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war hingegen ebenso wie bei § 648 gemäß dem seinerzeitigen Bauwerksbegriff die
Anwendbarkeit denkbar.
Soweit es um Verträge über »Bauwerke« im genannten Sinne geht (d.h. um individuell angefertigte Bauteile, welche die Rechtsprechung im bisherigen Recht als
Bauwerke einordnete), bei denen der Besteller/Käufer die Stoffe zur Verfügung zu
stellen hat, lässt sich daher über eine entsprechende Anwendung der §§ 648, 648a
nachdenken. Aufgrund der praktischen Seltenheit solcher Fälle soll darauf hier aber
nicht weiter eingegangen werden.
C) Ablieferung bzw. Übergabe statt Abnahme
I. Wendepunkt in der Vertragsbeziehung
Schon im Zusammenhang mit der Frage nach dem Verjährungsbeginn wurde auf
den Unterschied zwischen dem werkvertragsrechtlichen Abnahmebegriff und der
kaufrechtlichen Übergabe bzw. Ablieferung hingewiesen.1087 Nicht nur der Verjährungsbeginn, sondern auch andere Rechtsfolgen treten im Werkvertragsrecht verzögert ein: Zu nennen sind hier zunächst der Gefahrübergang, der Beginn des Annahmeverzugs und der Zeitpunkt des (ausschließlichen1088) Eingreifens der Mängelrechte.1089 Im Kontext der Mängelrechte markiert der Zeitpunkt der Abnahme bzw.
der Ablieferung/Übergabe noch einen weiteren wichtigen Wendepunkt: Bis zu diesem Zeitpunkt muss der Unternehmer/Verkäufer beweisen, dass seine Leistung
mangelfrei ist, wenn er seine Ansprüche durchsetzen möchte. Erst mit der Abnahme
bzw. Ablieferung kehrt sich die Beweislast um, dann muss der Besteller/Käufer
beweisen, dass die erhaltene Leistung mangelhaft ist.1090
Ein weiterer Punkt zeigt sich erst auf den zweiten Blick: Auch die Fälligkeit der
Vergütung hängt praktisch von diesen Zeitpunkten ab. Im streng begrifflichen Sinne
ist dies zwar unzutreffend, denn im Kaufrecht ist der Kaufpreis schon mit Vertragsschluss fällig. Praktisch ist es jedoch so, dass der Käufer/Besteller den Kaufpreis bis
zur Übergabe gemäß § 320 zurückbehalten darf. Dass der Vergütungsanspruch im
Werkvertragsrecht auch im streng begrifflichen Sinne erst mit der Abnahme fällig
wird, ist mithin nicht das Entscheidende. Entscheidend sind vielmehr die zeitlichen
Unterschiede hinsichtlich der praktischen Durchsetzbarkeit.
1087 Vgl. oben B) IV. 2.
1088 Vgl. dazu den Exkurs am Ende von oben A) IV. 2.
1089 Letzteres hat u.a. zur Folge, dass dem »Verkäufer« das erleichterte Leistungsverweigerungsrecht
des § 439 Abs. 3 zu einem früheren Zeitpunkt zusteht als dem Unternehmer (§ 635 Abs. 3), vgl.
dazu Oechsler NJW 2004, 1825, 1828, der darin die Gefahr einer Tür zur »Flucht in die Nacherfüllung« sieht.
1090 Vgl. Palandt/Sprau § 640 Rn. 11.
285
Schließlich ist die Abnahme bzw. Ablieferung/Übergabe auch für die Frage relevant, ab wann der Besteller/Käufer in Zahlungsverzug geraten kann, sofern die weiteren Verzugsvoraussetzungen vorliegen. Dieses Problem wird ein wenig dadurch
abgemildert, dass der Unternehmer im Werkvertragsrecht die Möglichkeit hat, den
Eintritt des Zahlungsverzugs praktisch etwas vorzuverlagern. Dazu muss er den
Besteller in Verzug mit der Abnahme setzen, sobald der Besteller zur Abnahme verpflichtet ist. Folge davon ist, dass der verspätete Eintritt der Fälligkeit und dessen
Folgen (inkl. des verspäteten Eintritts des Verzugs mit der eigentlichen Vergütungspflicht) als Verzugsschaden geltend gemacht werden können.1091 Allerdings bleibt
trotz dieser Möglichkeit noch der »normale« Zeitunterschied zwischen Kauf- und
Werkvertragsrecht. Da man dem Besteller im Werkvertragsrecht eine dem Einzelfall angepasste Prüfungsfrist einräumen muss, kann alleine dieser Unterschied
schon mehrere Wochen betragen.1092
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass im Normalfall alle Folgen der
Abnahme bzw. der Übergabe/Ablieferung im Werkvertragsrecht verzögert eintreten.1093
II. Der unwesentliche Mangel im Kaufrecht als Zahlungsverzögerungsmöglichkeit
1. Problemdarstellung
Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich der soeben dargestellte kaufrechtliche »Zeitvorsprung« jedoch in das Gegenteil verkehren. Der Hintergrund hierfür
liegt in einer unterschiedlichen Behandlung des »unwesentlichen Mangels«. Dies
kann der Käufer/Besteller im Kaufrecht zu einer gezielten Verzögerung der Kaufpreiszahlung ausnutzen. Im Einzelnen:
Sowohl im Werkvertragsrecht als auch im Kaufrecht ist die Mängelhaftung nicht
auf wesentliche Mängel beschränkt. Im Kaufrecht ist dies eine Neuerung, denn im
bisherigen Recht sah § 459 Abs. 1 S. 2 a.F. vor, dass »eine unerhebliche Minderung
des Wertes oder der Tauglichkeit nicht in Betracht« komme.
Anders als im Kaufrecht wird diese weite Mängelhaftung aber im Werkvertragsrecht dadurch abgefedert, dass der Besteller bei unwesentlichen Mängeln die
Abnahme nicht verweigern darf (§ 640 Abs. 1 S. 2). Dem Besteller bleibt natür-
1091 So auch Peters NZBau 2000, 169, 171; i.Erg. auch Motzke NZBau 2000, 489, 495; a.A. wohl Henkel MDR 2003, 913, 916 f.
1092 Zur Prüffrist vgl. oben A) IV. 2.
1093 Ein weiterer Aspekt ist die Frage, wem die Sache bilanzrechtlich zuzuordnen ist: Vor der Schuldrechtsmodernisierung war die Abnahme der Umsatzrealisationszeitpunkt, nunmehr reicht die
Übergabe und die Verschaffung des Eigentums (soweit erforderlich), vgl. Hoene/Zeifang ITRB
2003, 228 ff.; Fischer/Neubeck BB 2004, 657 ff. Zur Frage, ob die Abnahmevorschriften in Fällen
des § 651 S. 1 entsprechend angewendet werden können, vgl. oben A) IV. 2.
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lich die Möglichkeit, sich die Mängelrechte vorzubehalten (§ 640 Abs. 1 S. 2),
wobei der Rücktritt allerdings (wie im Kaufrecht, § 437 Nr. 2 i.V.m. § 323 Abs. 5
S. 2) ausgeschlossen ist (§ 634 Nr. 3 i.V.m. § 323 Abs. 5 S. 2). Außerdem steht
ihm die Einrede des nichterfüllten Vertrags in der in § 641 Abs. 3 beschriebenen
Höhe zu.
Im Kaufrecht hingegen bleibt dem Käufer/Besteller – soweit man dem Wortlaut
des Gesetzes folgt1094 – auch bei unwesentlichen Mängeln die Möglichkeit, die
Sache abzulehnen. Diese Möglichkeit der Zurückweisung ergibt sich daraus, dass
der Verkäufer/Unternehmer gemäß § 433 Abs. 2 zur Lieferung einer mangelfreien
Sache verpflichtet ist. Gemäß dem allgemeinen Gedanken des § 266 muss der Käufer/Besteller eine mangelhafte Sache daher nicht als Leistungsgegenstand akzeptieren.1095 Da im neuen Kaufrecht auch unwesentliche Abweichungen vom Soll einen
Mangel darstellen, besteht dieses Zurückweisungsrecht offenbar auch bei unwesentlichen Mängeln.
Wichtig ist dies unter anderem für die Frage, wie schnell der Unternehmer/Verkäufer einen einredefreien Anspruch auf die Vergütung erhält. Hier sorgt der
Mechanismus im Werkvertragsrecht dafür, dass der Unternehmer/Verkäufer relativ
zügig wenigstens einen Teil beanspruchen kann: Der Besteller muss das Werk
abnehmen, wenn feststeht, dass jedenfalls kein wesentlicher Mangel vorliegt. Nur
wenn ein wesentlicher Mangel vorliegt, kann er die Abnahme verweigern und im
vollen Umfang die Vergütung zurückhalten. Sofern das nicht der Fall ist, muss er
das Werk abnehmen und darf nur einen angemessenen Teil der Vergütung zurückbehalten (§ 641 Abs. 3). Im Kaufrecht kann der Käufer/Besteller jedoch die gesamte
Vergütung zurückhalten, wenn der Unternehmer/Verkäufer vor dem Gefahrübergang nicht die völlige Fehlerfreiheit nachweist. § 320 Abs. 1 ist in vollem Umfang
anwendbar. Eine Beschränkung der Einrede des nichterfüllten Vertrags gemäß
§ 320 Abs. 2 ist nicht möglich, da das Angebot eines mangelhaften Gegenstands
keine »Teilleistung« ist.
Erst nach Ablieferung ist § 320 Abs. 2 bei unwesentlichen Mängeln anwendbar, denn
dann hat der Besteller/Käufer eine Vermögensmehrung erlangt, die man als »Teilleistung« begreifen kann. Dabei taucht dann allerdings das weitere Problem auf, welcher
Betrag zurückgehalten werden darf.1096
Dem Käufer/Besteller wird damit im Kaufrecht die Möglichkeit eröffnet, die
Zahlung zu verzögern. Diese Folge der jüngeren Gesetzgebung verblüfft ein wenig:
Die §§ 640 ff., die im bisherigen Recht auf die werktypischeren Fälle des § 651 S. 1
anwendbar waren (vgl. § 651 a.F.), gehen inklusive der Abnahmepflicht bei unwesentlichen Mängeln auf das recht junge Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlun-
1094 Zu Literaturstimmen, die in bestimmten Fällen ein Annahmeverweigerungsrecht ablehnen, vgl.
unten 2.
1095 Vgl. Faust in Bamberger/Roth § 433 Rn. 40.
1096 Vgl. dazu oben A) IX.
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gen1097 zurück. Hier hat der Gesetzgeber also innerhalb von zwei Jahren die auf dem
Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen beruhenden Beschleunigungseffekte
für die im bisherigen Recht nach Werkvertragsrecht zu beurteilenden Fälle des
§ 651 a.F. wieder beseitigt.
Für eine gewisse, wenn auch nicht vollständige Entschärfung des Problems sorgt
§ 323 Abs. 5 S. 2. Ein Rücktritt (anders als die Minderung, § 441 Abs. 1 S. 2) ist
demnach bei unwesentlichen Mängeln nicht möglich. Dadurch ist dafür gesorgt,
dass der Verkäufer/Unternehmer bei unwesentlichen Mängeln nach Durchführung
der Nacherfüllung, nach Ablauf oder Entbehrlichkeit der Nacherfüllungsfrist1098
oder nach Unmöglichkeit bzw. Scheitern1099 der Nacherfüllung jedenfalls einen einredefreien Anspruch auf die (geminderte) Vergütung erhält, und zwar unabhängig
davon, ob der Gefahrübergang (d.h. im Regelfall die Annahme der Sache) schon
stattgefunden hat oder nicht. Entweder kommt in einem solchen Fall § 323 Abs. 5
S. 2 direkt oder über § 437 Nr. 2 zur Anwendung. Mittels § 323 Abs. 5 S. 2 ist es
aber nicht möglich, einen sofortigen einredefreien Vergütungsanspruch ab Ablieferung zu konstruieren, wie ihn das Werkvertragsrecht (wenn auch im reduzierten
Maße, § 641 Abs. 3) kennt, denn wenn der Besteller/Käufer die Sache nicht akzeptiert, steht ihm ja bis zum Wegfall des Nacherfüllungsanspruchs die Einrede des
nichterfüllten Vertrags in vollem Umfang zu.1100 Außerdem kann § 323 Abs. 5 S. 2
die Problematik auch deswegen nur teilweise entschärfen, weil die übrigen Rechtsfolgen, die an die Abnahme geknüpft werden (Gefahrübergang, Beweislastverteilung usw.)1101, durch § 323 Abs. 5 S. 2 jedenfalls nicht ausgelöst oder gleichwertig
ersetzt werden. Schließlich gibt es sogar Stimmen, nach denen es vor Gefahrübergang nicht einmal zu der genannten Entschärfung des Problems durch § 323 Abs. 5
S. 2 kommt, der Käufer/Besteller könne auch bei unwesentlichen Mängeln zurücktreten.1102
2. Lösungsansätze
In der Literatur werden zum Problem des unwesentlichen Mangels mehrere
Lösungsansätze vorgeschlagen.
1097 Gesetz vom 30.03.2000 (BGBl I S. 330).
1098 Sofern der Käufer bei Fristablauf oder Entbehrlichkeit einer Fristsetzung auf seinem Nacherfüllungsanspruch beharrt, kann er die Sache auch dann noch zurückweisen (bis nacherfüllt ist oder die
Nacherfüllung unmöglich ist – dann muss er [ggf. gemindert] zahlen), wenn er nicht darauf beharrt,
muss er die Sache abnehmen und die geminderte Vergütung zahlen.
1099 Auch bei Scheitern der Nacherfüllung hat der Käufer die Wahl zwischen Abnahme/geminderter
Vergütung und Beharren auf der Nacherfüllung, soweit das Scheitern keine Unmöglichkeit zur
Folge hat (dann Abnahme und geminderte Vergütung).
1100 Eine Ausnahme bildet der Fall, dass die Nacherfüllung von vornherein unmöglich ist. Dann muss
der Käufer, da er nicht zurücktreten kann, die Sache sofort annehmen und sofort die geminderte
Vergütung zahlen, vgl. Jud JuS 2004, 841, 845 f.
1101 Vgl. oben I.
1102 So z.B. Faust in Bamberger/Roth § 433 Rn. 41: § 323 Abs. 5 S. 2 finde erst dann Anwendung,
wenn der Käufer die Sache abgenommen habe, weil der Verkäufer erst dann eine Leistung
»bewirkt« habe; ebenso mit anderer Begründung Jud JuS 2004, 841, 843 ff.
288
Ein Vorschlag geht dahin, § 640 Abs. 1 S. 2 in Fällen des § 651 entsprechend
anzuwenden.1103 Diese Lösung knüpft daran an, dass die Interessenlage in den Fällen des § 651 S. 1 mit derjenigen bei »normalen« Werkverträgen vergleichbar ist.
Man wird jedoch kaum begründen können, dass das Gesetz hier nicht dem gesetzgeberischen Plan entspricht. § 640 Abs. 1 S. 2 gehört zu den Abnahmevorschriften, so
dass die allgemeinen Bedenken gegen eine Rechtsfortbildung in diesem Bereich1104
auch insoweit greifen.
Hinsichtlich der Verzögerungsmöglichkeit bei der Vergütung wird auch vorgeschlagen, dem »Verkäufer« sollte bei unwesentlichen Mängeln sofort ein einredefreier Anspruch auf die geminderte Vergütung zugesprochen werden.1105 Dafür
könnte sprechen, dass der »Käufer« unabhängig davon, ob er die Sache abnimmt
oder nicht, wegen § 323 Abs. 5 S. 2 nicht zurücktreten kann und er daher irgendwann ohnehin zur Kaufpreiszahlung verpflichtet ist – entweder in vollem Umfang
nach Korrektur des Mangels oder in reduziertem Maße bei Eintritt der Minderungsvoraussetzungen. Das Zurückhalten der vollen Vergütung wird von dieser Auffassung mithin praktisch als unzulässige Rechtsausübung verstanden (§ 242). Folgt
man dem, so führt dies aber zu Nachteilen für den Käufer/Besteller, denn diesem
steht dann anders als im Werkvertragsrecht (§ 641 Abs. 3) kein gesetzlich fest normiertes Mindestdruckmittel zur Verfügung, das den »Verkäufer« zur zufriedenstellenden Nacherfüllung antreiben könnte. Es fände nur § 320 Abs. 2 Anwendung, bei
dem der – richterrechtlich entwickelte – Druckzuschlag nicht im Mindestmaß festgeschrieben ist.1106 Diese Lösung wäre also nur sachgerecht, wenn gleichzeitig
§ 641 Abs. 3 analog anwendbar wäre. Aber auch dann wäre diese Lösung für den
Käufer/Besteller noch nicht angemessen, denn die mit dem Gefahrübergang verbundenen vergütungsrechtlichen Folgen würden nach dieser Lösung anders als im
Werkvertragsrecht ohne den Gefahrübergang eintreten – der Besteller/Käufer verlöre weitestgehend die Einrede des nichterfüllten Vertrags, ohne die Sache angenommen zu haben oder in Annahmeverzug geraten zu sein. Diese Lösung wäre
daher nur dann stringent, wenn man zusätzlich auch noch eine Annahmepflicht oder
-obliegenheit konstruieren würde. Letztlich wäre dies eine Analogie zu § 640 Abs. 1
S. 2. Rechtspolitisch betrachtet wäre dies zwar zu begrüßen, es fehlt aber wie bereits
gezeigt an den Voraussetzungen zu einer solchen Analogie.1107
Man wird daher de lege lata davon ausgehen müssen, dass dem Käufer/Besteller
im Kaufrecht bei unwesentlichen Mängeln vor Gefahrübergang das volle Leistungs-
1103 So Staudinger/Peters § 651 Rn. 19.
1104 Vgl. oben A) IV. 2.
1105 Palandt/Weidenkaff § 433 Rn. 47; Lamprecht ZIP 2002, 1790 (der zudem meint, der Käufer gerate
bei der Abnahmeverweigerung in einem solchen Falle in Annahmeverzug); in diese Richtung auch
Jansen ZIP 2002, 877 ff., der darüber hinaus vertritt, dass der Käufer nicht nur (!) bei unwesentlichen Mängeln zur Abnahme verpflichtet sei, wenn er – sofern er abgenommen hätte – nur eine
Nachbesserung beanspruchen könnte, vgl. dagegen Jud JuS 2004, 841, 843 ff.
1106 Vgl. bereits oben A) IX. 2.
1107 Vgl. bereits oben in dieser Ziffer und oben A) IV. 2.
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verweigerungsrecht zusteht. Dies wird nur über § 323 Abs. 5 S. 2 abgemildert, so
dass der Unternehmer/Verkäufer spätestens nach erfolgreicher Nacherfüllung oder
bei Wegfall der Nacherfüllungspflicht – d.h. unter Umständen nach recht langer
Verzögerung – einen einredefreien Anspruch auf die (geminderte) Vergütung hat.
Allenfalls in seltenen Ausnahmefällen wird es darüber hinaus die Möglichkeit
geben, über § 242 oder das Schikaneverbot Abhilfe zu schaffen. Ansonsten bleibt
nur der Weg über eine vertragliche Regelung.1108
III. Durchgriffsfälligkeit
Das Kaufrecht enthält keine Entsprechung zu § 641 Abs. 2. Wenn der Besteller die
Herstellung des Werks einem Dritten versprochen hat, so wird der Werklohn nach
dieser Vorschrift auch ohne Abnahme insoweit fällig, als der Besteller den
Werklohn von dem Dritten erhalten hat.
Da diese Vorschrift auch dann anwendbar ist, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Besteller und dem Dritten nicht werkvertragsrechtlicher Natur ist1109,
ergeben sich keine Neuerungen zum bisherigen Recht, wenn es sich bei dem Vertrag
zwischen dem Besteller und dem Dritten um einen Fall des § 651 S. 1 handelt und
der Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Besteller dem Werkvertragsrecht
unterfällt. Erhält der Besteller beispielsweise für das von ihm hergestellte und angelieferte Spezialbauteil die Vergütung von dem Dritten, so hat der Unternehmer, der
an der Herstellung dieses Bauteils mitgewirkt hat, einen sofortigen Anspruch auf
seine Vergütung.
Veränderungen zum bisherigen Recht ergeben sich aber, wenn der Vertrag zwischen Unternehmer und Besteller § 651 S. 1 unterfällt. § 641 Abs. 2 gilt dann im
Gegensatz zum bisherigen Recht nicht mehr. Allein dadurch entstehen dem Unternehmer jedoch keine Nachteile: Die in § 641 Abs. 2 berücksichtigte Situation kann
nur eintreten, wenn auch die übrigen Fälligkeitsregelungen des Werkvertragsrechts
anwendbar sind, was in Fällen des § 651 S. 1 nicht der Fall ist. § 641 Abs. 2 betrifft
die Fälle, in denen ein Subunternehmer sein Werk bereits hergestellt und dem Hauptunternehmer, der von seinem Auftraggeber bereits bezahlt wurde, zur Verfügung
gestellt hat, in denen aber noch keine Abnahme durch den Hauptunternehmer erfolgt
ist. Im Anwendungsbereich des Kaufrechts besteht zu diesem Zeitpunkt jedoch
bereits ein einredefreier Anspruch auf die Vergütung, da der Kaufpreis praktisch mit
Ablieferung »fällig« (d.h. einredefrei, § 320) wird. Nachteilig wäre die Nichtanwendbarkeit des § 641 Abs. 2 nur dann, wenn diese Norm auch bei reinen Vorauszahlungen des Dritten unabhängig von einer Fertigstellung des Werks durch den
Subunternehmer anwendbar wäre. Das ist jedoch nach herrschender Meinung nicht
1108 Vgl. dazu Kap. 2, A) II. 3. b) ee).
1109 Voit in Bamberger/Roth § 641 Rn. 15.
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der Fall: Eine Durchgriffsfälligkeit besteht auch bei Vorauszahlungen nur dann,
wenn der Subunternehmer sein Werk fertig gestellt hat.1110
IV. Fälligkeitszinsen
§ 641 Abs. 4 gewährt dem Unternehmer/Verkäufer einen Zinsanspruch ab Fälligkeit
bzw. Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs. Eine entsprechende Regel fehlt
im Kaufrecht. Gravierend ist dieser Nachteil freilich nicht: Da der Zinssatz nur 4 %
beträgt, entgeht dem Unternehmer/Verkäufer bis Verzugseintritt – dessen zeitnahe
Herbeiführung der Unternehmer/Verkäufer natürlich beachten sollte – nur ein relativ geringer Betrag. Unter Kaufleuten gilt zudem ohnehin der Zinsanspruch gemäß
§§ 353, 352 HGB (5 % ab Fälligkeit).
D) Keine Entsprechung zu § 632 BGB
Im Kaufrecht fehlt eine Entsprechung zu § 632. Diese Norm regelt zum einen den
Fall, dass eine ausdrückliche Vergütungsabrede fehlt (Abs. 1, Fiktion einer Vergütungsvereinbarung, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen
eine Vergütung zu erwarten ist), zum anderen den Fall, dass die Vergütung der Höhe
nach unbestimmt ist (Abs. 2, Lückenfüllung durch taxmäßige oder übliche Vergütung).
Zwar gibt es im allgemeinen Schuldrecht die §§ 315, 316.1111 Diese Normen dekken die durch die Nichtanwendbarkeit des § 632 entstehende Lücke aber nur teilweise ab:
Soweit es um das »Ob« einer Vergütungsabrede geht, können die §§ 315, 316
nicht herangezogen werden, weil sie das Bestehen einer (der Höhe nach unbestimmten) Vergütungsabrede voraussetzen und nur die Frage ansprechen, wie und durch
wen in einem solchen Fall die Höhe der Vergütung bestimmt werden soll. Folglich
müsste bei Fehlen einer Vergütungsabrede grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass gar kein Vertrag geschlossen wurde (§ 154 Abs. 1 S. 1) oder dass ein versteckter Dissens vorliegt (§ 155).1112
Soweit es um die Höhe der Vergütung geht (»wie«), bestehen auch maßgebliche
Unterschiede zu § 632, denn die §§ 315, 316 regeln nicht wie § 632 die Bemes-
1110 Vgl. Palandt/Sprau § 641 Rn. 7: § 641 Abs. 2 soll dem Subunternehmer, der seine Leistung tatsächlich erbracht hat, die Vergütung sichern. Bei Abschlägen für Teilleistungen hingegen wird z.T.
die Auffassung vertreten, § 641 Abs. 2 finde Anwendung, vgl. Palandt/Sprau aaO Rn. 7 m.w.N.
1111 Vgl. Palandt/Sprau § 651 Rn. 6.
1112 Vgl. Staudinger/Peters § 632 Rn. 32.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
§ 651 BGB ist durch die Schuldrechtsreform grundlegend verändert worden. Während zuvor für die Anwendbarkeit des Kaufrechts letztlich entscheidend war, ob der Vertrag im Schwerpunkt kauftypisch ist, scheint nunmehr nur maßgeblich zu sein, ob eine bewegliche Sache zu liefern ist, selbst wenn sie nach individuellen Vorgaben herzustellen ist. Diese Abgrenzung wird vielfach als unbefriedigend empfunden, gerade weil sie nicht typologisch, sondern nur anhand von (nur scheinbar einfach zu bestimmenden) Äußerlichkeiten erfolgt. Der Autor untersucht zum einen den Anwendungsbereich der neuen Norm. Die Probleme liegen hier u.a. im Baurecht, bei komplexen Maschinen (Anlagenbau) und bei der Abgrenzung zu geistigen Leistungen. Problematisch sind wegen Bezügen zum Sachenrecht auch Fälle, bei denen der maßgebliche Stoffanteil vom Besteller gestellt wird. Zum anderen untersucht der Autor die z.T. praktisch sehr gravierenden Rechtsfolgen und inwiefern vertragliche Abweichungen möglich sind. Dabei legt er vor dem europäischen Hintergrund (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) dar, welche methodischen Grenzen einer restriktiven Auslegung gesetzt sind. Das Werk ist damit zugleich ein wichtiger Beitrag zur Dogmatik der (überschießenden) Richtlinienumsetzung.