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Teil 3: Die Bestimmung der Parteifähigkeit bei Gebilden mit
ausländischem Personalstatut
A. Einleitung
Der im ersten Teil herausgearbeitete Konflikt zwischen Publizität und Schutz des
Rechtsverkehrs, der der prozessualen Qualifikation immanent ist, zeitigt auch dort
Folgen, wo der Sachverhalt Auslandsbezüge aufweist. Soweit die Parteifähigkeit
prozessrechtlich qualifiziert wird, stehen sich bei Gebilden mit ausländischem Personalstatut im Hinblick auf die Bestimmung der Parteifähigkeit sachrechtliche und
kollisionsrechtliche Ansätze gegenüber. Kombinationslösungen versuchen verschiedene Elemente dieser Ansätze aufzugreifen und zu integrieren. Das bisherige Meinungsspektrum wurde jedoch unter dem Eindruck von zwei unverrückbar erscheinenden Eckpfeilern entwickelt. Dies sind zum einen die prozessuale Qualifikation
der Parteifähigkeit und zum anderen die das Internationale Gesellschaftsrecht lange
Zeit beherrschende Sitztheorie, welche das System der Normativbestimmungen kollisionsrechtlich flankieren sollte.
Die Kategorie der Scheinauslandsgesellschaft, auch „Pseudo-foreign Corporation“ genannt, wurde durch diese Einflüsse geprägt. Ihnen wurde bisher ein deutsches
Personalstatut zugrunde gelegt und in der Folge hiervon die Rechtsfähigkeit abgesprochen. Sind nun Änderungen in der Rechtsprechung zur Scheinauslandsgesellschaft zu beobachten, die auf ein ausländisches Personalstatut deuten, erlaubt dies
Rückschlüsse sowohl auf die Frage der materiellen oder prozessualen Qualifikation
der Parteifähigkeit als auch auf die Bestimmung der Parteifähigkeit bei ausländischen Gebilden.
B. Beispielsfälle
Fall 1: Die Scheinauslandsgesellschaft als Beklagte554
Der Beklagten Einzelpersonenanstalt liechtensteinischen Rechts wurde eine Auflassungsvormerkung ins Grundbuch eingetragen. Bevor sie jedoch als Eigentümerin
eingetragen wurde, verlegte sie ihren Verwaltungssitz nach Deutschland. Im Zeitraum zwischen der Verwaltungssitzverlegung und der Eintragung als Eigentümerin
erwirkte der Kläger gegen den Voreigentümer die Eintragung einer Vormerkung zur
Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerker-
Sicherungshypothek. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Umschreibung der
554 Nach BGH NJW 1986, 2194ff.
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Zusammenfassung
Mit der Untersuchung der Parteifähigkeit erörtert der Autor grundsätzliche Fragen des prozessualen und materiellen Gesellschaftsrechts und zeigt bestehende Brüche zwischen beiden Regelungsmaterien auf.
Die Parteifähigkeit wurde traditionell vor allem prozessrechtlich qualifiziert. Nach der Zuerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit an die Außen-GbR durch den BGH und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren Centros, Überseering und Inspire Art steht die hergebrachte Konzeption auf dem Prüfstand.
Diesen Befund nimmt der Autor zum Anlass und untersucht zunächst die Dogmatik der Parteifähigkeit anhand inländischer Sachverhalte. Nach einem rechtsvergleichenden Teil geht der Verfasser auf die Parteifähigkeit von Gebilden mit ausländischem Personalstatut ein und diskutiert insbesondere die so genannte Scheinauslandsgesellschaft. Darüber hinaus wird die gemeinschaftsrechtliche Dimension der Parteifähigkeit erörtert.