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Lassen sich keine Anzeichen einer vielleicht stillschweigend akzeptierten mit der
Parteifähigkeit einhergehenden „Teilrechtsfähigkeit“ finden, so ist zu prüfen, ob es
sich nicht vielmehr strukturell um eine Modalität der Parteibezeichnung handelt, die
u.U. eine notwendige Streitgenossenschaft überdeckt.
Bezogen auf die Kollektiv- und Kommanditgesellschaft schweizerischen Rechts
findet sich die Ansicht, dass ihnen nur „scheinbar“ die Parteifähigkeit zukomme.756
Ihre Firma sei nur der „Schild“, unter dem sie vor Gericht auftrete.757 Wäre diesem
Standpunkt zu folgen, müsste die Rechtssubjektivität des in Frage stehenden Gebildes insgesamt abgelehnt werden.
Es kann zusammengefasst werden, dass die mangelnde Öffnung des deutschen
Rechts für Kompromisslösungen in der Frage der Rechtssubjektivität zwar mit dem
Nachteil verbunden ist, dass es zu Friktionen mit dem Heimatrecht des Gebildes
kommt. Dieser Nachteil wird jedoch durch die eindeutige, die dargelegten Folgeprobleme vermeidende und den Bedürfnissen des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs besser berücksichtigende materiellrechtliche Qualifikation aufgewogen.
F. Ergebnis des Dritten Teils
Unter der prozessrechtlichen Qualifikation lassen sich sachrechtliche und verfahrenskollisionsrechtliche Ansätze ausmachen, um die Parteifähigkeit bei Auslandssachverhalten zu bestimmen. Die sachrechtlichen Ansätze können nicht überzeugen,
da sie zum einen die Zweiteilung einer materiellrechtlich akzessorischen und einer
rein prozessual verankerten Parteifähigkeit nicht überzeugend erklären können. Zum
anderen können sie keine prozessualen Kriterien zur Bestimmung der Parteifähigkeit
bei den nicht rechtsfähigen Gebilden vorweisen. Die ergebnisblinde Anerkennung
der ausländischen Rechtsfähigkeit ist nicht mit der als untunlich bezeichneten ergebnisblinden Anwendung ausländischen Verfahrensrechts in Einklang zu bringen.
Der verfahrenskollisionsrechtliche Ansatz von PAGENSTECHER zeigt auf, das eine
strukturelle Ähnlichkeit zwischen Rechts- und Parteifähigkeit bestehen muss. PA-
GENSTECHER stützt sich insoweit auf eine Analogie zur kollisionsrechtlichen Behandlung der Rechtsfähigkeit. Gleichwohl trägt seine Lehre Divergenzen von materiellem Recht und Prozeßrecht in den inländischen Prozess, den die deutsche
Rechtsordnung (und auch die anderen untersuchten Rechtsordnungen) nicht adäquat
zu lösen vermag.
Vor diesem Hintergrund werden in der Literatur verschiedene Kombinationsmodelle vorgeschlagen, die alle verfahrenskollisionsrechtliche Elemente enthalten. Ihnen ist jedoch gemeinsam, dass sie von einer nicht genauer geklärten „Mehrfachfunktionalität des Anknüpfungsgegenstandes Parteifähigkeit“ ausgehen. Gleichzeitig
liegt ihnen das Bestreben zugrunde, Widersprüche zwischen IPR und IPRZ zu vermeiden.
756 WALDER-BOHNER, Zivilprozessrecht, § 8 Rz. 1.
757 WALDER-BOHNER, Zivilprozessrecht, § 8 Rz. 1.
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Die Rechtsprechung zieht unter dem Eindruck der gemeinschaftsrechtlichen und
staatsvertraglichen Niederlassungsfreiheit die Konsequenzen aus der nunmehr anerkannten Rechtsfähigkeit der GbR auf kollisionsrechtlicher Ebene. Das System der
Normativbestimmungen muss im Bereich der Rechtsfähigkeit kollisionsrechtlich
nicht mehr mit der Sitztheorie abgestützt werden. Für die Parteifähigkeit bedeutet
dies, dass auch ihr keine Bedeutung mehr für den Schutz des Systems der Normativbestimmungen zukommt.
Fällt dieser bisher (fälschlicherweise) prozessual verstandene Zweck der Sicherung der Registerpublizität weg, so wird die Möglichkeit, die Parteifähigkeit materiellrechtlich zu qualifizieren, augenfälliger. Die Parteifähigkeit fällt dann mit der
Rechtsfähigkeit zusammen und wird auch kollisionsrechtlich wie diese bestimmt.
Die materiellrechtliche Qualifikation der Parteifähigkeit ist auch in ihren kollisionsrechtlichen Aspekten vorzugswürdig. Ein Divergieren von Rechts- und Parteifähigkeit ist dann bei ausländischen Gebilden nicht mehr möglich. Die Bedenken gegen diese Fallgruppe bei rein deutschen Sachverhalten bestehen auch bei
Sachverhalten mit Auslandsbezug. Wie der rechtsvergleichende Teil ergeben hat,
bieten auch andere Rechtsordnungen keine überzeugenden Mechanismen diese Brüche, zwischen materiellem und prozessualem Recht auszugleichen. Darüber hinaus
müssten solche „legal transplants“ auch mit dem deutschen Recht vereinbar sein.
Die Vorteile der materiellen Qualifikation wiegen auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht mögliche Friktionen zum Heimatrecht des Gebildes auf. Die Parteifähigkeit ist
also nur ein Aspekt der materiellen Rechtsfähigkeit und daher kollisionsrechtlich
wie diese zu bestimmen.
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References
Zusammenfassung
Mit der Untersuchung der Parteifähigkeit erörtert der Autor grundsätzliche Fragen des prozessualen und materiellen Gesellschaftsrechts und zeigt bestehende Brüche zwischen beiden Regelungsmaterien auf.
Die Parteifähigkeit wurde traditionell vor allem prozessrechtlich qualifiziert. Nach der Zuerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit an die Außen-GbR durch den BGH und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren Centros, Überseering und Inspire Art steht die hergebrachte Konzeption auf dem Prüfstand.
Diesen Befund nimmt der Autor zum Anlass und untersucht zunächst die Dogmatik der Parteifähigkeit anhand inländischer Sachverhalte. Nach einem rechtsvergleichenden Teil geht der Verfasser auf die Parteifähigkeit von Gebilden mit ausländischem Personalstatut ein und diskutiert insbesondere die so genannte Scheinauslandsgesellschaft. Darüber hinaus wird die gemeinschaftsrechtliche Dimension der Parteifähigkeit erörtert.