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Einleitung
Bekanntlich hat die Schuldrechtsmodernisierung nicht nur in Bezug auf die neue
Fassung des § 6511 zu einem starken Anwachsen schuldrechtlicher Literatur
geführt. Bemerkenswert ist aber doch das zum Teil schon in den Überschriften der
jeweiligen Beiträge zum Ausdruck kommende Unbehagen gegenüber der neuen
Vorschrift2, von den teils vehementen Kritiken in manchen Beiträgen ganz zu
Schweigen3. Ebenso bemerkenswert ist die Tatsache, dass dem Autor kein Beitrag
bekannt ist, welcher die Neufassung des § 651 ausdrücklich begrüßt.
Im Bewusstsein, dass der rechtspolitischen Kritik an § 651 S. 1 nur insoweit
»entgegengekommen« werden kann, als dies die Rechtsmethodik zulässt, stellt
diese Arbeit einen Versuch dar, zumindest die tatbestandlichen Fragen des § 651
S. 1 weitestgehend zu klären. Es soll also versucht werden, dem Leser einen Leitfaden in die Hand zu geben, der ihm ermöglicht, für den von ihm zu beurteilenden Fall
zu entscheiden, ob § 651 S. 1 anzuwenden ist oder nicht. Überblicksartig soll ferner
erörtert werden, welche Rechtsfolgen sich aus der Anwendbarkeit des § 651 S. 1
ergeben und inwieweit § 651 S. 1 abdingbar ist.
§ 651 BGB lautet:
»Auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher
Sachen zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung. § 442
Abs. 1 S. 1 findet bei diesen Verträgen auch Anwendung, wenn der Mangel auf den vom
Besteller gelieferten Stoff zurückzuführen ist. Soweit es sich bei den herzustellenden oder
zu erzeugenden beweglichen Sachen um nicht vertretbare Sachen handelt, sind auch die
§§ 642, 643, 645, 649 und 650 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Abnahme der nach den §§ 446 und 447 maßgebliche Zeitpunkt tritt.«
Auch vor der Schuldrechtsmodernisierung diente § 651 a.F. der Abgrenzung
zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht. Ohne zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen zu differenzieren, hatte die Norm im Wesentlichen den folgenden
Inhalt:
1 §§ ohne Bezeichnung sind solche des BGB, §§ des BGB in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung sind mit »a.F.« gekennzeichnet.
2 Vgl. Hagen JZ 2004, 713 ff. (»Der neue Warenlieferungsvertrag – ein unbequemer Kauf«);
Nitschke BauR 2004, 1340 f. (»Das bewegliche Fußballstadion«); Kraus BauR 2002, 524 (»Da
wird sich noch mancher die Augen reiben . . . Die 6 augenfälligsten Negativauswirkungen der
Schuldrechtsreform auf das private Baurecht«); vgl. auch OLG Nürnberg, Urt. v. 17.06.2008 – 1 U
148/08 (praktisch Leugnung der Anwendbarkeit des § 651 S. 1 bei komplizierteren Sachen im
gewerblichen Rechtsverkehr).
3 Vgl. z.B. Thode NZBau 2002, 360, 361, der im Kontext der Diskussion um den Begriff der Beweglichkeit von »desaströsen Folgen« spricht.
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Soweit Sachen hauptsächlich aus Bestellerstoffen herzustellen waren, galt ausschließlich Werkvertragsrecht (§ 651 Abs. 2 a.F.). Hatte der Unternehmer die
Hauptstoffe zu stellen, so galt im Grundsatz Kaufrecht (§ 651 Abs. 1 S. 1, S. 2
Halbs. 1 a.F., sog. »unechter Werklieferungsvertrag«). Wenn in einem solchen Falle
eine unvertretbare Sache herzustellen war, so war anstatt der wichtigsten Kaufrechtsvorschriften weitestgehend Werkvertragsrecht anzuwenden (§ 651 Abs. 1 S. 2
Halbs. 2 a.F., sog. »echter Werklieferungsvertrag«).
Diese bisherige Differenzierung war von großer praktischer Bedeutung, denn
Kauf- und Werkvertragsrecht unterschieden sich in wesentlichen Punkten. Insbesondere in der Mängelgewährleistung gab es erhebliche Abweichungen. So war
zum Beispiel der Schadensersatz wegen Nichterfüllung im Werkvertragsrecht von
einem Vertretenmüssen des Werkunternehmers abhängig (§ 635 a.F.), während er
im Kaufrecht vom Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft oder vom arglistigen
Verschweigen eines Fehlers abhing (§ 463 a.F.). Im Gegensatz zum Werkvertragsrecht (§ 633 Abs. 2 a.F.) gab es mit der Ausnahme des Gattungskaufs (§ 480 Abs. 1
S. 1 a.F.) keinen Nacherfüllungsanspruch im Kaufrecht. Ein sogenanntes Recht des
Verkäufers auf zweite Andienung kannte das Kaufrecht anders als das Werkvertragsrecht (§ 633 Abs. 2 a.F.) nicht. Auch § 480 Abs. 1 S. 1 a.F. (Gattungskauf) enthielt ein solches Recht nicht, denn die übrigen Gewährleistungsrechte blieben neben
dem dort geregelten Nachlieferungsanspruch bestehen. Von großer Bedeutung war
schließlich, dass sich die Gewährleistungsfristen in erheblichem Maße voneinander
unterschieden (§§ 477, 638 a.F.).
Diese Rechtslage war Gegenstand vielfältiger Kritik. Bemängelt wurden sowohl
die Regelungstechnik als auch der Regelungsinhalt. § 651 a.F. sei zu kompliziert
und unübersichtlich.4 Die Unterschiede zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht
seien in diesem Maße nicht gerechtfertigt.5 Weiterhin enthalte die Norm mit der
Unvertretbarkeit und der Stoffherkunft Abgrenzungsmerkmale, die sich im Einzelfall als zu starr erweisen würden.6 Schließlich wurde bemerkt, dass § 651 a.F. durch
die Rechtsentwicklung überholt sei, in der Rechtsprechung seien Tendenzen
bemerkbar, welche die Grenze zur Rechtsfortbildung contra legem zumindest tangieren würden.7
Die Kritik setzte also neben der komplizierten Verweisungstechnik im Wesentlichen an zwei Punkten an: Erstens an den als zu stark empfundenen Unterschieden
zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht, zweitens an den Abgrenzungsmerkmalen
des § 651 a.F. selbst. Entsprechend versuchten alle Reformvorschläge einschließ-
4 Vgl. Emerich S. 33 f.; Weyers in Gutachten Bd. II, S. 1115, 1141 ff.; Staudinger13/2000/Peters § 651
Rn. 3; Fikentscher9 Rn. 906; Larenz SchR II/1 § 53 IV (S. 377); A. Teichmann, Verh. 55. DJT,
Band I, S. A 39.
5 Vgl. Weyers in Gutachten Bd. II, S. 1115, 1141 ff.
6 Vgl. Emerich S. 102 f.; Staudinger13/2000/Peters § 651 Rn. 3; A. Teichmann, Verh. 55. DJT, Band
I, S. A 39 f.
7 Vgl. Staudinger13/2000/Peters § 651 Rn. 3 f.
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lich des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, diesen beiden materiellen Kritikpunkten gerecht zu werden.
1984 rief das Bundesministerium der Justiz eine Kommission für die Überarbeitung des Schuldrechts ein (Schuldrechtskommission). Im Jahre 1991 wurde ein
Reformentwurf veröffentlicht, der bereits zentrale Punkte der jetzigen Regelung
enthielt, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen8:
Kauf- und Werkvertragsrecht sollten zwar in den zentralen Punkten modifiziert
und aneinander angenähert werden (Verjährung, Schadensersatz, Nacherfüllung).
Weiterhin sollte die Nachfolgeregelung des § 651 stark vereinfacht werden (§ 631
Abs. 2 BGB-KE). Anders als im späteren § 651 enthielt § 631 Abs. 2 BGB-KE aber
eher eine Verschiebung zum Werkvertragsrecht. Bei vertretbaren Sachen sollte nach
wie vor ausschließlich Kaufrecht gelten. Bei unvertretbaren Sachen sollte aber
grundsätzlich Werkvertragsrecht anzuwenden sein mit der Ausnahme der Vorschrift
über den Eigentumsvorbehalt; ausschließlich Werkvertragsrecht sollte nach wie vor
anwendbar sein, wenn der Besteller die Hauptstoffe zur Verfügung stellt.
Den entscheidenden Anstoß für die jetzige Gesetzesfassung lieferte erst die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (VerbrGKRL)9. Durch Art. 1 Abs. 4 erweitert sie ihren
Anwendungsbereich auf Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Verbrauchsgüter, wobei Verbrauchsgüter gemäß Art. 1 Abs. 2
lit. b bewegliche körperliche Gegenstände sind. Dabei fallen schon auf den ersten
Blick drei Punkte auf, die – insbesondere in ihrer Gesamtbetrachtung – Art. 1 Abs.
4 VerbrGKRL im Vergleich zu Normen mit einem ähnlichen Regelungsgegenstand
als außergewöhnlich erscheinen lassen:
– Anders als § 651 a.F. beschränkt sich Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL auf bewegliche
körperliche Gegenstände.
– Anders als in § 651 a.F., in § 631 Abs. 2 BGB-KE, in Art. 6 EKG10 und in Art.
3 Abs. 1 CISG11 lässt der Wortlaut nicht erkennen, dass es für die Anwendbarkeit der Norm eine Rolle spielen soll, wer den maßgeblichen Stoffanteil zur Verfügung stellt.
– Anders als in § 651 a.F. und § 631 Abs. 2 BGB-KE wird nicht zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen unterschieden.
Der deutsche Gesetzgeber war dazu gezwungen, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie inklusive Art. 1 Abs. 4 bis spätestens 1. Januar 2002 in das deutsche Recht
umzusetzen (Art. 11 Abs. 1 VerbrGKRL). Unter anderem dies nahm der Gesetzge-
8 Vgl. Abschlussbericht SchRKomm S. 20 ff., 32 ff., 192 ff.
9 Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufrechts und der Garantien für Verbrauchsgüter; Abl. EG
1999 Nr. L 171/12.
10 Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen v. 17. 7. 1973 (BGBl. I
S. 856).
11 Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Übereinkommen der Vereinten
Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, UN-Kaufrecht).
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ber bekanntlich zum Anlass, nicht nur das Kaufrecht, sondern das gesamte Schuldrecht zu reformieren.12 Auch Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL wurde deshalb im Rahmen
dieser sogenannten »großen Lösung« umgesetzt. Die Alternative hierzu, eine auf die
Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beschränkte Reform des Kaufrechts
(»kleine Lösung«) wurde zwar von Teilen der Literatur ins Spiel gebracht13, setzte
sich aber bekanntlich nicht durch.
Viele Regelungen der Richtlinie wurden im Zuge dieser »großen Lösung« »überschießend« umgesetzt, d.h. sie gelten im deutschen Recht allgemein und nicht nur
für Verbrauchergeschäfte. Auch § 651 gehört hierzu. Dabei sah sich der Gesetzgeber dazu veranlasst, den durch die Schuldrechtskommission vorgeschlagenen Weg
quasi umzudrehen: Zwar gab es wie im Entwurf der Schuldrechtskommission weitgehende Annäherungen im Werk- und Kaufvertragsrecht (auch wenn wichtige
Unterschiede verblieben14). Anstatt einer Verschiebung ins Werkvertragsrecht sollten die von § 651 a.F. erfassten Verträge, soweit es um bewegliche Sachen geht,
aber nunmehr im Wesentlichen in das Kaufrecht verschoben werden. Die Alternative hierzu wäre gewesen, die werktypischeren Fälle des § 651 a.F. nach wie vor im
Werkvertragsrecht zu belassen und das Werkvertragsrecht an die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie anzupassen, soweit Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL dies erforderte. Dieses
Konzept wurde jedoch von Anfang an nicht verfolgt. Man ging zunächst sogar noch
weiter: Im Diskussionsentwurf (§ 631 Abs. 3 DiskE)15 war vorgesehen, einige
Kaufrechtsnormen (Verbrauchsgüterkaufrecht, Garantie, Haftungsausschluss) auch
für sachbezogene Werkverträge zur Anwendung zu bringen, die nicht unter Art. 1
Abs. 4 VerbrGKRL fallen. Dies wurde im Regierungsentwurf16 wieder zurückgenommen. Erst nach einer Anregung des Bundesrats17 entschloss man sich, durch
§ 651 S. 3 die besondere Werktypik einiger Sachherstellungsverträge wenigstens
zum Teil zu berücksichtigen.18
Auffällig ist, dass die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht offensichtlich während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens eher als Randproblem
der Schuldrechtsmodernisierung angesehen wurde. So änderten sich die Begründungen zu den Vorläufern des § 651 in den Entwürfen der an der Gesetzgebung
12 Begr. RegE BT-Drucks. 14/6040 S. 1 f.
13 Vgl. vor allem den Entwurf von Ernst/Gsell ZIP 2000, 1462, 1464 und die Begründung ders. ZIP
2000, 1410, 1411 f. sowie den »Vorschlag für ein Gesetz zur Änderung des Kaufrechts und des
Fernabsatzgesetzes« von Kirchner, Richter und anderen, u.a. abrufbar unter http://www.jura.unipassau.de/fakultaet/lehrstuehle/Altmeppen/1024x768/Schuldrechtsreform/Schuldrechtsreform.htm
14 Vgl. dazu Teil 3 Kap. 1.
15 Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes; herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz, 4. 8. 2000.
16 Vgl. § 651 RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 31 f.
17 Vgl. Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf v. 13.07.2001, BT-Drucks. 14/6857
S. 38.
18 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf,
BT-Drucks. 14/6857 S. 68.
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beteiligten Organe nur wenig.19 Auch in der Literatur wurden diese Vorläufer im
Gegensatz zu vielen anderen Neuerungen kaum problematisiert.20
Selbst in den verschiedenen Alternativentwürfen der Literatur spielte die Problematik keine entscheidende Rolle.
Im hier relevanten Zusammenhang wurde nur der Vorschlag von Ernst/Gsell zur
Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im Rahmen einer »kleinen Lösung«
etwas tiefer gehend diskutiert. Ernst/Gsell plädierten für die Anfügung eines Absatzes 3 an § 651 a.F., der die Anwendung des richtlinienkonform geänderten Kaufrechts bei Verträgen nach Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL auf Verbrauchergeschäfte
beschränken und ansonsten alles beim alten belassen sollte.21 Schmidt-Räntsch,
einer der Verfechter der »großen Lösung« und Beteiligter am Gesetzgebungsverfahren, lehnte dies ab. Dies führe zu einem unvertretbaren Systembruch, außerdem sei
fraglich, welchen Restwert § 651 a.F. im Übrigen noch haben solle.22 In ihrer Entgegnung gingen Ernst/Gsell zum Teil auf die Kritik ein. Sie schlugen einen Kompromiss vor23: Bei Verbrauchergeschäften sollte die Stoffherkunft wie vom Wortlaut der Richtlinie verlangt keine Rolle spielen, während bei Nichtverbrauchergeschäften eine dem Art. 3 Abs. 1 CISG24 entsprechende Regelung vorgesehen war.
Die Stoffherkunft sollte also bei Nichtverbrauchern nach wie vor relevant bleiben,
irrelevant sollte insoweit nur die Abgrenzung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen werden. Dieser Vorschlag wurde jedoch im Gesetzgebungsverfahren
nicht aufgegriffen.
Andere Vorschläge erfuhren hinsichtlich der hier relevanten Problematik –
soweit ersichtlich – überhaupt keine Resonanz:
Kirchner, Richter und andere sahen in Art. 1 § 651 ihres »Vorschlags für ein
Gesetz zur Änderung des Kaufrechts und des Fernabsatzgesetzes«25 vor, dass die
Anwendbarkeit des Kaufrechts auf den Vertrag über die Lieferung herzustellender
vertretbarer Sachen beschränkt bleiben sollte. Das Werkvertragsrecht sollte folglich für die übrigen Verträge über die Lieferung herzustellender Sachen anwendbar
bleiben. Da der Entwurf keine Anpassungen des Werkvertragsrechts an die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthielt, hätte er in dieser Form nicht umgesetzt werden
können.
19 Begr. DiskE S. 560; Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040 S. 267 f.
20 Sowohl zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie als auch zu den Gesetzesentwürfen gibt es nur wenige
Abhandlungen, die sich speziell mit der Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht
befassen, z.B. Thode ZfBR 2000, 363 ff. Ansonsten wird, soweit die Thematik überhaupt angesprochen wird, meist nur beiläufig erwähnt, dass die Unvertretbarkeit und die Stoffherkunft nunmehr für die Anwendung des Kaufrechts irrelevant seien; vgl. z.B. Ehmann/Rust JZ 1999, 853,
856; Däubler-Gmelin NJW 2001, 2281, 2285; Kraus BauR 2001, 1, 6.
21 Ernst/Gsell ZIP 2000, 1462, 1464; Begründung ders. ZIP 2000, 1410, 1411 f.; zustimmend Krebs
DB Beil. 14/2000, 1, 23.
22 Schmidt-Räntsch ZIP 2000, 1639, 1645.
23 Ernst/Gsell ZIP 2000, 1812, 1816.
24 Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Übereinkommen der Vereinten
Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, UN-Kaufrecht).
25 http://www.jura.uni-passau.de/fakultaet/lehrstuehle/Altmeppen/1024x768/Schuldrechtsreform/
Schuldrechtsreform.htm
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Vorsmann26 schlug vor, die Anwendung des an die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie angepassten Kaufrechts zwar auch auf Verträge über die Lieferung unvertretbarer Sachen auszudehnen, dem Werkvertragsrecht sollten aber weiterhin Verträge
unterfallen, bei denen der Besteller die Hauptstoffe zur Verfügung zu stellen hat.
Wie diese Arbeit noch zeigen wird, wäre auch dies nur dann richtlinienkonform
gewesen, wenn das Werkvertragsrecht wenigstens für Verbrauchergeschäfte an die
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie angepasst worden wäre, denn Art. 1 Abs. 4 Verbr-
GKRL differenziert nicht nach der Stoffherkunft.27
Nur Jorden plädierte für eine – recht aufwendige – Umsetzung der Richtlinie
auch im Werkvertragsrecht28, allerdings wurde auch diese Alternative, die sich um
eine Synthese der Richtlinienkonformität mit dem bisherigen System bemühte,
nicht aufgegriffen.
Erwähnung verdient schließlich noch der bisher ebenfalls ohne Einfluss gebliebene »Baurechtliche Ergänzungsentwurf zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz«
des Arbeitskreises Schuldrechtsmodernisierungsgesetz des Instituts für Baurecht
Freiburg e.V.29 Er setzt an einem anderen Problem an: Dem Begriff der beweglichen
Sache. Teil I dieses Entwurfs sah ein besonderes Bauvertragsrecht vor. Demnach
sollte auf den Bauvertrag grundsätzlich Werkvertragsrecht Anwendung finden,
soweit sich nicht aus den vorgeschlagenen besonderen Normen etwas anderes ergibt
(§ 1 Abs. 1). »Bauleistung« wurde in § 1 Abs. 2 wie folgt definiert: »Bauleistung
sind Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage, eine Außenanlage oder eine
bewegliche Sache für solche Anlagen hergestellt, instandgesetzt, instandgehalten,
geändert oder beseitigt wird.« Wie sich aus dem Wortlaut und auch aus der Begründung ergibt, sollte damit bezweckt werden, auch die Lieferung herzustellender Baustoffe dem Werkvertragsrecht und dem besonderen Bauvertragsrecht zu unterstellen. In Teil II enthielt der Ergänzungsentwurf Vorschläge für einige Änderungen des
Diskussionsentwurfs. Dabei sollte § 631 Abs. 3 DiskE, der Vorläufer des jetzigen
§ 651, konsequent wie folgt ergänzt werden: »Auf einen Vertrag, der die Lieferung
herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, sind
die Vorschriften über den Kauf anzuwenden, es sei denn, es handelt sich um Bauleistungen.« Auch dieser Vorschlag zu § 631 Abs. 3 DiskE wäre mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Konflikt getreten, da die Richtlinie bei beweglichen Sachen
keine Unterscheidung zwischen Baustoffen und anderen Sachen macht.30 Für Nichtverbrauchergeschäfte ist dieser Vorschlag aber möglicherweise ein gangbarer Weg,
um die bei Baustofflieferungen bestehenden Schwierigkeiten, auf die in dieser
Arbeit noch zurückzukommen ist, gesetzlich in den Griff zu bekommen.
26 Vorsmann S. 201.
27 Vgl. dazu ausführlich Teil 2 Kap. 1, C) IV. 2. a).
28 Jorden S. 632 ff.
29 Abgedruckt in NZBau 2001, 183 – 190.
30 Vgl. dazu näher Teil 2 Kap. 1, B) III. 3.
29
Erst nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes begann die
Literatur, sich dezidiert mit § 651 auseinanderzusetzen. Früh stellte sich heraus,
dass die Norm eine wahre Fundgrube von Problemen ist. Eine Auswahl:
– Der Begriff der beweglichen Sache wirft die Frage auf, ob es auf eine natürliche
oder auf eine sachenrechtliche Betrachtungsweise ankommt. Das für das private
Baurecht sehr bedeutsame Problem hat mittlerweile durch die zugespitzte Frage
Berühmtheit erlangt, ob der Bau des neuen Münchner Fußballstadions im neuen
Recht nach Kaufrecht hätte behandelt werden müssen, nur weil es auf Erbbaugrund errichtet wurde.31
– In der computerrechtlichen Literatur flammte die Diskussion wieder auf, ob
Software als bewegliche Sache zu behandeln ist, was für Softwareerstellungsverträge, die bisher dem Werkvertragsrecht unterfielen, von Relevanz ist.32
– Wenn die Stoffherkunft – so wie es der Wortlaut nahe legt – tatsächlich nicht
mehr für die Anwendbarkeit des Werkvertragsrecht von Bedeutung sein soll, so
stellt sich die Frage, wie dies mit dem Sachenrecht und § 647 in Einklang zu
bringen ist.33 Aber auch die Frage, ob die Stoffherkunft tatsächlich für die Zuordnung zu § 651 S. 1 irrelevant ist, ist schon streitig.34
– Der Wortlaut des § 651 differenziert – obwohl die Norm auch der Umsetzung
der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dient – nicht zwischen Verbraucher- und
Nichtverbrauchergeschäften. Dies wird insbesondere bei typischen Unternehmerverträgen als nicht angemessen empfunden, es werden Auswege gesucht,
§ 651 entsprechend restriktiv auszulegen.35
– Die vom Gesetzgeber behauptete Angleichung des Werk- und Kaufvertragsrechts36 ist nicht vollständig. Vielmehr verbleiben wichtige Unterschiede, die
der Frage der Zuordnung zu § 651 praktische Brisanz verleihen.37 Dies wirft
auch die Frage auf, inwiefern hier die Möglichkeit besteht, die Folgen einer Zuordnung zu § 651 durch Rechtsfortbildung abzumildern.38
– Recht früh ist schließlich angesprochen worden, ob und inwieweit § 651 vertraglich modifiziert werden kann.39
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem Versuch, zumindest den Anwendungsbereich des § 651 S. 1 widerspruchsfrei abzustecken. Es wird sich zeigen,
dass insbesondere das Ziel der Widerspruchsfreiheit nicht einfach zu erreichen ist.
Stellenweise geht es um Probleme, für die es keine mit dem Gesetzeswortlaut in
31 Vgl. exemplarisch Kraus BauR 2002, 524, 526; Nitschke BauR 2004, 1340 f.
32 Vgl. exemplarisch Thewalt CR 2002, 1 ff.; K. Diedrich CR 2002, 473 ff.
33 Vgl. dazu z.B. Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 8 ff.; Hagen JZ 2004, 713 ff.; Röthel NJW 2005,
625 ff.
34 Vgl. z.B. Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 8 ff.; Hagen JZ 2004, 713 ff.
35 Vgl. exemplarisch Metzger AcP 2004, 231 ff.
36 Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 14/6040 S. 268.
37 Vgl. exemplarisch Thode NZBau 2002, 360, 361.
38 Vgl. exemplarisch den Katalog von Staudinger/Peters § 651 Rn. 19.
39 Exemplarisch Thode NZBau 2002, 360, 362.
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Einklang zu bringende Lösung gibt. Ein Beispiel hierfür ist im Hinblick auf den
unveränderten Wortlaut des § 647 die bereits erwähnte Problematik der Stoffherkunft. Darüber hinaus steht die gesamte Auslegung des § 651 S. 1 vor dem Metaproblem einer gesetzgeberischen Entscheidung, die dem unbefangenen Gesetzesanwender jedenfalls auf den ersten Blick kaum einzuleuchten vermag: Die Zuordnung
einer Gruppe von werktypischen Verträgen zum Kaufrecht, während für andere
werktypische Verträge weiterhin Werkvertragsrecht gilt.
Auch andere Fragen des § 651, insbesondere das sich aus einer Zuordnung zu
§ 651 S. 1 ergebende Rechtsfolgenprogramm und die Frage der Dispositivität des
§ 651 S. 1, sollen in dieser Arbeit erörtert werden. Insoweit wird sich die Darstellung aber auf einen eher kursorischen Überblick über die Probleme und einige
Lösungsansätze beschränken. Aufgrund der Zusammenhänge des § 651 S. 1 mit der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthält diese Arbeit ferner in ihrem ersten Teil einen
Überblick über die sich aus diesen Zusammenhängen ergebenden methodischen
Grundsätze.
Auf eine Zusammenstellung der wichtigsten Ergebnisse am Ende der Arbeit
wurde mit Rücksicht auf die Vielzahl der Probleme verzichtet. Insoweit sei auf die
jeweiligen Kurzzusammenfassungen und Zwischenergebnisse bei den einzelnen
Kapiteln und Sachproblemen verwiesen.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
§ 651 BGB ist durch die Schuldrechtsreform grundlegend verändert worden. Während zuvor für die Anwendbarkeit des Kaufrechts letztlich entscheidend war, ob der Vertrag im Schwerpunkt kauftypisch ist, scheint nunmehr nur maßgeblich zu sein, ob eine bewegliche Sache zu liefern ist, selbst wenn sie nach individuellen Vorgaben herzustellen ist. Diese Abgrenzung wird vielfach als unbefriedigend empfunden, gerade weil sie nicht typologisch, sondern nur anhand von (nur scheinbar einfach zu bestimmenden) Äußerlichkeiten erfolgt. Der Autor untersucht zum einen den Anwendungsbereich der neuen Norm. Die Probleme liegen hier u.a. im Baurecht, bei komplexen Maschinen (Anlagenbau) und bei der Abgrenzung zu geistigen Leistungen. Problematisch sind wegen Bezügen zum Sachenrecht auch Fälle, bei denen der maßgebliche Stoffanteil vom Besteller gestellt wird. Zum anderen untersucht der Autor die z.T. praktisch sehr gravierenden Rechtsfolgen und inwiefern vertragliche Abweichungen möglich sind. Dabei legt er vor dem europäischen Hintergrund (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) dar, welche methodischen Grenzen einer restriktiven Auslegung gesetzt sind. Das Werk ist damit zugleich ein wichtiger Beitrag zur Dogmatik der (überschießenden) Richtlinienumsetzung.