 f.
1329 BGH ZIP 2004, 407, 409; Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 43 ff.
198
(4) Haftungserleichterung aufgrund Satzungsbestimmungen
Der Haftungsmaßstab könnte weiterhin durch Satzungsbestimmungen abgewandelt werden und auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden. Gegen
diese Möglichkeit des Stifters bereits im Stiftungsgeschäft eine Haftungserleichterung des Vorstands zu normieren, wendet sich Reuter, der aus dem zwingenden
Charakter von §§ 86, 27 III BGB und dem Vergleich mit den §§ 2219, 2220 BGB
ableitet, daß eine Haftungserleichterung auch vom Stifter nicht normiert werden
können soll1330. Der Testamentsvollstrecker sei ein ebenso treuhänderisch tätiger
Vertreter der Interessen des Erblassers wie der Stiftungsvorstand bzgl. der Stiftung1331. Aus den §§ 2219, 2220 BGB sei daher ein verallgemeinerungsfähiger
Grundsatz für treuhänderische Vertreter abzuleiten. Eine Haftungserleichterung
in der Satzung zeige einen Wertungswiderspruch.
Dieser Ansicht ist zu widersprechen. Die Verweisung des § 86 S. 1 BGB auf
§ 27 III BGB und Auftragsrecht ist nur insoweit zwingend, als Auftragsrecht gilt,
falls sich aus dem Stiftungsgeschäft nicht Gegenteiliges ergibt1332. Der Stifter
kann das Anstellungsverhältnis zwischen Stiftung und Vorstand regeln und damit
auch vom Auftragsrecht abweichen, solange immer noch der schuldrechtliche
Charakter gewahrt bleibt. Demzufolge liegt es aber auch in Bereich der Freiheit
des Stifters, eine Haftungserleichterung vorzusehen1333, zumal diese im einzelnen
Vorstandsdienstvertrag als Ausfluß der Privatautonomie ohnehin vereinbart werden dürfte. Keinem Vorstand, der unentgeltlich tätig wird, könnte ein Verlangen
nach Haftungserleichterung abgelehnt werden, da dieser nicht verpflichtet ist, die
Vorstandstätigkeit zu übernehmen. Überdies zeigt sich aus § 2219 I BGB selbst
ein erheblicher Unterschied zwischen der Rechtslage beim Testamentsvollstrekker und im Stiftungsrecht1334. Aus § 2219 I BGB ist der Testamentsvollstrecker
dem Erben zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er seine Tätigkeiten schuldhaft
verletzt. Könnte der Erblasser dem Testamentsvollstrecker Haftungserleichterungen gewähren, würden insoweit Ansprüche der Erben beeinträchtigt. Das Verbot
der Haftungserleichterung dient dem Schutz der Erben1335. Eine vergleichbare
Interessenlage scheidet für das Stiftungsrecht aber aus. Vergleichbare Beeinträchtigungen Dritter ergeben sich im Stiftungsrecht nicht, denn soweit etwaige Schadensersatzansprüche der Stiftung gegen den Vorstand durch diese Haftungserleichterung betroffen werden, ist dies das Ergebnis einer stifterlichen Vorgabe,
mithin Bestandteil einer konstituierenden Bestimmung, die das Wesen und auch
die Rechtsstellung und Ansprüche der Stiftung im Verhältnis zum Vorstand defi-
1330 MüKo/Reuter (5. Auflage); § 86, Rn. 20; ders., Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 165 f.
1331 Reuter, Non Profit Law Yearbook 2002, 157, 165 f.
1332 Richtig Kiethe, NZG 2007, 810, 813.
1333 Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 45 f.
1334 § 2219 I BGB: »Verletzt der Testamentsvollstrecker die ihm obliegenden Verpflichtungen,
so ist er, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt, für den daraus entstehenden Schaden
dem Erben und, soweit ein Vermächtnis zu vollziehen ist, auch dem Vermächtnisnehmer
verantwortlich.«
1335 Jauernig/Stürmer, § 2220, Rn. 1.
199
niert. Es werden eben nicht Ansprüche Dritter vereitelt, wie dies beim Testamentsvollstrecker der Fall wäre. Ansprüche der Destinatäre beruhten nämlich erst
auf der Stiftungssatzung, eine Beeinträchtigung derselben durch Stiftervorgaben
wäre also zulässig. Durch satzungsmäßige Haftungserleichterungen wird zudem
die Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit der Stiftungsorgane
gestärkt1336. Der Stifter kann dem Vorstand Haftungserleichterungen in der Satzung einräumen.
(5) Haftungsausschluß bei satzungsgeforderten Maßnahmen
Soweit eine Handlung der Stiftungsorgane einer ausdrücklichen Satzungsbestimmung des Stifters folgt, kann diese Handlung, auch wenn sie eine objektive Verletzung der Pflichten des Stiftungsvorstands darstellt, keine Haftung des Stiftungsorganmitglieds begründen1337. Im Körperschaftsrecht folgt dieser Grundsatz
allgemein aus dem Gedanken, daß die Körperschaft nicht einerseits die Handlungen des Organs ausdrücklich vorgeben und andererseits Schadensersatzforderungen aus denselben Handlungen der Organe ableiten würde1338, da es sich ansonsten um ein venire contra factum proprium handeln würde1339. Im Stiftungsrecht
folgt die Vorgabe der Handlungen des Stiftungsvorstands aus dem Stiftungszweck sowie den ausdrücklichen Vorgaben des Stifters. Dabei geben die
§§ 80 ff. BGB die Zweckbindung der Stiftung zwar als obersten Grundsatz
vor1340. Anderweitige Vorgaben des Stifters in der Satzung können jedoch widersprüchlich sein und gegen diese Zweckbestimmung verstoßen. Hält sich der Stiftungsvorstand uneingeschränkt an die ausdrücklichen Stiftervorgaben, handelt
dieser zwar pflichtwidrig, ein Verschulden ist aber abzulehnen, da sich der Stiftungsvorstand auf die ausdrücklichen Anweisungen des Stifters verlassen können
muß. Allerdings wird das Verschulden dennoch zu bejahen sein, wenn die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Satzungsbestimmung von der Aufsichtsbehörde
oder gerichtlich festgestellt wurde und damit die Stiftungsorgane bereits über die
tatsächliche Rechtslage unterrichtet sind oder sein müßten1341. Andernfalls wären
dauernde satzungsmäßig legitimierte Verstöße gegen den Stiftungszweck ohne
haftungsrechtliche Folgen für den Stiftungsvorstand. Dies würde die Rechtssicherheit dauerhaft beeinträchtigen, ein Ergebnis, das von den §§ 80 ff. BGB nicht
getragen wird.
1336 Schwintek, ZSt 2005, 108, 114.
1337 Schwintek, S. 201.
1338 Vgl. Reichert, Rn. 1935; Schwintek, S. 201; Eisele, S. 108; Linnenbrink, SpuRt 2000, 55,
56 f.; Köhl, DB 1996, 2597, 2598; vgl. auch Konzen, NJW 1989, 2977, 2984 f.
1339 Canaris, ZGR 1978, 207, 209; Schwintek, S. 201 m.w.N.
1340 Blydt-Hansen, S. 28.
1341 Vgl. Schwintek, S. 200 ff.
200
2. Haftung aus Deliktsrecht
a. § 823 I BGB
Die allgemeine deliktische Haftung erfährt im Verhältnis zwischen Stiftung und
Vorstand keine Besonderheiten1342. Es gelten hier die allgemeinen Deliktsrechtsgrundsätze, der Stiftungsvorstand haftet danach der Stiftung, wenn er schuldhaft
die Rechtsgüter der Stiftung i.S.d. § 823 I BGB verletzt1343. Als verletztes
Rechtsgut kommt bei der Stiftung grundsätzlich das Eigentum in Betracht. Das
Stiftungsvermögen kann sich schließlich auch aus Sachen zusammensetzen, welche vom Vorstand beschädigt werden könnten. Die Substanzverletzung genügt
i.S.d. § 823 I BGB ebenso wie die Sachentziehung1344. Bedeutsam ist dies vor allem bei Sachbeschädigungen am Stiftungsvermögen, beim Diebstahl oder auch
bei der eigenmächtigen Veräußerung von Wertgegenständen durch den Stiftungsvorstand. Auch die nicht nur kurzfristige Verhinderung des bestimmungsgemä-
ßen Gebrauchs ist eine Eigentumsverletzung i.S.d. § 823 I BGB1345, ebenso wie
die nachteilige Beeinflussung der Beschaffenheit einer Sache oder Sachgesamtheit1346. Letzteres ist denkbar in Fällen des Durcheinanderbringens von Briefmarkensammlungen, Bibliotheken, Archiven oder einer Münzsammlung1347. Neben
dem Eigentum sind auch die sonstigen dinglichen Rechte wie das Erbbaurecht,
Dienstbarkeiten, dingliche Vorkaufsrechte, Reallasten, Grundpfandrechte und
Pfandrechte geschützt, soweit sie der Stiftung eingeräumt sind1348. Ebenfalls geschützt werden dingliche Anwartschaftsrechte1349 und der Besitz1350. Für etwaige
Haftungserleichterungen gelten die obigen Ausführungen entsprechend1351.
Im Stiftungsrecht werden derartige Rechtsgutsverletzungen jedoch sehr viel
seltener vorkommen als reine Vermögensschäden der Stiftung aus pflichtwidrigem Verhalten der Stiftungsorgane. Insofern kommt der Haftung aus § 823 I BGB
nur eingeschränkte Bedeutung zu1352.
1342 Schwintek, S. 199; ders., ZSt 2005, 108, 109.
1343 Burgard, S. 593; Hüttemann/Herzog, Non Profit Law Yearbook 2006, 33, 36.
1344 Palandt/Sprau, § 823, Rn. 7.
1345 BGH NJW-RR 1990, 1172, 1172 ff.; Palandt/Sprau, § 823, Rn. 7.
1346 Palandt/Sprau, § 823, Rn. 7.
1347 BGH NJW 1980, 1518, 1518 ff.
1348 Palandt/Sprau, § 823, Rn. 12.
1349 Palandt/Sprau, § 823, Rn. 12.
1350 Palandt/Sprau, § 823, Rn. 12.
1351 Vgl. die Ausführungen unter D I 1 c, S. 191 ff.
1352 Härtl, S. 91; Stengel, HessStiftG, § 8, Anm.4.3; Schwintek, S. 199; ders., ZSt 2005, 108,
109.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Stiftung des bürgerlichen Rechts wird vom Stiftungsvorstand als grundsätzlich einzigem Organ verwaltet. Die oft immensen Vermögensmassen der Stiftungen sind damit der zunächst alleinigen Verantwortung des Vorstands übergeben. Da dieser zentralen Einfluss auf die Geschicke der Stiftung hat, ist es notwendig, einen Pflichtenkatalog zu formulieren, der die Aufgaben und Spielräume des Stiftungsvorstands zusammenfasst und verständlich erläutert. Im Rahmen einer rechtswissenschaftlichen Untersuchung wird daher mit diesem Buch geklärt, welche grundlegenden Pflichten der Stiftungsvorstand hat, wo diese ihre rechtlichen Grundlagen finden und welche haftungsrechtlichen Folgen sich bei Pflichtverletzungen des Stiftungsvorstands ergeben können.
Dabei ist es gelungen, Abstimmungsfehler zwischen Bundes- und Landesrecht aufzuzeigen, die zur formellen Verfassungswidrigkeit zahlreicher Landesnormen im Stiftungsrecht geführt haben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Arbeit des Stiftungsvorstands als auch auf die Arbeit der Stiftungsaufsichtsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Mitgliederlosigkeit der Stiftung durch staatliche Kontrolle und Fürsorge auszugleichen.