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also einerseits auf bestimmte Gebilde beschränkt, wobei jedoch Registerpublizität
für „sinnhaftes Prozessieren“ nicht erforderlich sei. Auf der anderen Seite setze die
Parteifähigkeit nicht unbedingt die Rechtsfähigkeit voraus.236
II. Der Standpunkt von WAGNER
Nach WAGNER erheischt § 50 Abs. 2 ZPO auch nach der Akzeptanz der Rechts- und
Parteifähigkeit der Außen-GbR ungebrochene Aktualität.237 § 50 Abs. 2 ZPO sorge
dafür, dass gerade beim Idealverein der Anreiz bestehen bleibe, die Eintragung herbeizuführen.238 Man würde auch dem wirtschaftlichen Verein ohne Not entgegen
kommen, wenn ihm die aktive Parteifähigkeit zugesprochen wird.239 Die Ablehnung
der Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen beim wirtschaftlichen Verein
ändere hieran nichts. Bei GbR und OHG bestehe insoweit eine andere Ausgangslage, da sie durch die Privatautonomie der Gesellschafter geprägt seien, eine Eintragung ins Handelsregister nur deklaratorisch wirke und keine GbRmbH möglich
sei.240 Auch darüber hinaus gelte weiter der in § 50 Abs. 2 ZPO enthaltene Rechtssatz, dass Gebilde ohne Rechtspersönlichkeit, „die im Verkehr wie juristische Personen auftreten, unter bestimmten Voraussetzungen als solche wenigstens verklagt
werden können, dann nämlich, wenn die Erfordernisse des redlichen Geschäftsverkehrs dies verlangen.“241
III. Würdigung
HESS erkennt im Grundsatz die enge Verbindung von Rechts- und Parteifähigkeit an.
Auch die Gleichartigkeit der Kategorien, die bei der Prüfung der Subjektivität eines
Gebildes heranzuziehen sind, wird von ihm bejaht. Trotzdem tritt HESS für die Beibehaltung der Eigenständigkeit der Parteifähigkeit ein. Gleichzeitig verringert sich
der Abstand zu einer materiellrechtlichen Qualifikation der Parteifähigkeit. Denn
wenn die Außen-GbR den Bedürfnissen des Prozessrechts gerecht wird, laufen die
Wertungen des materiellen und prozessualen Rechts in einer der bisher umstrittensten Sachverhaltsgestaltungen parallel. Wird § 50 Abs. 2 ZPO als Hinweis auf eine
Wahloption zwischen Gesellschafts- oder Gesellschafterklage interpretiert, so stellt
sich die Frage, ob damit letztlich die Parteifähigkeit oder nicht vielmehr die Prozess-
236 HESS, ZZP 117 (2004), 267, 303.
237 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 361.
238 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 359.
239 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 361; REUTER stimmt dem in Bezug auf den wirtschaftlichen
Verein zu, ist jedoch beim nichtwirtschaftlichen Verein anderer Ansicht, MüKo-REUTER,
BGB, § 54, Rz. 17
240 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 360f.
241 WAGNER, ZZP 117 (2004), 305, 362 unter Verweis auf BGH NJW 1960, 1204, 1205.
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führungsbefugnis geregelt wird. Geht man vom Vorliegen der Parteifähigkeit sowohl auf der Seite der Gesellschafter als auch der Gesellschaft aus, so würde sich
§ 50 Abs. 2 ZPO dann eher auf die Prozessführungsbefugnis beziehen. Diese Wahl
stünde auch nur in den Fällen offen, in denen die materiellrechtliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis dem gesetzlichen Grundmodell entspricht.242
Hinter dem Festhalten an einer prozessrechtlichen Qualifikation steht m.E. vielmehr die Befürchtung, dass das materielle Recht seinerseits bei der Formulierung
der Voraussetzung der Subjektivität nicht genügend Rücksicht auf die praktischen
Bedürfnisse des Prozessrechts nehme. Eine vollkommene materiellrechtliche Akzessorietät der Parteifähigkeit erweckt außerdem den Anschein, dass das Prozessrecht
nur noch Entwicklungen des Gesellschaftsrechts folgen müsste, ohne jedoch eigene
Impulse setzen zu können. Ein „zeitweiliges“ Auseinanderfallen von Rechts- und
Parteifähigkeit als Katalysator für neuere Entwicklungen (unter der Inkaufnahme der
sich daraus ergebenden Probleme) wäre nicht mehr möglich.
Die materiellrechtliche Qualifikation der Parteifähigkeit darf m.E. jedoch nicht
dahingehend verstanden werden, dass die Problematik, die HESS243 mit dem Begriff
des „sinnhaften Prozessierens“ treffend beschreibt, unbeachtet bliebe.244 Versteht
man also die materiellrechtliche Qualifikation nicht als „Einbahnstraße“,245 so eröffnet die Akzeptanz der Rechts- und Parteifähigkeit der Außen-GbR die Möglichkeit,
materielles und prozessuales Recht in der Frage der Subjektivität von Gebilden wieder stärker auf einander zu beziehen. Gleichzeitig werden auch die Risiken von
Fehlentwicklungen ausgeschlossen, die aus einer „anfänglich provisorischen“ Divergenz von Rechts- und Parteifähigkeit entstehen können.
WAGNER hingegen möchte vor allem die Anreizfunktion des § 50 Abs. 2 ZPO im
Bereich des Vereinsrechts absichern. Sein Argument der Inkompatibilität von Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen beim Idealverein und dessen aktiver
Parteifähigkeit ist nicht von der Hand zu weisen. Ohne diese Frage an dieser Stelle
abschließend beantworten zu können, müsste aber die Diskriminierung bei der Parteifähigkeit verglichen mit einem Umdenken bei der Haftungssituation246 eindeutige
242 HESS, ZZP 117 (2004), 267, 283 und 291 (dort Fn. 135); vgl. auch WAGNER, ZZP 117
(2004), 305, 328, der es als „Versäumnis des deutschen Prozessrechts“ ansieht, dass „auf
dem Boden der so lange herrschenden individualistischen Lehre der GbR kein adäquates
Prozessrechtsregime für die Außengesellschaft entwickelt“ wurde.
243 HESS, ZZP 117 (2004), 267, 278.
244 Auch WAGNER wendet ein, dass die Debatte um die Rechtsfähigkeit der GbR „stärker mit
Rücksicht auf vermeintlich „prozessrechtliche“ Argumente“ geführt werden sollen, „ die sich
zu dem Einwand der Verkehrsschutzfunktion des Registerzwangs verdichten lassen.“ (ZZP
117 (2004), 306, 323).
245 Diese Befürchtung scheint in gewissem Umfang berechtigt: so moniert WAGNER, das im ersten Teil der Urteilsbegründung „Weißes Ross“ der BGH überhaupt nicht auf §§ 50 Abs. 2,
735, 736 ZPO eingeht, ZZP 117 (2004), 305, 334; den wechselseitigen Bezug betonend auch
KLAMARIS in seinem Diskussionsbeitrag, ZZP 117 (2004), 375.
246 Zur Haftungssituation beim nichtrechtsfähigen Idealverein vgl. K. SCHMIDT, GesR, § 25 III
m.w.N.
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Vorteile zeitigen. Die Parteifähigkeit ist jedenfalls nicht der allein denkbare „Hebel“, den nichtrechtsfähigen Idealverein zur Eintragung anzuhalten. 247
Hinsichtlich des wirtschaftlichen Vereins ist jedoch entgegen der Ansicht WAG-
NERS keine solche Diskrepanz zur GbR gegeben, die eine andere Behandlung in der
Frage der Parteifähigkeit rechtfertigen könnte. Die Beispiele der Vor-Gesellschaft
sowie der als vermögenslos gelöschten Kapitalgesellschaft haben gezeigt, dass dort
die Registereintragung für die Parteifähigkeit lediglich deklaratorischen Charakter
hat, obwohl es sich um Kapitalgesellschaften handelt. Mit der Anerkennung der aktiven Parteifähigkeit des nicht eingetragenen wirtschaftlichen Vereins käme es schon
deshalb nicht zu einem „Dammbruch“, weil eine Haftungsbeschränkung gerade
nicht besteht und sich somit vielmehr eine Parallele zur Ablehnung der GbRmbH
durch den BGH248 aufdrängt. Genauso wie bei der GbR kann also nicht von einem
Haftungsprivileg der Mitglieder gesprochen werden.
Die materiellrechtliche Qualifikation der Parteifähigkeit ist daher vorzuziehen.
Sie vermeidet Friktionen zwischen materiellem und prozessualem Recht. Es kann
folglich zu den vielfältigen Problemen, die sich aus einer Abstraktheit von Parteifähigkeit und Rechtsfähigkeit ergeben, gar nicht erst kommen.
Die Entscheidung zugunsten der materiellrechtlichen Qualifikation führt jedoch
auch zu einigen klärungsbedürftigen Punkten. Während unter der prozessrechtlichen
Qualifikation § 50 Abs. 2 ZPO eine fundamentale Rolle spielte, scheint diese Regelung bei einer materiellrechtlichen Qualifikation obsolet zu sein. Auch das Verhältnis zwischen Parteifähigkeit einerseits und Parteilehre und Prozessstandschaft andererseits ist neu zu betrachten. Schließlich ist auf den Funktionsumfang der Parteifähigkeit bei ihrer materiellrechtlichen Qualifikation einzugehen.
I. Einbettung der materiellrechtlichen Qualifikation der Parteifähigkeit in die
Dogmatik des Parteibegriffs
Die Parteifähigkeit ist naturgemäß eng mit der Parteilehre verbunden. Die Rechtswissenschaft widmete ihr Hauptaugenmerk jedoch der Prozessführungsbefugnis, die
als ursprüngliches Element des Parteibegriffs aus diesem bis zu ihrer Eigenständigkeit herauspräpariert wurde.249 Während ihrer Entwicklung wurde die Prozessführungsbefugnis immer zur Parteilehre in Bezug gesetzt, um beide Bereiche in funktioneller Hinsicht aufeinander abzustimmen. Dabei gerieten die Zusammenhänge
zwischen der Parteifähigkeit und der Parteilehre etwas aus dem Blick. Um die Funktion des Parteifähigkeitserfordernisses zielsicher bestimmen zu können, muss ihr
247 Es soll hier andererseits nicht verkannt werden, dass sich eine Interpretation, die „Rechtsfähigkeit“ i.S.v. § 21 BGB als „juristische Persönlichkeit“ versteht, genauso wie die tradierte
Gleichsetzung von „Rechtsfähigkeit“ und „juristischer Persönlichkeit“ in § 50 Abs. 1 ZPO
nicht gänzlich befriedigen kann.
248 BGHZ 142, 315, 318ff.
249 Vgl. HENCKEL, Parteilehre, S. 17.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Mit der Untersuchung der Parteifähigkeit erörtert der Autor grundsätzliche Fragen des prozessualen und materiellen Gesellschaftsrechts und zeigt bestehende Brüche zwischen beiden Regelungsmaterien auf.
Die Parteifähigkeit wurde traditionell vor allem prozessrechtlich qualifiziert. Nach der Zuerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit an die Außen-GbR durch den BGH und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren Centros, Überseering und Inspire Art steht die hergebrachte Konzeption auf dem Prüfstand.
Diesen Befund nimmt der Autor zum Anlass und untersucht zunächst die Dogmatik der Parteifähigkeit anhand inländischer Sachverhalte. Nach einem rechtsvergleichenden Teil geht der Verfasser auf die Parteifähigkeit von Gebilden mit ausländischem Personalstatut ein und diskutiert insbesondere die so genannte Scheinauslandsgesellschaft. Darüber hinaus wird die gemeinschaftsrechtliche Dimension der Parteifähigkeit erörtert.