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2. Teil: Die Erbringung sozialer Dienstleistungen in den einzelnen Sozialrechtsbereichen
Der zweite Teil dieser Arbeit widmet sich der Erbringung sozialer Dienstleistungen.
Dabei werden die sozialen Dienstleistungen in den einzelnen Büchern des Sozialgesetzbuches herausgearbeitet. Dieser Teil legt damit den Grundstein für die vergaberechtliche Einordnung sozialer Dienstleistungen.
A. Allgemeine Vorschriften
Im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des SGB I und des SGB X finden sich nur
wenige soziale Dienstleistungen. Diese beiden Bücher des Sozialgesetzbuches enthalten vor allem allgemeine Grundsätze für die Leistungserbringung sowie Vorschriften über das Verwaltungsverfahren, den Schutz der Sozialdaten und über die
Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten.
Lediglich das SGB I enthält einige sehr allgemein formulierte soziale Dienstleistungen. Dienstleistungen sind nach der bereits genannten allgemeinen Definition alle
Leistungen, die nicht Sach- oder Geldleistungen sind. Sowohl bei der Aufklärung als
auch bei der Beratung und der Auskunft handelt es sich um Informationspflichten
des Sozialleistungsträgers einem Sozialleistungsberechtigten gegenüber272. Diese
Informationen enthalten nicht die Hingabe oder Bereitstellung von Sachen durch
Eigentumsübertragung und umfassen auch nicht die einmalige oder dauernde Zahlung von Geld an den Leistungsberechtigten. Bei den Informationspflichten der
Aufklärung, der Beratung und der Auskunft handelt es sich dementsprechend nicht
um Sach- oder Geldleistungen. Mithin stellen Aufklärung, Beratung und Auskunft
soziale Dienstleistungen dar. Diese sozialen Dienstleistungen des SGB I sind allerdings so allgemein formuliert, dass sie in der Regel bereichsspezifisch konkretisiert
werden. Im SGB X hingegen sind keine sozialen Dienstleistungen geregelt.
B. Arbeitssicherung
Im Bereich der Arbeitssicherung sind nur wenige soziale Dienstleistungen zu unterscheiden. Sie sind jeweils in den Büchern II und III des Sozialgesetzbuches kodifiziert. Jeder, der an einer Ausbildung teilnimmt, hat nach § 3 SGB I ein Recht auf
individuelle Förderung seiner Ausbildung. Auch derjenige, der bereits am Arbeitsleben teilnimmt oder teilnehmen will, hat gemäß § 3 Abs. 2 SGB I ein Recht auf Be-
272 Siehe 1. Teil, B. I. 1. a).
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rufsberatung, auf individuelle Förderung der beruflichen Weiterbildung, Hilfe zur
Erlangung eines Arbeitsplatzes und wirtschaftliche Sicherung bei Arbeitslosigkeit.
Wie diese Rechte umzusetzen sind, regeln die konkreten Vorschriften des SGB II
und III. Die entsprechenden Sozialleistungen sind durch das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende und durch das Recht der Arbeitsförderung ausgestaltet.
I. SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende)
Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach §§ 14 bis 18 SGB II von den Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts gemäß §§ 19 bis 35 SGB II zu unterscheiden. Die Leistungen im
Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende des SGB II werden gemäß § 4 Abs.
1 SGB II in Form von Dienstleistungen, Geldleistungen und Sachleistungen erbracht. Die Dienstleistungen werden gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB II insbesondere
durch Information, Beratung und umfassende Unterstützung durch einen persönlichen Ansprechpartner mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit erbracht. Zentrales
Anliegen des SGB II ist unter anderem also die schnelle und wirksame Eingliederung des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt.
1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 bis 35 SGB II
stellen vor allem die Voraussetzungen für die Auszahlung von Arbeitslosengeld II
und Sozialgeld auf. Damit geht es bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um die einmalige oder dauernde Zahlung von Geld an den Leistungsberechtigten. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts stellen folglich Geldleistungen und keine sozialen Dienstleistungen dar.
2. Leistungen zur Eingliederung
Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind in § 16 SGB II kodifiziert. Während § 16 Abs. 1 SGB II auf zahlreiche Leistungen des SGB III verweist und damit
die entsprechenden Leistungen der Arbeitsförderung für das SGB II anwendbar
macht, geht § 16 Abs. 2 SGB II über die im ersten Absatz genannten Leistungen
hinaus. Bei der Verweisung auf das SGB III gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II handelt es sich um Rechtsgrundverweisungen273. § 16 Abs. 3 SGB II eröffnet dem Sozialleistungsträger des SGB II die Möglichkeit, versicherungspflichtige Arbeitsgelegenheiten für Hilfebedürftige zu schaffen. Schließlich enthält § 16 Abs. 4 SGB II
273 Eicher/Spellbrink-Eicher, § 16 Rn. 25; Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 24.
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eine Befugnis, begonnene Eingliederungsmaßnahmen trotz des zwischenzeitlichen
Endes der Hilfebedürftigkeit weiterzuführen. Dafür ist allerdings Voraussetzung,
dass dies wirtschaftlich erscheint und ein erfolgreicher Abschluss absehbar ist.
a) Beratung und Vermittlung
Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind in § 16 Abs. 1 SGB II mit einem
Verweis auf das SGB III geregelt. Aus diesem Grund ergeben sich die einzelnen
Eingliederungsleistungen des SGB II konkret durch eine Verweisung auf die Beratung und Vermittlung nach §§ 29 bis 44 SGB III.
§ 29 Abs. 1 SGB III konstituiert eine Beratungspflicht der Agentur für Arbeit gegenüber Jugendlichen und Erwachsenen, die am Arbeitsleben teilnehmen oder teilnehmen wollen. Diese Beratung wird danach Berufsberatung genannt und in §§ 30
bis 33 SGB III näher erläutert. Eine solche Beratung Arbeitgebern gegenüber wird
als Arbeitsmarktberatung bezeichnet und in § 34 SGB III ausführlich beschrieben.
Sinn und Zweck der Arbeitsmarktberatung ist die Neueinstellung von Arbeitnehmern274. Mit dieser Formulierung der Beratung konkretisiert § 29 SGB III den allgemeiner formulierten § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB III, der ebenfalls eine
Berufsberatung für Arbeitnehmer und eine Arbeitsmarktberatung für Arbeitgeber
sowie Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung vorsieht.
Inhalt der Berufsberatung ist die individuelle Unterrichtung und die individuelle
Beratung, weil sich gemäß § 29 Abs. 2 SGB III Art und Umfang der Beratung nach
dem Beratungsbedarf des einzelnen Ratsuchenden richtet. Im Rahmen dieser individuellen Unterrichtung und Beratung sind nach § 31 Abs. 1 SGB III Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit der Ratsuchenden, sowie die Beschäftigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Der Anspruch auf Beratung bezieht sich auf Fragen der
Berufs- und Ausbildungswahl, des Berufs- und Ausbildungswechsels, der beruflichen Entwicklung, auf die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe, die Möglichkeiten der beruflichen Bildung und auf die Leistungen der Arbeitsförderung. Diese inhaltliche Bestimmung ergibt sich aus dem in § 30 SGB III aufgeführten Katalog über Leistungen der Berufsberatung. Diese Leistungen haben weder
die Hingabe oder Bereitstellung von Sachen durch Eigentumsübertragung noch eine
einmalige oder dauernde Geldzahlung an den Sozialleistungsberechtigten zum Gegenstand. Daher stellt die Beratung keine Sach- oder Geldleistung, sondern eine
soziale Dienstleistung dar. Auch im Rahmen der Arbeitsmarktberatung gegenüber
Arbeitgebern gibt es in § 34 SGB III einen Leistungskatalog, welcher dem der Berufsberatung sehr ähnelt. Auch diese Leistungen stellen keine Sach- oder Geldleistungen, sondern soziale Dienstleistungen dar.
Die Vermittlung ist in den §§ 35 ff. SGB III geregelt und umfasst gemäß § 35
Abs. 1 SGB III sowohl die Ausbildungsvermittlung als auch die Arbeitsvermittlung.
274 Gagel-Niewald, SGB III, § 34 Rn. 1; Niesel-Brand, § 34 SGB III Rn. 2; Wannagat-Vor, § 34
SGB III Rn. 3.
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Vermittlung sind nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Ausbildungssuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses und Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines
Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Sie hat nach § 35 Abs. 2 SGB III
zum Ziel, dass Ausbildungssuchende eine Ausbildungsstelle, Arbeitsuchende eine
Arbeitstelle und Arbeitgeber geeignete Arbeitnehmer und Auszubildende erhalten.
Damit ähnelt die Vermittlung durch die Arbeitsämter der Tätigkeit eines Maklers
nach § 652 BGB275. Inhaltlich unterfallen der Vermittlung alle Maßnahmen, die mit
dem Ziel des Zusammenführens von Arbeitsuchenden, Ausbildungssuchenden und
Arbeitgebern vorgenommen werden276. Hierzu zählen alle vorbereitenden Maßnahmen sowie beispielsweise das Sammeln von Bewerbungsunterlagen, das Einholen
von Arbeitsangeboten oder die Veröffentlichung von Stellenangeboten in Medien277.
Bei der Durchführung der Vermittlung müssen die in § 36 SGB III niedergelegten
Grundsätze beachtet werden. Zu diesen gehört das Vermittlungsverbot bei einem
Verstoß des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses gegen ein Gesetz oder die guten
Sitten. Die Agentur für Arbeit muss die Vermittlungsleistungen allerdings nicht
eigenständig erbringen, sondern sie können gemäß § 37 SGB III Dritte mit der Vermittlung beauftragen. Zudem wird die Agentur für Arbeit von Personal-Service-
Agenturen unterstützt, die gemäß § 37 c SGB III die Vermittlung von Arbeitslosen
in Arbeit durchführen. Bei der Vermittlung sind sowohl Ausbildungs- und Arbeitsuchende nach § 38 SGB III als auch Arbeitgeber gemäß § 39 SGB III zur Mitwirkung
verpflichtet. Damit ist der Mitwirkungsgrundsatz des SGB III für die Vermittlung
speziell ausgestaltet worden und dementsprechend zu beachten. Die Vermittlung
umfasst keine einmalige oder dauernde Zahlung von Geld an den Leistungsberechtigten, so dass keine Geldleistung vorliegt. Zudem hat sie auch nicht die Hingabe
oder Bereitstellung von Sachen durch Eigentumsübertragung zum Gegenstand.
Demzufolge ist die Vermittlung also keine Sachleistung. Folglich stellt die Vermittlung eine soziale Dienstleistung dar.
Bei der Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung handelt es sich um Leistungen der
aktiven Arbeitsförderung nach § 3 Abs. 4 SGB III. Sie haben daher gemäß § 4 SGB
III Vorrang vor den Entgeltersatzleistungen des SGB III und den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Damit findet die Vermittlung als soziale Dienstleistung vorrangige Berücksichtigung vor möglichen Geld- oder Sachleistungen.
b) Unterstützungsleistungen
Im Rahmen der Leistungen an Arbeitnehmer verweist § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf
die Unterstützung der Beratung und Vermittlung, auf die Verbesserung der Eingliederungsaussichten und auf die Förderung der beruflichen Weiterbildung gemäß
275 Wannagat-Vor, § 35 SGB III Rn. 14.
276 Wannagat-Vor, § 35 SGB III Rn. 15.
277 Wannagat-Vor, § 35 SGB III Rn. 15.
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§§ 45 bis 56, 77 bis 96 SGB III. Diese Leistungen umfassen in erster Linie eine
finanzielle Unterstützung der Sozialleistungsberechtigten. Somit stellen diese Leistungen Geld- und keine sozialen Dienstleistungen dar.
c) Leistungen an Arbeitgeber
Gemäß § 16 Abs. 1 SGB II gelten ferner die Vorschriften über die Leistungen an
Arbeitgeber des SGB III für das SGB II. Die Leistungen an Arbeitgeber sind mit den
§§ 217 bis 239 SGB III nicht so umfangreich ausgestattet wie die Leistungen an
Arbeitnehmer. Danach gewähren die Arbeitsagenturen Leistungen an Arbeitgeber
zur Eingliederung von Arbeitnehmern sowie zur beruflichen Aus- und Weiterbildung und zur Teilhabe am Arbeitsleben. Empfänger der Leistung ist hier unmittelbar
der Arbeitgeber. Bei den Leistungen handelt es sich nach §§ 217 bis 224 SGB III um
Eingliederungszuschüsse zu den Arbeitsentgelten zum Ausgleich von Minderleistungen sowie gemäß §§ 225 bis 228 SGB III um Einstellungszuschüsse bei Neugründungen. Ferner werden Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung von Auszubildenden und schwer behinderten Menschen und Zuschüsse zum Arbeitsentgelt im Zusammenhang mit der beruflichen Weiterbildung gezahlt.
Durch Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung oder Zuschüsse für eine behindertengerechte Ausgestaltung von Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen wird nach §§ 236
bis 238 SGB III die Teilhabe am Arbeitsleben in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung behinderter Menschen gefördert. Die Teilhabe wird aber gemäß § 238 SGB
III auch durch die Übernahme der Kosten für eine befristete Probebeschäftigung
behinderter, schwer behinderter oder ihnen gleichgestellter Menschen bis zu einer
Dauer von drei Monaten gefördert. Ebenso wie die Leistungen an Arbeitnehmer
haben auch die Leistungen an Arbeitgeber einmalige oder dauernde Geldzahlungen
zum Gegenstand. Folglich stellen auch sie Geldleistungen dar.
d) Einige Leistungen an Träger
Zudem verweist § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf einige Vorschriften der Leistungen
an Träger. Bei den Leistungen an Träger finden die Vorschriften über die Förderung
der Berufsausbildung und Beschäftigung begleitende Eingliederungshilfen, über die
Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und über die Förderung von Beschäftigung schaffenden Infrastrukturmaßnahmen gemäß §§ 240 bis 247, 260 bis
271, 279 a SGB III entsprechend Anwendung im SGB II. Die Förderungen umfassen jeweils nach den §§ 243, 260, 279 a SGB III die Gewährung von Darlehen und
Zuschüssen. Damit haben auch die Leistungen an Träger vor allem Geldleistungen
zum Gegenstand und stellen folglich keine soziale Dienstleistung dar.
Allerdings sind gemäß § 241 Abs. 4 Nr. 2 SGB III Maßnahmen zur betrieblichen
Ausbildung unter anderem nur förderungsfähig, wenn sie im Auftrag der Bundes-
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agentur für Arbeit durchgeführt werden. Daher können diese Maßnahmen eine vergaberechtsrelevante Beschaffung seitens der Bundesagentur für Arbeit darstellen,
die unter Umständen als öffentliche Dienstleistungsaufträge unter das Kartellvergaberecht fallen. Nicht unter die vergaberechtliche Beurteilung der Leistungserbringung durch Dritte fällt § 262 SGB III. Ist danach bei der Durchführung einer Maßnahme die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein Wirtschaftsunternehmen
vorgesehen, kann die Zuweisung geförderter Arbeitnehmer nichtdiskriminierend für
alle Bewerber als vertragliche Nebenbestimmung aufgenommen werden. Dieser
Hinweis bezieht sich nicht auf die Sozialleistungserbringung im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecks zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Sozialleistungserbringer, sondern lediglich darauf, was die beteiligten Sozialleistungserbringer ihrerseits bei Drittausschreibungen zu beachten haben278.
e) Sonstige Verweisungen auf das SGB III
Neben der Verweisung auf einige Sonderregelungen des SGB II verweist § 16 Abs.
1 Satz 2 SGB II auf nur einzelne Vorschriften des vierten Kapitels des SGB III über
Menschen mit Behinderung. Daher gelten im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende des SGB II einige Besonderheiten für Eingliederungsleistungen an behinderte Arbeitnehmer. Diese Regelungen sind jedoch im Bereich der Leistungen an
Arbeitnehmer verankert und haben verschiedene Zahlungen zum Gegenstand. Aus
diesem Grund stellen auch diese Leistungen Geldleistungen dar.
f) Weitere Leistungen
Gemäß § 16 Abs. 2 SGB II können weitere, über die in Abs. 1 hinausgehende Leistungen erbracht werden, sofern sie für die Eingliederung des Hilfebedürftigen erforderlich sind. Dieser Absatz stellt eine Generalklausel für ergänzende Eingliederungsmaßnahmen dar279. Dies verdeutlicht auch die nicht abschließende Aufzählung
möglicher weiterer Leistungen.
Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB II stellen Kinderbetreuung und Angehörigenpflege
unter anderem solche weiteren Leistungen dar. Der Sozialleistungsträger hat dementsprechende Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um eine Eingliederung des Hilfebedürftigen in Arbeit zu ermöglichen. Die Hilfe bei der Betreuung
minderjähriger oder behinderter Kinder steht in einem engen Zusammenhang mit
der in § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II geregelten Unzumutbarkeit von Arbeit, wenn hierdurch die Erziehung eines Kindes gefährdet würde280. Es ist den Erziehungsberech-
278 Hauck-SGB III-Kaltenstein, § 262 Rn. 5 f.; Storost, NZS 2005, 82 (84).
279 Eicher/Spellbrink-Eicher, § 16 Rn. 30; Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 48.
280 Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 58.
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tigten also nicht zumutbar zu arbeiten, wenn die Kinderbetreuung nicht sichergestellt ist. Da jedoch die Eingliederung in Arbeit ein wesentliches Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende darstellt, sorgen die Sozialleistungsträger folglich auch
für eine Kinderbetreuung und Angehörigenpflege. Nach der negativ Definition der
sozialen Dienstleistungen als Leistungen, die nicht Sach- oder Geldleistungen sind,
stellen Kinderbetreuung und Angehörigenpflege nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 SGB II
folglich soziale Dienstleistungen dar.
Als weitere Leistung sieht § 16 Abs. 2 Nr. 2 SGB II die Schuldnerberatung vor.
Bei der Schuldnerberatung handelt es sich um eine Form der psychosozialen Beratung im Fall der Überschuldung281. Aus diesem Grund versucht die Schuldnerberatung zunächst die Ursachen der Überschuldung aufzuzeigen und bewusst zu machen, damit die Überschuldung überwunden werden kann. Sie unterstützt den
Schuldner zudem bei den Verhandlungen mit den Gläubigern, um erfüllbare Tilgungspläne zu erstellen282. Die Schuldnerberatung kann als Hilfestellung zudem auf
die Pfändungsschutz-Vorschriften und die Möglichkeit zur Einleitung eines
Verbraucherinsolvenzverfahrens hinweisen283. In Grenzen betreibt sie sogar Rechtsberatung, indem sie prüft, ob die Forderungen der Gläubiger berechtigt sind284. Oftmals arbeiten sie dafür mit Rechtsanwälten zusammen. Bei der Schuldnerberatung
handelt es sich ebenfalls um eine soziale Dienstleistung.
Darüber hinaus stellt die psychosoziale Betreuung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB
II eine weitere Leistung dar. Unter psychosozialer Betreuung versteht man einen
Sammelbegriff, der umfassende Beratungsleistungen enthält285. Wäre die Schuldnerberatung nicht unter einem eigenständigen Punkt in § 16 SGB II aufgeführt, hätte
der Sammelbegriff der psychosozialen Betreuung also auch die Schuldnerberatung
umfasst. Eine psychosoziale Betreuung kann beispielsweise im Fall allein stehender
Wohnungsloser oder bei Frauen im Frauenhaus in Betracht kommen286. Auch die
psychosoziale Betreuung stellt als Sammelbegriff für Beratungsleistungen eine soziale Dienstleistung dar, weil es wiederum nicht um Sachen oder Geldzahlungen geht.
Als weitere Leistung listet § 16 Abs. 2 Nr. 4 SGB II die Suchtberatung auf. Vor
allem Alkohol- und Drogensucht stellen ein Hindernis bei der Arbeitsvermittlung
dar, so dass durch die Suchtberatung im Rahmen einer langfristigen Beratung und
Betreuung eine Eingliederung in Arbeit erzielt werden soll. Die Suchtberatung stellt
folglich auch eine soziale Dienstleistung dar.
Darüber hinaus kommt das Einstiegsgeld nach § 16 Abs. 2 Nr. 5 SGB II als weitere Leistung in Betracht. Bei dieser Leistung handelt es sich jedoch um die einmali-
281 Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 60 f. Überschuldung bedeutet, dass die Schulden
(Passiva) die Vermögenswerte (Aktiva) überwiegen und dass die bestehenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr fristgerecht erfüllt werden können.
282 Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 63.
283 Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 63.
284 Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 63.
285 Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 64.
286 Oestreicher-Schumacher, § 16 SGB II Rn. 64.
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ge oder dauernde Zahlung von Geld an den Leistungsberechtigten. Insofern stellt das
Einstiegsgeld eine Geldleistung und keine soziale Dienstleistung dar.
Schließlich kommen die Leistungen zur Beschäftigungsförderung nach § 16 a
SGB II als weitere Leistungen in Betracht. Nach § 16 a SGB II können Arbeitgeber
zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Vermittlungshemmnissen in Arbeit einen Beschäftigungszuschuss erhalten. Dieser dient als Ausgleich der
zu erwartenden Minderleistungen des Arbeitnehmers. Die Förderungsdauer legt § 16
a Abs. 4 SGB II für den Beschäftigungszuschuss auf bis zu 24 Monate fest. Auch
die Höhe des Zuschusses ist detailliert in § 16 a SGB II geregelt. Diese Leistungen
zur Beschäftigungsförderung haben also Geldzahlungen zum Gegenstand und sind
keine sozialen Dienstleistungen.
Diese weiteren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchenden werden allerdings nur insoweit gewährt, als dies zur Aufnahme oder Erhaltung einer Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Dies ergibt sich wiederum aus dem Ziel des Gesetzes.
II. SGB III (Arbeitsförderung)
Im Recht der Arbeitsförderung des SGB III sind im dritten Kapitel die Beratung und
Vermittlung geregelt. Zudem sind die Leistungen an Arbeitnehmer, die Leistungen
an Arbeitgeber und die Leistungen an Träger zu unterscheiden. Dabei erbringen die
Agenturen für Arbeit nach § 2 Abs. 1 SGB III insbesondere Dienstleistungen für
Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese Dienstleistungen gegenüber Arbeitgebern
bestehen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB III darin, die Arbeitgeber regelmäßig über Ausbildungs- und Arbeitsmarktentwicklungen, Ausbildungssuchende, Fachkräfteangebot und berufliche Bildungsmaßnahmen zu informieren, sowie auf den Betrieb zugeschnittene Arbeitsmarktberatung und Vermittlung anzubieten. Den Arbeitnehmern
hingegen bieten sie als Dienstleistungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB III zur Vorbereitung auf die Berufswahl und zur Erschließung ihrer beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten Beratung an und unterbreiten ihnen Vermittlungsangebote zur Ausbildungs- oder Arbeitsaufnahme entsprechend ihren Fähigkeiten und erbringen sonstige Leistungen der Arbeitsförderung. Schließlich gibt es noch weitere Aufgaben der
Bundesagentur, die in den §§ 280 ff. SGB III niedergelegt sind.
Die Beratung und die Vermittlung sind im dritten Kapitel des SGB III niedergelegt und umfassen die §§ 29 bis 44 SGB III. Bereits in § 16 Abs. 1 SGB II wurde auf
diese Leistungen des Arbeitsförderungsrechts verwiesen287. Sie stellen soziale
Dienstleistungen dar, weil sie weder Geldzahlungen noch die Hingabe oder Bereitstellung von Sachen umfassen.
Die Leistungen an Arbeitnehmer stellen den überwiegenden Teil der Sozialleistungen des SGB III dar. Sie sind in den §§ 45 bis 216 b SGB III geregelt. Auf einige
dieser Leistungen verweist bereits das SGB II288. Sie umfassen in erster Linie die
287 Siehe 2. Teil, B. I. 2. a).
288 Siehe 2. Teil, B. I. 2. b).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Müssen soziale Dienstleistungen öffentlich ausgeschrieben werden? Die Frage wird dahingehend beantwortet, dass nicht alle sozialen Dienstleistungen unter das Vergaberecht fallen. Teilweise handelt es sich bei sozialen Dienstleistungen um vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzessionen.
Die Autorin analysiert die Auftraggebereigenschaft der Sozialleistungsträger und untersucht ausführlich, welche sozialen Dienstleistungen dem Vergaberecht unterliegen und welche als Dienstleistungskonzessionen einzuordnen sind. Abschließend werden die Anforderungen an die konkrete Auftragsvergabe dargestellt.
Das Werk wendet sich nicht nur an wissenschaftlich interessierte Leser, sondern auch an Personen und Körperschaften, die praktisch mit der Beschaffung sozialer Dienstleistungen betraut sind. Mit der präzisen Herausarbeitung der einzelnen sozialen Dienstleistung und deren detailliert begründeten vergaberechtlichen Einordnung, leistet die Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Beschaffung sozialer Dienstleistungen und ist damit für den Praktiker in besonderem Maße geeignet.