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kretisiert und erweitert damit das allgemeine, in § 33 SGB I geregelte Wunsch- und
Wahlrecht263.
3. Persönliches Budget
Das persönliche Budget ist in § 17 Abs. 2 bis 6 SGB IX geregelt. Von dieser Regelung ausgehend, wurde das persönliche Budget als Modell auch in den Leistungsgesetzen der in § 6 SGB IX geregelten Rehabilitationsträger eingeführt264.
4. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
Auch im SGB IX ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit niedergelegt. Er findet in den §§ 15 Abs. 1 Satz 3, 35 Abs. 1 Nr. 4, 41 Abs. 3 SGB IX
Erwähnung. Er umfasst inhaltlich das gleiche wie in den übrigen Büchern des Sozialgesetzbuches265.
VI. Zwischenergebnis
Im Sozialrecht gibt es zahlreiche Grundsätze, die sich auf die vergaberechtliche
Beurteilung der Leistungsvergabe auswirken. Von diesen Grundsätzen gelten allerdings nur die im SGB I und im SGB X genannten für alle Bücher des Sozialgesetzbuches. Neben den allgemeinen Betreuungs- und Informationspflichten der Sozialleistungsträger und den Mitwirkungspflichten der Sozialleistungsberechtigten ist vor
allem der Grundsatz vom Wunsch- und Wahlrecht für die Leistungsgewährung und
damit für das Verhältnis von Sozialrecht und Vergaberecht entscheidend.
Der Grundsatz vom Wunsch- und Wahlrecht besagt allgemein, dass angemessene
Wünsche der Sozialleistungsberechtigten im Rahmen der Leistungsgewährung entsprochen werden sollen. Dieser Grundsatz findet sich im Recht der sozialen Hilfe
und Förderung und im Recht der sozialen Pflegeversicherung sowie im Bereich der
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen des SGB IX wieder. In diesen
Büchern des Sozialgesetzbuches ist der allgemeine Grundsatz des § 33 SGB I allerdings bereichsspezifisch konkretisiert und ausgestaltet worden. Das Wunsch- und
Wahlrecht ist darin für einen Sozialleistungsberechtigten folglich stärker ausgestaltet
worden als bei dem allgemeinen Grundsatz des SGB I. Die Angemessenheit der
Wünsche ist im Rahmen einer Abwägung zwischen Verwaltungsaufwand oder
–kosten und den Vorteilen für den Leistungsberechtigten zu ermitteln. In diese An-
263 Siehe 1. Teil, B. I. 1. c) bb).
264 Siehe 1. Teil, B. II. 2. c).
265 Siehe 1. Teil, B. II. 1. d).
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gemessenheitsprüfung können also vergaberechtliche Aspekte einfließen. Auch die
Mitwirkungspflichten sind neben den allgemeinen des SGB I in mehreren Büchern
des Sozialgesetzbuches bereichsspezifisch erweitert und ergänzt worden.
Zudem ist mit Ausnahme der allgemeinen Vorschriften des SGB I und des SGB
X in jedem Buch des Sozialgesetzbuches der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit kodifiziert. Das verdeutlicht die besondere Bedeutung dieses Grundsatzes für das gesamte Sozialrecht. Ein allgemein formulierter Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im SGB I ist jedoch nicht ersichtlich. Dieser Grundsatz umfasst zwar inhaltlich das Gleiche. Er ist jedoch an verschiedenen Stellen im
Gesetz verankert und damit speziell auf die Sozialleistungsgewährung der einzelnen
Sozialrechtsbereiche abgestimmt. Auch im Vergaberecht spielen wirtschaftliche
Angebote eine unter Umständen entscheidende Rolle, weil nach § 97 Abs. 5 GWB
der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird. Aus diesem Grund ist
dieser Grundsatz wesentlich für das Verhältnis von Sozial- und Vergaberecht.
Der Grundsatz vom persönlichen Budget ist ebenfalls nicht im SGB I geregelt,
fand aber dennoch Eingang in das SGB III, V, VII, VIII, IX, XII. Damit prägt dieser
Grundsatz die Hälfte der Bücher des Sozialgesetzbuches. Der Grund dafür liegt
darin, dass das persönliche Budget in die meisten der in Betracht kommenden Leistungsgesetze der in § 6 SGB IX genannten Rehabilitationsträger eingefügt worden
ist. Alle weiteren Grundsätze gelten lediglich für den sozialrechtlichen Bereich, in
dem sie aufgestellt worden sind. Der Grundsatz vom persönlichen Budget bedeutet,
dass der Sozialleistungsberechtigte aus ihm zur Verfügung gestellten Geldbeträgen
selbständig die Aufwendungen bestreitet, die er zur Abwendung seines Hilfebedarfs
als notwendig erachtet. Nach Einführung des persönlichen Budgets sind vergaberechtliche Vorschriften in der Regel nicht einschlägig, weil ein Sozialleistungsberechtigter kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts ist. Er schließt
vielmehr selbständig mit seinen ausgewählten Leistungserbringern Vereinbarungen
über die konkrete Leistungserbringung ab. Ein öffentlicher Auftrag im Sinne des
Vergaberechts liegt nicht vor. Soweit das persönliche Budget reicht, findet das Vergaberecht also keine Anwendung.
C. Rechtsbeziehungen bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen
Für die vergaberechtliche Einordnung der sozialen Dienstleistungen kommt es entscheidend auf die Struktur der Rechtsbeziehungen aller Beteiligten zueinander an.
Neben den Drei-Personen-Konstellationen266 sind Konstellationen mit zwei und vier
Beteiligten zu unterscheiden.
266 Siehe Einleitung, C. II. 2.
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References
Zusammenfassung
Müssen soziale Dienstleistungen öffentlich ausgeschrieben werden? Die Frage wird dahingehend beantwortet, dass nicht alle sozialen Dienstleistungen unter das Vergaberecht fallen. Teilweise handelt es sich bei sozialen Dienstleistungen um vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzessionen.
Die Autorin analysiert die Auftraggebereigenschaft der Sozialleistungsträger und untersucht ausführlich, welche sozialen Dienstleistungen dem Vergaberecht unterliegen und welche als Dienstleistungskonzessionen einzuordnen sind. Abschließend werden die Anforderungen an die konkrete Auftragsvergabe dargestellt.
Das Werk wendet sich nicht nur an wissenschaftlich interessierte Leser, sondern auch an Personen und Körperschaften, die praktisch mit der Beschaffung sozialer Dienstleistungen betraut sind. Mit der präzisen Herausarbeitung der einzelnen sozialen Dienstleistung und deren detailliert begründeten vergaberechtlichen Einordnung, leistet die Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Beschaffung sozialer Dienstleistungen und ist damit für den Praktiker in besonderem Maße geeignet.