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nicht den in den Kapiteln 3 bis 8 des SGB XII ausdrücklich geregelten Bedarfen
zuzuordnen ist377. Mit dieser Vorschrift soll lediglich unbekannten Notlagen begegnet werden378. Sie ermöglicht daher nicht die Sozialleistungsgewährung in Fällen, in
denen die tatbestandlichen Voraussetzungen der ausdrücklich benannten Hilfen
nicht gegeben sind. Diese Hilfe in sonstigen Lebenslagen umfasst also die einmalige
oder dauernde Zahlung von Geld an den Leistungsberechtigten und stellt damit
ebenfalls eine Geldleistung dar. Sogar die Bestattungskosten können als Geldleistung nach § 74 SGB XII übernommen werden.
III. Zwischenergebnis
Die Leistungsgewährung im Bereich der sozialen Hilfe und Förderung erfolgt im
Wesentlichen durch soziale Dienstleistungen. Vor allem das Kinder- und Jugendhilferecht besteht hauptsächlich aus sozialen Dienstleistungen. Im Sozialhilferecht
stellt zwar § 11 SGB XII bei jeder Sozialleistungsgewährung sicher, dass die Sozialleistungsberechtigten dabei beraten und unterstützt werden. Allerdings geht es gerade im Sozialhilferecht des SGB XII vor allem mit den Hilfen zum Lebensunterhalt
und den Regelungen über die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
auch um Geldleistungen. Dennoch ist gerade der Bereich der sozialen Hilfe und
Förderung aufgrund seiner zahlreichen sozialen Dienstleistungen besonders relevant
für das Vergaberecht.
D. Vorsorge
Der Bereich der Vorsorge zeichnet sich durch soziale Dienstleistungen aus, deren
Rechtsgrundlagen insbesondere im SGB V, VI, VII, XI zu finden sind. Auf die Sozialleistungen, die im Rahmen der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Unfall- und
Pflegeversicherung gewährt werden, hat jeder Versicherte gemäß § 4 SGB I einen
Anspruch. Welche Sozialleistungen unter welchen Voraussetzungen gewährt werden, finden sich in den entsprechenden Büchern des Sozialversicherungsrechts.
I. SGB IV (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung)
Im SGB IV sind allgemeine Vorschriften für die Sozialversicherung geregelt. Bei
den allgemeinen Vorschriften über Leistungen unterscheidet das Gesetz lediglich in
§ 19 SGB IV zwischen Leistungen auf Antrag und Leistungen von Amts wegen.
Konkrete Sozialleistungen für die Sozialversicherung werden im SGB IV überhaupt
377 Hauck-SGB XII-Schlette, § 73 Rn. 4; Grube/Wahrendorf-Wahrendorf, SGB XII, § 73 Rn. 3.
378 Hauck-SGB XII-Schlette, § 73 Rn. 5; Grube/Wahrendorf-Wahrendorf, SGB XII, § 73 Rn. 3.
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nicht abgehandelt. Demnach finden sich im SGB IV keine sozialen Dienstleistungen.
II. SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung)
Die Sozialleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung des SGB V sind in den
§§ 11 bis 68 SGB V geregelt. Sie unterteilen sich nach § 11 SGB V in Leistungen
zur Verhütung von Krankheiten, Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten
und Leistungen bei Krankheit. § 11 SGB V gibt jedoch nur einen Überblick über die
Leistungen der Krankenkassen ohne selbst Leistungsansprüche der Versicherten zu
begründen379. Grundsätzlich werden die Sozialleistungen gemäß § 2 Abs. 2 SGB V
als Sach- und Dienstleistungen erbracht. Geldleistungen dürfen anstelle der Sachoder Dienstleistungen nach § 13 SGB V nur erbracht werden, wenn das Gesetz dies
ausdrücklich anordnet oder wenn es im SGB IX vorgesehen ist. Ist die Sozialleistungserbringung in Form der Geldleistung gesetzlich vorgesehen, so haben die Versicherten ein Wahlrecht hinsichtlich der Sozialleistungsform. Vor ihrer Wahl sind
sie von ihrer Krankenkasse gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 SGB V zu beraten. Die Beratung selbst hat keine Hingabe oder Bereitstellung von Sachen oder eine Geldzahlung
zum Gegenstand. Diese Beratung bei der Wahl der Leistungsform stellt mithin eine
soziale Dienstleistung dar.
1. Leistungen zur Verhütung von Krankheiten
Die Leistungen zur Verhütung von Krankheiten sind in den §§ 20 bis 24 b SGB V
niedergelegt. Nach § 20 SGB V soll die Satzung der Krankenkasse Leistungen zur
primären Prävention vorsehen, um den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen zu erbringen. Primäre Prävention bedeutet, dass auf
die Entstehung von Krankheiten durch Interventionen in Umwelt, Arbeitsbereich
und Lebensstil der Menschen eingewirkt wird, um so die erstmalige Entstehung
einer Krankheit zu verhüten380. Demgegenüber sind Maßnahmen der sekundären
Prävention solche, die erst bei schon eingetretener Krankheit ansetzen wie beispielsweise die Früherkennung durch verbesserte Methoden der Diagnose, um damit
einen möglichen Krankheitsrückfall zu verhindern381. Diese Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes finden sich in den Satzungen der Krankenkassen und erfassen in der Regel soziale Dienstleistungen.
379 SRH-Ebsen, § 15 Rn. 68.
380 KK-Höfler, SGB V, § 20 Rn. 2; Wannagat-Mrozynski, § 20 SGB V Rn. 11.
381 Wannagat-Mrozynski, § 20 SGB V Rn. 11; KK-Höfler, SGB V, § 20 Rn. 2.
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References
Zusammenfassung
Müssen soziale Dienstleistungen öffentlich ausgeschrieben werden? Die Frage wird dahingehend beantwortet, dass nicht alle sozialen Dienstleistungen unter das Vergaberecht fallen. Teilweise handelt es sich bei sozialen Dienstleistungen um vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzessionen.
Die Autorin analysiert die Auftraggebereigenschaft der Sozialleistungsträger und untersucht ausführlich, welche sozialen Dienstleistungen dem Vergaberecht unterliegen und welche als Dienstleistungskonzessionen einzuordnen sind. Abschließend werden die Anforderungen an die konkrete Auftragsvergabe dargestellt.
Das Werk wendet sich nicht nur an wissenschaftlich interessierte Leser, sondern auch an Personen und Körperschaften, die praktisch mit der Beschaffung sozialer Dienstleistungen betraut sind. Mit der präzisen Herausarbeitung der einzelnen sozialen Dienstleistung und deren detailliert begründeten vergaberechtlichen Einordnung, leistet die Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Beschaffung sozialer Dienstleistungen und ist damit für den Praktiker in besonderem Maße geeignet.