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ler Software richtet, würde im Falle der Anwendbarkeit des § 651 S. 1 durch § 651
S. 3 berücksichtigt werden.
Eine Ausnahme gilt für Softwareerstellungsverträge mit Softwarevertreibern, da
es sich hierbei um reine Entwicklungsverträge handelt. Folglich gilt Werkvertragsrecht.
D) Verträge über die Überlassung von Standardsoftware mit individuellen Anpassungen
Sieht man von der Frage der Sachqualität ab, dann entspricht ein Vertrag über die
Lieferung von Standardsoftware mit individuellen Anpassungen einem Lieferungsvertrag mit Änderungsverpflichtung.964 Nach den Kriterien des bisherigen Rechts
wäre also entscheidend, ob der Schwerpunkt der geschuldeten Leistung auf den
Anpassungsleistungen liegt.965 Da ein Lieferungsvertrag mit Änderungsverpflichtung nach hier vertretener Auffassung § 651 S. 1 analog unterfällt, wenn eine
bewegliche Sache zu liefern ist966, hängt die Einordnung eines Vertrags über die
Lieferung anzupassender Standardsoftware im neuen Recht letztlich davon ab, wie
Softwareerstellungsverträge eingeordnet werden. Demnach gilt folgendes:
Folgt man dem hier vertretenen Ausgangspunkt und lehnt man die Körperlichkeit
von Softwareexemplaren generell ab, so ist wie im bisherigen Recht entscheidend,
welches Gewicht die Anpassungsleistungen haben. Sind sie nur von untergeordneter
Bedeutung (z.B. bloße Parametrisierung), so findet (über § 453 Abs. 1) Kaufrecht
Anwendung; sind sie von größerer Bedeutung, so findet Werkvertragsrecht Anwendung.967
Müssten Softwareexemplare hingegen generell als körperliche Gegenstände
betrachtet werden, so fänden die hier entwickelten Regeln für Lieferungsverträge
mit Änderungsverpflichtung Anwendung.968 Es wäre also gemäß § 651 S. 1 analog
Kaufrecht anzuwenden, die Anpassungen würden, sofern sie zur Unvertretbarkeit
des Softwareexemplars führen, über § 651 S. 3 berücksichtigt werden.969
964 Zum Begriff des Lieferungsvertrags mit Änderungsverpflichtung vgl. Kap. 1, C) I.
965 Vgl. Kap. 1, C) V.
966 Vgl. Kap. 1, C) V. 1.
967 Ebenso K. Diedrich CR 2002, 473, 478; Bartsch CR 2001, 649, 655; Junker NJW 2005, 2829,
2831 f.; Thewalt S. 98 ff. (allerdings mit einer etwas zu schematischen Einstufung nach dem Anteil
der Vergütung: Kaufrecht, wenn der Anpassungsanteil unter 50 % liegt); Lenhard S. 186 ff.; konsequent auch Hoeren in Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt S. 515, 517 ff.; Erman/B. Grunewald vor
§ 433 Rn. 24; Erman/Schwenker vor §§ 631 – 651 Rn. 22; Warnke Rn. 35.
968 Vgl. Kap. 1, C) V. 1. und 2.
969 Ebenso Schneider, Handbuch, S. 1465; Krauß S. 42; Plath ITRB 2002, 98, 100; Bauer/Witzel
ITRB 2003, 62, 63; Witzel in Schneider/Gr. v. Westphalen, Teil F Rn. 86 ff.; a.A. (keine Anwendbarkeit des Kaufrechts bei Lieferung von angepasster Software trotz der Anwendbarkeit des § 651
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Die gleichen Erwägungen gelten für den Fall, dass die Richtlinie nur Softwareerstellungsverträge erfassen sollte, bei denen die Software auf einem mobilen Datenträger zu überlassen ist: § 651 S. 1 wäre dann jedenfalls insoweit analog anzuwenden, als die angepasste Software per mobilem Datenträger zu überlassen ist. Allerdings wäre dann auch die hier für das entsprechende Szenario bei Softwareerstellungen befürwortete Analogie zu § 651 S. 1 bei unverkörperter Überlassung970 auf
Softwareanpassungen zu übertragen, denn die Erwägung, dass sich die Interessenlage bei unverkörperter Überlassung nicht von derjenigen bei verkörperter Überlassung unterscheidet, gälte auch hier.
E) Verträge über Softwareüberlassungen in Verbindung mit hardwarebezogenen
Zusatzleistungen
Oftmals werden Softwareexemplare im Rahmen eines Vertrags überlassen, bei dem
sich der Unternehmer/Verkäufer gleichzeitig zu hardwarebezogenen Leistungen
verpflichtet. Für die vielfältigen Kombinationen, die hier möglich sind, ist keine
pauschale Einordnung möglich, es bedarf vielmehr einer Einzelfallbetrachtung. Die
folgenden Ausführungen behandeln drei der wichtigsten Fallgruppen, wobei von
den hier vertretenen Grundthesen ausgegangen wird.
I. Lieferung einer EDV-Anlage mit installierter oder zu installierender Software
(»Systemlieferungsvertrag«)
Verhältnismäßig einfach einzuordnen sind Verträge über die Lieferung einer EDV-
Anlage mit installierter Software. Bei diesen Verträgen liegt der Schwerpunkt der
Leistung klar auf der Lieferung einer programmierten Anlage, wobei die Sachqualität des Lieferungsobjekts (der programmierte Rechner) nicht zu bestreiten ist. Daher
findet auf einen solchen Vertrag Sachkaufrecht Anwendung.971 Das gilt auch dann,
969
S. 1 auf Softwareerstellungsverträge, da es nicht um die Herstellung, sondern die Änderung einer
zu liefernden Sache gehe – was praktisch eine Ablehnung der Analogie zu § 651 S. 1 für den Lieferungsvertrag mit Änderungsverpflichtung bedeutet, soweit es um Software geht) Rösch in Juris-
PraxKomm § 631 Rn. 78; Redeker CR 2004, 88, 91; Bräutigam/Rücker CR 2006, 361, 366; Intveen ITRB 2006, 239.
970 Vgl. oben C) III. 1.
971 I. Erg. auch Rösch in JurisPraxKomm § 631 Rn. 80; a.A. (Werkvertragsrecht) MünchKomm4/
Busche § 631 Rn. 254; K. Diedrich CR 2002, 473, 479; Wüstenberg JA 2003, 424, 425; a.A. auch
Schneider, Handbuch, S. 1928 f. (Anwendung der Kombinationsmethode; die Ansicht ist abzulehnen, da ein Gesamtergebnis geschuldet ist und die werktypischen Elemente wie Installation usw.
Teil dieser Gesamtleistung sind, die insgesamt als Lieferung einer beweglichen Sache anzusehen
ist).
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References
Zusammenfassung
§ 651 BGB ist durch die Schuldrechtsreform grundlegend verändert worden. Während zuvor für die Anwendbarkeit des Kaufrechts letztlich entscheidend war, ob der Vertrag im Schwerpunkt kauftypisch ist, scheint nunmehr nur maßgeblich zu sein, ob eine bewegliche Sache zu liefern ist, selbst wenn sie nach individuellen Vorgaben herzustellen ist. Diese Abgrenzung wird vielfach als unbefriedigend empfunden, gerade weil sie nicht typologisch, sondern nur anhand von (nur scheinbar einfach zu bestimmenden) Äußerlichkeiten erfolgt. Der Autor untersucht zum einen den Anwendungsbereich der neuen Norm. Die Probleme liegen hier u.a. im Baurecht, bei komplexen Maschinen (Anlagenbau) und bei der Abgrenzung zu geistigen Leistungen. Problematisch sind wegen Bezügen zum Sachenrecht auch Fälle, bei denen der maßgebliche Stoffanteil vom Besteller gestellt wird. Zum anderen untersucht der Autor die z.T. praktisch sehr gravierenden Rechtsfolgen und inwiefern vertragliche Abweichungen möglich sind. Dabei legt er vor dem europäischen Hintergrund (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) dar, welche methodischen Grenzen einer restriktiven Auslegung gesetzt sind. Das Werk ist damit zugleich ein wichtiger Beitrag zur Dogmatik der (überschießenden) Richtlinienumsetzung.