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F. Zusammenhänge zwischen Parteifähigkeit und Publizität
des Verfahrenssubjekts bei ausgewählten Beispielen
Als entscheidender Faktor in der Diskussion um die prozessrechtliche oder materiellrechtliche Qualifikation der Parteifähigkeit hat sich das Verhältnis von Parteifähigkeit und Publizität des Verfahrensobjekts herausgestellt. Bevor eine Bewertung
dieses Verhältnisses vorgenommen wird, soll anhand der Vorgesellschaft und der als
vermögenslos gelöschten Kapitalgesellschaft die Auswirkungen fehlender Publizität
auf die Parteifähigkeit betrachtet werden.
I. Vorgesellschaft
Die Vor-Gesellschaft stellt in diesem Zusammenhang deshalb einen interessanten
Themenkomplex dar, weil insbesondere das materielle Recht im Hinblick auf die
Rechtsfähigkeit starken Entwicklungen unterworfen war158 und somit ein nicht unerhebliches Potenzial für Friktionen mit dem Prozessrecht aufgeworfen hat. Die Betrachtungen werden sich auf die Vor-GmbH konzentrieren, da sich vor allem hier
die Dogmatik der Vor-Gesellschaften entwickelt hat und die Grundsätze weithin übertragbar sind.159
Der Normenbefund, welcher den Zeitraum zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und Eintragung der Gesellschaft regelt, ist mit § 11 GmbHG äußerst
knapp. § 11 GmbHG geht auf die durch das Konzessionssystem geprägte aktienrechtliche Vorschrift des Art. 211 ADHGB zurück,160 weshalb in § 11 Abs. 1
GmbHG klargestellt wird, dass die GmbH vor der Eintragung „als solche“ noch
nicht besteht. Der historische Gesetzgeber war in der Vorstellung verhaftet, dass die
Eintragung „die notwendige Voraussetzung für die rechtswirksame Entstehung der
GmbH als solcher“ darstelle und somit der werdenden juristischen Person als
(Noch)Nichtperson keine Rechtssubjektivität zukommen könne.161
1. Rechtsnatur der Vorgesellschaft
Früher folgerte die herrschende Ansicht aus dem numerus clausus der Gesellschaftsformen, dass die Vor-GmbH einen der gesetzlich ausgewiesenen Verbandstypen zugeschlagen werden müsse.162 Das Meinungsspektrum erstreckte sich von der Einstu-
158 Scholz-K. SCHMIDT, GmbHG, § 11, Rz. 4ff.; Hachenburg-ULMER, GmbHG, § 11, Rz. 3.
159 Hachenburg-ULMER, GmbHG, § 11, Rz. 1.
160 RITTNER, Juristische Person, S. 130; Hachenburg-ULMER, GmbHG, § 11, Rz. 1; Scholz-K.
SCHMIDT, GmbHG, § 11, Rz. 2.
161 Scholz-K. SCHMIDT, GmbHG, § 11, Rz. 4.
162 Vgl. Hachenburg-ULMER, GmbHG, § 11, Rz. 7 m.w.N.
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fung als GbR163 bis, unter Betonung der körperschaftlichen Struktur der angestrebten
GmbH, zur Einstufung als nichtrechtsfähiger Verein.164 Schließlich setzte sich die
Ansicht durch, dass es sich bei der Vor-GmbH um eine notwendige Vorstufe der
GmbH handele, auf die das Recht der GmbH Anwendung findet, soweit dem nicht
die fehlende Registereintragung entgegensteht.165 Des öfteren findet sich die Formulierung, dass die Vor-GmbH jedoch nur insoweit den Regelungen der GmbH unterliege, als diese nicht die Rechtsfähigkeit voraussetzten.166 Diese Ausdrucksweise ist
jedoch missverständlich. Sie möchte lediglich zum Ausdruck bringen, dass die Vor-
GmbH vor der Eintragung noch nicht den Status der juristischen Person innehat.167
So sind auch in der Rechtsprechung gewählte Bezeichnungen wie „Rechtsfähigkeit
im engeren Sinne“ verständlich,168 da hier vielmehr nach traditionellem Verständnis
auf die mit der fehlenden Rechtspersönlichkeit einhergehende Trennung zwischen
Teilrechtsfähigkeit und (Voll-)Rechtsfähigkeit Bezug genommen wird. Trotz der
vordergründigen Akzeptanz der Rechtsnatur der Vor-GmbH als Gesellschaftsform
sui generis wird die Vor-GmbH von der h.M. als Gesamthandsgesellschaft eingestuft.169 Diese Ansicht wird insbesondere von K. SCHMIDT abgelehnt,170 da auf der
Grundlage des „Mysterienspiels“ Gesamthand171 sowohl die Identität der Rechtssubjekte Vorgesellschaft und eingetragener GmbH als auch die Anerkennung der Einpersonen-Vorgesellschaft auf dogmatische Schwierigkeiten stößt.
Einzelne Stimmen argumentieren, dass das bei der Entstehung juristischer Personen maßgebliche System der Normativbestimmungen, welches in § 11 Abs. 1
GmbHG seinen Ausdruck finde, durch die Identität von Vorgesellschaft und eingetragener GmbH unterlaufen werde.172 Hiergegen ist jedoch einzuwenden, dass die
Anerkennung der Vor-GmbH gerade eine „Auflehnung von Praxis und Lehre gegen
den aus Abs. 1 sprechenden Willen des historischen Gesetzgebers“173 darstellt. Es ist
gerade die unterschiedliche Bewertung der aus dem System der Normativbestimmungen folgenden Registereintragung, die sich in der Frage der Rechtsfähigkeit
fortsetzen müsste.
163 RGZ 105, 228, 229; 151, 86, 91.
164 BAYER, JZ 1952, 551; PAUL, NJW 1947/48, 417ff.
165 BGH NJW 1978, 1978,1979; BGH NJW 1981, 1373, 1374.
166 BGH NJW 1993, 459, 460; RAISER, KapGesR, § 26, Rz. 98; Hachenburg-ULMER, GmbHG,
§ 11, Rz. 8.
167 Deutlicher daher KG NJW-RR 1994, 494, 495.
168 So BGH NJW 1993, 459, 460.
169 Lutter/HOMMELHOFF, GmbHG, § 11, Rz. 3; Hachenburg-ULMER, GmbHG, § 11, Rz.30, 45.
170 Scholz-K.SCHMIDT, GmbHG, § 11, Rz. 24.
171 WEBER-GRELLET, AcP 182 (1982), 316ff.
172 HUECK, FS 100 Jahre GmbHG, S. 148ff.; Hachenburg-ULMER, GmbHG, § 11, Rz. 10.
173 Scholz-K. SCHMIDT, GmbHG, § 11, Rz. 24.
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2. Rechtssubjektivität und Registereintragung im materiellen Recht
Entgegen der Absicht des historischen Gesetzgebers ist die Vorgesellschaft heute als
Trägerin von Rechten und Pflichten allgemein anerkannt.174 Das Bedürfnis der Praxis an einem Rechtsträger im Gründungsstadium wurde vom BGH als bedeutender
Meilenstein zum ersten Mal durch Urteil vom 9.3.1981 anerkannt.175 Geprägt durch
das Verständnis der Rechtsnatur der juristischen Person und der vom System der
Normativbestimmungen geforderten Registereintragung, bezeichnen einige Stimmen
in der Literatur die Vor-Gesellschaft lediglich als teilsrechtsfähig.176 Blickt man auf
das Recht der Gesamthandsgesellschaften, so fällt auf, dass die individualistische
Ansicht den als teilrechtsfähig eingestuften Gesellschaften, nur aufgrund der Anordnung durch positives Recht die Rechtsfähigkeit zugesteht. Eine solche Regel existiert für die Rechtsfortbildung der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Vor-GmbH
freilich nicht. Trotzdem wird der Vor-GmbH nur eine Teilrechtsfähigkeit zugestanden. Es erscheint indes zweifelhaft, welche Wirkungen diese Teilrechtsfähigkeit in
materieller Hinsicht zeitigen soll. Trotz fehlender Registerpublizität wird der Vor-
GmbH Rechtsfähigkeit zugestanden. K. SCHMIDT ist daher zuzustimmen, wenn er in
der Registereintragung lediglich einen „Statuswechsel, der in ihrer Identität unver-
änderten Gesellschaft“177 erblickt. Der wesentliche Zweck der Registereintragung
besteht daher für das materielle Recht in der Begründung des Haftungsprivilegs und
dem Erlöschen der persönlichen Außenhaftung der Gründer und der Handelnden.178
Die Registereintragung wirkt somit nicht konstitutiv für die Erlangung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft.
3. Zuerkennung der Parteifähigkeit
Ist für das materielle Recht keine Konsequenz aus der Annahme einer Teilrechtsfähigkeit erkennbar, so müsste sowohl aufgrund der fehlenden Registereintragung als
auch aufgrund der fehlenden positivrechtlichen Verleihung bei ihrer prozessrechtlichen Qualifikation die Parteifähigkeit der Vor-GmbH abgelehnt werden. Im Folgenden soll daher die Rechtsprechung zur Parteifähigkeit der Vor-GmbH näher betrachtet werden.
174 BGH NJW 1981, 1373; RAISER, KapGesR, § 26, Rz. 105; GUMMERT, MünchHdB GesR III,
§ 16, Rz. 44; Scholz-K.SCHMIDT, GmbHG, § 11, Rz. 27.
175 BGH NJW 1981, 1373.
176 So freilich Hachenburg-ULMER, GmbHG, § 11, Rz. 27.
177 Scholz-K.SCHMIDT, GmbHG, § 11, Rz. 132.
178 Scholz-K.SCHMIDT, GmbHG, § 11, Rz. 138.
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a) Passive Parteifähigkeit
Die Zuerkennung der passiven Parteifähigkeit ist zwar aus dem Blickwinkel der
Bewährung des Systems der Normativbestimmungen und § 50 Abs. 2 ZPO weit weniger bedenklich als die Zuerkennung der aktiven Parteifähigkeit. Nur der Versagung der aktiven Parteifähigkeit wohnt ein Sanktionscharakter inne, der zum Betreiben der Eintragung bewegen sollte. Die prozessualen Probleme einer mangelnden
Registerpublizität bleiben dennoch bestehen. Trotzdem geht der BGH von der passiven Parteifähigkeit der Vor-GmbH aus, wenn diese im Rechtsverkehr selbst wie eine
juristische Person aufgetreten ist.179 Dies sei dann der Fall, wenn die Vor-GmbH im
Rechtsverkehr als eigenständige Persönlichkeit in Erscheinung getreten ist.180 Hier
wird die Identitätsausstattung auch ohne Registereintragung als ausreichend empfunden. Nicht ausreichend sei dagegen, wenn die Vorgesellschafter nur für die spätere GmbH tätig geworden seien.181 Ausschlaggebend war also nicht die jeweils vertretene Ansicht zur Rechtsfähigkeit, sondern der Schutz des Rechtsverkehrs. Der
Sache nach liegt eine analoge Anwendung von § 50 Abs. 2 ZPO vor.182
b) Aktive Parteifähigkeit
Auf den Schutz des Rechtsverkehrs lässt sich jedoch nicht die aktive Parteifähigkeit
stützen, da es hierzu nicht der Erweiterung der Aktionsmöglichkeiten der Vorgesellschaften bedarf.183 Trotzdem wird die Vor-GmbH nach der Akzeptanz der passiven
Parteifähigkeit auch als aktiv parteifähig angesehen. Die Rechtsprechung wendet
sich von der Analogie zu § 50 Abs. 2 ZPO ab, einer Vorschrift die aufgrund der
problematischen Unterteilung von aktiver und passiver Parteifähigkeit als verfehlt
empfunden wird und daher in ihrem Anwendungsbereich nicht ausgeweitet werden
solle.184 Bemerkenswert an dieser Stelle ist, dass es aus Sicht der Rechtsprechung
für die ausreichende Verselbständigung und damit für die Zuerkennung der aktiven
Parteifähigkeit auch im Prozessrecht nicht der Registereintragung bedarf. Trotzdem
blieb der Vorstoß in Richtung einer materiellrechtlichen Qualifikation der Parteifähigkeit vorerst zaghaft. Das LG Köln betont in seinem wegweisenden Urteil im Jahre 1993 noch ausdrücklich, dass die Vorgesellschaft der juristischen Person näher
stehe als einer Gesamthand.185 Der BGH hat sich daraufhin mit dem Hinweis auf
andere anerkannte Aspekte der Rechtssubjektivität dieser Rechtsprechung im Er-
179 BGH NJW 1981, 873, 874; BGH NJW 1960, 1204, 1205.
180 BGH NJW 1981, 873, 874.
181 BGH NJW 1976, 1395.
182 So auch LG Köln NJW-RR 1993, 1385, 1385.
183 LG Köln NJW-RR 1993, 1385, 1385.
184 LG Köln NJW-RR 1993, 1385, 1385ff.
185 LG Köln NJW-RR 1993, 1385, 1386.
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gebnis im Jahre 1998 angeschlossen.186 Indes hielt auch der BGH die Grenzziehung
zur Gesamthand vorerst aufrecht,187 da er sich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht
zur aktiven Parteifähigkeit der Außen-GbR hatte durchringen können.
II. Die als vermögenslos gelöschte Kapitalgesellschaft
Eine vermögenslose AG oder GmbH kann auf Antrag oder von Amts wegen im
Handelsregister gelöscht werden, §§ 262 Abs. 1 Nr. 6 AktG, 60 Abs. 1 Nr. 7
GmbHG, 141a FGG. Der Rechtsverkehr soll auf diese Weise vor der Fortexistenz
vermögensloser juristischer Personen geschützt werden.188 Eine Liquidation wäre im
Falle fehlender Aktiva sinnlos. Stellt sich nach der Löschung heraus, dass die Gesellschaft nicht vermögenslos war, ist die Wirkung der Löschung umstritten. Wie im
Fall der soeben erörterten Vorgesellschaft lassen sich auch aus der Bedeutung der
Handelsregistereintragung bei der Vollbeendigung von Kapitalgesellschaften
Schlussfolgerungen für das Verhältnis von Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit ziehen. Nachdem in einem ersten Schritt auf die Löschungswirkungen in Bezug auf die
materielle Rechtsfähigkeit eingegangen wird, sind in einem zweiten Schritt die prozessualen Folgerungen für die Parteifähigkeit insbesondere während eines Passivprozesses zu ziehen.
1. Bedeutung der Löschung für die materielle Rechtsfähigkeit
a) Die Lehre von der rein deklaratorischen Wirkung der Registereintragung
Die früher h.M.189 verlangt für das Erlöschen der Kapitalgesellschaft als juristische
Person nur die Vermögenslosigkeit. Der Registerlöschung komme rein deklaratorische Bedeutung zu und halte somit nur einen widerlegbaren registerunabhängigen
Befund fest.190 Der Vorzug dieser Ansicht besteht vor allem darin, dass wenn später
doch noch Abwicklungsbedarf festgestellt wird, ohne weiteres die Kapitalgesellschaft als Rechtsträger zur Verfügung steht.191
186 BGH NJW 1998, 1079, 1080.
187 BGH NJW-RR 1993, 1385.
188 HELLER, Vermögenslose GmbH, S. 100.
189 Grundlegend KG JW 1927, 1183; RGZ 156, 23, 26; BGHZ 48, 303, 307; BOKELMANN,
NJW 1977, 1130, 1131: „kaum bestritten“; BORK, JZ 1991, 841, 842 Fn. 8 u. 9 m.w.N.
190 LINDACHER, FS Henckel, S. 549, 551.
191 Großkommentar zum AktG/WIEDEMANN, § 273, Rz. 3.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Mit der Untersuchung der Parteifähigkeit erörtert der Autor grundsätzliche Fragen des prozessualen und materiellen Gesellschaftsrechts und zeigt bestehende Brüche zwischen beiden Regelungsmaterien auf.
Die Parteifähigkeit wurde traditionell vor allem prozessrechtlich qualifiziert. Nach der Zuerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit an die Außen-GbR durch den BGH und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren Centros, Überseering und Inspire Art steht die hergebrachte Konzeption auf dem Prüfstand.
Diesen Befund nimmt der Autor zum Anlass und untersucht zunächst die Dogmatik der Parteifähigkeit anhand inländischer Sachverhalte. Nach einem rechtsvergleichenden Teil geht der Verfasser auf die Parteifähigkeit von Gebilden mit ausländischem Personalstatut ein und diskutiert insbesondere die so genannte Scheinauslandsgesellschaft. Darüber hinaus wird die gemeinschaftsrechtliche Dimension der Parteifähigkeit erörtert.