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II. Parteifähigkeit und Justizgewährung
Auch schon unter der prozessrechtlichen Qualifikation der Parteifähigkeit kam dem
topos der Justizgewährung eine besondere Bedeutung zu.284 Dort wurde sie jedoch
vor allem in Hinblick auf die andere Partei, d.h. des zu schützenden Rechtsverkehrs,285 diskutiert. Der Justizgewährungsanspruch ist im nationalen Verfassungsrecht verkettet mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Artt. 20. Abs. 3 und
2 Abs. 1 GG).286 In Verbindung mit Art. 6 EMRK wird die „grund- bzw. menschenrechtliche Dimension der Parteifähigkeit“287 offenbar.
Unter der materiellrechtlichen Qualifikation rückt wieder das Gleichgewicht zwischen den Interessen des Rechtsverkehrs und des in Frage stehenden Gebildes ins
Zentrum der Betrachtung. Die Parteifähigkeit regelt, welche Subjekte „in abstracto
als Träger vermögensbezogener Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse“288 in Betracht kommen. Es ist daher kein Zufall, dass die Rechtsprechung, wie z.B. im Fall
der Gewerkschaften,289 die aktive Parteifähigkeit rechtsfähiger Gebilde immer wieder „akzessorisch“290 aus den jeweils einschlägigen materiellen Grundrechten abgeleitet hat. Darüber darf nun zwar nicht das Rechtsschutz- und Vollstreckungsinteresse des (potenziellen) Prozessgegners übersehen werden.291 Die Berücksichtigung
dieser Interessen kann jedoch nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen im materiellen
und prozessualen Recht führen. Die prozessualen „Fernwirkungen“ müssen daher
schon von den Grundrechten und dem materiellen Recht berücksichtigt werden.
III. Koodinierungsfunktion
Die Koordinierungsfunktion der Parteifähigkeit zeigt sich in der Sicherstellung von
Handlungsfähigkeit sowie auch in der Gewährleistung von Bindung an Verfahrensfolgen und Ermöglichung der Zwangsvollstreckung.
284 FURTAK, Parteifähigkeit, S. 108f.; GEIMER, IZPR, Rz. 1936.
285 Vgl. GEIMER, IZPR, Rz. 2204.
286 BVerfG, NJW 2003, 1924, 1926; BGHZ 140, 217; Zöller-VOLLKOMMER, ZPO, Einl., Rz. 48
u. 51.
287 HESS, ZZP 117 (2004), 267, 287; vgl. auch FURTAK, Parteifähigkeit, S. 53; zur Diskussion
um das Verhältnis von Art. 6 EMRK und Parteifähigkeit in Frankreich und im Zusammenhang der Sitztheorie vgl. JESTÄDT, Niederlassungsfreiheit, S. 238ff.
288 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 309.
289 BGHZ 42, 210, 213ff.; kritisch: NEUNER, Rechtsfindung, S. 130f.
290 HESS, ZZP 117 (2004), 267, 287.
291 So HESS, ZZP 117 (2004), 267, 288 m.w.N. in Fn. 162.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Mit der Untersuchung der Parteifähigkeit erörtert der Autor grundsätzliche Fragen des prozessualen und materiellen Gesellschaftsrechts und zeigt bestehende Brüche zwischen beiden Regelungsmaterien auf.
Die Parteifähigkeit wurde traditionell vor allem prozessrechtlich qualifiziert. Nach der Zuerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit an die Außen-GbR durch den BGH und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren Centros, Überseering und Inspire Art steht die hergebrachte Konzeption auf dem Prüfstand.
Diesen Befund nimmt der Autor zum Anlass und untersucht zunächst die Dogmatik der Parteifähigkeit anhand inländischer Sachverhalte. Nach einem rechtsvergleichenden Teil geht der Verfasser auf die Parteifähigkeit von Gebilden mit ausländischem Personalstatut ein und diskutiert insbesondere die so genannte Scheinauslandsgesellschaft. Darüber hinaus wird die gemeinschaftsrechtliche Dimension der Parteifähigkeit erörtert.