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I. Zwei-Personen-Konstellationen
Teilweise bestehen im Sozialrecht Zwei-Personen-Konstellationen. Diese Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass auf der einen Seite die Sozialleistungsberechtigten stehen, die sich für den eigenen Bedarf soziale Leistungen beschaffen267. Auf
der anderen Seite stehen die Sozialleistungserbringer, die diese entsprechenden
Leistungen anbieten und hierfür eine Vergütung als Gegenleistung erhalten268. Die
Leistungsabwicklung erfolgt direkt zwischen Leistungsberechtigtem und Leistungserbringer, ohne dass ein externer Sozialleistungsträger in diesen Vorgang miteinbezogen ist. Diese Zwei-Personen-Konstellation findet überwiegend auf Geldleistungen Anwendung269. Aber auch bei Beratungsleistungen sind solche Zwei-Personen-
Konstellationen denkbar.
Ein Beispiel für eine Leistungserbringung im Rahmen einer solchen Zwei-
Personen-Konstellation ist das persönliche Budget. Bei diesem persönlichen Budget
organisieren und bezahlen die Sozialleistungsberechtigten selbständig und eigenverantwortlich ihre Sozialleistungen beim Sozialleistungserbringer270. Es liegen damit
keine Rechtsbeziehungen zwischen einem Sozialleistungsträger und einem Sozialleistungserbringer vor. Lediglich Sozialleistungsberechtigter und Sozialleistungserbringer schließen entsprechende Leistungsvereinbarungen und haben dementsprechend eine Rechtsbeziehung zueinander. Soziale Dienstleistungen werden in der
Regel nicht in Zwei-Personen-Konstellationen erbracht. Sie werden typischerweise
nicht durch den Sozialleistungsträger selbst erbracht, sondern ganz überwiegend in
der Drei-Personen-Konstellationen des „sozialrechtlichen Dreiecks“, also unter
Beteiligung privater Leistungserbringer271.
II. Vier-Personen-Konstellationen
Denkbar sind sogar Vier-Personen-Konstellationen, in denen der Leistungserbringer
seinerseits die Aufgabenerfüllung einem externen Erbringer überträgt, weil er beispielsweise nicht die zur Leistungserfüllung notwendigen Geräte besitzt. Diese
Konstellationen unterteilen sich in zwei Varianten.
Die erste Variante ist dadurch gekennzeichnet, dass der Sozialleistungsträger mit
dem Sozialleistungserbringer durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung die Leistungsverpflichtung festlegt. Der Leistungserbringer wiederum schließt eine privatrechtliche Vereinbarung mit einem weiteren, externen Erbringer ab. Dieser externe
Erbringer ist dann derjenige, welcher der Leistungsverpflichtung des ursprünglichen
Sozialleistungserbringers tatsächlich nachkommt. Mit dem Sozialleistungsträger
267 Kingreen, SGb 2004, 659 (660).
268 Kingreen, SGb 2004, 659 (660).
269 Kingreen, SGb 2004, 659 (660).
270 Siehe 1. Teil, B. II. 2. c).
271 Siehe Einleitung, C. II. 2.
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steht der tatsächliche, externe Erbringer in keiner rechtlichen Beziehung. Diese
Vier-Personen-Konstellation ist also nichts anderes als eine Drei-Personen-
Konstellation zwischen Sozialleistungsberechtigtem, Sozialleistungsträger und Sozialleistungserbringer und eine Zwei-Personen-Konstellation zwischen dem Sozialleistungserbringer und tatsächlichem, externen Erbringer. Beispielsweise schließt
eine Krankenkasse mit einem Krankenhaus eine Leistungsvereinbarung ab, in der
als Leistung die Erbringung von Massagen vereinbart wurde. Da im Krankenhaus
jedoch kein Masseur beschäftigt ist, bedient sich die Krankenhausleitung eines externen Masseurs. Nur dadurch kann das Krankenhaus seiner Verpflichtung zur
Erbringung von Massagen nachkommen. Zu diesem Zweck schließt das Krankenhaus also eine Vereinbarung mit dem Masseur ab, die rechtlich unabhängig von der
Leistungsvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhaus ist.
In der zweiten Variante der Vier-Personen-Konstellation möchte der Sozialleistungsträger mit dem Sozialleistungserbringer entsprechende Leistungsvereinbarungen abschließen, wird jedoch vom Sozialleistungserbringer ab- und an einen externen Erbringer weiter verwiesen. Die öffentlich-rechtliche Vereinbarung wird direkt
zwischen dem Sozialleistungsträger und dem tatsächlichen, externen Erbringer geschlossen. Der ursprüngliche Sozialleistungserbringer wird nicht mit in die Leistungsvereinbarung eingebunden. Insofern entspricht diese Konstellation tatsächlich
einer Drei-Personen-Konstellation zwischen Sozialleistungsberechtigtem, Sozialleistungsträger und tatsächlichem, externen Erbringer. Welcher Sozialleistungserbringer
tatsächlich die Leistungsverpflichtung erfüllt, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. In dem eben genannten Beispiel möchte die Krankenkasse also mit dem
Krankenhaus eine Leistungsvereinbarung über die Erbringung von Massagen abschließen. Das Krankenhaus schließt diese Vereinbarung allerdings nicht ab, weil sie
nicht die entsprechenden Personalmittel zur Verfügung haben, um diese Massageleistungen erbringen zu können. Aus diesem Grund schließt die Krankenkasse direkt
mit dem externen Masseur die Leistungsvereinbarung ab. Es gibt also keine klassischen Vier-Personen-Konstellationen im Sozialrecht, die sich nicht in Zwei- oder
Drei-Personen-Konstellationen aufteilen lassen.
III. Zwischenergebnis
Vergaberechtlich relevant ist vor allem die Leistungserbringung im sozialrechtlichen
Dreieck, mithin also die Drei-Personen-Konstellationen. Der Grund dafür liegt darin, dass die überwiegende Zahl an Sozialleistungen im Rahmen dieses sozialrechtlichen Dreiecks erbracht wird. Schließlich lassen sich sogar die Vier-Personen-
Konstellationen in Drei-Personen-Konstellationen aufspalten, so dass sich im Rahmen einer Vier-Personen-Konstellation keine unterschiedliche rechtliche Behandlung und Einordnung rechtfertigen lässt. Schließlich bedürfen die Zwei-Personen-
Konstellationen keiner näheren Erörterung, weil dort überwiegend Geldleistungen
abgewickelt werden. Insgesamt sind also die Drei-Personen-Konstellationen von
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References
Zusammenfassung
Müssen soziale Dienstleistungen öffentlich ausgeschrieben werden? Die Frage wird dahingehend beantwortet, dass nicht alle sozialen Dienstleistungen unter das Vergaberecht fallen. Teilweise handelt es sich bei sozialen Dienstleistungen um vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzessionen.
Die Autorin analysiert die Auftraggebereigenschaft der Sozialleistungsträger und untersucht ausführlich, welche sozialen Dienstleistungen dem Vergaberecht unterliegen und welche als Dienstleistungskonzessionen einzuordnen sind. Abschließend werden die Anforderungen an die konkrete Auftragsvergabe dargestellt.
Das Werk wendet sich nicht nur an wissenschaftlich interessierte Leser, sondern auch an Personen und Körperschaften, die praktisch mit der Beschaffung sozialer Dienstleistungen betraut sind. Mit der präzisen Herausarbeitung der einzelnen sozialen Dienstleistung und deren detailliert begründeten vergaberechtlichen Einordnung, leistet die Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Beschaffung sozialer Dienstleistungen und ist damit für den Praktiker in besonderem Maße geeignet.